Meine schweren Zeilen

  • Hallo erstmal.

    Ich bin 20 Jahre alt und Alkoholiker.
    Allein das zu schreiben kostet bereits viel Kraft.
    Ich bin homosexuell, lebe in einer glücklichen Beziehung (leider auf Entfernung) und mache zurzeit mein Abitur über einen Fernkurs nach. Ich möchte später Lehramt studieren.
    Meine Hobbys sind lesen und Rollenspiele (Auf Konsole oder live auf Mittelaltermärkten).
    Vom Sternzeichen bin ich Zwilling und meine Familie ist, mehr oder weniger, intakt.


    Ich fing erst sehr spät mit dem Alkohol an. Erst mit Mitte 18 Jahre.
    Zuvor gab es nur einmal einen Rausch auf der Party eines Freundes als ich 14 war. Den wirklichen Ausschlag gab mein Ex... Aber zuvor eine Vorgeschichte um alles verstehen zu können:

    Ich bin seit meinem 13. Lebensjahr depressiv gewesen und mehrmals von zuhause weggelaufen, erst mit 17 als ich meine Realschule und 1 Jahr BBS beendet hatte, wagte ich es mich einzuweisen. Dort fand man den Grund für meine Depressionen heraus: Hochbegabung und die ständige Unterforderung dadurch (IQ:167...Mehr Fluch als Segen...)
    Als ich aus der Psychatrie entlassen wurde auf Ausbildungssuche gewesen, bis heute nichts gefunden... Ich machte meinen Führerschein und fand einen 400 € - Job in einem Traumbetrieb.
    Wohlgemerkt habe ich zu der Zeit nicht einen Tropfen getrunken, ich lehnte Alkohol ab.

    Doch wie das Leben so spielt, wo die Liebe hinfällt. Ich lernte einen zu der Zeit wahnsinnig tollen Mann kennen. Erfolgreich, lebenslustig und zu meinem Leidwesen im nachhinein: Weinkenner...
    Nach nur 1 Monat hatte er mich überredet gehabt meinen Job aufzugeben (den ich geliebt habe... aber er verdiente ja genug...) und zu ihm zu ziehen.
    Zwischendurch gab es zu der Zeit immer mal einen Weißwein aber da noch zum Genuss.
    Als dann der Zusammenzug gekommen war, wurde ich sehr bald mit der bitteren Realität konfrontiert: Er war ein Workaholic und ich saß ca. 12 Stunden täglich (auch am WE, da Einzelhandel) alleine in einer Wohnung die mir nicht gefiel, in einer Stadt die ich nicht mochte; ohne ein Auto fest. Arbeitslos und ohne Beschäftigung. Der Alkohol der ständig da war, wurde schon verlockender und ab und zu genehmigte ich mir ein wenig. Ansonsten versuchte ich mich mit Hobbys abzulenken...
    Daraus wurde nichts! Mein ehemaliger Traummann fing an mir dauernd ein schlechtes Gewissen einzureden wenn ich mich denen widmete solange er arbeiten ist und war er Zuhause wollte er meine vollste Aufmerksamkeit.
    Ich war unglücklich und einsam... bis auf meinen jetzigen Freund (den ich schon damals vor! meinem Ex kannte), der zumindest virtuell bei mir war.


    Nach einigen Monaten bekam mein Ex-Freund ein Burn-Out und kündigte in Folge dessen seinen Job. Nun trank er sehr viel aus Frust und ich wurde Co-abhängig. Ich wollte ihm halt beistehen, doch das misslang gründlich...
    Er überredete mich (aufgrund unserer schlechten Finanzlage) virtuell mit ihm zu "strichen"...Cam-Sex... ich wollte ihn nicht alleine lassen in seinem Frust und im Nachhinein wusste ich, ich hätte da schon längst die Notbremse ziehen müssen!!
    Doch ich tat es nicht und um mich zu überwinden betrank ich mich, damit ich die Hemmungen verlor...
    Wir stritten immer mehr und mehr und ich verliebte mich anderweitig und als ich ihm das sagte warf er mir nur vor, dass ich sein Leben ruiniert habe.

