Vergangenheit ad acta legen

  • Hallo in die Runde :)

    Seit einiger Zeit beschäftige ich mich sehr intensiv mit meiner Vergangenheit. Ich hinterfrage mich und meine Macken und versuche herauszufinden, wie ich sie, wie ich mich ändern kann. Aber irgendwie tut mir das nicht gut.

    Glaubt ihr man kann sich auch zu sehr damit beschäftigen :?:
    Denkt ihr man sollte irgendwann einen klaren Strich ziehen und die Vergangenheit ruhen lassen :?:
    Kann man die Vergangenheit einfach ad acta legen :?:

    Bin gespannt auf Eure Gedanken. :D

    Schönen Abend
    Mia

  • guten abend,

    ich hab mich intensiv mit der vergangenheit ausseinander gesetzt. dann machte ich noch ne runde. dann noch ne runde. noch ne runde und mir wurde ganz schlecht vom mich im kreis drehen. irgendwas lief schief. bis ich erkannte, vor lauter im vergangenen nach mir zu suchen habe ich im heute aufgehört zu leben. ich hab vergessen zu leben.

    nun ich hab die vergangenheit durch. mehrmals. es langt. jetzt leb ich, heute. hab mich dafon frei gemacht und abgeschlossen. einen punkt auch hier gesetzt.

    nun leb ich , mit meiner vergangenheit heute und ab und zu kommt sie mal durch. dann sag ich HALLO erinnerung, du bist gewesen. heute ist heute.sag dann wieder TSCHAU und gut ist.

    gruß melanie

  • Hallo Mia,

    mein ganzes Leben habe ich meine Vergangenheit, zu der auch meine Kindheit gehört, verdrängt - wollte sie immer ruhen lassen.

    Bis ich mir eingestehen mußte, dass ich in alten Mustern und Überlebensstrategien aus meiner Kindheit lebte, die heute nicht mehr aktuell sind und mich sogar sehr stark beinträchtigten (teilweise heute noch). Diese Beeinträchtigungen stammten aus kranken Stukturen meines Elternhauses.

    Ich bewerte heute meine Vergangenheit/Kindheit nicht mehr nach gut und schlecht, sondern danach, was ich schon aufgearbeitet habe und dass ich sie als Vergangenheit für mich annehmen kann. Mit jedem alten Muster, was ich verabschiede, wird ein Neues geboren und ich lerne mich immer besser kennen. Auch meine "Macken", die - wie ich finde - zu jedem Menschen gehören, kann ich nun akzeptieren. Ich muß für niemanden perfekt sein, ich muß mich für niemanden verbiegen - ich möchte zufrieden sein.

    Gruß

    BC

  • hi mia, ich beschäftige mich immer wieder mal mit der vergangenheit, es kommt darauf an, welche prozesse ich gerade durchlaufe, es ist mal mehr, mal weniger. wenn es dir aufgrunddessen schlecht geht, denke ich, gibt es da ein problem. manche dinge werden ausgeklammert, geleugnet, weil sie zu schmerzhaft sind. es muss zunächst nicht positive auswirkungen haben, wenn ich mich vergangenen erfahrungen stelle.

    ich bin der auffassung, dass das leben für einen selbst erträglicher, lebenswerter wird, wenn ich vergangenes aufarbeite, wenn es sich um belastende erfahrungen handelt, wie es zum beispiel das aufwachsen in einer suchtfamilie ist. damit sind einige verhaltensmuster verbunden, die einmal ihren dienst getan haben, in einem engen rahmen funktioniert haben, aber nun unabhängig davon hinderlich sein können oder schäden bewirken können.

    ob es ein zuviel gibt, weiß ich nicht. häufig geht das ineinander, altes lässt sich schwer vom neuen trennen. da kommt es auch auf die genaue konstellation an und die eigene aufarbeitungsgeschichte. ich sehe bei mir, dass ich vieles gar nicht sehen will. es sind nicht schöne erfahrungen, die auch mit scham und schuld zu tun haben. da ist es manchmal einfacher in der gegenwart zu leben. da wiederum besteht dann die gefahr, sich selbst zu verlieren, nicht mehr wahrzunehmen, einfach ein programm zu fahren.

    lg simmie

  • Hallo Mia,

    mit konkreten Antworten auf deine Fragen halte ich mich zurück. Jeder steckt an einem anderen Punkt in seiner Entwicklung, also will ich dir von meinem Umgang mit der Vergangenheit erzählen.

