Wem soll ich es wie erzählen?

  • Hallo Falk,

    ich schon wieder.... :roll:

    Hast Du Dir diesen Thread mal ausgedruckt ? Zum noch-mal-später lesen ? Mach es einfach mal bitte, Du wirst gewisse Meinungen noch ändern. Du schreibst selber, das Du schon einige Meinungen revidiert hast.
    Wie gesagt, ich kenne diese ganzen Schwierigkeiten auch, "es" zu sagen, das ändert sich aber noch.

    UND: Die Politiker sind an einer Aufklärung über unsere Krankheit offensichtlich nicht interessiert, da könnten evtl. Steuergelder flöten gehen. Und im übrigen halte ich Die Alk-Industrie für überaus mächtig...

    Ich für meinen Teil werde in der Öffenlichkeit nicht über unsere Krankheit schweigen !
    Ich sehe es nämlich so, das NUR WIR etwas an dem allgemeinen Gesamtbild "Alkoholiker" was ändern können. WIR müssen der Allgemeinheit klarmachen, ds es sich hier nicht um eine Willensschwäche handelt sondern um eine KRANKHEIT.

    Meine Freunde wissen das heute ALLE und sie haben diese Vorurteile abgelegt, weil sie mich gut kennen und wissen, das ich nie willensschwach war. Wir haben viele Gespräche darüber geführt, auch wie es dazu wohl kam. Und sie werden mit Sicherheit da nicht mehr so drüber reden, wie es vielleicht andere tun.
    Ich kann das nur im kleinen Kreis tun, iss klar, aber in dem werde ich nicht darüber schweigen, sondern aufklären.
    Dazu muß man sich aber erst viel Wissen über unsere Krankheit aneignen, wir haben aber dafür hier eine ausgezeichnete Möglichkeit.
    Ich erzähle oft meinen Freunden und auch Bekannten hier von unserem Forum, auch Geschichten Betroffener. Und ich wüßte nicht, das hier überhaupt auch nur ein Obdachloser wäre beispielsweise.
    Unsere Krankheit kann jeden treffen, kein Berufsstand, keine Gesellschaftsschicht ist davon ausgenommen, das sind ganz einfach TATSACHEN.

    Was ich aber auch verstehen kann, ist den Wunsch, seine Kinder vor Repressalien von Freunden zu schützen. Aber ab einem gewissen Alter können sie sich dagegen wehren. Ich weiß nicht, wie ich damit umgegangen wäre, denn meine Tochter war schon erwachsen, als ich trocken wurde. Ich denke, man sollte es seinen Kindern ganz offen sagen, das man von einer Krankheit betroffen ist, die sich Alkoholismus nennt und alles erklären. Ab einem gewissen Alter werden sie das verstehen können. Und sie werden es dann auch Freunden erklären können. Aber ich weiß natürlich auch, wie Kinder so sind, besonders Jugendliche, nämlich oft ganz schön brutal... :wink:
    Aber vielleicht ist das auch eine gute Übung für die eigenen Kinder, mal gegen den Strom zu schwimmen ? Mut zum Anderssein zu haben ? Kann nämlich nie schaden.

    Denn das ist ja die "eigentliche" Aufgabe von Teenies, hihi :wink: die wollen doch immer sooo anders und cool sein :wink:
    Es könnte vielleicht auch eine gute Übung für ihr Selbstbewußtsein sein, auch mal anders zu sein ? Das meine ich natürlich jetzt ein bisschen ironisch. Viellecicht sollten sie einfach selber entscheiden, wem und ob sie es erzählen möchten.

