Ein "Hallo" in Eure Runde,
ich habe jetzt schon sehr viel im EKA-Board mitgelesen. Der Hammer, was ich da so fand. Als wäre es meine Geschichte. Danke für Eure Offenheit!
Auch ich bin eine EKA und ich freue mich, Euch hier gefunden zu haben.
Der Alkohol war bei uns schon immer ein gepflegtes Zubehör daheim. Als Kind fand ich ein Glas Wein zum Essen (für meine Eltern) normal, am Abend zum Abspannen ebenso. Oder zum Grillen einige Bier in der Runde. Es ging immer gelöst und freundlich zu, keine Aussetzer oder Auffälligkeiten. Und ich liebte es, wenn meine Eltern Gäste hatten, dann war es viel lebendiger. Heute trinkt nur noch meine Mutter, mein Vater muss abstinent leben.
Da ich mit 18 zu Hause ausgezogen bin, ein Jahr im Ausland war und danach auch gut durchs Studium gekommen bin, war äußerlich mit mir lange alles "normal". Erst nach dem Studium kam der Einbruch, als nichts mehr vorgegeben war und ich keine eigenen Ziele in mir fand. Mir fehlte das Gefühl dafür, wer ich war, dass ich "in Ordnung" war, Stärken hatte, und vor Menschen bestehen konnte.
(Zu Hause habe ich dauerhafte Kritik erlebt, wenig Lob, Wärme, Wertschätzung. Das wurde mir aber erst in den vergangenen 15 Jahren klar, seit ich mich in andere Kontakte gewagt habe und weiß, wie es ist, echte Nähe zu teilen. Wieviel Kraft mir gute Kontakte geben, und dass ich wachse.)
Auch in meinen Beziehungen zu Männern fand ich lange Zeit "normal", was mir inzwischen deutlich zu wenig wäre. Ich begnügte mich mit sehr wenig Nähe, forderte nichts ein, klagte bestenfalls und litt, bis ich eben ging. Ich dachte, so seien "die" Männer, und Beziehungen seien eben so. (Bitte nicht wörtlich nehmen, ich weiß es inzwischen anders.)
Irgendwann begann ich, mich dafür zu schämen, dass bei mir alles "anders" war. Ich brauchte und brauche mehr Rückversicherung in meinen Kontakten, ich kann mich schwer durchsetzen, wenn etwas auf dem Spiel stet, meine Stärken existieren, aber ich setze sie nicht um, verzichte auf Macht, habe wenig Zutrauen in mich und darin, dass alles mit mir "stimmt", auch vor anderen. Besonders im Umgang mit meinen Gefühlen kämpfe ich.
Und damit bin ich bei meiner Co-Abhängigkeit als EKA angekommen:
Ich erkenne allmählich, dass ich im Umgang mit Menschen und mir selbst einen guten Teil der EKS-Palette an Merkmalen in mir vereine. Das unbemerkte Abgehen von meinem eigenen Gefühl ist der störendste Teil davon. Es bringt mich von mir weg, vom Aufspüren eigener Ziele (innere Stimme), und ich suche Sicherheit einer Idee oder eines Plans eher im Außen, als dass mich meine Überzeugung voran trägt. Das ärgert mich!
Nützt nichts, ich weiß. Aber ich sitze auf einer Reihe von Talenten und finde nicht ins Arbeitsleben. Das ist meine offensichtlichste Baustelle, da kreuzen sich alle "Lücken" meiner inneren Entwicklung. Geringes Selbstvertrauen und doch zugleich ein Riesenwunsch, endlich etwas Bedeutendes zu leisten.
(Als Einzelkind in süchtiger, gefühls-freier Umgebung war ich bereits eine Leisterin, alles mich betreffende allein zu schaffen, um mich vor Kritik zu schützen. Vielleicht will ich einfach nichts mehr "so" leisten, wie ich damals musste: Mithalten, egal was ich brauche, nur um Kritik abzuwehren.)
Erst durch eine erneute Therapie bin ich darauf aufmerksam geworden, dass meine Schwierigkeit, mir meinen Platz zu nehmen, mit der emotionalen Unaufrichtigkeit in meiner Ursprungsfamilie zu tun haben kann. Wir sind alle "lieb" zu einander, such(t)en Verbindung in äußeren Ritualen (gutes Essen), während eigentlich überhaupt kein innerer Kontakt von Ehrlichkeit zu Ehrlichkeit besteht. Grenzen wurden einseitig an mich kommuniziert (Ge- und Verbote), ich selbst habe lange keine gezeigt. Und Konflikte "wollen wir nicht". Allerdings wirft der Teppich schon Buckel, und die Sessel wackeln ziemlich darauf.
