Wirklich ein Einzelfall?

  • Bestimmt nicht untypisch, was sich ein paar Meter von mir heute nacht abspielte:

    Er, 42, in Trennung lebend, 3 Kinder (Kindergartenalter, Schulalter, gerade volljährig). 1/2 Jahr krank geschrieben in einem guten Job bei einem namhaften Arbeitgeber, die Frau hatte sich mittlerweile getrennt, wie auch der Arbeitgeber nach jahrelangen Alkoholexzessen.

    Der Alkspiegel war wohl in guten Tagen auf 10 - 12 liter Bier angewachsen. Niemand merkte ihm den Alkoholiker an, ausser der Menge eben, die doch manch einen stutzig machte....

    Gestern noch auf dem Weg in die Kneipe, mit einer Fahrweise, die wohl nicht nur durch Daisy's Schneespur etwas schlangenlinig wurde.

    Keine 12 Stunden später hat er sich erhängt....

    Und wie sollen die Kinder damit leben? Aber nun gut, sind "sind ja eh schuld" weil er nicht wusste wie er den Unterhalt zahlen soll. Mein Glückwunsch an seine Frau, die es geschafft hat zu gehen und diese Aktion nicht miterleben musste. Im anderen Fall wäre dieses nämlich (da ja auch noch ein Haus zu finanziellen Problemen geführt hatte) nämlich in ihrem Beisein bzw. ihrem Heim, in ihrem damaligen gemeinsamen Haus erfolgt.

    Aber "so schlimm ist es ja nicht".... nein, man/frau bemerkt ja nichts .... sind ja nur Biere .... na ja, und immer sind es ja auch nicht so viele .... Ja, und gewalttätig war er auch nicht.... wohl ein guter Kumpel für viele ..... Ja, mag alles sein - aber verantwortungsbewußt gegenüber den Kindern sicherlich nicht!

    Unauffällig - nicht aggressiv - und nun lässt er einen Haufen geschockter Freunde, Kinder und Verwandte zurück - denn nein, er war doch nie depremiert, nein, er hatte keine Depressionen ;)

    Man/Frau verzeihe mir meinen Sarkasmus, aber wenn ein 42 jähriges Leben so endet und ich an jene denke, die gerne noch ein paar Jahre gelebt hätten, die Unfälle erlitten haben oder die der Krebs dahin gerafft hat, dann weiß ich wie gut es sein kann Koffer gepackt zu haben und sich aufs Glatteis einer Trennung einzulassen bevor Daisy die Stricke durch die Gegend wirbelt....

    Ich hoffe all jene, die übrig bleiben und mit den Folgen seines Tun leben müssen haben die Kraft es zu schaffen. Ganz besonders was die Kinder betrifft (die vermutlich nicht nur überall schräg angesehen werden sondern auch befragt werden, wie das Landleben eben ist). Und wieder müssen andere ausbaden, was einer "verzockt" hat .... sein Leben .....

    Nachdenklicher Gruß von Dagmar

  • Guten Morgen,

    ja, Dagmar, das ist eine sehr traurige Geschichte und sicherlich KEIN Einzelfall. Sie zeigt uns einmal mehr, dass Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist, die tödlich endet, wenn der Abhängige nichts dagegen unternimmt. Und dieses „tödlich enden“ ist nun einmal nicht nur auf den körperlichen Verfall gemünzt. In einer solchen Situation wird der Betreffende sehr wohl an seine Familie gedacht haben. Vielleicht wollte er sie einfach von sich selbst und seiner Abhängigkeit befreien. Jedenfalls habe ich das so erfahren in meiner Beziehung, in der der Schritt aber, Gott sei Dank, nicht vollzogen werden konnte. Die von mir gerufene Polizei war schneller.

    Eines rechne ich dem Mann in deiner Geschichte hoch an. Er hat, um sein Leben zu beenden, keinen anderen Menschen dazu benutzt, einen Lokführer beispielsweise. Dies hat im vergangen Jahr jemand getan, um den dann die ganze Nation getrauert hat. Aber das war ja auch kein Alkoholiker soweit man weiß.