    Die Freundinnen und Freunde meiner Tochter wissen alle, das ich ne Alkie bin. Aber sie kennen mich ja nun auch schon lange trocken. Wenn sie mal jemand "neues" mitbringt, so wie neulich ihren neuen Freund, bemerke ich da schon ein argwöhnisches Beobachten :wink: aber das ist immer innerhalb von wenigen Minuten verschwunden, weil sie merken, ach, die iss ja ganich so, wie ich dachte, das Alkies sind. Und ich kann auch vor denen offen über meine Krankheit sprechen, wenn sie denn wissen wollen, wie die ist.
    Und sie wollen darüber IMMER SEHR VIEL wissen, scheuen sich aber anfangs zu fragen. Wenn sie aber merken, es ist kein Tabu-Thema hier bei uns, werden sie ganz schnell ganz locker, wir sprechen drüber und machen auch den einen oder anderen Scherz, ich gehe da ganz locker mit um, aber sie wissen genau, das unsere Krankheit auch tödlich ist, auch das betone ich eindeutig.
    Und genau SO können auch wir das Bild vom typischen Alkie geraderücken.
    Ich für meinen Teil werde das auch weiterhin so tun, denn ich habe negative Reaktionen auf mich noch nicht bekommen. Was hinter meinem Rücken geredet wird, weiß ich natürlich nun nicht, aber ich denke, das ist nur sehr wenig, weil alle wissen, das sie das nicht tun müssen, sie können auch einfach mit mir darüber reden.

    Lieben Gruß an Dich
    Lilly

  • Hi Lilly und auch Ihr anderen alle,

    ne ausgedruckt habe ich mir den Thread nicht, aber werde ich später ja auch so wiederfinden.
    Mache das jetzt schon teilweis, dass ich zwischenducrch mal in meine ersten Beiträge reingehe um mich selber mal reflektiern zu können.

    Habe übrigens eben in einem anderen Forum noch folgendes zum thema geschrieben:

    Ich gehe noch weiter:
    Wenn ich also sage, ich habe mit vielem was leider vorwiegend mit dem Begriff Alkoholiker vebunden wird, nichts zu tun, ich mich nicht damit identifizieren kann, habe daher das Gefühl, meinem Gegenüber immer entschuldigende Aufkärungsarbeit machen zu müssen, um nicht den falschen Stempel aufgedrückt zu bekommen, dann habe ich immer das Gefühl, dass ich bei Verwendung des Begriffs Alkoholiker, auch noch zusätzlich "Asche auf mein Haupt streue", die da gar nicht hingehört. Ich bin vorwiegend Opfer einer Krankheit und nicht vorwiegend Täter!

    Hier im FORUM unter Betroffenen kann ich die Begrifflichkeit "Ich bin Alkoholiker" ohne Probleme anwenden. Nicht weil ich hier ein "Schlechter unter Schlechten" bin, sondern weil ich hier ein "Kranker unter Kranken" bin.
    Außerhalb bin ich jedoch bei Verwendung genau dieses Begriffes "Alkoholiker" ein "schlechter Kranker unter vermeindlich Gesunden"

    Lieben Gruß an Euch, muss jetzt mal ein bisschen arbeiten bis später
    Falk

    Nichts im Leben ist so schlimm, als dass man nicht darüber reden könnte!

  • Servus Falk,

    nachdem Du ja scheinbar kein Problem damit hast, Texte beliebig in anderen Foren einzustellen, habe ich mich mal dort umgesehen und Dein Beiträge unter "Marc" nachgelesen.
    Recht amüsant finde ich es, dass Du ja dort auch schon "angepflaumt" wurdest und man Dir unterstellt, Mitglieder "abzuwerben".

    Höchst interessant and ich Deine "Rechtfertigung" dazu. Für mich gipfelte sie in der Feststellung:
    edit Karsten
    das Zitat aus dem anderen Forum habe ich rausgenommen.
    Wir wollen hier in unserem Forum bleiben und nicht Themen oder Dispute von anderen Foren uns zu eigen machen.
    Jeder kann und soll schreiben, wo und was er möchte.
    edit


    Was willst Du eigentlich hier? Du provozierst doch die "sich-selbst-erfüllende-Prophezeiung" des "rausgeschmissen-werdens" mit solchen Kommentaren.

    Mit einem Versuch, trocken zu werden, hat das m.E. nichts zu tun.

    Siehst Du das anders?

    LG
    Spedi

  • Lieber Spedi,

    Nur ganz kurz, ich sehe es anders.

    Und wenn Du dort gelesenes hier wiedergiebst, dann mach es nicht andersrum, als es dort geschrieben stand.

