Erwartungen an einen Alkoholiker

  • Hallo zusammen,

    die beste "Medizin" gegen alle Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche, etc, ist doch im Hier und Jetzt zu leben.

    Niemand von uns weiß doch, was Morgen, Übermorgen, etc. geschieht. da kann ich mir dann immer noch überlegen, was ich dann mache.

    Oder anders: Erst kratzen wenn´s juckt.

    Ich übe das auch jeden Tag! :D

    LG Manfred

  • Hallo Speranza,

    Zitat

    Das sehe ich zwar etwas anders, es ist nicht nur ein Job den man (ich) mache es ist viel mehr. Für das wenige Geld das man dabei verdient zeigt man oft sehr viel Engagement um den Alkoholkranken wieder auf die Beine zu helfen damit sie überhaupt in der Lage sind aus ihrer Suchtspirale rauszukommen.

    Das glaube ich gern, aber darum geht es hier nicht.
    Es geht um Erwartungen, und Erwartungen dieser Art habe ich definitiv nicht.

    Zitat

    Was war für dich der Anlass oder wodurch hat es letztendlich "klick" gemacht?

    Eine sehr unspektakuläre Geschichte:
    ich hatte den Saufdruck nach meinem Delirium nicht mehr (was ich u.a. Medikamenten zu "verdanken" hatte, was ich jedoch nicht wußte).
    Dieses Gefühl wollte ich beibehalten.
    Ich wollte damals lediglich nie wieder diesen Saufdruck verspüren.

    lg
    gipfel

  • Hallo Leute,

    ich verstehe zwar, dass Alkoholiker sich ein druckfreies Leben wünschen, mir erscheint das total weltfremd.

    Ich gehe doch alle möglichen Verpflichtungen ein in meinem Leben - Verantwortungen - und selbstverständlich erwartet meine Umwelt, dass ich diese Verantwortungen auch erfülle:
    -meine Kinder zu versorgen
    - meine beruflichen Pflichten zu erfüllen
    - meine Kredite zurückzuzahlen
    usw.

    Wenn ich nun schwerkrank würde, dann könnte ich diese Erwartungen unter Umständen nicht mehr erfüllen, dann ist das so. Traurig, aber ich kanns dann nicht ändern. Dann wird mir das meine Umwelt auch nicht negativ ankreiden.
    Wenn ich nun allerdings nix gegen die Krankheit tun würde (z.B. nach einem Herzinfarkt gesünder leben, nur mal so als Beispiel), dann würde es wohl doch Vorwürfe hageln, zu Recht denke ich. Wenn ich es als Raucherin nicht packe aufzuhören, trotz Herzinfarkt, dann würde sich da im Umfeld schon Unverständnis breitmachen, ist doch nachvollziehbar.
    Das heißt ja nicht, dass ich die Genesung in der Hand habe, aber das Mögliche sollte ich doch tun. Wenn ich keine Kinder, keine Kredite und keinen JOb hab, na ja, dann kann ich vielleicht tun, was ich will, ist ja mein Körper.

    Das Problem beim Alkohol oder bei Sucht generell ist: Es ist zwar eine Krankheit, aber nur der Süchtige selbst hat es in der Hand, also hat er/sie doch auch die Verantwortung. Und muss sich nicht beklagen, wenn da Druck entsteht.

    Ich habs ja nun bei meinem Mann genau so erlebt:
    Ich hatte mich getrennt, als er nass war. Ich hatte auch zu seinen nassen Zeiten alle weiteren Verpflichtungen (finanzielle oder auch Kinder) mit ihm vermieden, weil mir schon klar war, dass er sie nicht würde erfüllen können.
    Dann wurde er trocken, ich wollte erst keine Beziehung wegen der Rückfallgefahr. Habs dann doch gemacht mit allem Pipapo (Kinder, Hauskredit), wohl wissend, dass ich da ein großes Risiko eingehe.
    Ich kann doch keine gemeinsamen Kinder haben und nicht irgendwie die Erwartung haben, dass der Alkoholiker trocken bleibt, auch wenn ich natürlich gleichzeitig weiß, dass es auch anders kommen kann.
    Ein bisschen paradox war es schon, aber nur unter dieser Annahme konnte ich doch diese Beziehung so leben.

    Wie soll man denn als trockener Alkoholiker überhaupt leben, wenn man nicht auch selbst damit rechnet, dass man trocken bleibt.
    Dann dürfte man ja wirklich z.B. keine Kinder mehr bekommen,
    keine großen Pflichten eingehen.
    Lebt ihr so? Dann: Hut ab! Wahrscheinlich wäre das tatsächlich das ehrlichste. Aber das wiederum erwarte ich eigentlich von niemandem...

