Individualität in der Sucht

  • Hallo Spedi,

    nein, das will ich nicht sagen. Darum geht es mir auch gar nicht.

    Zitat

    daher kommt die Aufarbeitung erst nach der Sucht.

    Ein „nach der Sucht“ suggeriert mir, dass der Zustand der Sucht vergänglich ist – ob durch Heilung oder welche Methode auch immer.
    Für mich gibt es kein "nach der Sucht". Ich verstehe mich als lebenslang süchtig.

    Das ist übrigens etwas, das ich als nicht individuell betrachte. Wir bleiben unser Leben lang abhängig.

    Viele Grüße
    Clare

  • Liebe Clare,

    ich stimme Dir hier völlig zu:

    Zitat

    Wir bleiben unser Leben lang abhängig.

    Das hat meines Wissens auch niemand bestritten oder in Frage gestellt.

    Was Du Dir suggerierst kann und will ich nicht beurteilen, das ist Deine Baustelle. Genauso wie ein Hinein- oder Fehlinterpretieren.

    Wie immer, so auch hier: wenn Du willst, findest Du Wege. Wenn Du nicht willst, findest Du Gründe. In diesem Fall vielleicht nicht für's Trinken, sondern für's "Verstehen-wollen".

    LG
    Spedi

  • Hallo Spedi,

    so langsam ahne ich worauf du vielleicht hinaus möchtest.

    Wo und wann tritt die von Dir in Frage gestellte Indidualität auf?
    Ich habe mal überlegt wie es bei mir war und ob es da auch so etwas gab.

    Ja gab es.
    Meine Sucht war genau in dem Zeitraum so unwahrscheinlich Individuell als ich zwar wußte Suchtkrank/Alkoholkrank zu sein aber diese Erkenntnis in meinem inneren noch nicht angekommen war.
    Alles aber auch alles sträubte sich in mir und ich wollte nicht so sein wie die Anderen; die Säufer! Bei mir waren es so viele andere Dinge, war überhaupt alles anders, eben Individuell.

    Ich denke erst als ich für mich selbst im Innersten annahm das ich Alkoholkrank bin, vor dem Alkohol kapitulierte, konnte ich es akzeptieren und brauchte mich nicht mehr hinter dem 'individuellen' meiner Sucht zu verstecken.

    Gruß
    Mannberlin

  • Zitat von Spedi

    Aber es ist immer wieder interessant zu sehen, was von wem wann wie interpretiert wird. :!::)

    Zitat von Spedi

    danke für diese "Steilvorlage", die ich natürlich gerne "verwandle".

    ottonv hat Folgendes geschrieben:
    ...Wenn ich mich jedoch für Hilfe zur Selbsthilfe "herablasse" und anbiete, dann muss ich auch versuchen die unzähligen in Frage kommenden Individualitäten des um Hilfe bittenden Individuums herauszufinden und darauf sachlich eingehen, zumindest so lange, bis absolut fest steht, dass das Individuum eigentlich nur Ausreden sucht bzw. unbelehrbar ist. ...

    Hallo Spedi,

    ja, das ist manchmal sehr interessant. Also, wenn "ich" die Worte "ich" und "mich" verwende, dann meine "ich" damit auch "ich" und "mich" und nicht "der", "die", "das" oder "Dich". Ansonsten hätte ich das kleine Synonym "man" verwendet, oder sind wir beim Schuhe-Anziehen? :wink:

    Aber mal ehrlich, was soll der ganze Thread hier eigentlich ? Und vor Allem mit diesen Fragen, die ja doch von vornherein, zumindest für jeden mit einer allgemeinen Schulbildung, nur eine einzige Antwort zulassen, Sucht ist Sucht :!:
    Ich habe hier im Forum bei noch keiner/m gelesen, dass sie/er diesen Fakt, wenn Problem für sich erkannt, in Frage stellte. Ich laß immer nur von Individualität im Zusammenhang mit dem persönlichen Umfeld. Die wenigen Zweifler, die sich noch nicht zur Sucht bekennen konnten, sondern hier nur Rat suchten um Für und Wider ihres Konsumes abzuwägen und dann für sich entscheiden, ob sie sich als süchtig betrachten oder nicht, lasse ich mal aussen vor.