    Niemand aus dem anderen Forum hat micht angepflaumt oder mir Vorwürfe gemacht!

    Spedi wir müssen ja nicht wirklich Freunde werden, aber wir könnten doch zumindet versuchen korrekt miteinander umzugehen.

    Wenn ich in Deinem Ton, Unterstellungen und Behauptungen hier antworten würde, hätten wir wieder das was ich nicht und was wohl kaum einer will.

    Also ich belasse es dabei. Frieden !


    Lieber Karsten,

    Der letzte Beitrag war keine Antwort, sondern meine Empfindung und eine zur Diskusiion gestellte These die hier meinerseits in den Thread gehörte, da es das gleiche Thema ist. Hätte ich den Text unkenntlich oder Umformulieren sollen?

    Werde ab sofort aber auf Deine obige Bitte eingehen und keine meiner bereits geschriebenen Textpasagen und wenn inhaltlich notwendig komplett umtexten. Ebenso werde ich mit Textpassagen verfahren, die ich hier schreibe

    LG vom Falk

    Nichts im Leben ist so schlimm, als dass man nicht darüber reden könnte!

  • Hallo Falk,

    wenn ich zugebe daß ich Alkoholiker bin kann ich vllt. etwas am Bild das die Bevölkerung von uns hat etwas ändern.

    So kann ich ihnen zeigen daß ich den Absprunng geschafft habe und es andere auch können, wenn sie es wollen.

    Ich zeige ihnen auch daß ein Alkoholiker nicht unter der Brücke schlafen muß oder ähnliches.

    Meiner Meinung nach bin ich/sind wir die einzigsten die etwas an diesem Bild des Alkoholikers in der Öffenttlichkeit ändern können.

    Das geht nur wenn wir offen damit umgehen. Ich brauche mir ja nicht gleich ein Schild um den Hals hängen.

    LG Maddin

  • Hallo,

    Zitat

    Das geht nur wenn wir offen damit umgehen. Ich brauche mir ja nicht gleich ein Schild um den Hals hängen.

    Oder vielleicht doch ?

    Ich erinnere mich an die "Stern-Aktion! damals, als sich Frauen geoutet haben, die Abgetrieben hatten, damit kam die Thematik aus der Anonoymität und der "Schmuddelecke".

    Genauso bei der Homosexualität, seitdem Politiker sich Offen bekennen, ist auch das Thema aus der "Schmuddelecke".

    Wenn endlich einmal aufgedeckt würde, das auch Anwälte, Ärzte,Politiker, Polizisten, und viele, viele andere von der Alkoholkrankheit betroffen sind, und nicht alles "nur Penner" sind, dann würde sich evtl. auch dieses Bild wandeln.

    Lieben Gruß, Rose

  • Hallo,

    nur so mein Gedanke am Rande, wenn ich mich öffentlich outen wollen würde(könnte) und ja vielleicht auch mit dem Schild auf die Straße gehen würde dann brauche ich ja auch keine Anonymität oder warum schreib man dann anonym????

    LG Maria

  • Hallo Maria,

    Zitat

    nur so mein Gedanke am Rande, wenn ich mich öffentlich outen wollen würde(könnte) und ja vielleicht auch mit dem Schild auf die Straße gehen würde dann brauche ich ja auch keine Anonymität oder warum schreib man dann anonym????

    Nein, ich bräuchte keine Anonymität mehr, wenn es diese "Schmuddelecke" in der Gesellschaft, Alkoholiker = Penner nicht mehr geben würde.

    Lieben Gruß, Rose

  • Hallo,

    mir fällt eben noch ein anderer Aspekt ein, warum das "Outing" Einigen !
    so schwer fällt.

    Vielleicht wäre das aber auch ein extra Thread.

    ALKOHOLIKERIN - FRAU ........

    Ist es nicht so, daß Frauen die "saufen", noch schlechter darstehen in der Gesellschaft, als Männer ?


