Trinkpause oder Rückfall?

  • Während ich in einem Thread schrieb, dachte ich über das Wort "Rückfall" nach. Bisher hatte ich noch keinen, reflektierte ich so für mich. Wer mich hier kennt, weiß, dass es gerade das ist, weshalb ich so tierischen Respekt vor meiner Krankheit habe, nämlich dass es auch mir passieren kann.
    Ist das wirklich so, dachte ich, hatte ich wirklich bisher keinen Rückfall? Dass ich Alkoholikerin bin, weiss ich ja schon sehr sehr lange, etliche Jahre vor meiner Entgiftung. Und eine Zeit lang war ich auch diszipliniert und konnte mit Krampf und noch vorhandener Vernunft ohne auskommen. Dieses wird als Trinkpause bezeichnet, oder? Habe ich jedenfalls hier bei Euch gelernt.

    Macht auch alles Sinn irgendwie! Aber kann man das mal irgendwie in Worte fassen und zu Papier bringen, den Unterschied zwischen Trinkpause und Rückfall?

    Hoffe auf rege Beteiligung!

    Lobanshee

  • Guten Morgen Lobanshee!

    Mir geht es da so ähnlich, wie Dir. Ich hatte noch keinen Rückfall und kann über diesen Bereich der Krankheit nur spekulieren. Ohne sagen zu wollen, dass man einen Rückfall gehabt haben muss, um die Krankheit zu kennen (ich will ja keinen Rückfall!), hab ich aber immer das Gefühl, das mir ein Teil der Einsicht (oder wie auch immer man das bezeichnen will) fehlt. Das verwirrt mich zu weilen und macht auch Angst.

    Ist schon alles kompliziert!

    Was die Frage betrifft, verstehe ich das so ähnlich wie Tumi:

    Bei einer Trinkpause verzichtet man zwar auf Alkohol, allerdings nicht aus einer wirklichen Krankheitseinsicht heraus, sondern wegen vielerlei anderer Gründe (Führerschein, Beziehung, Beruf usw..). Sobald diese Gründe nicht mehr vorliegen, dürfte es schwierig sein weiterhin abstinent zu bleiben (warum auch, ist man doch nicht davon überzeugt Alki zu sein).

    Ich denke von einem Rückfall kann man tatsächlich nur dann reden, wenn man sich im Grunde darüber im klaren ist, dass man nicht kontrolliert trinken kann, weil man alkoholkrank ist. Wie Tumi schon sagte: Der Wille ist stark.....

    Zudem wurde mir mal gesagt, dass man auch nur dann von einem Rückfall sprechen kann, wenn man tatsächlich in alte Verhaltensmuster "zurück fällt". Aus welchem Grund auch immer zur Flasche gegriffen wird, bleibt die Einsicht erhalten, dass man schnellst möglich Hilfe braucht und sich dann auch diese Hilfe sucht, um vom Alk wieder wegzukommen, war es zwar eine schmerzliche Erfahrung, aber kein Rückfall.... Fällt man aber in die alten Erklärungsmuster zurück ("Ich schaff das auch allein", "so schlimm ist das doch alles nicht" usw.) kann man von einem Rückfall sprechen.

    Aber viell. ist das auch nur Haarspalterei. Da bin ich mir auch nicht so sicher.... :?

  • Hallo Lobanshee,

    gute Frage.

    Ich betrachte und zerlege mir das Wort "Rückfall". Zurückfallen, in etwas zurückfallen, sich in etwas zurückfallen lassen.

    Worein? - In alte Muster, in alte Verhaltensmuster, gelöste Konditionierungen wieder bilden, sich alte Verknüpfungen wieder bilden und ausprägen lassen...

    Wenn Du vorher gute und intensive Trockenheitsarbeit geleistet hast, stellt dies ein gewisses Rüstzeug dar. Bei einem Rückfall fällst Du wieder zurück und musst zunächst die mit der Trockenheitsarbeit verbundenen Lernprozesse ignorieren und über Bord werfen und die ursprünglichen Konditionierungsmuster aus Trinkzeiten wieder aktiv aufnehmen, was allerdings sehr schnell passieren kann.

