Liebe Syrinx,
gut finde ich, dass deine Wohnung dir wieder allein gehört und du wieder dein Leben - so wie du es möchtest - lebst. Was mir aber leid tut, ist der Zorn und die Wut, die ich aus deinen Zeilen lese.
Du sagst, du kannst dich selber nicht mehr verstehen, warum du das letzte Jahr - so wie es war - verbracht hast. Ich lese heraus, dass du dich ausgenutzt fühlst und ich denke, du kommst dir dumm vor. Dumm, das so "mitgespielt" zu haben. Aber bist du in dieser Hinsicht nicht sehr streng mit dir selbst? Jeder von uns, der hier schreibt, ist sicherlich zum ersten Mal in dieser Ausnahmesituation, die das "Er-leben" einer Suchterkrankung mit sich bringt. Ist es da so ungewöhnlich zu glauben, dass die Liebe auch zu einer "Heilung" oder zumindest "Verbesserung" beitragen kann?
In meiner damaligen Situation wuchs für mich irgendwann die Einsicht, dass die Liebe das a) nicht kann aber auch sein Verhalten b) mit Liebe - aber auch mit Missachtung der Liebe - nichts zu tun hat. Es war doch vielmehr wie mit jemandem, der schon in einer Beziehung ist und wer schon eine "Hauptgeliebte" hat, der behandelt seine "Nebenfrau" nachrangig. Auch wenn die Hauptfrau ein Miststück ist.
Syrinx, ich glaube, du siehst dich jetzt so getäuscht und enttäuscht, weil du investiert hast und es ist nur Schlechtes zurück gekommen. Das hat er aber nicht gemacht, um dich zu strafen oder zu missachten. Es ist seine Sucht - das einzige was ihn wirklich interessiert. Damit hast du nicht einmal etwas zu tun. Aber du warst der bequeme Weg, damit er seiner Sucht weiter nachgehen konnte. De facto ändert es natürlich nichts an der Sache, so wie sie abgelaufen ist - aber es war vermutlich nicht so, dass er deine Gefühle verletzten wollte. Er war nur mit seiner Sucht und seinen Befindlichkeiten beschäftigt, dass du komplett auf der Strecke bliebst.
Ich will jetzt auch nichts schönreden oder so - aber ich habe das Gefühl, dass du zu hart mit dir selbst ins Gericht gehst. Ja, auf die harte Sache hast du erfahren, dass es nicht funktioniert. Das war sehr bitter und hat vermutlich auch noch viel Geld gekostet. Aber damals wolltest du es so versuchen, es gab Erfahrungen, die du noch nicht gemacht hattest. Ich finde nicht, dass das dumm ist. Unerfahren sicherlich.
Aber mir ging es - auch schon in anderen Beziehungen so - dass ich das Gefühl haben wollte, alles versucht zu haben. Heute und mit einigem Abstand denke ich da anders drüber. Aber in der damaligen Situation habe ich eben so entschieden und hatte auch gute Gründe dafür. Ich denke auch nicht, dass ich damals alles richtig gemacht habe - aber in der damaligen Situation war es dann doch das richtige für mich.
Es gibt von Konfuzius ein gutes Wort: Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: durch Nachdenken ist der edelste, durch Nachahmen der einfachste, durch Erfahrung der bitterste.
Ich wünsche dir schöne Ostertage und vor allem Frieden mit dir selbst.
viele Grüße
HM