    Ich habe mich ebenfalls stark mit der meiner Vergangenheit auseinander gesetzt um festzustellen, dass viele meiner Verhaltensmuster aus meinem kranken Familiensystem stammen und heute noch mehr oder minder stark wirken. Die Erkenntnis ist für mich sehr wichtig, weil ich mich so verstehen, annehmen und akzeptieren kann.

    Doch was will ich noch mehr in diesem vergangen Teil meines Lebens wühlen? –Es ist für mich fertig auseinandergesetzt. Ich kenne meine Muster aus Vermeidung, den eigenen Bedürfnissen nicht genügend Raum geben, das Gefühl nicht genug zu sein ... Da kamen dann irgendwann nur noch Wiederholungsschleifen, das tat mir nicht gut. Der Denkapparat wollte immer weiter wühlen nach den perfekten Erkenntnissen und Antworten. Ich akzeptiere heute, dass es nichts Perfektes gibt, auch in dieser Frage nicht. Ich bin nicht perfekt.
    Ich habe damit abgeschlossen und lasse diesen Teil, der zu mir gehört, los. So entsteht bei mir Raum für Neues.

    Mein Leben findet im HEUTE statt. Meine GEGENWART ist vital und beeinflussbar. Es liegt in meiner Hand wie ich meinen Gedanken und Gefühlen, den Mustern begegne, die immer und immer mal wieder kommen.
    Ich sage mir dann: Hallo Gefühl, da bist du wieder, dich kenne ich gut. Hallo Gedanke, da bist du wieder, dich kenne ich gut.
    Heute lasse ich mich von diesen Gefühlen und Gedanken nicht mehr vereinnahmen. Indem ich diese bewusst wahrnehme und betrachte bekomme ich gleichzeitig Distanz dazu. Das hilft mir enorm meine Entscheidungen zu treffen, meinen Weg zu gehen.

    Liebe Grüße
    sunwalker

  • Finde ich toll, deine Einleitung:

    Zitat

    mit konkreten Antworten auf deine Fragen halte ich mich zurück. Jeder steckt an einem anderen Punkt in seiner Entwicklung

    denn irgendwie fühlt man sich teilweise so unfähig, wenn man liest,
    das manch anderer schon viel weiter ist und man selbst zwar will
    ...aber den trampelpfad irgendwie nicht findet ;)

    Andersdenkende sind oft ganz anders, als wir denken. © Ernst Ferstl, (*1955)

  • Hallo in die Runde :D

    Vielen Dank für die vielen Gedanken. Werde die Beiträge nochmals in aller Ruhe durchlesen. Ein, zwei Gedanken aber noch:

    Ich weiss in der Zwischenzeit, dass mich nicht mehr die Vergangenheit stresst, denn die ist vorbei. Mich stressen vielmehr meine Gefühle, Ängste, die mich von Zeit zu Zeit feste im Griff haben. Und deshalb wühle ich wohl im Moment in meiner Vergangenheit, in der Hoffnung, dort irgendwo die Lösung zu finden. In der Hoffnung vielleicht irgendwelche Erinnerungen zu wecken, die eine logische Antwort auf meine Gefühle und Ängste geben.

    Meine Wut mag sicherlich einerseits in der Vergangenheit liegen, aber der grössere Anteil liegt im Jetzt.

    Ja, ich bin in einem Alkoholiker-Haushalt aufgewachsen. Ja ich würde gerne so einiges streichen. Ja, diese Erfahrung hat mich aufs Tiefste geprägt. Und ja, im Moment ist es in mir wirklich sehr stürmisch. Aber ich muss und will ein für allemal begreifen, dass dies mein Leben ist und ich es in der Hand habe. Ich entscheide wie mein Leben aussieht.

    Irgendwie kommt langsam etwas Licht ins Ganze... dafür bin ich sehr dankbar.

    Schlaft gut.
    Mia

  • Hallo Mia,


    Zitat

    Mich stressen vielmehr meine Gefühle, Ängste, die mich von Zeit zu Zeit feste im Griff haben.

    War bei mir auch so. Und bei saßen diese Gefühle und Ängste so tief, dass ich gar nicht wußte, woher sie kamen. Deshalb habe ich eine Verhaltenstherapie gemacht, wo mir aufgezeigt wurde, woher das alles kommt - so konnte ich es mir erklären und anfangen, diese Gefühle einzuordnen, zu schauen, wieviel Anteil sie im Hier und Jetzt haben.