    Lieben Gruß, Rose

  • Hallo Maria, Rosamunde, Madin und natürlich auch alle anderen,

    generell habt ihr alle recht, tatsächlich wäre es ein Weg, wenn sich alle mal outen würden, aber ................ ich bin kein Vorreiter dafür und diejenigen die es zuerst machen brauchen ein dickes Fell und einen langen Atem. Anfangs sind schlechte Kritiken offen und hinterm Rücken vorprogrammiert.
    Die Vorreiter brauchen zudem die Gewissheit, dass sie nicht alleine da stehen.
    Das hier manchmal zitierte "Scheißegalgefühl", hauptsache ich komm damit klar, egal was die anderen denken, kann ich nicht bewusst teilen, schon alleine meinen Kids zuliebe nicht. Und zu sagen: "Na und, die müsse auch lernen zu kämpfen", kann ich noch weniger teilen, die müssen schon genug kämpfen. Und brauchen nicht noch für mich etwas auszufechten.

    Male mal eine ganz abstrakte Idee aus. Wenn sich die SHG´s, Foren und Verbände mal einig wären, dann könnte man vielleicht tatsächlich was ändern. Den eine geschlossene mehrheitlich vetretenen Bitte an die Politik kann nicht ignoriert werden. Und bei uns geht es noch nicht mal um Gesetze wie bei Schwulen/Lesben und beim §218.
    Gibt es eigentlich eine Art Dachverband der SHG´s und Verbände?

    Es geht eigentlich nur darum das Aufklärung betrieben wird, dass Alkoholissmus eine Krankheit ist und was diese Krankheit tatsächlich ist!

    So, muss nu mal ins Bette
    Gute Nacht Euch,
    wünscht Falk

    Nichts im Leben ist so schlimm, als dass man nicht darüber reden könnte!

  • Hallo Falk,

    ich denke genau so, deswegen habe ich auch paar Fragen gestellt aber nicht so recht Antworten bekommen, meine Fragen waren ernst gestellte Fragen und keine ironische, laut schreien kann ich ja auch wenn ich will „alles egal Hauptsache ich komme damit klar“.
    Aber in diesem Moment denke ich geht es nicht nur um mich, um mein Leben damit es mir gut geht, sondern auch um das weitere Leben meines Kindes.
    Ich war die jenige die dem Kind wehgetan hat durch mein Verhalten jetzt soll ich zulassen dass jemand anderer ihm weh tut und zwar wieder meinetwegen. Ich lebe dann glücklich und zufrieden und mein Kind??? Ich kann gar nicht, nüchtern zufrieden weiterleben wenn ich zusehen muss dass mein Kind leidet.
    Und ich könnte hier Beispiele nennen wie sehr mein Kind schon leiden musste wegen den anderen aber es ging ja nicht um Alkohol also lasse ich es.

    Ich kenne mich ja schon paar Tage und weis dass sich diese Einstellung bei mir nicht ändern wird, egal wie lange ich an meiner Selbstsicherheit arbeite oder wie lange ich nüchtern bin und eine Heldin möchte ich auch nicht werden.

    Meine Gedanken zu diesem Thema.

    LG Maria

  • hallo Maria und alls,

    ja maria sehe ich genauso und kann Dir nur noch mal beipflichten.

    Ich habe ein wenig weiter drüber nachgedacht über die entstehung des Begriffstreits zu Alkoholiker dabei viel mir folgendes und ich glaube wichtiges noch ein, denn:

    Ich glaube erst in den 80er Jahren wurde per Gesetz bestimmt, dass Alkoholismus eine Krankheit ist!

    Vorher war es eben „nur“ ein Oberbegriff für all das was sich der Durchschnittsbürger so alles an Negativem dafür hat einfallen lassen und was er selbst so mal offen auf der Straße gesehen hat und was ihm so beigebracht wurde. Alkoholiker waren halt im wesentlichen „Penner“.

    Einen Penner, der bis dahin nur ein sozial gescheitertes „Subjekt“ war, plötzlich per Gesetz zum „Kranken“ zu befördern ………….ist und war wohl nur schwer in die Köpfe zu bekommen!

    Und wenn ich mich an meine spätere Jugend erinnere. Ich glaube mit Alkoholismus, habe ich selbst tatsächlich damals nur Penner in Verbindung gebracht.