    Bei einer Trinkpause, sei sie auch noch so lang, hat eine wirkliche Trockenheitsarbeit gar nicht oder nur ganz oberflächlich stattgefunden.

    Das ist meine Meinung zu Deiner Frage.

    Liebe Grüße
    zerfreila

  • Ich denke, das ich mir zu Beginn meiner Trinkpausen von vornherein
    die Möglichkeit wieder trinken zu können/wollen, offen hielt.
    Bewußt oder unbewußt. Daher sehe ich dieses gewollte Zurückkehren
    zum Alkohol auch nicht als Rückfall an, sondern als Beendigung
    einer vorübergehnden Phase.

    Paolo

    Als ich auf einer Kaufhaus-Kundentoilette in meiner eigenen Kotze aufwachte, hätte ich aufhören müssen zu saufen.
    Da war ich gerade mal 20 Jahre alt.
    Es sollten aber noch 30 Jahre vergehen!

  • hallo lobanshee

    ich bin nun fast 7 1/2 jahre trocken ohne rückfall, obwohl bei mir alle geunkt haben das sowas nicht geht, gut ob ich trocken bleibe weiß ich, oder besser meine hinterbliebenen erst, wenn sie mir die kiste zunageln. für mich liegt der unterschied in einem einzigen wort das ich für mich verinnerlicht habe. am anfang sagte ich mir ich darf nicht trinken, da war ich aus meiner sicht noch nicht trocken, irgend wann wurde mir klar, ich will nicht trinken. das ist für mich ein großer unterschied. denn mal ehrlich wenn ich trinken will, wer bitte will mich daran hindern, die tricks und lügen kennen wir alle. nein, erst als ich diesen kleinen unterschied gemacht habe, zwischen wollen und dürfen, da war ich trocken. probleme habe ich immer noch im leben, wie jeder andere auch, nur habe ich für mich entschieden die nicht mehr zu ersäufen zu versuchen sondern sie zu lösen, weil ich nicht mehr trinken will. für mich liegt eben auch hier der unterschied zwischen trinkpause und rückfall.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Danke Euch allen fürs Schreiben!

    Ich habe eine Erkenntnis aus allen Beiträgen für mich herausgelesen.

    Aber ich fange mal anders an! Angenommen, ich hätte diese Beiträge vor meiner Entgiftung lesen können und wäre auch schon mit der absoluten Notwendigkeit und der gebotenen Ernsthaftigkeit dem Thema "Alkoholsucht" offen gewesen, hätten sie mir folgendes gesagt:

    Wie ernst ist es Dir, mit dem Trinken aufzuhören? Tust Du es für Dich, oder weil Du aufgefallen bist? Wärst Du bereit, Dich zu "outen"? Bist Du bereit für einen Arztbesuch? Willst Du Dir Hilfe holen oder meinst Du, es alleine zu schaffen? Bist Du der Meinung, alkoholkrank zu sein oder siehst Du es nur als "Mißbrauch" oder schlechte Phase an? Sind noch Restzweifel vorhanden? Meinst Du, ein kontrolliertes Trinken wäre bei Dir noch möglich?

    Und jetzt beantworte Dir diese Fragen ganz ganz ehrlich! Du bist allein, keiner sieht, was Du gerade durchmachst. Du kannst mit dieser Kasteiung aufhören, wenn Du nicht magst und Dir weiterhin "die Leichtigkeit des Seins" ansaufen, wenn Du willst. Niemand verbietet es Dir!

    Es sei denn, Du willst es! Es sei denn, Du erkennst, dass es im Zweifel noch ein paar Runden braucht, aber aus der Nummer entkommst Du nicht mehr. Es sei denn, Du möchtest wieder angstfrei leben, Du möchtest wieder Schlaf finden, Du möchtest nicht mehr Flaschen im Slalom umliegender Einkaufsmärkte oder Kioske nach Hause schleppen und diese ebenso im Slalom umliegender Flaschencontainer möglichst im Dunkeln entsorgen. Es sei denn, Du möchtest frei sein im Denken und Fühlen, Du möchtest morgens irgendwie doch gut aussehen, jedenfalls nicht nach mehreren Flaschen Alk, Du möchtest wenigstens keinen Alkoholgeschmack im Mund haben, Du möchtest keine Fahne mehr und Du möchtest wieder Selbstvertrauen haben.

