Lieber xxx, warum ist er denn eifersüchtig? Warum fragt er ständig, ob ich einen anderen habe, wenn ich mehrere Wege erledige, die länger dauern oder wenn ich mit Bekannten zum Essen gehe, mir einfach was gönne? Er hat oft im Suff geäußert, früher schon, wenn ich ihn jemals betrüge oder gehe, würde er mir was antun. Warum sagt man sowas, wenn man nichts mehr für seine Partnerin übrig hat? Warum würde er mir kein besseres Leben gönnen? Ich bin die Mutter seiner Kinder.
(ich habe dieses Zitat aus einem anderen Thema mitgenommen und wollte darauf antworten und festgestellt, dass meine Antwort hier auch sehr gut aufgehoben ist und ich meine Antwort gerne bei mir hätte.)
Weil der Alkohol nach und nach die Synapsen im Hirn verändert und man anfängt, Gespenster zu sehen. Sprichwörtlich. Das war ein großer Baustein bei mir, dass ich wirklich bemerkte, wie die Welt um mich herum dunkler wurde. Meine Gedanken und Gefühlswelt wurden immer negativer. Ich habe selbst bei mir auf eine Depression getippt, obwohl ich eigentlich wußte, dass es am Alkohol liegen muss.
Und ich habe wirklich gemerkt, wie sich diese verzweifelte Wut in mir selber, die ich nicht kontrollieren konnte, langsam an Menschen entlud, die aber nichts dafür konnten. Ich habe richtig wahrgenommen, wie ich mich Stück für Stück veränderte.
Auch die Wahrnehmung meiner Umwelt wurde immer dunkler, bei eigentlich wunderschönen Momenten konnte ich mich in keiner Weise darüber freuen sondern war tief traurig. Und manchmal, wenn ich alleine war, habe ich mich bewusst in diesen Strudel reinfallen lassen.
Junge Junge, das noch einmal zu reflektieren macht echt Gänsehaut. Aber der Alkohol ist da echt fies, auf der einen Seite führt er Dich sukzessive immer tiefer in das Loch, gleichzeitig ist er aber auch das Mittel um einem ein wenig "Freude" zu spenden. Aber dieser "Kick" ist nur von kurzer Dauer, danach kommt wieder die Traurigkeit. Und die ist besonders da, wenn man gerade nichts trinkt. Also quasi verkatert ist. Also deswegen wartet man sehnsüchtig wieder auf den nächsten Kick. Man ist quasi gefangen wie in einem Hamsterrad mit Spirale.
Das Glück was ich hatte , war diese Muster zu erkennen und schlussendlich durchbrechen zu können. Ich bin unendlich dankbar für meine vielleicht genetische, möglicherweise auch anerzogene extrem hohe Moral und Gerechtigkeitssinn, die mich im Endeffekt wirklich geschützt haben. Diese Mauern haben dafür gesorgt, dass ich diese aufgestaute Wut und Traurigkeit nur ganz selten an meinen Mitmenschen "rausgelassen" habe. Und auch wenn es zu diesen Momenten kam und diese falschen Emotionen rüberschwappten, hab ich mich schnell irgendwo versteckt und das mit mir selber ausgemacht.
Und ein wichtiger, weiterer Baustein, irgendwo tief in mir loderte auch immer noch die Sehnsucht nach Freiheit, Glück und Zufriedenheit. Und ich hatte so einen Drang danach, diese Ketten der Last loszuwerden.
Paradoxer Weise, ich wußte ja eigentlich wie es um mich stand, ich wußte es sehr genau und wußte eigentlich auch genau, dass der Alkohol schuld war, konnte ich mir das nicht vorstellen, aufzuhören. Ich hab mir sogar eine Therapeutin gesucht und ihr von meinen vermeidlichen Depressionen erzählt und diese Person meinte nur, ich habe keine Depressionen, sondern ein Alkoholproblem. Rumms......fachlich bestätigt. Und auch diese Aussage hat (erstmal) nicht geholfen, dass ich aufgehört habe.
Warum? Der Alkohol ist echt gut darin, einem die eigene Verantwortung abzunehmen und ins Ohr zu flüstern, dass er eigentlich die Lösung ist und nicht das Problem. Und deswegen macht man weiter und geht tiefer und tiefer in den Kaninchenbau.
Aber, meine persönliche Erfahrung, man kann diese ganzen Ketten sprengen. Nur dann, so ging es mir, ist man erst einmal nackt und quasi orientierungslos und es ist erstmal schwierig, die ganzen ungefilterten Emotionen einzuordnen und damit umzugehen. Und alles was man vorher irgendwie durch die Katalysator Alkohol oder Filter Alkohol gejagt hat, muss man nun alleine, ohne dieses "Mittel" verarbeiten.
Mir wurde an verschiedenen Stellen damals nahegelegt, dass das freudige Gefühl, die sogenannte Anfangseuphorie, nachdem man ein paar Tage ohne Alkohol verbracht hat, gefährlich ist, man sich seiner Sache nicht zu sicher sein soll. Ich hab das Gefühl damals voll mitgenommen, ausgebaut und quasi als Basisplattform etabliert. Ich meine, nachdem man wirklich lange in einem emotionalen, tiefen Loch gesessen hat, dürstet man nach guten Momenten als auch ungefilterten Glück.
Und das habe ich voll mitgenommen, ich habe genossen, mich zu spüren, mich wahrzunehmen, mich zu fordern.