    Weißt du, Dagmar, wenn jemand seinem Leben selbst ein Ende macht, finde ich das sehr traurig. Und ich nehme auch jede Androhung diesbezüglich ernst. Denn ich habe einen Menschen, der mir nahe steht, schon einmal in einer Situation gefunden, in der es nur noch eine Frage der Zeit war, den letzten Schritt zu tun. Im ersten Moment habe ich auch Wut empfunden, dass er sich davon machen wollte, weil es meiner Meinung nach der leichtere Weg war. Inzwischen aber denke ich, dass hinter solch einem Tun eine tiefe Not und Verzweiflung stecken muss, um den Mut für diesen allerletzten, endgültigen Schritt zu finden.

    Deinen Sarkasmus kann ich ebenfalls verstehen. Ist es vielleicht Wut auf „die“ Alkoholiker? Mir fällt immer wieder auf, auch wenn du über deinen Ex-Partner schreibst, dass da wohl noch ziemlich viel Wut zu sein scheint. Für mich ist auch die Wut auf jemanden etwas, mit dem ich mich an ihn binde, ihn nicht loslassen kann. Diese Wut loszulassen war für mich einer der wichtigsten Schritte, mit mir selbst in Einklang leben zu können.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Das stimmt, liebe Ette, kein anderer Mensch wurde durch den Suizid in Probleme gestürzt.

    Wut ja - auf den Ex, neeee ... ich bin dem lieben Gott dankbar, dass ich diese schlimme Beziehung erleben musste und diesen kranken Menschen, weil das mein zukünftiges Leben positiv gestaltet hat. Jeden Tag - und wirklich jeden - kann ich sagen, danke für diese schönen Dinge, die ich vorher nicht hatte. Und wenn es nur ein Film in ruhe ist, der Kaffee, den ich morgens frisch habe oder das aufgeräumte Schlafzimmer :)

    Wut ja - weißt Du auf wen? Auf diejenigen, die sich - wie auch ich all die Jahre - selber glücklich reden. Auf alle jene Angehörige, die ihr Leben ebenso auf den Scheiterhaufen werfen und sich dabei glücklich reden mit genau diesen Pseudodingen, die ich oben schrieb..... "ist ja nur...." "er ist ja nicht ...." genau da bekomme ich eine Wut wenn Angehörige/Kollegen ect. diese Sache verniedlichen.

    Selbstmord.... ein ganz trauriges Thema... und doch ein Thema, wo ich sagen muss, jeder Mensch darf sein Leben beenden, wenn er es nicht mehr schafft oder schaffen will - ich denke, vor diesen Gefühlen ist niemand gefeit.

    Was ich hier einfach als extrem empfand ist der Gang zum Saufen, dem der Suizid folgte. Wäre ohne Gang zum Saufen die selbige Lösung für Probleme gefunden worden?

    Anders gesagt, in dem Fall basieren alle die finanziellen Probleme genau aus dem Saufen - und Kinder stehen nun vor diesem Problemberg, der ja immer noch da ist.

    lieben Gruß von Dagmar

  • Guten Morgen

    Dagmar, diese Geschichte macht mich sehr betroffen. Nicht so sehr wegen dem Selbstmord, das ist das traurige Endresultat. Sondern wegen dem Leid der Angehörigen. Wegen der Schuldgefühle, die sich bestimmt einschleichen. Der Fragen, ob man nicht doch besser bei ihm geblieben wäre? Der Vorwürfe mancher Menschen, die bestimmt kommen.
    Mich macht betroffen und auch sehr wütend
    , dass viele nasse Alkoholiker nicht sehen können oder sehen wollen, dass durch die Sucht das ganze Leid passiert. Dass immer alle anderen schuld sind und der Alkoholiker versinkt im Selbstmitleid. Ob dieser letzte Schritt großen Mut und große Feigheit braucht, das weiß ich nicht. Ich war Gott sei Dank noch nicht in so einer Situation. Ich tendiere jedoch mehr zu Feigheit.
    Bei R. ist es ja im Moment so, dass er ab Januar keinen Unterhalt mehr zahlt. Er kann es nicht mehr und basta. Aber er will es den Kindern erklären, dass er nichts dafür kann, dass es ganz schlimm für ihn ist. Meine Kinder haben im Moment den Kontakt zu ihm abgebrochen, jetzt ist er die arme S**, er kann doch nichts dafür! Nur mit Selbstmitleid kann ich aber keine Kinder ernähren, kann mein Haus nicht halten, kann nichts mehr machen. Dafür muss ich den Ar** zusammenkneifen und was tun.
    Tut mir leid, wenn ich jetzt bisschen vom Thema abgekommen bin, aber das ging mir alles so durch den Kopf.