    Doro

  • Hallo Doro,

    Zitat

    ich verstehe zwar, dass Alkoholiker sich ein druckfreies Leben wünschen, mir erscheint das total weltfremd.

    Ist es auch - weltfremd - daher war das Thema ja nur auf die eine

    Zitat

    Erwartungshaltung an die Trockenheit eingeschränk

    t.

    Ich habe nicht gefragt, ob Erwartungshaltung im Allgemeinen angebracht sind oder wie ein Alkoholkiker damit umgehen sollte.

    Deine Ausführungen sind zwar aufschlussreich, gehören aber nicht zum Thema.

    Vielleicht sollte ich die Frage wirklich umformulieren:

    Ist es angebracht, Erwartungshaltung in Punkto Sucht einzunehmen?

    Dann kann jeder : Alkoholiker oder Co.-abhängiger über sich selber schreiben.


    Gruß

    BC

  • Hallo Dore (nochmal),

    Zitat

    Wie soll man denn als trockener Alkoholiker überhaupt leben, wenn man nicht auch selbst damit rechnet, dass man trocken bleibt.
    Dann dürfte man ja wirklich z.B. keine Kinder mehr bekommen,
    keine großen Pflichten eingehen.

    Genauso, wie jeder chronisch Kranke auch. Wie lebst Du mit Deiner Co-abhänigkeit, was ja auch eine Sucht ist. Gehst Du davon aus, dass Du nie wieder in die Suchtschiene rutschst? Ziemlich naiv, finde ich - denn dann hast Du Dir sicherlich auch keinen Notallkoffer gepackt und merkst es nicht, wenn Du einen Rückfall hast. Was ich bei der nichtstofflichen Abhängigkeit noch gefährlicher finde. Oder siehst Du Deine Erkrankung gar nicht als Sucht? Dann verstehe ich Deine Ausführungen auch.

    Und wer sagt denn, dass ein Alkoholiker sich um nichts mehr kümmern kann oder keine Verantortung tragen kann - ich kenne sehr sehr viele, die immer noch funktioniert haben, täglich zur Arbeit gingen und trotzdem ihre Familien versorgt haben. Nicht jeder Alk. wurde zum Obdachlosen, der auf der Straße lebte.

    Ein Rückfall muß auch kein Rückschritt sein - er kann aufzeigen, wo es vorher gehapert hat.

    Gruß BC

  • Hallo Speranza,

    Zitat

    dieser Vergleich passt nicht, denn ein Rollstuhl wirkt unterstützend bei einer Erkrankung, der Rückfall wirkt zerstörerisch und das wollte ich mir nicht angucken.

    Ich gebe Dir ein anderes Beispiel und wiederhole mich gerne:

    Ich kann von einem Krebskranken, der seinen Krebs überwunden hat, auch nicht erwarten, dass er von jetzt ab gesund bleibt.

    Genauso, wie Krebs eine Erkrankung ist, ist es die Sucht auch. Krebs kann wieder ausbrechen, die Sucht auch.

    Zitat

    Ich vermute, dass Du folgendes noch einmal bildlich darstellen wolltest?:

    Was wollte ich sonst? Oder war das eine rethorische Frage?

    Zitat

    Damit kann ich eher was anfangen. Mich überrascht, dass trockene Alkoholiker und Co´s in einer Selbsthilfegruppe gemeinsam aufarbeiten?

    Wenn Du davon ausgehst, das Alkohlismus und Co-Abhängigkeit eine Suchterkrankung ist, dann ist es gar nicht überraschend - Sucht ist Sucht. Bei uns laufen z. B. auch Spielsüchtige oder Hamoniesüchtige auf.

    So langsam habe ich das Gefühl, als wird die co.-Abhängigkeit nur als Charakterschwäche gesehen und nicht als Sucht.

    Zitat

    Ich hab die ganze Zeit das Gefühl, dass Deiner Meinung nach Angehörige ihre Erwartungen abstellen sollen. Ich hätte das auch nicht gekonnt. Aber das schrieb ich bereits.

    Richtig - aber Du schreibst ja auch sehr viel anderes und stellst Fragen, die ich lediglich beantworte. Du hast Deine Erwaruntungshaltung und die rede ich Dir nicht ab oder ist es Dir lieber, wenn ich Deine Posts ignoriere?

    Gruß

    BC

  • Hallo Manfred,

    Zitat

    die beste "Medizin" gegen alle Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche, etc, ist doch im Hier und Jetzt zu leben.

    Niemand von uns weiß doch, was Morgen, Übermorgen, etc. geschieht. da kann ich mir dann immer noch überlegen, was ich dann mache.

    Oder anders: Erst kratzen wenn´s juckt.