    Also, worum geht es ? Geht es um Selbstbestätigung oder Bestätigungshascherei ? Oder wollte da jemand Schafe anlocken, um sie unter tosendem Beifall im Löwenkäfig zu zerreissen ?

    Ich glaube nicht, dass Du mit Deinem ausgeprägten Fachwissen um die Sucht sowas nötig hast.

    LG, Andy

  • Hallo Andy,

    Zitat

    ... zumindest für jeden mit einer allgemeinen Schulbildung...

    Sicherlich gibt es hier Menschen die froh
    wären wenn Du sie nicht von deinem hohen
    "Bildungsross" herab ansprechen würdest.

    Wir sind hier eine Gemeinschft von Menschen
    die versuchen ein abstinentes Leben zu führen.
    Ich (und vieleicht auch andere) möchten nicht
    in Schubladen irgendwelcher
    Bildungseitelkeiten gesteckt werden.

    Paolo

    Als ich auf einer Kaufhaus-Kundentoilette in meiner eigenen Kotze aufwachte, hätte ich aufhören müssen zu saufen.
    Da war ich gerade mal 20 Jahre alt.
    Es sollten aber noch 30 Jahre vergehen!

  • Hallo Spedi,

    wie dir auch schon genau richtig aufgefallen ist: Man kann so viel hinein- und fehlinterpretieren, gelle? Sich nur die Schwarzwälder Kirsch aus der Sahnetorte picken oder sogar eine Weißweinsauce daraus machen, wenn man eigentlich ein Brot backen wollte....
    Es soll Leute geben, die können das tatsächlich und tun es immer wieder. Ich wüsst nur gerne mal weshalb.

    Viele Grüße und einen schönen Feiertag
    Clare

  • Hallo Paolo,

    das hast Du sicher in die falsche Kehle bekommen. Allgemeine Schulbildung ist beispielhaft gemeint für normale Grundbildung und ich wollte ja nicht beim Kindergarten anfangen. Da gehört aber das Wissen um Sucht nach meiner Kenntnis auch schon fast überall zum Erziehungsstoff dazu.

    LG, Andy

  • Hallo zusammen,

    Andy :
    Natürlich hast Du Recht mit Deiner Aussage:

    Zitat

    zumindest für jeden mit einer allgemeinen Schulbildung, nur eine einzige Antwort zulassen, Sucht ist Sucht


    Und selbstverständlich auch mit Deinen weiteren Worten, allerdings ist Sucht letztendlich auch nur ein Oberbegriff wie z.B. Auto oder Baum :wink: . All diese Dinge lassen sich sehr einfach und ohne Abstufungen betrachten:

    Steht da ein Baum vor meinem Fenster? >>> Ja oder Nein?
    Besitze ich ein Auto? >>> Ja oder Nein?
    Bin ich süchtig? >>> Ja oder Nein?

    Aus diesem (wie ich persönlich empfinde) doch sehr kleinen, erkenntnisreichen Momenten kann dann die Frage entstehen, ob ich mich verändern möchte, oder nicht. Möchte ich dies, so habe ich es beim Baum und beim Auto recht einfach: Fällen bzw. Verkaufen. Bei der Sucht steht mir aber eine durchaus intensiver Arbeit bevor, die eben auch mit der Aufarbeitung der Suchtgeschichte und der Etablierung einer zufriedenen, trockenen Lebensweise einhergeht. Und das muss man schon in erster Linie mit sich selbst ausmachen (wobei die Erfahrungen derer, die diesen Weg eben schon gegangen sind, unschätzbar wertvoll sind).

    @Spedi:
    Nun versuche ich Dir mal den Spagat zwischen Werbung und ‚Alkohol aus zweiter Hand’ zu erklären, wie ich ihn verstehe:

    Die Tatsache, die eigene Sucht erkannt und vor dem Alkohol kapituliert zu haben, ist doch offensichtlich keine ausreichende Sicherheit für eine dauerhafte Trockenheit. Wäre dem so, dann wären doch auch Oktoberfestbesuche und Kneipentätigkeiten völlig frei von Gefahr. Sind sie aber nicht! Warum? Weil wir Menschen trotz unserer hoch entwickelten Sprache auch andere Wahrnehmungen von unserem Gegenüber haben, die uns mit Informationen versorgen. Beispiel: Du sitzt in der Bahn und in Deiner Nähe befindet sich ein kleines Grüppchen, welches sich ausgelassen unterhält, miteinander lacht etc. Die Information, die Du in diesem Augenblick bekommst, ist, dass sich diese Menschen offensichtlich wohl fühlen. Diese Information würde sich auch nicht verändern, wenn jede dieser Personen mit einer Büchse Bier in der Hand dort sitzen würde. Und genau das ist für uns Süchtige gefährlich, weil diese Information beinhaltet, dass man auch mit Alkohol Spaß haben kann.

    Werbung funktioniert jetzt nach exakt dem gleichen Prinzip: Es werden Situationen gestellt, die per se als angenehm empfunden werden, und in denen ganz zufällig auch jeder fröhlich und ausgelassen sein Glas in der Hand hält.

    Ich hoffe, dass habe ich jetzt einigermaßen verständlich erklärt?!

    Eine ganz kleine Anmerkung sei mir aber noch erlaubt:

    Lieber Spedi, Du hast hier in diesem Thread etwas missverständlich vom Leben nach der Sucht gesprochen und auf die Nachfrage von clare lediglich darauf hingewiesen, sie solle sich doch auf das Geschriebene konzentrieren und nichts in Deine Texte hineininterpretieren.

    Dieser ganze Thread ist entstanden, weil Du meine Worte in Hartmut’s Nachbarthread offensichtlich ebenfalls etwas uminterpretiert hast. Ich zitiere noch einmal:

    Zitat von JoeDoe

    Wenn ich mich so durch die Grundbausteine lese, dann sehe ich prinzipiell auch, dass sich dort auch Interpretationsspielraum befindet, bzw. dass individuelle Aspekte eben auch die Umsetzung dieser Grundbausteine beeinflussen.

    Dein Beitrag direkt darunter:

    Zitat von Spedi

    Und da ist sie wieder, die viel beschworene Individualität.

    Die muss manchen Menschen ja schon wahnsinnig viel Wert sein, wenn da so oft so ein "Trara" darum gemacht wird...

    Ich werd' doch mal einen eigenen Thread eröfnen...nur für das Thema "Individualität in der Sucht".


    Ich finde es schade, wenn es über solche Fehlinterpretationen immer wieder zu recht sinnfreien Diskussionen kommt, ein kurzes Nachfragen hilft vielleicht etwas effektiver?

    Trotzdem habe ich auch hier wieder viel mitnehmen können … Ich hoffe, ihr seht das ähnlich :wink:

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Hallo spedi!


    Zitat

    wo ist diese so oft ins Feld geführte Individualität in der Sucht?
    Wie äußert sich diese?
    Wie kann es sein, dass diese Individualität einen Alkoholiker vom "geraden" Weg in die Trockenheit abbringen muss?

    meine individualität beleibt davon unberührt
    meine nüchternheit an erster stelle zu setzen,
    die grundbausteine einzuhalten
    und den bwährten weg der länger trockenen zu gehen.

    im gegenteil. ich darf erfahren, daß ich endlich ich sein darf ohne betäubung. aber auch hier in der shg ich sein darf. willkommen bin mit all meinen schwächen und stärken.

    ich habe hier betroffene gefunden, die wie ich an der alkoholkrankheit erkrankt sind und gemeinsam wollen wir genesen. mit all der erfahrung die zur verfügung steht.

    als individuelles paket bringe ich mit
    mein erlebtes trauma
    meine ängste
    meine lebensumstände
    meine bis dato geführten überlebensstrategien
    meine bis dato denk- und verhaltensweisen

    diese können, wenn ich sie nicht verarbeite und ändere beim trocken werden, mich wieder zum trinken führen. einige sachen fallen mir leicht anzunehmen, was dem anderen schwerer fällt und umgekehrt. da ist meine individualität angesprochen und ich muß gucken ob meine bis dato geglaubte identität so trocken gelebt werden kann und noch richtig ist.