    Der Auszug zurück zu meinen Eltern folgte kurz darauf, aber in einer eigenen Wohnung und ohne Job (suche seitdem) fehlten mir auch die Mittel. Zumal ich nun eine Fernbeziehung führte. Also machte ich mit dem "strichen" weiter (Mein jetziger Freund weiß nur das ich "gechattet" habe um an Geld zu kommen, was genau leider nicht).
    Neben diesem Finanzdruck, bemühe ich mich mein Abitur in Eigenregie zu machen (Staatliche Schulen nahmen mich nicht mehr da ich zu lange raus war und Abendschulen fordern abgeschlossene Ausbildung), mit der Sehnsucht der Fernbeziehung fertig zu werden, mit der Vergangenheit abzuschließen und meine Gedanken unter Kontrolle zu halten (durch die Begabung werde ich schnell depressiv wenn ich mich langweile).
    Da blieb einfach keine Zeit mehr für Hobbys und richtige Entspannung, also blieb nur die "flüssige" und ich brauchte mehr Entspannung, weil der Stress mehr wurde...

    Noch heute ist die Situation unverändert, nur das ich einen liebevollen Partner habe (der glücklicherweise Alkohol abolut ablehnt) und mit dem "strichen" aufgehört habe. Heißt allerdings dass die Finanzlage noch viel angespannter ist. Ich kann mir 1 Mahlzeit am Tag leisten, der Rest von dem bisschen was ich habe (200 €) geht für meine Zukunftspläne (studium) und meine Beziehung (190 Km) drauf.

    Ich habe nun während der letzten Wochen gemerkt der Alkohol ist einfach zu stark geworden. Ich trinke teilweise morgens um 10 damit ich mich nicht mit allem überfordert fühle und das Gefühl bekomme allem gewachsen zu sein. Morgens, Mittags, Abends, Nachts... Es gibt immer Gründe.
    Ich versuchte schon mehrmals auf eigenen und auch auf Wunsch meines Partners (dem die Abhängigkeit als erstes auffiel) mit dem Trinken aufzuhören. Erfolglos... Nach spätestens 7 Tagen fang ich wieder an, weil dieser gefährliche Glaube: "Ich habe kein Problem, habs doch eine Woche ohne Probleme geschafft, also keine Sorge" vorhanden ist.

    Wein, Wodka, Bier... hauptsache ich habe diese "flüssige" Entspannung die mir das Gefühl vermittelt: Ich schaffe das alles schon irgendwie!

    DAMIT IST JETZT SCHLUSS!

    Ich will nicht mehr diesem Nervengift unterliegen, ich will leben, meinen Partner richtig spüren und die Welt wieder nüchtern sehen!
    Darum bin ich jetzt hier und hoffe hier gut aufgenommen zu werden.

    Heute war ich dann beim Arzt,

    hatte vorher echt Herzklopfen was er wohl sagen wird. Die Sprechstundenhilfe war jedenfalls sehr unhöflich und beinahe genervt "Sie haben keinen Termin? Dann werden Sie warten müssen! 10 € Bitte!". In der Tonlage eines Feldwebels...

    Nun, nach ca. 30 Minuten konnte er mich zwischen schieben und ich erzählte ihm das gleiche wie euch. Er nickte meist und hörte zu, ab und zu ein paar Zwischenfragen wiw "Wieviel trinken sie so am Tag?", "Haben Sie schonmal Black-Outs gehabt?", "Trinken Leute in ihrem Umfeld?".

    Hinterher dann Blutabnahme, Blutdruck messen usw. Die Werte liegen heute Nachmittag vor.
    Und ich brauche nicht in die Klinik, aber soll mich zumindest eine Woche lang mind. alle 2 Tage bei ihm zeigen zum Werte messen.

    Ich fragte ihn auch zum Delirium, er meint "sehr unwahrscheinlich, da sie so gut wie noch nie über einen Liter am Tag tranken aber möglich!". Wow, damit hatte ich nicht gerechnet das dass möglich ist...