    Diesbezüglich nachfolgend etwas zu Karstens Erläuterung, weil ich glaube, dass da auch eine Art Knackpunkt und auch ein neuer Ansatzpunkt in der jetzigen Diskussion liegt!
    Karstens Erklärung hakte bei mir sofort, schon alleine wegen der Dramatik der Situation und seines letzten Zustandes als nasser Alkoholiker. Habe aber zuerst ein wenig darüber nachdenken müssen, denn andererseits hat er ja für sich Recht!........ aber nicht für mich!

    Karsten Du schriebst:

    Ich kann für mich sagen, dass ich ein verkommenes Objekt war, das mit vollgepisster Hose in einem Haufen Dreck gelegen habe, nur weil mir alles egal war. Ich wollte nur Alkohol. Ich entsprach völlig dem Klischee, wie sich die Gesellschaft einen Alkoholiker vorstellt.
    Heute sage ich ganz offen, dass ich trockener Alkoholiker bin. Ich weiß auch, dass viele Menschen das Wort "trocken" nicht hören und das Wort "Alkoholiker" als "Säufer" interpretieren.

    Ich halte das oben von Dir geschriebene für ziemlich mutig! Aber, Ich halte es genauso für normalerweise nicht notwendig und auch gar nicht wünschenswert, dieses so explizit zu formulieren und mitzuteilen.

    Hier in der Diskussion war es für mich absolut wichtig!

    Es ist im Grunde ein Grund dafür weswegen es hier einerseits unterschiedliche Sichtweisen gibt, und ist andererseits natürlich auch mitursächlich dafür, dass es derart viele, dem Begriff Alkoholismus zugeordnete, negative Attribute gibt, die in der gesellschaftlichen Interpretation weit vor der Interpretation des Begriffes Alkoholismus als Krankheit liegen.

    Es ist für mich völlig unmöglich mich mit einem Satz wie

    dass ich ein verkommenes Objekt war, das mit vollgepisster Hose in einem Haufen Dreck gelegen habe

    zu identifizieren. Es trifft auf mich nicht zu und ich möchte definitiv nicht, dass jemand auch nur annähernd mich und meine Krankheit so sieht, mich und mein Umfeld, meine Familie mit einem solchen Bild in Verbindung bringt. Aber selbst wenn es so wäre, wenn ich diesen Tiefstpunkt so oder anders gehabt hätte, wäre es weder ein wünschenswerter noch helfender Zustand für mich, dass es eben jeder weiß. Nicht jede mich prägende und beeinflussende „Leiche im Keller“ muss ich im Sarg offen hinter mir durch die Straßen ziehen. Das macht auch psychologisch keinen Sinn! Und würde mir mit Sicherheit auch kein Psycholge so raten.

    Dass ich meinen eigenen persönlichen Tiefstpunkt nicht vergessen darf ist mir für mich klar. Aber er wird doch nicht dadurch präsenter für mich, wenn diesen und seine Begleitumstände jeder andere auch noch kennt und ich alle anderen möglichen Tiefstpunkte dann auch noch auf mir vereine.

    Der ganz persönliche Tiefstpunkt und das ist meine junge Erfahrung, liegt bei jedem hier woanders. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Wurzel, nämlich die Krankheit „Alkoholismus“.
    Und nur weil der mögliche Verlauf mich gegebenenfalls zu vielen möglichen schlimmeren und schlimmsten Tiefstpunkten hätte bringen können, ist es doch kein Grund dafür, dass ich mich damit derart identifiziere, als ob ich diese alle erlebt und auf mich persönlich beziehen muss. Zumal persönliche Lebensumstände und soziales Umfeld oder einfach nur Glück und Pech , bzw. Schicksal hier bestimmte individuelle Grenzen ziehen.

    Ich entsprach völlig dem Klischee, wie sich die Gesellschaft einen Alkoholiker vorstellt.

    Das kann nicht wirklich richtig sein, denn es gibt auch jede Menge negative Interpretationen, denen Du nicht entsprachst, Dein Tiefstpunkt entsprach halt nur einem Tiefstpunkt der gesellschaftlich zu den besonders geächteten Tiefstpunkten der Krankheit entsprach.