    und so bringt jeder sein päckchen mit und trotzdem gehen wir gemeinsam ein weg mit einer gemeinsamen erkankung, die sich in der genesung dann individuell darstellt. allerdings sollte man dabei nicht verwechseln, wo individuallität gefördert wird und wo mich meine individualität zum trinken bringen und vom weg abringen kann. denn individuell so wie ich es gerne hätte die grundbausteine zu verändern, wäre ein rückschritt für mich in ein verhalten es mir wieder so hinzubiegen, wie ichs zu saufzeiten gemacht habe. aber erlich zu sagen, daß ich mir jetzt bei der einen oder anderen sache im weg stehe oder schwierigkeiten habe und der neben mir da kein problem mit hat, wäre für mich ein eingeständnis, das ich ein individum bin das daß ebend noch nicht kann und der andere schon. und trotzdem gehe ich und der andere den selben weg.

    meine gedanken dazu

    gruß panther

    Kompromisse bedeuten ein Rückfall riskieren
    (vor dem trink - Rückfall geht ein Verhaltensrückfall vorraus)
    nicht Trinkende seid 04.03.07

  • Hallo Ihrs,

    ich bin mir nicht sicher, ob ich als Co auch etwas zur Individualität der Sucht sagen darf. Ich tu´s jetzt einfach mal. Also ich meine, Sucht ist Sucht. Aber der Weg hinein ist so individuell, wie die einzelnen Menschen sind. Und ebenso muss auch jeder seinen individuellen Weg finden, wie er heraus kommt und trocken leben kann. Bzw. auf mich bezogen, wie ich ohne eine abhängige Beziehung klarkomme. Wie ich wurde, wie ich bin, habe ich mir immer wieder angesehen und aufgrund der Erkenntnisse versucht, meinen Weg zu finden, um in die Lage zu kommen, un-abhängige Beziehungen einzugehen zu können..

    Abhängigkeit, wenn sie sich erst einmal manifestiert hat, ist jedoch meines Erachtens nicht individuell.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Servus Mannberlin,

    damit bist Du jetzt ohne Umschweife beim zweiten Teil dieses Threads gelandet. Die Individualität auf dem Weg in die Trockenheit.

    Zitat

    ...Alles aber auch alles sträubte sich in mir und ich wollte nicht so sein wie die Anderen; die Säufer! Bei mir waren es so viele andere Dinge, war überhaupt alles anders, eben Individuell.

    Ich denke erst als ich für mich selbst im Innersten annahm das ich Alkoholkrank bin, vor dem Alkohol kapitulierte, konnte ich es akzeptieren und brauchte mich nicht mehr hinter dem 'individuellen' meiner Sucht zu verstecken.

    Nachdem ich hier im Forum beobachte, dass die Zahl der "Abweichler und Individualisten" wieder stark ansteigt (siehe auch Hartmut's Thread?), war es mir wichtig in Erfahrung zu bringen, ob denn die Sucht als solches als "inidviduell" empfunden wird. Klarer Tenor: nein, die Sucht selbst ist nicht individuell.

    Gut, dann mache ich hier thematisch weiter mit der Aufarbeitung der Sucht, gerne auch Trockenheitsarbeit genannt. Viele haben ja schon vorher darauf gepocht, wie individuell die nun sein müsse, weil - ja, weil jeder Mensch anders sein und die sozialen Bindungen berücksichtigt werden müssten.

    Soso. Jaja. Hmhm.
    Wirklich? Ist das so? Oder wollen manche das nur gerne so sehen und "würzen ihre sonst so recht einheitliche Trockenheitsarbeit mit allerlei individuellen "Komponenten" um sich "wenigstens damit" von den "Standard-Alkoholikern" abzuheben? Ich empfinde das oft so beim Lesen.

    Ich höre schon das allgemeine Wutgeheule hier im Forum: "ich doch nicht", "was bildet sich der Kerl ein", "was soll das", usw usf.
    Ich will es auf den Punkt bringen: Ich kenne inzwischen sehr viele Lebensläufe von Alkoholikern, die lange Zeit trocken sind. (Was ist lange Zeit? In diesem Fall 15 Jahre und mehr).