    Zitat

    In der Hoffnung vielleicht irgendwelche Erinnerungen zu wecken, die eine logische Antwort auf meine Gefühle und Ängste geben.

    Mir fehlte die ganze Zeit der Schlüssel - die Erinnerungen waren immer sehr präsent - nur auflösen konnte ich sie nicht - bis ich halt einen guten Therapeuten gefunden hatte, der mir den Weg zeigte.

    Zitat

    Meine Wut mag sicherlich einerseits in der Vergangenheit liegen, aber der grössere Anteil liegt im Jetzt.

    Dachte ich auch immer! Der Anteil meiner Wut lag aber in der Vergangenheit - es war - bei näherem Hinschauen ein Verhältnis von 80 zu 20.

    Gruß

    BC

  • Hallo an Alle
    jeder hat seine eigene Vergangenheit und Erfahrungen gemacht.Sie prägen den Menschen und oft findet man da auch die Ursachen für späterre Suchterkrankungen oder Depressionen z.B.Möchte kurz eine Geschichte dazu von mir erzählen:Ich hatte von klein auf ein sehr kompliziertes Verhältnis zu meiner Mutter.Wie alle kleinen Kinder habe ich auch gedacht das ich selber noch Schuld bin an der Situation.Meine Großeltern haben versucht zu retten was zu retten ist.Auf jeden Fall hat das mein Frauenbild geprägt und obwohl ich mit den anderen Geschlecht freundschaftlich hervorragend auskomme,gab es bei tiefergehenden Gefühlen immer Probleme der Art,das ich mich darauf nicht einlassen konne oder wollte.Hat mich so auch 2 Beziehungen gekostet.Bei meiner jetzigen fing es vor Jahren genau so an.Ich habe bei der 2.Therapie das/mein Problem an mich herangelassen .Meine Mutter ist früh verstorben und so konnte ich nicht mehr mit ihr persönlich reden.Mein Therapeut empfahl mir einen Brief zu schreiben an ihr.Das habe ich dann gemacht,und nach ca 1 Jahr konnte ich zum Friedhof gehen,und habe ihr den Brief gegeben.Ich war sowas von erleichtert.Meine Beziehung hat sich nicht schlagartig geändert,aber hat es.Wir sind jetzt 12 Jahre zusammen und führen eine normale Beziehung.
    Wünsche allen einen schönen Tag Tschüss K.U.D.68

  • So, ich habe gestern mit nem Teil meiner Vergangenheit abgeschlossen. Habe mir meinen Kleiderschrank angeschaut und all die alten Sachen weggeschmissen, die ich jahrelang gehortet habe. Hemden, die nicht mehr gepasst haben und alte Hosen + Jacken. Irgendwie konnte ich die nie wegschmeissen ...gestern war es dann soweit. Drei Müllsäcke voll sind es geworden ....Tat mir ganz gut, die Aktion.

    LG

    Just

  • Toll,so geht´s natürlich auch.Werde bei mir auch mal nachschaun.K.U.D.68

  • muss über mich selbst lachen...

    als ich eure unterhaltung las, dacht ich xxx und xxx
    kann ich ja auch endlich mal verkaufen
    (denn wegschmeißen kann ich GARNICHT)...

    so...nun 2 tage später bin ich wieder an dem alten punkt.
    ABER ich könnt es ja noch gebrauchen.

    Was für ein krampf - ggrrrrr

    Andersdenkende sind oft ganz anders, als wir denken. © Ernst Ferstl, (*1955)

  • Hallo mal wieder,

    Also ich finde den unterschiedlichen Umgang mit dem Wegschmeissen echt interessant. Bei mir war es nämlich genau anders herum. Ich hab immer sehr viel weggeschmissen, oft auch Dinge, um die es mir später leidtat. Von einer gewissen Zeit zu Hause, in der es mir einfach mies ging, hab ich zum Beispiel gar nichts mehr. Meine erste Ehe ging schief, aus der Zeit habe ich auch nichts mehr. Ich habe heute das Gefühl, ich war damals ein anderer Mensch, allerdings hab ich gerade in diesen Phasen auch sehr viel gelernt und ohne sie wäre ich wiederum heute ein anderer Mensch. Als ich am Ende dieser Ehe mit nichts ausser mir und meinem Job dastand hab ich gemerkt, dass nichts zu haben auch ein sehr befreiendes Gefühl sein kann. Und letztendlich ist das alles nicht so dramatisch, solange man sich selbst hat und morgens gut in den Spiegel schauen kann. Ob man seine Vergangenheit ad acta
    legen sollte, kann wohl nur jeder für sich selbst entscheiden. Ich hatte das lange getan, wurde jedoch jetzt wieder mit ihr konfrontiert. Dabei habe ich festgestellt, dass es mir bis zu einem gewissen Punkt hilft, mich damit zu beschäftigen, ich dann aber auch wieder Abstand brauche, um nicht zu sehr in alte Gefühlswelten zurückzugeraten. Denke den richtigen Mittelweg zwischen Konfrontation und Abstand kann auch nur jeder für sich selbst finden. Zu viel Konfrontation hält auf alten Wegen fest, doch der Weg muss sich ändern. Zu wenig lässt aber vielleicht auch nicht die richtige Richtung finden, weil man unbewusst manchen alten Bekannten ausweicht...

