Guten Morgen Marli,
ich finde ehrlich gesagt gar nicht, dass es unbedingt etwas bringt, zu vergleichen, ob man Kindern etwas anmerkt oder nicht. Manche zeigen es, manche nicht. Manche nehmen es bewusst wahr, manche nicht.
Du hast ja selbst beschrieben, dass sie ihn von unten bis oben mustern. Bedeutet, dass es schon soweit ist, dass sie es nicht nur unbewusst wahrnehmen, sondern ganz bewusst.
Meine Kinder haben damals auch zunächst nicht mehr geäußert als "Du bist irgendwie so komisch". Das ist dasselbe, als würden sie mich mustern, so wie Deine Kinder es bei Deinem Mann tun.
Wie ich im Nachhinein gefahren habe, haben sie bereits da schon richtig extrem darunter gelitten, wenn sie diese Veränderung an mir wahrgenommen haben. Es ist befremdlich für Kinder und macht bereits dann etwas mit ihnen. Und das sind nur die Situationen die Du selbst wiederum an den Kindern bemerkst. Du bist ja auch ziemlich mit Dir und Deinem Mann beschäftigt. Ich wette, dass Du so manche Empfindungen der Kinder gar nicht bemerkst. Zumal Kinder ja oft auch einfach gerade wegen der Veränderungen die sie bemerken, die Normalität weiterleben.
Wie oft kommt es vor, dass man ein Gespräch führt und denkt ,die Kinder spielen gerade und nehmen das gar nicht wahr. Und dann kommt ein Satz und man merkt: Oh, sie haben alles mitbekommen.
Kinder bekommen so wahnsinnig viel mit und es prägt sie. Da kann man noch so sehr den Eindruck haben "Ach, so schlimm ist es nicht".
Was das Thema Trennung angeht: Logisch denkt man als Mutter "das kann ich den Kindern doch nicht antun", weil es dann ein Erlebnis ist, was erstmal ein Drama auslösen kann. So eine Alkoholkrankheit in der Familie ist aber auch ein Drama. Dieses Drama dümpelt so über die Jahre vor sich hin, während eine Trennung sich dann nach außen bemerkbar macht. Das Drama für die Kinder, was aber so vor sich hinläuft ist nicht weniger schlimm, nur weil die Auswirkungen nicht so krass zu merken sind, wie bei einer Trennung! Ich glaube, das ist vielen nicht bewusst.
Meine Kinder waren beide noch klein, als ich mich von meinem Mann trennte (er trank zwar nicht, aber es gab andere Gründe, die zur Trennung führen mussten). Ich habe lange überlegt, ob ich den Kindern die Trennung antun kann. Als es soweit war, da war es ein Drama:
Meine Jungs haben abends geweint und gesagt, sie wollen zu Papa. Ich war oft verzweifelt und habe mir immer wieder die Frage gestellt, ob ich den Kindern das antun kann, da mir mit voller Wucht gezeigt wurde, wie sie leiden. Aber ich habe mir immer gesagt, dass sie auch leiden, wenn ich bleibe, nur eben still und sehr viel länger.
Ich habe es durchgezogen, so hart es auch war. Das ist inzwischen sehr viele Jahre her, meine Jungs sind Jugendliche. Ich habe im Laufe der Zeit nun schon so oft gehört, dass sie froh sind, dass wir nicht zusammen leben, weil sie sich noch sehr genau daran erinnern können, wie es war, als wir noch zusammenlebten. Obwohl sie so klein waren.
Außerdem bekommen sie auch jetzt die Charakterzüge ihres Vaters mit und konnten - je älter sie wurden - immer mehr verstehen, weshalb ich nicht bleiben konnte.
So wird es auch mit Deinen Kindern sein. Wenn sie größer sind, kann man sich erklären. Oft muss man das auch gar nicht, weil sie es selbst sehen. Denn er wird ja ihr Papa bleiben und sie werden weiterhin sehen, wenn er trinkt. Das Verständnis wird da sein und sie werden Dir dankbar sein, dass Du in ihrem Sinne entschieden hast.
Klar ist es schwer. Aber mit solchen Argumenten wie "das Zuhause verlieren, der schöne Garten..." stößt Du zumindest bei mir auf Granit. Ich hatte ein wunderschönes Haus mit meinem Mann gebaut, mit wunderschönem Garten. Es war MEIN Traumhaus, ich habe mir alles ausgesucht, wir haben selbst gebaut. Meine Kinder haben sich in dem Haus und Garten pudelwohl gefühlt. Aber diese Stimmung die zu Hause herrschte. Die hat alles, aber auch alles getrübt.
Nach der Trennung sind wir zunächst in einer kleinen Wohnung im Obergeschoss gelandet. Wenn ich mit den Kindern raus wollte, musste ich mit ihnen auf den Spielplatz gehen. Du kannst Dir sicherlich vorstellen, was für eine Umstellung das war.
Aber weißt Du, was in das neue "Zuhause" eingekehrt ist? Eine andere Stimmung und Ruhe für die Kinder!! Das hab ich nie bereut, dafür mein Haus und Garten aufgegeben zu haben.
Ja, es kamen bei mir dann auch andere Zeiten, weil ich später vermehrt trank und dann auch extrem. Für die Probleme war ich dann selbst verantwortlich. Meine Kinder mussten also noch weiter leiden. Bis ich selbst nicht mehr konnte und endlich aufhören konnte zu trinken. Sie haben also noch sehr viel mitbekommen in ihrem Leben und ich habe soweit es geht versucht, den Schaden wieder zu begrenzen.
Ich bin also nicht hier, um Dir zu sagen, wie toll ich bin und wie super ich das alles gemeistert habe. Ganz im Gegenteil, ich habe extrem viel verbockt.
Aber einfach wegen des Themas "Trennung", obwohl die Kinder leiden könnten, wollte ich das hier alles schreiben. Denn sie leiden bei einer Trennung nicht mehr, als wenn sie in der Situation bleiben müssen. Sie leiden anders, still und ohne großen Knall. Aber sehr viel länger, als bei einer Trennung.
LG Cadda