    Diese Gruppe Alkoholiker unterscheidet eines gravierend von anderen abstinent lebenden Alkoholikern: sie sieht ihr "Trockenwerden" und "Trockenbleiben" nicht als individuellen Vorgang, sondern sie hat ihr Leben kompromisslos um die Trockenheit "herumgebaut", also die Trockenheit in den Lebensmittelpunkt gestellt. Die Einen mit XY-System, die anderen mit ABC, der nächste mit weiß-der-Geier welcher Methode. Die Trockenheit war wichtig, der Rest ergab sich dann schon.

    Ich höre den nächsten Aufschrei, so ungefähr "ich gebe dem Alkohol doch nicht so viel Raum, dass sich alles nur darum dreht"....
    Falsch. Es dreht sich alles darum, ober wir es wahrhaben wollen oder auch nicht. Spätestens beim nächsten Rückfall oder gar dem Ende der Trinkpause (je nach Motivation und Konsequenz des Einzelnen) sind wir nämlich wieder da, wo sich alles nur um den Alkohol dreht - und nicht um die Trockenheit.

    Diese Gruppe also, die sich von der "Individualität des Trockenwerdens" verabschiedet hat, lebt (zumindest vermitteln sie disen Eindruck sehr glaubwürdig und für mich nachvollziehbar) sehr zufrieden, in einem stabilen Umfeld und mit viel Humor und Freude am Leben.

    Wie "individuell" waren denn nun diese Wege? Nun, die Kernsätze waren alle sehr einheitlich und von denen der "Grundbausteine" nicht weit entfernt, nur die Wortwahl war anders. Also: eine sehr einheitliche Herangehensweise an die Trockenheit, was das Grundsätzliche angeht, mit Spielraum für mehr oder weniger individuelle Lebens-, Arbeits-, Wohn-, Partner- und sonstige Situationen. Aber die kamen und kommen halt erst nachrangig. Primär war und ist die Trockenheit. (Anm.: das deckt sich auch mit sehr vielen "anerkannten" Programmen von Selbsthilfegruppen...seltsam...)

    Eine "Referenzgruppe" bilden diejenigen Alkoholiker, die im Zeitraum von 5 - 10 Jahren ihrer Abstinenz wieder rückfallig wurden oder (zugegeben) haben, ihre damalige Trinkpause beendet zu haben. Sie alle haben im Gespräch ihre Individualiät auf dem Weg zum trockenen (???) Alkoholiker nicht "aufgeben" wollen, sahen dies als wichtig für ihre Zufriedenheit an und - landeten wieder beim Alkohol.

    Jetzt frage ich mich einfach, welche Gruppe ist für mich interessanter und welches Leben ist für mich erstrebenswert. Nachdem ich erst am Anfang meiner Trockenheit stehe (gerechnet auf die hoffentlich lange Gesamtlebensdauer), ist für mich die Gruppe der langjährig trockenen eine Leitlinie, der ich gerne folge. Die nur mittelfristig abstinent lebende Gruppe ist für mich nicht als Vorbild tauglich. Deren "Konzept" führte nur wieder zurück zum Alkohol.

    LG
    Spedi

  • Hallo Spedi,

    Du hast mal wieder starke Worte gefunden (und bist auch wieder ignorierend an den Meinen, die ich an Dich gerichtet habe, vorübergegangen – whatever!).

    Ich widerspreche Dir in keinem einzigen Punkt, nur habe ich neben dem Wunsch nach einer zufriedenen Trockenheit auch den Drang, die sich hinter meinem Suchtverhalten verbergenden Prinzipien und Mechanismen zu verstehen. Das gelingt in meinen Augen aber nur durch differenzierte Betrachtungen und nicht durch das bloße Nachäffen (entschuldige bitte den Ausdruck). An dieser Stelle unterscheiden sich aber sicher die Geister, denn manchem reicht es einfach aus, eine stabile Trockenheit zu etablieren - fertig!

    Lustigerweise enden meine Gedanken zu diesem Thema in der These, dass sich im Rahmen der Selbsthilfe Betrachtungen des individuellen Suchtgeschehens (die objektiv betrachtet existieren) wenig sinnvoll und zuweilen sogar schädlich sein können.

    Schade, dass solche Gedanken bereits im Keim erwürgt werden :?.