    Schöne Grüße

    julchen

  • Das ist halt genau das Julchen, was ich dachte, als ich gestern damit konfrontiert wurde, wie ein Bekannter von ihm die Nachricht erhielt und versuchte zu verarbeiten.....

    Seine Entscheidung - aktzeptiert - meine Gedanken gelten den Angehörigen, die nach den schlimmen Jahren, nach den existenziellen Problemen durch die Sucht nun schon wieder ein weiteres Problem haben.

    Ich finde den Weg gut zu sagen, er kann nicht zahlen. Irgendwann können die Kinder begreifen was passiert ist - selber bemerken was läuft ohne von außen "poliert" worden zu sein.

    Genau das was Du sagst waren nämlich meine Gedanken: die Kinder und die Frau müssen nicht nur um die Existenz kämpfen, sondern müssen nun in einer Gesellschaft, in welcher immer schuldige gesucht werden vielleicht nochmals den Kopf hinhalten.

    Mein Bekannter rückte auch erst peux un peux mit der Sprache raus was los war. Erst war es nämlich nur die Tatsache, dass die Ehe kaputt ist, das Haus nicht mehr finanziert werden kann und der Job weg ist. Erst dann, mit einem Schlag wurde der Grund dafür benannt warum die Frau weg ist, das Haus und auch der Arbeitsplatz : seit zig Jahren an der Flasche hängend .... mit großen Mengen.....

    Und das eben kommt erst am Schluss, dann wenn manch einer schon begonnen haben könnte mit Schuldzuweisungen. Ich habe nun hier den Vorteil die Dorfkultur zu kennen und zu wissen, wie massig der Alk hier fliesst. Somit war für mich nur Fakt Ehe ist im Eimer - Mann wird damit nicht fertig. Aus - Ende - Basta....

    Dass da aber am Ende der Leidensweg einer ganzen Familie steht, die nun vielleicht dachte zur Ruhe zu kommen und nun nochmals eine drauf bekommt, das erschüttert mich....

    Wie gesagt, ich bekam es ja oberdeutlich mit, wie der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Probleme erst sehr spät benannt wurde.

    Lieben Gruß und viel Kraft für alle, die um ihr Leben und das der Kinder kämpfen!

    Dagmar

  • Liebe Dagmar und liebes Julchen!

    Bin ganz eurer Meinung!
    Als - wahrscheinlich immer währende - Co- Ehefrau kann ich da nur zustimmen, dass es für den Mann eigentlich ganz schön feige war, sich davonzustehlen.
    Ganz egal wieviel Mut es ihm gekostet hat.
    Anscheinend hatte er nicht den Mut, zu seinen Problemen, sprich der gescheiterten Ehe, Familie zu stehen.
    Das will und kann ich nicht aufrechnen, aber ich sehe auch die Frau mit noch mehr Sorgen als vorher.
    Egal wie sie sich bisher herausgeholt hat oder nicht.
    Ich würde auch wieder die "Schuld" bei mir suchen.
    Einmal Co, immer Co. :roll::cry:

    LG Gotti.

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.

  • Hallo Ihr,

    ich kann euere Sichtweise verstehen. Und doch stellt sich mir die Frage, ob ihr die gleiche Sicht hättet, wenn sich ein unheilbar an Krebs erkrankter Mensch suizidiert.

    Eine nachdenkliche

    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Das Coyote,
    ist ein wirkliches Problem: es ist ja alles nicht so schlimm, eine Grüppchen bestätigt sich gegenseitig um so als Grüppchen gegenseitig Beruhigung zu erhalten, mal ein paar Wochen oder Monate Abstinenz einzusetzen um sich gegenseitig zu beruhigen.