  • Guten Morgen Forenteilnehmer
    Mich hat letztes Jahr meine Vergangenheit eingeholt.Ich hatte mit 18 eine Beziehung woraus ein Kind hervorging.Letztes Jahr haben wir uns getroffen.Inzwischen selbst schon Mutter,verlief das Treffen recht gut.Wir fanden uns sympatisch und haben uns noch zweimal getroffen.Dann war schlagartig aus.Ich hab mit ihr nochmal telefonisch Kontakt aufgenommen und gefragt ob sie eine Möglichkeit sieht weiter im Kontakt zu bleiben.Sie meinte das 23 Jahre einfach zu lange war,um jetzt noch eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen.
    Ich hab das so akzeptiert,aber komisch ist mir schon wenn ich sie sehe.Sie wohnt nämlich vieleicht 500 m entfernt von mir mit ihrer Familie.Man grüßt sich zumindest.

  • Hallo Mia! :)

    Es ist in etwa so mit der Vergangenheit, wie mit einer Reise bei der du dir am Anfang das Bein gebrochen hast. Es wächst mehr schlecht als recht wieder zusammen und du gehst weiter. Viel später hast du Schwierigkeiten mit den anderen mitzuhalten. Weshalb?
    Wohl weil der Bruch ganz am Anfang nicht ordentlich gerichtet wurde.
    Wie richtet man den Bruch? Man muss das Bein nocheinmal brechen, damit es gerade wird.
    Und dann ist es gut.

    Ich kenne deine Gedanken mit dem klaren Strich ziehen weil ich sie auch hatte.
    Nur hatte ich übersehen, dass man diesen Strich mit dem Kopf zieht, was nicht geht.

    Das geht nur mit dem Herzen und das tut weh. Außerdem brauchte ich wen, dem ich alles erzählen konnte, und der nicht neutral blieb, sondern ganz auf meiner Seite war.
    Das ist sehr wichtig.
    Leute, die alles abschwäch(t)en, auch um sich selbst vor ihren Gefühlen zu schützen, die fand und findet man überall.
    Aber was nutzt das dem Herz?

    Liebe Grüße!

  • Hallo halli,

    Also den Vergleich mit dem Beinbruch finde ich sehr gut. Wenn ich mir das bei mir anschaue, dann fühlt sich das an, als wenn das Bein damals schon ganz gut gerichtet wurde. Gerichtet auch mit Hilfe von einer Freundin und ihrer Familie, mit der ich uneingeschränkt wirklich über alles reden konnte (nachdem der Anfang einmal gemacht war und der war extrem schwer, weil ich doch eigentlich unbedingt alles totschweigen sollte). Ab und zu tauchen heute Situationen auf, mit denen ich nicht so gut zurecht komme. Bezogen auf diese Situationen kann ich dann meine Vergangenheit beleuchten, verstehen, warum ich so reagiere und entscheiden, was ich dagegen unternehme oder ob ich Hilfe brauche. Das Bein funktioniert also nicht hundertprozentig aber ich kann uneingeschränkt den Alltag meistern, bin dabei glücklich und kriege auch die Letzten wehwehchen noch in den Griff. Auf jeden Fall kann ich nur bestätigen, dass es sehr sehr wichtig ist, dass man jemanden hat, der einem zuhört und sich auf einen einlässt. Das fällt vielen sehr schwer, weil es eben oft wirklich an emotionale Grenzen geht. Insofern kann man das von niemandem einfordern, ausser eben vom Therapeuten, denn das ist schliesslich sein Job.

    Gruss Gela

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