Liebe Forenteilnehmer!
Hatte gestern mein wöchentliches Meeting in meiner SHG-Gruppe und möchte euch einen Fall schildern der mich außerordentlich beschäftigt und zum Nachdenken gebracht hat:
Eine Frau, nennen wir sie S. berichtete über ihren Rückfall der sich wie folgt ereignet hat:
S. war seit 10 Jahren trocken und ging die ersten fünf Jahre regelmäßig in eine SHG-Gruppe.
Danach hielt sie es nicht mehr für notwendig und ließ den Kontakt abbrechen – blieb aber weiterhin trocken. Ob sie auch in zufriedener Nüchternheit lebte konnte sie nicht beantworten.
Im Oktober vergangenen Jahres suchte sie ihren Hausarzt wegen Entzündungen in der Mundhöhle auf. Vorauszuschicken wäre, dass dieser Arzt von ihrer Alkoholkrankheit wusste. Er verschrieb ihr ein
alkoholhältiges Mundwasser zur Spülung und erwähnte so nebenbei, dass sie ja nach der nunmehr langjährigen Trockenheit auch gelegentlich Alkohol trinken könnte!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
S. trat im November einen schon seit längerer Zeit geplanten Kuraufenthalt an. Alles lief gut und die
Behandlung der ursächlichen körperlichen Beschwerden zeigte Erfolge. Am letzten Abend stand ein
Abschiedsfest der Kurteilnehmer an und eh sich S. versehen konnte stand ein Glas Wein vor ihr.
Sie trank es und noch ein zweites Glas – damit nahm das Schicksal seinen Lauf.
Binnen kurzer Zeit wurden die Mengen größer und die Zeitabstände kürzer bis sie wieder täglich trank.
Ihr Hausarzt vor die Tatsache gestellt daß sie wieder trank, meinte nur, dass dies eben in manchen Fällen und selten vorkommt – nach so langer Trockenheit!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Mittlerweile hat sie den Arzt gewechselt , ambulant entzogen bzw. ist noch dabei und gestern zum ersten Mal wieder unsere SHG aufgesucht was sie auch weiterhin tun wird. Ich hoffe für sie, dass sie es diesmal dauerhaft schafft.
Was mich aber beschäftigt ist wie konnte es dazu kommen bzw. was ist falsch gelaufen und was kann ich daraus für mich lernen ?
Ein paar Überlegungen:
S. hat nach 5 Jahren den Kontakt zu ihrer SHG abgebrochen.
Der Hausarzt hat scheinbar keine Ahnung über Art, Verlauf und Dauer einer Alkoholsucht.
S. hat sich am Beginn ihres Kuraufenthaltes nicht als trockene Alkoholikerin „geoutet“.
S. hat eine Veranstaltung besucht, wo vordergründig Alkohol konsumiert wird.
Und
die für mich entscheidenste Frage an S. war:
„Hast du wirklich daran geglaubt jemals wieder kontrolliert trinken zu können?“
Worauf sie sagte:„Ja, das habe ich ! „
Dieser Fall hat mich die ganze Nacht über beschäftigt. Habe nicht gut geschlafen und mir immer wieder Gedanken gemacht was ist alles falsch gelaufen und welche Lehren kann ich daraus für mich ziehen. Auch habe ich mir in den schlaflosen Stunden bereits im Geiste überlegt wie ich das Ganze zu Papier bringen könnte.
Ich würde euch nunmehr ersuchen mir eure Sicht der Dinge mitzuteilen bzw. was können wir daraus für uns und unsere weitere Arbeit an der Trockenheit annehmen bzw. vermeiden!
Liebe Grüße
Andreas