Hallo zusammen!
Ich bin ganz neu hier und da im Vorstellungsbereich ja nur wenige Benutzer lesen können, stelle ich meinen Vorstellungsbeitrag jetzt auch hier mal rein, damit ihr wisst, mit wem ihr es “zu tun” habt:
Ich bin vor ein paar Tagen auf dieses Forum hier gestossen und hab’ mich jetzt auch mal angemeldet, weil ich hoffe, daß der Austausch mit anderen Menschen, die wie ich in einer Alkoholikerfamilie aufgewachsen sind, mir vielleicht irgendwie helfen könnte, mich endlich emotional aus diesem Teufelskreis Suchtfamilie zu lösen.
Ein paar Worte zu meiner Geschichte: Ich bin das einzige Kind von zwei Menschen, die schon sehr lange große Probleme mit dem Missbrauch von Alkohol und Beruhigungs-/Schmerz-/Schlafmitteln haben. Meine Mutter hat diese Probleme wohl schon länger, als ich auf dieser Welt bin, mein Vater hat sich später dann sozusagen angeschlossen. Irgendwie ist das eine ganz furchtbar schreckliche Situation, denn beide sind sowohl von den “Substanzen” als auch voneinander abhängig, obwohl sie sich im Grunde nie wirklich verstanden haben, die Ehe war schon kaputt, bevor ich auf die Welt kam. Damit wären wir dann auch bei der Rolle, die mir von Anfang an zugedacht war: Ich hatte vom ersten Tag meines Lebens an die Aufgabe, die Ehe meiner Eltern zu retten, bin also ein sogenanntes “Kitt-Kind”. Vermutlich haben sie damals wirklich geglaubt, daß meine Mutter das Trinken und mein Vater seine Aggressivität aufgeben könnte, wenn die elterlichen Pflichten “rufen”. Die Realität sah dann anders aus: Die elterlichen Pflichten wurden von meiner Großmutter übernommen, damit sich meine Eltern auf ihre beruflichen Karrieren konzentrieren konnten. Ja, beruflich haben beide ganz toll funktioniert... Akademiker mit gutem Einkommen, die typischen “gutbürgerlichen Verhältnisse”, nach aussen hin alles Glanz und Gloria... Und unter der dünnen Schicht strahlenden Mittelklasse-Leistungsträger-Lacks die pure Hölle.
Ich kann mich nicht daran erinnern, daß es in meiner “Familie” jemals einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als ein paar Tagen gegeben hätte, in dem Frieden (oder auch nur Waffenstillstand) geherrscht hätte. Streit, Terror, Diskussionen, Konflikte, Intrigen, Delirium meiner Mutter, Tobsuchtsanfälle meines Vaters... Und ich immer mittendrin, als Prellbock, als Sündenbock, als Mülleimer, als Botschafterin, Vermittlerin, als was auch immer. Na ja, wenigstens geprügelt haben sie sich nur untereinander. Immerhin etwas. Das sind meine Erinnerungen an meine Kindheit und Jugendzeit im Kreise meiner Eltern. Die einzigen positiven Erinnerungen habe ich an meine Oma und meinen Hund.
Trotzdem: Die mir zugedachte Aufgabe, der “Kitt” in der Ehe meiner Eltern zu sein, habe ich immer sehr ernst genommen. Ich war immer lieb, immer brav, habe mich immer vorbildlich benommen - immer in der Hoffnung, daß ich dadurch eine Veränderung bewirken würde. Am Ende ging es sogar so weit, daß ich nach dem Abitur ein Fach studiert habe, das mich nie interessiert hat, sondern etwas, das den Wünschen meines Vaters entsprach, weil ich Angst davor hatte, daß ein “Verrat” durch mich alles nur noch schlimmer machen würde. Und außerdem waren meine eigenen Ideen ja sowieso immer nur “Firlefanz” oder “Hirngespinste”. Wenn ich doch mal den Versuch wagte, etwas eigenes umsetzen zu wollen, dann setzte der Mechanismus ein, der immer sein Ziel erreichte: Mein Vater machte Terror, meine Mutter soff sich ins Delirium, ich bekam die Schuld und kippte am Ende immer wieder um. “Wir haben Dich in diese Welt gesetzt, damit Du uns glücklich machst. Etwas eigenes darfst Du nicht haben. Das ist das höchste Gebot Deines Lebens! Wenn Du uns enttäuschst und dieses Gebot nicht befolgst, dann werden wir krank und das ist dann nur Deine Schuld!” - So in etwa lautet er, der verbale Tumor, der mir vom ersten Tage meines Lebens an in den Kopf gepflanzt wurde.
Meine Eltern haben ihre Krankheit dazu benutzt, mich von vorne bis hinten zu manipulieren. Heute fällt es mir schwer, andere Menschen um Hilfe zu bitten, wenn es mir schlecht geht, weil ich große Angst davor habe, daß diese sich durch mich manipuliert fühlen könnten.
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der jeder kleine Fehler, den ich machte, sofort zu Streit und damit letztlich zur Sauferei aus “Enttäuschung über mich” führte. Heute fühle ich mich bei jedem kleinen Fehler schuldig und traue mir selbst so gut wie gar nichts zu, aus Angst vor Fehlern und den daraus resultierenden Schuldgefühlen. Ich bin oft wie gelähmt.
Ich bin in einer Atmosphäre aus Terror, Streit und Konflikten aufgewachsen. Heute kann ich keine Konflikte mehr ertragen. Wenn ich Menschen sehe, die sich streiten, dann bekomme ich Schweißausbrüche. Wenn mir selbst ein Konflikt droht, dann versuche ich dem immer aus dem Weg zu gehen oder gebe ganz schnell nach. Gut für mich ist das nicht.
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der “Problemlösung” bedeutete, daß man sich mit Alkohol und Tabletten zugedröhnt hat. Heute habe ich Angst davor, Probleme ungelöst zu lassen und überfordere mich dadurch oft genug selber, weil ich vor lauter Problemlöserei und Grübelei kaum noch zur Ruhe komme.
Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der die Worte “Vergnügen” und “Suff” die gleiche Bedeutung hatten. Heute habe ich große Probleme damit, mich überhaupt mal vergnügen zu können, einfach mal irgendwo zu feiern, weil ich da immer mit betrunkenen Menschen konfrontiert werde und dadurch meine Laune in den Keller geht. Dabei würde ich wirklich gerne auch mal ausgelassen feiern können.
Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der Leistung und materieller Wohlstand alles war, was irgendeine Bedeutung hatte. Heute machen mir nur Dinge wirklich Freude, die ich ehrenamtlich oder unentgeltlich mache. Aber von Luft und Liebe kann man leider nicht leben.
Ich habe bisher ein Leben gelebt, in dem von Lebendigkeit keine Spur war, ein Leben, dessen einziger Sinn darin bestand, durch mein Funktionieren die “Eltern” vor dem Absturz zu bewahren.
Heute kann ich nicht mehr, bin ausgebrannt und völlig erschöpft.
LG
cailin