    Somit bin ich momentan eigentlich nur in meiner Meinung bestärkt, dass die Wurzel dieser jetzigen Diskussion ein gesellschaftlich verwachsene Fehlbelegung der Begriffs Alkoholismus und Alkoholiker gibt.

    Ich muss mich zwar zu meiner Krankheit bekennen, aber nicht zu der Fehlbelegung eines Begriffes.

    Wenn ich damit in einer richtigen Richtung denke, dann wäre die einzig mögliche Lösung für das Dilemma entweder ein anderer Begriff für die Krankheit, oder eine massive Aufklärung und der Gesellschaft über die Krankheit.

    Damit wäre nicht nur uns als Alkoholikern geholfen, sondern ich bin auch davon überzeugt, dass viele „Tiefstpunkte“ weit nach vorne gelegt würden und viele erst gar nicht eintreten würden, wenn man über diese Krankheit mit jedem und mittels einem nur mit Krankheit belegtem Vokabular sprechen könnte, so ich wie es über einen Herzinfarkt machen könnte.

    So, ist nu wieder lang geworden. Freue mich über Eure Re´s

    LG vom Falk

    Nichts im Leben ist so schlimm, als dass man nicht darüber reden könnte!

  • Falk,

    die Anerkennung als Krankheit erfolgte in der Bundesrepublik im Jahr 1968.

  • Hallo,

    mit Interesse habe ich auch diese Diskussion hier gelesen.
    Wem ich sage das ich Alkoholkrank bin entscheide erstmal ich alleine. Ich muß auch kein Schild durch die Strasse tragen auf dem steht: Ich bin....
    Finde diese Dikussion um die Begrifflichkeit etwas müßig. Also wenn Karsten sagt er ist Alkoholiker weil er im Dreck lag ist das ok aber für diejenigen welche ihre tägliche Ration auf der Terasse ihres Eigenheims trinken bitte ein anderes Wort welches keine negativen Assoziazionen hervorruft und das ganze vornehm umschreibt, ergo verniedlicht und verharmlost.
    Ich glaube kaum das Menschen welche HIV+ sind auch solche haarspalterische Diskussion führen. Kenne durchaus Menschen mit HIV und denen sieht man die Krankheit nicht an. Ist aber eine absolut tötlich verlaufende Krankheit. Wer jetzt meint sagen zu müssen, das wäre ja etwas ganz anderes weil derjenige eventuell risikovollen S** hatte liegt er wohl etwas falsch.
    Es hat auch keiner von mir verlangt mein erstes Glas zu trinken....
    Auch ich habe einige Zeit gebraucht um mir selbst zu sagen, ich bin Alkoholiker. Erst als ich das für mich verinnerlicht hatte konnte ich auch nach Außen gehen.

    LG Christian

  • Hallo Falk,

    du schreibst unter anderem

    Zitat

    ich bin auch davon überzeugt, dass viele „Tiefstpunkte“ weit nach vorne gelegt würden und viele erst gar nicht eintreten würden

    Davon bin ich nicht überzeugt. Wir reden hier von dem persönlichen Tiefpunkt, den wohl ein jeder erst erreichen muss, jeder einzelne muss ihn selbst erfahren.

    Ich glaube nicht dass man den persönlichen Tiefpunkt vorverlegen kann. Wenn viel mehr ihren persönlichen Tiefpunkt nicht erreichen, sehe ich das nicht als positiv.

    Es gibt meiner Meinung nach keinen individuellen Tiefpunkt für einen Menschen. Wenn man dem Tod gerade noch davon gekommen ist, ist das wohl der tiefste körperliche Tiefpunkt den man haben kann, weil danach direkt der Tod kommt.


    Zitat

    Es ist für mich völlig unmöglich mich mit einem Satz wie

    dass ich ein verkommenes Objekt war, das mit vollgepisster Hose in einem Haufen Dreck gelegen habe

    zu identifizieren. Es trifft auf mich nicht zu und ich möchte definitiv nicht, dass jemand auch nur annähernd mich und meine Krankheit so sieht, mich und mein Umfeld, meine Familie mit einem solchen Bild in Verbindung bringt.