    Ein Freund sagte mal zu mir: weisst Du, wenn ich Stimmungsmacher bin, dann ist alles o.k., wehe aber, es geht mir schlecht und ich will über etwas reden, dann nämlich heisst es "Trink doch einen und es ist vergessen"..... Er stellte damals fest, dass er als Mensch niemanden wirklich interessierte sondern nur solange er die -problemfreie- Stimmungskanone ist.

    Aber genau hier hätte ich für mich ansetzen müssen. Denn habe ich nicht die Schuld auf die anderen Mittrinker geschoben, und schon dadurch versucht andere Schuldige zu finden und mich selber daran gehindert eine Änderung MEINER Verhältnisse herbeizuführen.

    Mir ist sehr wohl bewusst der Zusammenhang zwischen dem Trinkenden, der sein Alibi sucht und dem Angehörigen, der ebenso Alibis sucht - eben das bewirkt bei mir wohl noch eine gewisse Wut auf mich selber, die ich dann spüre, wenn ich merke andere gehen den ebenso schlechten Weg wie ich und lehnen eine Änderung für sich selber - und damit ihren Weg aus der eigenen Sucht ab.

    Gut, ist nicht meine Sache, jeder ist seines Glückes Schmid - hätten mir gute Seelen zum falschen Zeitpunkt das Richtige gesagt, so hätte auch ich es nicht verstanden.

    Nur .... ich fand die Kraft um zu gehen, als ich noch ein bischen Energie hatte. Bei vielen, die hier schreiben, scheint diese Energie schon verpufft zu sein... somit wenig Chance auf Wechsel und eigentlich ist der Zutritt zum eigenen Chaos somit gesichert.

    Lieben Gruß von Dagmar

    Klar sind wir Hexen, wenig verständnisvoll oder oder oder - ist aber auch logisch, weil wir anders leben und kein Verständnis haben. Somit müssen wir beginnen nach unserem Verständnis zu leben und aus unserem Leben zu eliminieren, was uns nicht gut tut.

    Bei mir hat sich das komischerweise auf das gesamte Leben übertragen, es dauert wohl immer noch lange, bis ich Störenfriede aus meinem Leben entferne, aber es gelingt mir mittlerweile...

  • Hallo Dagmar- Gruss an alle hier.
    Ist echt eine nachdenkliche und traurige Geschichte.
    Aber ich weiss nicht, ob man dies Feige nennen sollte... es gehört mit Sicherheit einiges dazu, solch einen Entschluss zu fassen!!! Man stelle sich nur vor, wie VERZWEIFELT diese arme Seele gewesen sein muss,dies zu tun. Womit ich die nicht entschuldigen möchte!
    Sicher- es ist sehr hart für die Hinterbliebenen- es tut mir unendlich Leid für diese. Es ist für alle sehr traurig...

    Ich hab dies selbst in der Familie erlebt... Mein Patenonkel hatte damals ein Taxi Unternehmen sowie ein Kiosk. Er war auch stark Alkoholabhängig- dazu kam, dass er Spielsüchtig war. Er hat Haus und Hof verspielt. Eines Tages hat meine Tante Ihn dann morgens im Kiosk gefunden- er hatte sich erhängt... Er hinterliess 5 Kinder und die Ehefrau- die dann mit dem ganzen fertig werden mussten...

    Nachdenkliche Grüsse
    olli

  • Hallo Olli

    Ich verstehe, was du meinst. Ich habe es aus der Sicht der Hinterbliebenen betrachtet und da sieht es für mich feige aus.

    Ich war, Gott sei Dank, noch nie in der Situation, so in einer Depression oder Sucht zu stecken, um diesen Schritt zu gehen. Für mich galt bis jetzt immer, es gibt immer irgendwo einen Weg, wenn ich bereit bin, diesen zu gehen. Diesen Weg gibt es bestimmt auch für Alkoholiker. Ob jedoch ein nasser Alkoholiker diesen Weg nicht sehen kann oder will, das kann ich nicht beurteilen.