Ich bin drauf gekommen, dass ich mich in diesem Spiel (Alkoholproblem leugnen, durchs Mitmachen und Nichtssagen) in meiner Kraft völlig binden lasse, immer zu "verstehen" versucht habe, nie in eigener Sache laut werde, bei inakzeptabler Kritik nicht für mich einstehe, etc. - Kurz: Dass es mich nicht wirklich mit eigenen Konturen gibt, weil ich sie nicht zu zeigen wag(t)e. Inzwischen ist mein Wutpegel darüber aber genug angestiegen, dass ich zuversichtlich bin, das irgendwann auf meine Weise noch zu schaffen.
Ein Grund für diese Wut ist vor allem, dass ich erkenne, welche Rolle ich als Kind zu Hause für meine Eltern spiele. In ihrer Welt haben sie immer noch die Staatsgewalt im freien Befinden darüber, welches Qualitätssiegel mein Leben verdient. Und jetzt kommt's: Wenn ich das Alkohol-Thema (meiner Mutter) berühre, oder die Belastung für den Co (mein Vater), kommt jeweils von beiden ein kurzer Verweis auf mein berufliches Versagen - und dass sie ihr Leben diesbezüglich schließlich prima auf die Reihe kriegen (Mutter) bzw. sich von mir, die ich das nicht vorweisen kann, ganz sicher keinen Tipp abholen (Vater). Fertig. - Und inzwischen ist mir klar, warum: Leugnen.
Ich mache da nicht mehr mit! Es macht mich sauer, dass ich da völlig umsonst um Gesundungsmöglichkeiten "werbe" (AA bzw. Al-Anon), mit echtem Interesse und Mitgefühl. Ich bekomme ja die Dauerspannung zwischen den beiden mit, und den körperlichen Abbau meiner Mutter. Die sind auf einer ganz anderen Ebene unterwegs, ich störe den Schaltkreis, werde weder in meiner eigenen Art zugelassen (angehört, Gefühlsdinge sind lästig) noch als ebenbürtig anerkannt. Und ich fühle die Trauer, die Depression, die Wut, die Resignation, die eigentlich dort herrscht. Wie kann das sein?
Erst kürzlich machte mich jemand darauf aufmerksam, dass genau das Co-Abhängigkeit meint: Auch die Gefühle der anderen für sie zu erledigen! Ich war platt. Wie lange schon bin ich in stiller oder klarer Trauer um meine Mutter und ihre (in meinen Augen) magere Ehe gekreist. Wie "hilflos" und zur-Macht-nicht-berechtigt habe ich mich hier (solidarisch?) im Standgas aufgehalten, statt wenigstens in meinem eigenen Leben voran zu schreiten und meinem Weg selbst Form zu geben? (Eine ganz neue natürlich, nicht dieselbe.) Ich habe bis jetzt unbewusst versucht, meine Eltern "mitzunehmen" (wenn es Euch gut geht, darf ich mich entfernen, so etwa), bzw. mich selbst nicht einfach abzuwenden, indem ich nur mir und meinem Bedürfnis folge.
Immer war da der Gedanke: Erst alles daheim klar haben (den Alkoholismus betreffend), dann kann ich mich in meine eigenes Leben absetzen. - Jetzt wird mir klar, wie idiotisch und aussichtslos dieser Anspruch an mich selbst ist. Wer hat die Macht, mir zu sagen, ich hätte treu zu bleiben, selbst wenn ich erkenne, wie sehr mich dieses System schädigt? Die lasse ich einfach zu. Und wer kann einen Suchtabhängigen umstimmen? Niemand.
Ich erkenne, wie sehr ich selbst Hilfe brauche, um von diesem ungesunden Denken wegzukommen. Ich bin es, die Hilfe braucht (ebenso wie meine Eltern ihre eigene). Ich will nicht länger recyclen, was bei uns daheim einfach nicht angeschaut wird. Das raubt mir meine eigene Energie, beschwert mich, und ich muss den anfallenden Müll entsorgen. Alles Tätigkeiten, die mich davon abhalten, mein Leben zu genießen! Echt, ich habe keine Lust mehr dazu!
Schön, dass ich mit alldem hier nicht alleine unterwegs bin.
Danke fürs Lesen.
liebe Grüße
von der Wolfsfrau