    Wenn Du das Zweite denkst, dann müsste es doch das Rüstzeug für einen gelungenen Start in die Trockenheit sein! Wenn Du das Zweite denkst, dann bist Du bereit für Deine wunderbare Zukunft!

    Ich glaube, die Ehrlichkeit zu sich selbst ist der Schlüssel zum Beginn, an seiner Krankheit zu arbeiten. Wenn ich dieses alles gelesen hätte, wäre ich davon überzeugt gewesen?
    Beim besten Willen, ich kann es nicht sagen.
    Denn bin ich an dem Punkt, wo ich noch trinke und mir gleichzeitig etwas nehmen muss, was mir ja subjektiv vom Gehirn als Belohnung vorgegauckelt wird, kann man das schaffen?

    Irgendwem möchte ich danken, für meine unaufgeregte Not, die ich in meiner Nacht der Nächte hatte, für die trotz hoher Promille glasklare Erkenntnis: "Daraus komme ich nicht mehr allein!"
    Irgendwo muss da ein Engel gewesen sein!
    Man, ich bin so dankbar, ich kann es kaum in Worte fassen.

    "Höre nie auf, anzufangen und fange nie an, aufzuhören!"

    Herzlich

    an Euch und an mich! :)

    Lobanshee

  • Besser hätt ich`s nicht sagen können:

    Zitat von lobanshee

    Danke Euch allen fürs Schreiben!

    Es sei denn, Du willst es! Es sei denn, Du erkennst, dass es im Zweifel noch ein paar Runden braucht, aber aus der Nummer entkommst Du nicht mehr. Es sei denn, Du möchtest wieder angstfrei leben, Du möchtest wieder Schlaf finden, Du möchtest nicht mehr Flaschen im Slalom umliegender Einkaufsmärkte oder Kioske nach Hause schleppen und diese ebenso im Slalom umliegender Flaschencontainer möglichst im Dunkeln entsorgen. Es sei denn, Du möchtest frei sein im Denken und Fühlen, Du möchtest morgens irgendwie doch gut aussehen, jedenfalls nicht nach mehreren Flaschen Alk, Du möchtest wenigstens keinen Alkoholgeschmack im Mund haben, Du möchtest keine Fahne mehr und Du möchtest wieder Selbstvertrauen haben.

    Lobanshee

    ...Und das alles geht nur, wenn Du (und ich) keinen Alkohol mehr trinkst! Nie wieder! Nothing!!!

    Und dann passiert es doch.... warum auch immer. Es gibt Dinge (Ereignisse) die man nicht vorhersehen kann. Wo alles Auf-sich-selbst-acht-geben - so wichtig das ist - nicht reicht... Nimm das und Deine Beschreibung der Krankheitseinsicht zusammen und ich denke, man kann zurecht von einem Rückfall sprechen und nicht von dem Ende einer Pause. Und dann bleibt die Frage, wie stark man ist, wie sehr die Krankheitseinsicht verinnerlicht wurde, wie sicher die Absicht zu einem selbstbestimmten Leben war und ist. Denn auch ein Rückfall ist kein endgültiges Urteil. Auch ein Rückfall kann rückgängig gemacht werden.

    All diese Fragen und Ausführungen treffen auf eine Trinkpause nicht zu!

  • Hallo Thomas,

    ja, es passiert! Das ist so und auch ich bin nicht davor sicher!

    Ich war heute auf so ner medizinischen "Schlaumeier"-Seite :)

    Dort konnte ich lesen, dass ein Rückfall auch eine Chance bedeuten kann zur Festigung ind Stärke im weiteren Trockensein. Hauptsache, wir stehen sofort wieder auf, hauptsache, es ist genügend Polster da zum Auffangen.

    Wenn es denn so passiert: Aufstehen und weitermachen!

    Mit sehr viel Überzeugung habe ich das jetzt aber nicht geschrieben!

    Lobanshee

    @all und "alte Hasen"

    Was bedeutet eigentlich "Alkoholmißbrauch"? Ist das noch keine Sucht?