    Ich übe das auch jeden Tag! :D

    Sehr weise, denn für mich ist auch der Weg das Ziel. Seit dem ich Suchtkrank bin, habe ich meine Erwartungen an die Umwelt sehr zurück geschraubt - kein Verlangen, was andere stillen sollen, Selbsterfüllung ist angesagt - was ich im Außen gesucht habe, fand ich letzendlich in meinem Inneren, somit mußte ich auch nichts mehr von anderen erwarten oder wünschen, was ich sehr entspannend finde, jemanden so gelten lassen wie er ist.

    Utopisch? Finde ich nicht, denn schon allein der Versuch ist ein Schritt, der nächste Versuch der nächste Schritt usw. Ohne den Versuch trocken zu werden, wäre ich nie trocken geworden.


    Gruß

    BC

  • Hallo BlueCloud,

    natürlich muss jede/r erstmal sehen, welche Auswirkungen die Sucht auf sein Verhalten hat. Sicher gibt es gut funktionierende Alkoholiker, das ist dann natürlich wieder ein anderer FAll.
    Entschuldige, dass ich da von meinem Fall verallgemeinert habe.

    Aber auf der anderen Seite ist es ja auch nicht untypisch, dass es dann eben so kommt.
    Aber meine Ausführungen beziehen sich natürlich nur auf diese Fälle.

    Wie gehe ich mit meiner Co-Abhängigkeit um?
    Die hat doch völlig andere Auswirkungen.
    Aber: Mir ist schon klar, dass ich da eine Anlage habe, bei der ich lebenslang aufpassen muss. Nein, ich sehe es für mich, in meinem Fall, nicht als Sucht. Ich wüsste nicht, wonach ich süchtig bin. Nach Beziehungen nicht, nach Kontrolle auch nicht. Vielleicht nach Harmonie...

    Ist ja auch egal, wie mans nennt:
    Ich gehe derzeit so vor, dass ich im Augenblick mir keine Beziehung wünsche, sondern erstmal weiter versuche, mich selbst weiter zu verändern- im Hinblick auf ein gutes Sorge-Tragen für mich selbst.
    Ich würde glaub ich mit einem Alkoholiker keine Beziehung mehr eingehen, egal ob trocken oder nicht, da bin ich mittlerweile zu befangen, das ist mir ne Nummer zu hoch.

    Ich denke einfach: Warum erwartest du von anderen, keine Erwartungen zu haben?
    Im Grunde war mir klar, dass es meine eigene Verantwortung ist, mein Risiko, diese Beziehung. Aber ohne diese Grundannahme, er bleibt trocken, wärs eben nicht gegangen, weil ich wusste, dass er nass nicht mehr so recht zurechnungsfähig ist.

    Eigentlich hat mein Partner von mir viel mehr erwartet - von sich selbst und von mir.

    Doro

  • Hallo Doro,

    Zitat

    Ich denke einfach: Warum erwartest du von anderen, keine Erwartungen zu haben?

    Tue ich das? Ich frage nur, ob es angebracht ist, in eine Erkrankung eine Erwartung zu haben.

    Du bist der Meinung: Ja - es ist angebracht - kann ich so stehen lassen oder ich nenne halt Argumente, die verdeutlichen sollen, das es unangebracht ist, worüber man ja nachdenken kann und seine eigenen Schlüsse ziehen kann - Erwartungshaltung ist das meines Erachtens jetzt nicht - es ist eine Diskussion bzw. Standpunktbestimmung in meinen Augen.

    Nichts anderes verfolge ich in diesem Thread - dass jeder mal seine Erwartungshaltung, die er gegenüber einer Krankheit (und nicht dem Menschen) einnimmt überhaupt erfüllbar ist.

    Falls Du denkst, ich will Dich überzeugen, dann ist dies nicht der Fall - nur schreibt eben jeder noch ein Stück von sich, worauf dann auch wieder eingegangen wird. Eigentlich kann man meine Eingangsfrage mit ein paar Worten beantworten: Ja - es ist angebracht - nein es ist nicht angebracht.

    Wenn ich nicht auf den Rest des Textes eingehen soll, dann teile mir des einfach mit und ich ignoriere es.

    Gruß

    BC

  • Hallo,

    1. Alkoholiker sind per Definition rückfallgefährdet.
    2. Vertrauen hat was mit Erwartungen zu tun. Ohne eine gemeinsame Erwartungsbasis kann ich kein Vertrauen aufbauen. Wer das nicht möchte muss mit Ängsten anderer rechnen und leben.
    3. Co-Abhängigkeit ist keine Sucht, sondern eine Persönlichkeits- / Verhaltensstörung. Lest mal bei Wikipedia nach.
    4. Alkoholismus mag seit 1968 als Krankheit anerkannt sein, ich persönlich halte das für ein Hilfsmittel Schuldgefühle zu nehmen, für ein Hilfsmittel Kosten des Alkoholismus auf die Sozialgemeinschaft umzulegen, für ein Hilfsmittel Menschen gegen Ihren Willen behandeln zu können.
    5. Ich übernehme grundsätzlich die Verantwortung für all mein Handeln, vielleicht bin ich insoweit kein "typischer" Alkoholiker. Ich weiss es nicht.
    Insoweit ist auch ein Rückfall in meiner Verantwortung.