    Er gab mir noch die Telefonnummer des Notdienstes für das Wochenende und die Adresse einer SHG in der Nähe. Außerdem bekam ich den Rat möglichst viel in Gesellschaft zu sein (möglichst keine Trinkende) die notfalls schnell den Notarzt rufen können und ich soll Auto fahren möglichst eine Woche lang vermeiden.
    Bei Bedarf könnte er mir ein Medikament rausschicken aber das zahlt die Kasse wohl nicht. Demnach nur bei Bedarf.

    Ich hoffe hier bei euch nun gut aufgehoben zu sein und die Sucht zu besiegen

    Vince

  • Hallo,

    gut, dass du mit dem Mist aufhören möchtest.
    Selbsthilfegruppen sind ja gut, allerdings solltest du vielleicht auch mal überlegen, deinen Arzt auf eine Überweisung zu einem Psychologen anzusprechen.

    Ich denke, dass Selbsthilfegruppen sehr helfen, um sich mit Betroffenen auszutauschen, um sich gegenseitig zu motivieren und um auf dem Weg zu bleiben.
    Allerdings ersetzen SHGs kein fundiertes Aufarbeiten psychologischer Probleme, durch die der erhöhrte Alkoholkonsum entstanden sein könnte.

    So kann das von dir erwähnte "Locker-Trinken" bzw. trinken, um überhaupt Mut für den Tag zu fassen, sicher nicht durch Selbsthilfegruppen allein gelöst werden, sondern der Ursprung dieser negativen Gefühle müsste beleuchtet werden, was möglich ist, wenn du diesen Ursprung mit professioneller Hilfe bearbeiten würdest.

    Dein großer Vorteil ist, dass du noch sehr jung bist und
    die Aufarbeitung von Problemen einfacher ist als bei einem Geist, der schon 50 Jahre auf dem Buckel hat und von diesen 20 Jahre durchgesoffen hat.

    Besten Gruß

  • Hallo, ihr alle.

    Danke für eure herzlichen Willkommensgrüße

    hoppegarten : Ich war schon sehr oft in Therapie und nahm zwischendurch auch immer mal Antidepressiva. Jedoch kann mir kein Psychologe der Welt meine Hochbegabung, wegen der ich ja so depressiv wurde, nehmen. Ich weiß wie ich damit umgehen sollte... Aber es fällt oft so schwer, zumal ich immer noch Probleme habe diese zu akzeptieren (Sie machte mich zum Außenseiter, meine Eltern lehnten mich deswegen ab, Meine komplette Kindheit versucht normal zu sein und meinen Kopf zu unterdrücken). Wenn ich getrunken habe, war ich zumindest auf einer Ebene mit allen anderen...

    @Ultra_Violet: Ich wollte keinesfalls in eine Klinik! Das war mein eigener Wunsch. Ich war bereits einmal in einer wegen Depressionen und das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich träume noch heute davon und schrecke hoch... Ich werde panisch wenn ich nur daran denke. Darum gibt mir mein Arzt erstmal die Möglichkeit es so zu versuchen. Sollte ich scheitern werde ich natürlich nicht drum herum kommen aber ich bin fest entschlossen.

    Liebe Grüße
    Vince

  • Hallo Vince,

    Mit dem Gang zum Arzt hast Du schon eine große Hürde genommen! Halte in jedem Fall den Kontakt und nutze die Notrufnummer, wenn es Dir dreckig geht!

    Wenn es Dir nicht gut geht, bekommst Du auch hier im Forum Hilfe und Unterstützung.

    Ich wünsche Dir alles Gute bei Deinen nächsten Schritten!

    Liebe Grüße,
    Schattenspringer

    Das Beste geschieht JETZT!