    LG

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Servus JoeDoe,

    ich ignoriere Dich und Deine Worte keinesweg. Ich finde nur diese Aussage:

    Zitat

    ...Die Tatsache, die eigene Sucht erkannt und vor dem Alkohol kapituliert zu haben, ist doch offensichtlich keine ausreichende Sicherheit für eine dauerhafte Trockenheit. Wäre dem so, dann wären doch auch Oktoberfestbesuche und Kneipentätigkeiten völlig frei von Gefahr. Sind sie aber nicht! Warum? Weil wir Menschen trotz unserer hoch entwickelten Sprache auch andere Wahrnehmungen von unserem Gegenüber haben, die uns mit Informationen versorgen...

    für mich widersprüchlich.

    Wenn ich meine Sucht erkannt habe
    und
    vor dem Alkohol kpituliert habe

    dann sind Oktoberfestbesuche und Kneipentätigkeiten tatsächlich völlig frei von Gefahr, weil sie in meinem Leben keinen Platz mehr haben.
    Da kann mich mit Informationen versorgen, wer will.

    Und im Unkehrschluß: Wenn Oktoberfestbesuche und Kneipentätigkeiten für mich eine Gefahr darstellen, dann habe ich entweder
    meine Sucht nicht erkannt (=gesehen =begriffen = ernst genommen, die Liste ist erweiterbar)
    oder
    nicht vor dem Alkohol kapituliert.

    Gehe bitte noch einmal zu meiner vorherigen Antwort zurück.
    Das herausragende Merkmal der Gruppe der langfristig trockenen Alkoholiker, die ich hier geschildert habe, ist doch:

    Zitat

    sie hat ihr Leben kompromisslos um die Trockenheit "herumgebaut", also die Trockenheit in den Lebensmittelpunkt gestellt

    .

    Und das Wort kompromisslos meint auch kompromisslos:

      schwarz/weiss.
      Radikal.
      Einseitig.

    Da bleibt gar kein Platz für "Oktoberfest" oder "Kneipentätgkeit".

    Oder siehst du das anders?

    Und wieder mal (bitte nie vergessen): machen kann jeder, wie er will. Es ist ja schlußendlich sein Leben, für das nur er die Verantwortung trägt. Ich stelle für mich nur fest: meine früheren Versuche haben mich auch immer recht individuell zurück zum Alkohol geführt. Mal früher, mal später. Aber nie in die Trockenheit.

    Also haben mir diese Menschen etwas voraus, das ich lernen kann. Nenne es ruhig nachäffen, denn in der Anfangsphase hat es das auch durchaus getroffen: ich habe nicht gewusst, warum, aber ich habe mich daran gehalten und es einfach mal als "Fakt" hingenommen. Erst im Laufe der Zeit kam dann auch das Wissen um die vielen "warums" und daraus resultierend die Begründungen des "darum" - weil ich wieder um eine eigene Erfahrung reicher war.

    Hier stelle ich einfach sehr oft fest, dass nach relativ kurzer Zeit manche meinen, die Trockenheit mit Löffeln gefressen zu haben und sooo stabil zu sein, dass sie die Grundlagen der Trockenheit gerne mal individuell auf ihr Leben zuschneidern können.

    JoeDoe, ich kann Dir mit Sicherheit nicht sagen, ob dieser Weg (=der "gerade" Weg) für Dich erfolgreich sein wird. Aber ich kann Dir sagen dass die individuellen Wege die ich bislang bei mir und anderen miterlebt habe nicht erfolgreich waren.

    Und das macht für mich auch die Trockenheitsarbeit wieder recht universal, weil sie sich auf ein einziges Ziel konzentriert: kompromisslos trocken bleiben um zufrieden trocken leben zu können.

    LG
    Spedi

  • Hallo Spedi,

    schön, dass Du noch einmal auf meinen Beitrag eingegangen bist. Langsam bekomme ich auch eine klarere Sicht auf Deine Argumentation.

    Selbstverständlich sehe ich auch keinen Platz für Oktoberfestbesuche oder Tresenaktivität in meinem Leben. Und in gewisser Weise verstehe ich auch, dass Du diese Konsequenz aus der Kapitulation ableitest. (Ich leite die Konsequenz etwas ander her, komme aber zum gleichen Ergebnis und sehe die Widersprüchlichkeit nicht).