  • @ lobanshee: Ja, dass mit der Chance hab auch ich schon gehört, aber darauf soll es ja nicht hinauslaufen. Wir haben doch bereits unsere Chance. Wir sind immerhin trocken!
    Ich mach mich jetzt wegen eines möglichen (irgendwann in der Zukunft eventuell mal kommenden) Rückfalls auch nicht verrückt! Ich denke, dass brächte mich auch nicht weiter. Wir hatten einen in der LZT, der hatte solch einen Bammel davor rückfällig zu werden, hat immer wieder betont, dass das nicht passieren darf und hat am Ende so viel Druck aufgebaut, dass er dem nicht mehr standhalten konnte und wurde als erster der Gruppe rückfällig...

    Man (also auch ich :wink: ) geht ja davon aus, dass irgendetwas unvorhergesehenes passieren muss... Ich wünsche Dir, dass Du davor verschont bleibst!

  • Ich danke Dir sehr herzlich, Thomas!

    Und natürlich wünsche ich Dir das auch!

    Lobanshee

  • Guten Morgen Thomas,

    von der Angst vor einem Rückfall kann ich mich nicht ausschließen. Gerade im ersten halben Jahr nach meiner Entgiftung war diese sehr stark ausgeprägt. Mit zunehmender Zeit ist sie in den Hintergrund gerückt und zu einem gesunden Respekt davor geworden. Macht diese Phase eigentlich jeder trocken werdende Alkoholiker durch?

    "Gedankenspiele", was passiert, wenn etwas unvorhergesehenes eintritt sind mir auch nicht unbekannt. Bis jetzt habe ich solche Situationen nicht bis zu Ende gedacht, kurz gesagt, ich habe sie dann verdrängt.

    Bis bald
    Andreas

    "Und mein Weg ist immer noch nicht zu Ende, und wird es auch nie sein, denn die Alkohol-Krankheit tragen wir in uns, zwar schlafend solange wir abstinent leben, und abgespeichert in unserem Suchtgedächtnis." (Rose)

  • Hi Andreas!

    Ich denke jeder Alkoholiker, der es ernst meint, der an sich arbeitet und sich seiner Ohnmacht vor dem Alk (wenn er denn konsumiert wird) bewusst ist hat auch eine gewisse Angst oder Respekt vor dem Rückfall. Ich selbst mach mich zwar nicht verrückt, aber Respekt davor habe ich auch! Ich hab ja weiter vorn geschrieben, dass für mich dieses Thema Rückfall noch wie ein unbekanntes Etwas vorkommt, wie ein Teil der Krankheit, den ich noch nicht kenne. Nur es kann ja nicht darauf hinauslaufen, dass man einen Rückfall "produziert", um die eigene Krankheit besser kennen zu können... Von daher ist das alles noch reichlich verwirrend für mich. Manchmal, wenn auch äußerst selten, hab ich das Gefühl, es wäre besser, wenn ich schon mal einen gehabt hätte.. Nur sagt ja auch keiner, dass es überhaupt passieren muss.

    Oh je, das ist so ein Thema, das mir schnell einen wirren Kopf bereitet.

    Ich denke ist ist ganz gut ein Netzwerk von Menschen zu haben, die mit der Problematik zurechtkommen, bei denen man nicht das Gefühl haben muss vor Scham in den Boden versinken zu müssen und an die man sich wenden kann, auch dann, wenn`s "zuspät" ist.. Bei mir hat sich dieses Netzwerk durch Therapie, Nachsorge, Familie und ein/zwei Bekannte gebildet, ohne dass ich groß etwas dazu tun musste. Wie wichtig das ist, auf so etwas zurückgreifen zu können, ist mir erst in den letzten Tagen durch diesen Thread bewusst geworden..

    Ehrlich!

  • Hallo Thomas und Andreas!

    Herzlichen Dank für Eure Beiträge!

    Thomas :

    Ich überlegte gerade, wie ich meine Einschätzung bezogen auf einen Rückfall verständlich, auch für mich, definieren könnte.

    Du bist mir einen Schritt voraus gewesen. Deinen Beitrag nochmals zu quoten, habe ich mir geschenkt! Er drückt alles aus, was ich jetzt nicht hätte so gut beschreiben können!

    Auch mir hat dieser Thread wieder einmal sehr viel gebracht!

    Lobanshee

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