  • Hallo Vince,
    Es gehört sehr viel Mut, Deine Geschichte in einem Forum so ausführlich zu schildern. Damit hast Du für Dich bereits einen großen Schritt bezüglich Deiner Veränderungsabsichten getan. Weiterhin lese ich zwischen den Zeilen, dass Du bereits weitere Schritte ins Auge fast, aufgrund Deiner vergangenen Therapieerfahrung. Vielleicht denkst Du einmal darüber nach, den Schritt zu einer Suchtberatungsstelle in Deiner Nähe zu wagen. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich Dir sagen, dass die Beratungsgespräche nur zu Deiner Orientierung dienen, welche Wege Du aus Deiner Sucht und auch aus Deiner Depression führen könnten. Ich habe eine Stieftochter, die z. Zt. ebenfalls an Depressionen leidet. Ihre Mutter u. ich haben ihr unsere Begleitung angeboten, die sie auch annahmen. Dieses ist nun 6 Wochen her. Das Ergebnis ist: Meine Stieftochter besucht seit 4 Wochen eine Tagesklinik mit bereits kleinen Teilerfolgen. Vielleicht hilft Dir meine Schilderung weiter. Ich bin sicher, dass Du Dein Ziel erreichen wirst, indem Du Dir den Weg dahin mit kleinen Zielen absteckst. Entscheiden kannst Du nur für Dich allein. Also bis dahin viel Erfolg. Es grüsst Horatio56.

    Es grüsst horatio56

  • Hallo Horatio,

    ich werde mir deinen Ratschlag mal durch den Kopf gehen lassen. Aber zunächst muss ich den für mich nächsten, wichtigen Schritt machen und meinen Freund mit ins Boot holen. Das ist mein Ziel für dieses Wochenende (Er war eine Woche auf Klassenfahrt, darum weiß er noch nichts davon dass ich nun endlich aufhöre.)

    @all:
    Bisher geht es mir immer noch gut, klar ich habe erst den 2 Tag (letzter Schluck Dienstag morgen um 10) und weiß da kann noch einiges kommen. Ich bin ab und zu ein wenig euphorisch, aber traue dieser nicht so ganz. Halte ich für einen ganz ausgeklügelten Trick meines Gehirns mir vorzutäuschen: "Hey, dir geht es doch gut, also hast du gar kein Alkoholproblem".

    Werde mir heute noch einen gemütlichen Abend mit einer Flasche Cola machen. Ich wusste gar nicht mehr wie diese pur schmeckt...
    Nur eine Beschäftigung muss ich noch finden. Ich weiß nicht ob es an der plötzlichen Nüchternheit liegt, aber mir geht das Fernsehprogramm plötzlich sowas von auf den Keks. Eiskalt abgeschaltet.

    Statt Fernsehen und Bier, gibt es jetzt halt Cola und Buch oder so.
    Habe ein wenig Angst, durch nun mangelnde Beschäftigung in Versuchung zu kommen aber ich werde widerstehen!

    Gruß Vince

  • Bei der Aussage "mach Sport, es wird Dir helfen" musste ich früher immer lachen, bis ich merkte, dass die Aussage vollkommen zutrifft.

    Damit meine ich nicht mal kurz durch den Park zu wandern, oder mit nem Kumpel Federball zu spielen, sondern sich wirklich (natürlich im Rahmen) zu verausgaben. Ideal ist dafür meiner Meinung nach Krafttraining in Verbindung mit Ausdauer-Training.
    Nach solchen Trainings-Einheiten bin ich froh, vollkommen entspannt ein Buch zu lesen und früh einzuschlafen. Grübeln und destruktive Gedanken kann ich so meist auch kompensieren.

    Und ein weiterer Vorteil ist neben der optischen "Aufwertung" und damit auch des Selbstbewusstseins das Wiederlangen des eigenen Körpergefühls, dass bei vielen Menschen eh nicht mehr vorhanden ist, aber bei Drogenabhängigen umso oftmals neu aufgebaut werden muss.

    Grüße

  • Hallo Vince,

    Fernsehen ist reines Konsumieren. Das füllt auf Dauer ja nicht aus.

    Mit der Zeit findest du sicherlich Tätigkeiten, die dir gut tun. Fällt dir ein Hobby ein, was du reaktivieren kannst oder schon immer mal ausprobieren wolltest?