    Allerdings habe ich zur Kompromisslosikeit noch eine Frage, die auch durchaus ernst gemeint ist:

    Was hält einen Alkoholsüchtigen in einem Land, in dem der Alkoholkonsum so groß ist, wie in dem unseren. Warum scheut man die letzte Konsequenz und geht ungehindert aller sprachlichen und kulturellen Hindernisse nicht in ein Land, in dem Alkohol einen viel geringeren oder gar keinen Stellenwert einnimmt?

    Hat auch die Kompromisslosigkeit Grenzen?

    Wie gesagt: Die Frage ist ernst gemeint.

    Zum Schluss noch: Ich persönlich empfinde meine aktuelle Abstinenz tatsächlich als stabil, und ja, Du hast auch Recht, dass ich mir Gedanken über die Grundlagen der Trockenheit mache - weil ich eben nicht weiß, ob es am Ende nicht doch besser wäre, in den Iran oder sonstwohin auszuwandern. Denn in einem Land zu verweilen, in dem jeder Einwohner durchschnittlich gut 10 Liter reinen Alkohols per anno zu sich nimmt, erscheint mir einfach nicht konsequent und kompromisslos.

    Hmmmm...

    LG
    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Mein lieber JoeDoe,

    wenn Du mir jetzt allen ernstes erzählen möchtest, dass Du derart naiv bist und glaubst, in anderen Ländern wäre der Suchtmittel-ge-(oder -miss-)brauch geringer, dann ist das eine Sache.

    Aber der Ansatz, dass Du dem Alkohol noch so viel Stellenwert einräumst, dass Du Dich gedanklich mit einer Flucht vor ihm beschäftigst zeigt mir, dass Du von der Kapitulation noch weit entfernt scheinst. Lass doch den Alkohol denen, die damit umgehen können und wollen!

    Wieder mal ich: Ich will mit Alkohol nicht "umgehen". Weder in Deutschland, noch in sonstwo. (Und ich will auch nicht mit anderen Suchtmitteln "umgehen", also um bei Deinem Beispiel "Iran" zu bleiben, mit Morphium und Opium und ähnlichem (den dort "üblichen" Suchtmitteln neben Tabak))

    Eine Kapitulation heisst doch, ich habe eingesehen, dass dieses "etwas" stärker ist als ich und ich daher keine Konfrontation mehr damit/dagegen suche. Eine Flucht ist jedoch (unmittelbare) Folge einer Konfrontation.

    Ist das verständlich ausgedrückt?

    LG
    Spedi

  • Hallo Spedi,

    ich beschäftige mich doch nicht wirklich mit einer Flucht durch Auswandern - das war mehr ein gedankliches Weiterführen der Kompromisslosigkeit. die Sache mit den Opiaten war mir auch wohl bekannt, aber da denke ich, bewegen wir uns thematisch doch weit vom Alkohol weg ... egal!

    Im Prinzip geht es mir um genau dieses von Dir erwähnte "etwas", das stärker als ich/Du ist. Ich persönlich habe Schwierigkeiten, ein "etwas" in meiner Nähe zu dulden, was mich in irgendeiner Weise steuert oder beeinflusst. Ich glaube nicht an Geister, Feen, Goblins und auch nicht an einen verschlagenen und heimtückischen Teufel namens Alkohol. Also ist dieses "etwas" doch viel eher ein Teil meiner selbst und es reagiert auf Reize, wie Oktoberfest etc. . Möchte ich mich von diesem "etwas" aber nicht mehr steuern lassen, so nehme ich ihm die notwendige Nahrung in Form von Reizen und halte mich vom Alkohol fern.

    So ergibt es einen Sinn für mich, was aber weder bedeutet, dass dieser allgemeingültig richtig, noch, dass dies für jeden in der gleichen Art und Weise nachvollziehbar ist.

    Aber ich sehe schon, ein weites Feld, welches sich dort auftut :wink:

    LG

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Servus JoeDoe,

    Du hängst tief in Deinem Innersten einfach noch dem Traum nach, alles (und vor allem Dich selbst) kontrollieren zu können. Das kannst Du nicht. Es gibt für einen Alkoholiker auch kein kontrolliertes Trinken.