    Schöne Grüße

    julchen

  • Hallo Zusammen,

    was ich lese macht mich betroffen. Nicht nur der Anfangspost von Dagmar, sondern zum Teil auch die Antworten. Beide Parteien haben mein Mitgefühl, sowohl die Angehörigen als auch der Mann der seinen eigenen Tod als letzten Ausweg gesehen hat.
    Ich kenne jedoch nur das, was hier niedergeschrieben wurde und das ist mit Sicherheit nur ein Bruchteil, eine unzureichende Zusammenfassung, eines Lebens bzw. gemeinsamen Lebens. Ich kenne diese Menschen nicht, also mag ich mir auch kein Urteil erlauben, wer was für Fehler gemacht hat und wer woran Schuld trägt. Was ich hier lese sind Schuldzuweisungen und Urteile.

    Mitgefühl ist eine Sache, Schuldzuweisungen in einer Situation die nicht meine ist, Urteile über das Leben von anderen, sind für mich ganz andere.

    Gruß
    Skye

  • Hallo zusammen,

    im letzten Jahr meiner nassen Zeit war oft in der Situation, dass meine ganze Seelenlage so niedergemettert war, dass ich mich lebensmüde und völlig unten gefühlt habe. Wenn ich keine Angehörigen hätte, hätte ich es sicherlich geschafft, mich aus diesem Dasein zu beamen.

    Ich finde es einfach nur abgrundtief schade, dass der Alkohol nicht nur so viel körperliche Schäden anrichtet, sondern auch die Seele in diesen Zustand bringt, in diese unrealistische Sichtweise. Wünsche mir insbesondere von der öffentlichen Seite her viel mehr Aufklärung, dass es und welche Hilfen es gibt, so wie es Beiträge zum Schutz gegen Aids gibt, sowas könnte ich mir auch für Alkoholabhängige vorstellen, damit offensiver mit dem Thema umgegangen wird. Viele, die hier neu sind, wissen doch gar nicht, an wen sie sich wenden sollen. Vor meinem Entzug musste ich mich erst im Internet schlau machen, an wen ich mich wenden kann. Und klar hatte ich dann erst einmal eine Riesenhemmschwelle, bei der Beratungsstelle anzurufen und mich zu "outen". Damals wusste ich nicht bzw. habe mir keine Gedanken darum gemacht, wie mit dieser ganzen Thematik umgegangen wird bzw. was auf mich zukommt. Es war dann natürlich erstmal befreiend, bei den ersten Besuchen in der Selbsthilfegruppe zu hören, dass ich nicht alleine bin mit diesem Problem und das war - im Gegensatz zu vielen vielen einsamen Abenden mit meinen Flaschen - schon eine erste Befreiung aus dieser Situation.

    Das ganze Thema Alkoholkrankheit wird mir immr noch viel zu viel totgeschwiegen bzw. ist - im Gegensatz zum Rauchen - immer noch gesellschaftsfähig. Es ist das normale Bild in Samstagnacht in der Innenstadt, vor odre in den Kneipen Betrunkene vorzufinden und wer macht sich schon Gedanken um deren Seelenlage?

    VG, Ulrike

    P.S.: Olli, schön, mal wieder von dir zu lesen, wie geht es dir???

  • Hallo an alle,

    ich muss mal ein paar Worte loswerden.
    Wenn ich lese, dass ein Selbstmord auf den Alkoholkonsum zurückzuführen ist, muss ich widersprechen.
    Es ist für die zurückgebliebenen nicht nur traurig wenn Mensch sich das Leben nimmt, sondern die Hinterbliebenen plagen eine Menge Schuldgefühle. Hätte man nicht besser hingesehen...........

    Der Selbstmord ist die letzte Flucht aus den tiefen inneren Schmerzen und hat nichts mit dem Alkohol zu tun. Viele Menschen leiden darunter. Auch ohne Alkohol.
    Ich selber habe einen Selbstmordversuch hinter mir. Bin aber Co-Abhängig.