    Sei froh das du noch nicht so weit unten warst, aber es ist die Realität, der Verlauf unserer Krankheit wenn sie nicht gestoppt wird. Viele erreichen diesen Punkt aber erst garnicht weil sie schon viel früher sterben.

    Karstens Offenheit zeigt mir und vielen Menschen wo man hinkommen kann, aber gleichzeitig zeigt sie auch das man von da unten auch wieder nach oben kommen kann.

    Der Weg und das Ziel der ungestoppten Alkoholkrankeit ist immer der gleiche, am Ende steht immer der Tod.
    Nur die Länge des Weges ist bei vielen unterschiedlich.

    Ein Penner ist nur ein Obdachloser der kein eigenes zu Hause mehr hat, ansonsten ist er ein normaler Mensch wie du und ich. Ein alkoholkranker Obdachloser ist genauso alkoholkrank wie du und ich, nicht mehr und nicht weniger.

    Das ist meine Meinung dazu.

    Liebe Grüße, Alexej

    ....ich lebe lieber ungewöhnlich...

    "Das letzte Mal Alkohol getrunken am 12.02.2007"

  • Hallo alle,

    nehmen wir an, ich wäre Motorradfahrer. Und Motorradfahrer hätten den klischeehaften Ruf zu rasen wie die Blöden. Und ich wollte mich damit nicht identifizieren.
    So würde ich nicht versuchen einen neuen Begriff für's Motorradfahren zu kreieren, sondern nicht rasen.

    Das einzige, was jeder einzelne von uns tun kann, um den Begriff "Alkoholiker" in der Gesellschaft aufzumöbeln, ist trocken zu bleiben und zufrieden damit zu leben und vorzuleben.

    Gruß Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Hallo,

    Micha schreibt:

    Zitat

    Das einzige, was jeder einzelne von uns tun kann, um den Begriff "Alkoholiker" in der Gesellschaft aufzumöbeln, ist trocken zu bleiben und zufrieden damit zu leben und vorzuleben.

    Ein Motorradfahrer ist meistens offensichtlich ein Motorradfahrer, woran erkennt man denn in der Gesellschaft den trockenen Alkoholiker ?
    Durch`s outen mit Schild um den Hals ?

    Verstehe ich jetzt nicht so ganz. :oops:

    Lieben Gruß, Rose

  • Hallo Rose,

    wer sagt denn, dass man einen trockenen Alkoholiker jederzeit erkennen können muss?
    Ich gehe einfach davon aus, dass ich umso stabiler trocken werde, je offener ich damit in der Lage bin umzugehen. Und umgekehrt. Mehr Offenheit bedeutet in diesem Sinne mehr Sicherheit.

    Ich wollte mit dem Beispiel zum Ausdruck bringen, dass es meiner Ansicht nach nichts nutzt, sich einen Begriff so lange schön zu diskutieren, bis er einem passt, weil er in der Gesellschaft schlecht beleumundet ist. So leicht kommt man aus dieser Nummer nicht raus.
    Wenn wir wollen, dass sich das Bild unserer Krankheit in der Gesellschaft präzisiert, sollten wir aus der Deckung kommen. Alle die sich verstecken, haben Anteil an den schrägen Vorstellungen der Gesellschaft und - was noch viel mehr wiegt - schwächen meiner Meinung nach die Stabilität ihrer eigenen Trockenheit.

    Ich bin auch noch lange nicht soweit damit wie ich sein möchte, aber sehe es für meinen weiteren Trocknungsprozess als unandingbar an, dies - nämlich mich - noch zu ändern und nicht die Begrifflichkeit meiner Krankheit.

    Ich bin der Letzte, der vorhat rumzurennen und aus irgendeinem Sendungsbewusstsein heraus hinauszuposaunen, dass ich Alkoholiker bin. Aber ich möchte meine Energie dafür einsetzen, dass ich nicht aus ANGST meine Krankheit verleugnen muss.


    Gruß Micha

    Das Schönste kommt noch

  • Hallo Micha,

    Hm.......besser verstanden. Danke !


    Liebe Grüße, Rose

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