    So lange Du durch pure "Reizvermeidung"

    Zitat

    ...so nehme ich ihm die notwendige Nahrung in Form von Reizen...


    "arbeitest", hast Du auch einen realen Verzicht. Den Verzicht auf Reize, die Dir mehr oder weniger wichtig sind. Verzicht und Zufriedenheit schließen sich gegenseitig aus.

    Kapitulation hingegen, ohne Vorbedingungen, ohne Rosinenpickerei, einfach so - besagt, Alkohol existiert, ich kann mit ihm nicht umgehen, weil ich Alkoholiker bin. Ich lebe trocken und Alkohol hat in meinem Leben einfach keinen Platz mehr, keinen Stellenwert, nichts.

    Statt dessen lebe ich mein trockenes Leben.

    LG
    Spedi

  • Hallo Spedi,

    ich danke Dir für Deine offenen Worte, werde mal ein wenig in mich gehen und meine weiteren Gedanken zum Thema in meinem Thread weiterführen. Du bist natürlich herzlich eingeladen, vorbeizuschauen!

    LG und ein schönes Wochenende.

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Hallo Spedi,

    angesichts der ständig wiederkehrenden Aktualität dieses Themas (siehe Hier ) möchte ich diesen Thread gern nochmal nach oben holen.

    Wenn ich darf Spedi? :wink:

    Dieses Thema betrifft ja nicht nur Alkoholiker sondern genauso die Co-Abhängigen, die gern Äußerungen tätigen wie, daß ja *ihr spezieller Fall* dazu führt, nichts verändern zu *können*.
    Für mich ist dieser Verweis auf die Individualität ein Zeichen *meiner* noch sehr *nassen* Denke in der Co-Abhängigkeit gewesen. Ein Grund, hinter dem ich mich persönlich versteckte, um nicht zu mir zu sehen, keine Veränderungen, keinen klaren geraden Weg gehen zu müssen.


    Lieben Gruß

    S.Käferchen

  • Hallo Käferchen,
    in Sachen Coabhängigkeit ist ein direkter Vergleich zur Alkoholabhängigkeit nicht einfach so möglich. Es sind zwar beides Süchte , werden so bezeichnet. Aber auch der Alkoholismus oder die Sucht schlichthin wird als Krankheit bezeichnet und dennoch kann man sie nicht mit anderen Krankheiten auf eine Stufe stellen, was hier ja auch oft versucht wird.
    Mal als Beispiel: ich könnte nicht aus der Situation entkommen, der ich durch meinen alkoholabhängien Vater ausgeliefert war, weil ich noch ein Kind war. Ich wollte es gerne, war daher vielleicht auch garnicht coabhängig. Ich tat es sobald ich mich in der Lage fühlte, mit 17 zog ich aus. Erstmal weit weg.
    Meine mutter hätte 'theoretisch'ja schon weg können. Konnte aber nciht, weil sie coabhängig war und in ihrer eigenen Sucht gefangen war. Es war ihr ja auch garnicht mal bewußt, hatte also ihre eigene Krankheit noch nicht einmal erkannt und keinerlei Arbeit an sich selbst vorgenommen. Und auch mein Vater hatte lange Zeit seine Sucht nicht erkannt und zugegeben, wurde erst sehr sehr spät druch unseren Hausarzt darauf aufmerksam gemacht,der ihm sozusagen die Pistole an die Brust hielt.
    Weißt du, es wird hier in den Threads immer so dargestellt, als müßte es doch so einfach sein als Coabhängiger . man braucht doch einfach nur zu gehen. Wenns so einfach wäre, würde es sicher nicht als Sucht bezeichnet. Ich habe auch als Kind gedacht , dass beide meiner Eltern einfach so eine Willensschwäche hatten. Mein Vater hätte doch einfach nur aufhören können zu trinken. Dann wäre er nie besoffen und es gäbe keine Streit. Und meine Mutter- sie hätte doch einfach nur abhauen können, wenn es dann Streit gab. Dann gibts noch die dicke Freundin, die doch einfach nur 1000 Kalorien am Tag essen bräuchte, um abzunehmen und die Menschen auf der Erde, die einander alle nur lieben bräuchten damit es keinen Krieg mehr gäbe. Tja, wenn die Welt mal so einfach wäre.

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