    Das Wort Co-Abhängig würde ich nicht nur in Verbindung mit Alkohol bringen, da ich es auch ohne die Tatsache bin, dass ich mit einem Alkoholiker zusammen bin, sondern als Kind gelernt hatte, negative Gefühle einfach wegzudrücken und akzeptieren zu müssen. Ich rede da von familiären Verhältnissen.

    Ich finde eher die Tatsache unerträglich im Leben immer wieder auf ein Neues mit schwierigen Situationen klar zu kommen und dadurch nun mal nicht meinen Willen zu bekommen. Mir fällt es nach wie vor schwer, das Leben so anzunehmen wie es ist, mir nicht jeden Traum erfüllen zu können. Ich rede da von meinem Beruf und von meiner Tochter. Beide Wünsche konnte ich mir erfüllen, aber eben nicht so wie ich das wollte.
    Das Thema Familie ist leider zu sehr mit meinem Co-Abhängigen Verhalten verknüpft und wirft mich immer noch aus der Bahn.

    Na ja, aber die Gesellschaft sieht einfach weg, wenn ein Mensch Probleme hat. Warum weiß ich nicht. Vielleicht nehmen das einfach viele nicht war.
    Denn eine Freundin hatte sich letztes Jahr das Leben genommen. Sie konnte ihre psychische Erkrankung nicht respektieren, laut Aussage ihres Partners. Aber keiner hatte es angeblich in der Familie gemerkt. Ich schon. Denn durch meine eigene Geschichte hatte ich in meinem inneren schon viele Jahre gehofft sie würde die Kurve bekommen. Manchmal habe ich versucht ihr Mut zu machen. Nur ohne Erfolg.
    Was mich allerdings schockierte: keiner will es bemerkt haben und als ich allen einzelne Punkte aufzählte, hieß es, war doch gar nicht so schlimm. Sie hat auch 2 Kinder hinterlassen.
    Einige meinten, sie hätte ihre Kinder im Stich gelassen. Das ist nicht war. Denn meine Freundin war nicht mehr in der Lage überhaupt etwas richtig zu fühlen. Sie war eine tote Hülle. Jedenfalls war ihr Abgang dementsprechend heftig.

    Meine Tat war nicht weniger heftig und ich weiß wie schlimm dann alles war. Man hat keine Zeit mehr sich Gedanken zu machen. Der Schmerz überwiegt alles. Ob dann Alkohol dabei war, spielt keine Rolle. Der Mann war ebenfalls in einer absoluten Notsituation, die ich wirklich keinem Wünsche.

    Ich finde es so schade, dass wir Menschen immer eine sehr eingeschränkte Wahrnehmung haben. Manchmal können wir gut reagieren und fühlen und manchmal halt leider wie hinter einer Wolke nur sehen. Nämlich gar nichts.
    Reden hilft dann nichts. Weil Worte dann immer verloren gehen. Geschriebene Worte dringen besser durch. Aber die Menschen in Notsituation haben leider keine Kraft mehr wirklich zu lesen.

    Das von mir zum Nachdenken
    zeter

  • Ja Zeter, auch ich war depressiv innerhalb meiner Beziehung, ja auch ich hatte Selbstmordgedanken.... damals ....

    So ... dazu muss ich sagen, ich sehe mich in aktiver Co-Abhängigkeit als ebenso krank an, wie ein aktiver Alkoholiker es ist.

    Ich sehe den Tod als Alkoholiker nach einer durchzechten Nacht als ebenso an wie den Freitod eines Co's, der innerhalb einer Beziehung nicht mehr kann. Beide sind süchtig!!!

    Ich denke Zeter, (und da kann ich auch für mich selber aktiv sprechen), wenn es jemandem schlecht geht ist es nicht die Aufgaben der Umstehenden das bemerken zu müssen sondern meine Aufgabe zu sagen, es geht mir schlecht, hör mich zu, ect.

    Es ist dann meine Aufgabe auch aktiv mitarbeiten zu müssen, falls mir jemand durch seine Gegenwart helfen will. Suhle ich mich nämlich im Selbstmitleid und ändere selber nichts an meiner Situation, dann merkt der hilflose Helfer, dass mir nicht zu helfen ist.