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Vince,

    Du hattest bei Deiner Vorstellung *lesen* und *Rollenspiele* als Hobbies angegeben - gibt es weitere Interessen, die Du gerne wieder aufnehmen oder überhaupt mal ausprobieren möchtest?

    Mir persönlich sind Bücher sehr wertvolle Begleiter, die ich auch überallhin mitnehmen kann. Bücher würde ich in jedem Fall auf eine einsame Insel mitnehmen, bevor mir ein Fernseher ins Reisegepäck käme :D

    Über neue Freizeitaktivitäten lernst Du neue Menschen kennen, mit denen Du Dich als Alternative zur Glotze treffen kannst.

    Ich habe für mich vor längerer Zeit das Wandern und Fotographieren wieder entdeckt. Beim Wandern kann ich mit zunehmender Entfernung die Last in meinem imaginären Rucksack loswerden - das hat mich immer wieder geerdet.

    LG,
    Schattenspringer

    Das Beste geschieht JETZT!

  • Hallo Vince,

    zuerst mal Willkommen und meinen Glückwunsch zu Deiner Entscheidung.
    Dass chronische Unterforderung in Depression, Einsamkeit und Sucht führt ist gar nicht so ungewöhnlich und ich kann das gut verstehen. Bei 167 stell ich mir das sehr extrem vor.
    Das Wichtigste ist jetzt erstmal die Trockenarbeit. Hier im Forum wirst Du eine Menge dazu erfahren. Das sollte ganz oben auf der Liste stehen. Um eine zufriedene trockenheit und ein zufriedenes Leben zu finden kommt noch einiges mehr auf Dich zu. Nämlich die Ursachenbearbeitung.

    Informier Dich mal über den Verein "Mensa" der in Deutschland leider nur wenig bekannt ist. Ab einem IQ von 130 kann man Mitglied werden. Hier triffst Du auf Gleichgesinnte die die sich gegenseitig stützen und kannst so Erfahrungen austauschen und erhälst auch viele Tips wie Du Deine Ressourcen für Dich nutzen kannst. Hier finden sich schnell ungeahnte Möglichkeiten von denen man vorher nicht mal wusste, dass es sie gibt.

    Ich finds jedenfalls Klasse, dass Du so frühzeitig für Dich erkannt hast, wo die Probleme liegen. Du bist 20 und hast alles noch vor Dir. Wenn Du aktiv handelst, kannst Du das Ruder jetzt rumreissen und in ein zufriedenes und vor allem trockenes Leben starten.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Hallo ihr lieben.

    Ich fühle mich schon jetzt bei euch unglaublich gut aufgehoben. Stimmt mich aber zu gleich auch etwas traurig, dass ich erst bei so einer schwerwiegenden Sache wie einer Suchtkrankeit. Akzeptanz und Zugehörigkeit finde.

    Sport mache ich bereits: Joggen und Bauchmuskeltraining (Mein Freund findet das so toll :wink: )

    Zu den Hobbys: Ja, im Bezug auf Rollenspiele. Die waren vor dem Alkohol immer meine Zuflucht bei denen ich wunderbar abschalten konnte bzw. immer noch kann. Aber inzwischen habe ich da ganz furchtbare Hemmungen... Liegt zum einen an meinen Eltern die mir immer einredeten dass so etwas schlecht ist ("Du verlierst den Realitätsbezug", "Du musst rausgehen". "Du musst mit anderen! in deinem Alter! ((die nicht hochbegabt sind...)) was machen") Zum anderen machte mir Freund immer ein schlechtes Gewissen wenn ich sie spielte solange er weg ist (Er muss arbeiten und ich mich amüsieren?) und war er da wollte er meine ganze Aufmerksamkeit.
    Ich vermisse diese Abenteuer in anderen Welten, ob nun im Buch, auf einer Konsole oder Live ist ja egal...
    Aber jedesmal wenn ich es versuche kriecht da dieser Gedanke hoch: "Du machst etwas schlechtes und verbotenes!"