    Ich kann den Freitod verstehen, nachvollziehen und beurteile ihn weiß Gott nicht - wage aber davor ganz überdeutlich zu warnen das Umfeld dafür verantwortlich zu machen. Es begiinnt bei mir und endet bei mir - Leben wie Tod ....

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo Dagmar,

    ich gebe Dir recht, dass das Umfeld nicht verantwortlich zu machen ist für den Freitod eines Menschen. Denn das steckt in jedem selbst.

    Aber was ich zum einen sagen wollte ist, dass man den Alkohol nicht verantwortlich dafür machen kann, sondern die Umstände die den leidenden quälen.

    Was das Umfeld betrifft, sie leben aber leider doch sehr eng mit dem leidenen Menschen zusammen.
    Was einen nichtkranken Menschen nicht umhauen würde, haut aber einen kranken Menschen um. Genau da liegt der Hase begraben. Dadurch ist man zwangsläufig an dem Tod beteiligt und fühlt diese dummen Schuldgefühle. Dumm sind diese Schuldgefühle natürlich nicht. Aber so entsteht doch wohl die Frage, hätt ich es besser so oder so gemacht?

    Einen Menschen retten, kann man nicht. Aber nett zu ihm sein, wenn es ihm nicht gut geht, das wohl schon.
    Das hat auch ein Alkoholiker oder ein Co-Abhängiger oder sonst ein anerer kranker Mensch wohl verdient.

    Aber das genau passiert nicht. Denn durch das kranke Verhalten, erntet man als kranker Mensch eher das Gegenteil. Denn das kranke Verhalten nervt oft.

    Da wünsche ich mir nach wie vor mehr Feingefühl von diesem Umfeld.
    Genauso finde ich es schade, dass so viele wirklich blind durchs leben gehen.
    Denn wenn ein Mensch stirbt, will keiner gemerkt haben, was dazu führte.

    Ich für mich habe es in meiner leidenszeit als sehr schmerzvoll erlebt, dass Gefühl zu haben nicht geliebt zu werden.
    Deshalb versuche ich meinem Partner das Gefühl zu geben, dass heißt ich sage es und versuche einigermaßen neutral zu reagieren.
    Keine bösen Worte, keine Schuldzuweisungen. Was ich mache, nenne bestimmt die Dinge, die nicht in Ordung sind. Bleibe konsequent am Ball.

    Das hätte ich mir damals in meiner harten schweren Zeit von meinem Umfeld gewünscht. Warum ich noch Lebe liegt daran, dass es meine Tochter gibt. Der Wunsch nach einem Kind.
    Weil dieser Wunsch bei mir groß war, ich bezeichne es als Egoismus, konnte ich unmöglich diesen Wunsch einfach so zurück lassen.
    Sozusagen versuchte ich dann mich nochmal aus der Realität zu ziehen.
    Wollte nicht sterben, nur Ruhe. Aber dadurch das ich noch ganz tief in meinen Depressionen hing, merkte ich nicht, dass ich mich gefährdete. Das ganze wurde ausgelöst durch die Trennung von meinem Mann.
    Erst im Laufe der Zeit, wachte ich wieder von meiner Depression auf und fing an Verantwortung zu fühlen und zu übernehmen. Das dauerte aber ein Paar Jahre.

    Jetzt durch die Beziehung mit meinem alkoholranken Freund fühlte ich wieder diese Schmerzen. Leztes Jahr habe ich genau deswegen eine Therapie begonnen und auch wegen dem Freitod meiner Freundin. Denn mir war es einfach zu heikel unvernüntig mit meinem Leben umzugehen.
    Mittlerweile kann ich aber sagen, dass die Zeit meine Depression genommen hatt. Denn eine Seele braucht sehr lange bis sie anfängt zu heilen.

    Also liegt nicht alles an einem selbst wie Aktiv man versucht sich zu helfen, sondern eine Portion Glück gehört dazu nicht verloren zu gehen und liebe nette Menschen. Und viel Zeit.
    Nur leider haben nicht alle diese Zeit, weil sie doch meiner Meinung nach zu sehr verlernt haben zu warten.

    Liebe Grüße Zeter

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