  • Hallo Vince,

    Eltern halt...
    Unverständnis auf ganzer Linie. Das wird eine Weile dauern bis Du diese Schuldgefühle los wirst. Tu das was Dir gut tut. Du bist ja clever genug um zu wissen, dass ein Realitätsverlust erst dann eintritt, wenn man das wahre Leben dem Hobby unterordnet. Hab ruhig 'n bisschen Selbstvertrauen selbst einschätzen zu können was Dir einfach nur gut tut und was ein problem werden könnte.

    Im Übrigen kenn ich so gut wie keinen Eierkopf der nicht auf Fantasy und/oder Science Fiction steht. Die beste Gelegenheit um mal abzuschalten um sich mal nicht mit den dauernden Gedanken die in einem kreisen rumschlagen zu müssen. Da kann man einfach mal jemand sein der man im wahren Leben nicht sein kann, Daran ist nichts Verwerfliches oder Gefährliches oder Verbotenes. Freu Dich, dass Du Dir Deine Phantasie bewahren konntest. Sie wird Dir noch gute Dienste leisten.

    Übrigens, es bedarf nicht des Alkoholismus um verstanden zu werden, es bedarf Gleichgesinnter die ein Interesse an Dir haben. Manche werden das an Dir als gesamten Menschen haben. Der Partner zum Beispiel. Aber es wird immer Teilbereiche geben in denen es Gleichgesinnter bedarf damit man Dich versteht. Zu erwarten, dass Jeder Verständnis für das Alkoholproblem aufbringen kann ist vermessen. Genauso wie jemand mit einem IQ von 100 nicht nachvollziehen kann, dass es ein Fluch sein kann wenn man einen IQ von 167 hat. Das heisst gar nicht, dass das eine gut wäre oder das Andere schlecht, sondern einfach nur, dass wirkliches Verständnis nunmal vor allem bei Gleichgesinnten die ähnliche Ziele verfolgen vorhanden ist. Die Kunst ist es sich ein Netzwerk aufzubauen so dass man in der Lage ist gesund seinen Bedürfnissen nachgehen zu können.

    Das Bescheuertste aber ist diesem "Du musst dies, Du musst das" nachzugehen. Erstmal ist es wichtig rauszukriegen, wer bin ich, was möchte ich, was tut mir gut. Wenn man da den Bogen mit der Zeit rauskriegt braucht man nichts mehr mit Süchten zu kompensieren.

    Die meisste Hilfe bekommst Du dort wo man Dich versteht und wo man gesund miteinander umgeht. Sicher ist es nicht hilfreich, sich Rollenspielern anzuschliessen die 24 Stunden am tag vor der Kiste sitzen, das wäre einfach nur wieder Realitätsflucht. Aber eine gute Rollenspielgruppe mit der man 2 Mal die Woche auf Monsterhatz geht kann sehr entspannend sein. Was den Alkoholismus angeht erfähsrt Du in Selbsthilfegruppen, online oder auch in echten Selbsthilfegruppen am Besten wie Du damit umgehen kannst. Und was Deine chronisch unterforderten grauen Zellen angeht, da such Dir ein paar Eierköpfe. Du wirst Dich wundern wie viel verständnis man finden kann wenn man für das richtige Thema die richtigen Ansprechpartner auswählt.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Gibt Leute, die verdienen mit Rollenspielen richtig viel Geld, Schimanski läßt grüßen...

    Ich bin seit paar Monaten bei einem Coach, was Beruf angeht, da gingen mir die Augen auf. Wenn du das 'ganz normal' Buch gelesen hast, dann ist dir sicher aufgefallen, daß es fast schon 'normal' ist zu scheitern. Aber mit alkfreier Birne kannst du dich innendrin neu sortieren. Und das, was bisher dein Leben schwer gemacht hat, kann ein gutes Werkzeug werden. Laß dir Zeit. Die Trockenheit hat Vorfahrt.

    Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo nochmal,

    ja, mag Linde in diesem Punkt unbedingt nochmal Recht geben. Schritt für Schritt und eins nach dem Anderen. Auch wenn es viele Punkte sind, die Dich bewegen. Wirklich was angehen kannst Du erst wenn der Kopf wieder frei ist. Zugedröhnt kommt nur Unsinn raus. Deswegen sollte für Dich das Trockenwerden und Trockenbleiben erstmal im Vordergrund stehen, denn das ist die Basis auf die Du anschliessend aufbauen kannst.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Guten Morgen

    Der 3. Tag ist angebrochen und ich fühle mich noch gut.
    Nach allem was ihr erzählt habt, will ich mein Rollenspiel-Hobby gerne wieder reaktivieren.

    Habt ir dazu Tipps, wie ich das machen sollte bzw. schaffen kann?
    Ich habe es gestern und heute versucht aber nach spätestens 10 Minuten musste ich abbrechen. Der Kopf wurde zu übermächtig: "Du machst was schlechtes und verbotenes!", "Statt hier rumzuhängen solltest du lieber Geld besorgen (egal wie...)". "Lern weiter, dein Abitur macht sich nicht von alleine!".
    Bei den Gedanken die dann überhand nehmen ist es sehr schwer mich noch ganz entspannt auf mein Spiel zu konzentrieren :?

  • Gibt es an deiner Schule keine Theatergruppe?

    Oder in deinem Dorf/Stadt? Hier bei mir in der Nähe gibt es ein Mittelalter-Marionettentheater, da spielen welche, andere sprechen und die nächsten bauen auf. Mittelaltergruppen gibt es auch einige.

    Das sind ja verinnerlichte Stimmen, die sich da einmischen. Vielleicht kannst du das immer mal sortieren. Klar, wenn du neue Wege gehen möchtest, mischen die sich ein und melden sich. Durch Anpassung habe ich meine Kindheit überlebt. Ich habe im Lauf der Zeit immer mal gefragt: Wer spricht da gerade? Und meist war es ein ganz aufgeregtes inneres Kind, was ich beruhigen konnte, 'heute ist heute und heute bin ich soweit, neue Wege zu gehen, vertrau mir'.

    Die Trockenheitsarbeit kostet jetzt Kraft, schlaf wie du es brauchst, ruh dich aus, iss was Gutes und immer mal bissel spazieren (Geldbeutel laß daheim!), tank dich auf mit dem was dir gut tut. Und das sind meist ganz einfache Dinge.

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Linde,

    Ich gehe nicht mehr zur Schule. Ich mache mein Abitur über Fernkurs nach. Hier in der Gegend gibt es leider nichts dergleichen. Ich wohne in einem kleinen Ort der kaum 100 Einwohner fasst. Zumindest hat es den Vorteil das wir hier keinen Kiosk oder sonst eine Einkaufsmöglichkeit für Alkohol haben.

    In weiter entfernten Städten (25 km +) gibt es sowas sicherlich, aber da sind wieder Benzinkosten und meistens Mitgliedsbeiträge usw. Das erscheint mir noch! unschaffbar und würde mich gleich wieder überfordern.
    Ihr habt mir geraten ich solle kleine Schritte machen und das wäre für mich zunächst einmal für mich alleine in meiner vertrauten Umgebung erstmal wieder spielen zu können. Bevor ich das dann weiter ausweite

  • Vorlesen im Kindergarten? Vorlesen im Altersheim? Wenn ich Kindern vorlese, dann bin ich alle Figuren im Buch, da lebe ich alle Figuren, mir macht das richtig Spaß.

    Ja, setze dich nicht unter Druck. Ich bin sicher, dir läuft das Richtige einfach zu. :wink: Immer mal die Zeitung durchblättern und schwupps macht es klick. Naturschutzverbände suchen immer Mitstreiter für ihre Ortsgruppen. Wer weiß, was da sich wieder für neue Kontakte bilden. Wenn es für dich innendrin soweit ist, dann merkst du das.

    Wenn etwas gerade gar nicht geht, mach was völlig anderes: Kopf frei und was anderes machen. Der Bewegungsimpuls ist ja da, kannst ihm einfach woanders Raum geben.

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

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