    LG Jürgen
    -------------------------------------------------------------------
    Meine Meinung. Keine Suchtberatung.

  • @ jürgen,

    du liest in wiki ja definitionen die user einstellen. das es über coabhängigkeit derzeit keine besonseren studien gibt steht da auch nicht viel drin.wissen rein nur über wiki zu bekommen ist mir zu wenig.

    @alle

    Zitat

    Ich bekomme diese Erwartungshaltung ja life mit: zum Beispiel in der SHG, wo auch die Co´s mitreden. Dort wird seitens der Co´s viel von Erwartung gesprochen, immer und immer wieder die alten Geschichten aufgewärmt, obwohl der Partner jetzt schon 5 Jahre trocken ist. Der trockene Alk. sitzt meist sehr devot daneben und starrt auf den Fußboden.

    genau das scheint auch der grund zu sein, das alkoholiker sich ungern mit den co unterhalten, weil sie mitbekommen was passiert ist wärend sie noch nass waren, denk ich mir manchmal. ich selbst versuch schon sehr mich da zurück zu halten und das anzuschauen was ich in der zeit getan habe. ich hab den eindruck das schlechte gewissen ist da immer wieder berührt, selbst wenn der trockene alkoholiker weiss, das er nicht schuld ist, weil er krank ist.auch ich als co habe diese schuldgefühle gehabt und musste das mal anschauen.auch ich als co handelte manchmal nicht besonderst schön.ich rede nur offen darüber, was passiert ist um das was passiert ist auf zu arbeiten.wer daneben sitzt und betroffen auf den boden schaut hat an dem punkt wohl seine eigene geschichte noch nicht aufgearbeitet bekommen.

    gruß melanie

  • Hallo Jürgen,

    Zitat

    Co-Abhängigkeit ist keine Sucht, sondern eine Persönlichkeits- / Verhaltensstörung. Lest mal bei Wikipedia nach.

    Wikipedia ist keine wissenschaftlich annerkannte Bibliothek - dort tragen Laien Wissen zusammen. Wenn man nach Co.-abhängigkeit googelt, dann findet man ja nicht nur Wikipedia, sondern zig verschiedene andere Interpretationen, die die Meinung von Wikipedia zahlreich revidieren. Finde Wikipedia als Informationsquelle da zu einseitig.

    Alkohlismus ist übrigens auch eine Persönlichkeits-bzw. Verhaltensstörung, die mit dem Oberbegriff "Sucht" benannt wurde. Das Wort Sucht stammt aus dem alten Deutsch, was soviel wie "Krankheit" heißt z. B. Schwindsucht etc. Die Alkoholkrankheit wurde schon um 1915 als Krankheit benannt.

    Co.-Abhängigkeit ist eine "Nicht-stoffliche Sucht". Es gibt aber auch Angehörige, die nicht Co-Abhängig sind.


    Zitat

    Alkoholismus mag seit 1968 als Krankheit anerkannt sein, ich persönlich halte das für ein Hilfsmittel Schuldgefühle zu nehmen, für ein Hilfsmittel Kosten des Alkoholismus auf die Sozialgemeinschaft umzulegen, für ein Hilfsmittel Menschen gegen Ihren Willen behandeln zu können.

    Sehr interessante These! Wenn es keine Krankheit in Deinem Sinne ist, was ist Alkohismus denn dann? Ein Verbrechen?


    Zitat

    Ich übernehme grundsätzlich die Verantwortung für all mein Handeln, vielleicht bin ich insoweit kein "typischer" Alkoholiker. Ich weiss es nicht.
    Insoweit ist auch ein Rückfall in meiner Verantwortung.

    Mmmh, dann sind wohl alle, die hier im Forum schreiben, keine typischen trockenen Alkoholiker, denn ich lese nirgendwo, dass niemand Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Schon allein der Vorgang des Trockenwerdens schließt die Eigenverantwortung ein. Das Leben wird nicht mehr in die Hand des Alkohols gegeben, sondern es wird wieder selber in die Hand genommen - für mich ist Deine These, wie ein Hund der sich in den Schwanz beißt.


    Gruß

    BC

  • Hallo,

    aber das logische Grundproblem bleibt doch, Definition hin oder her:
    a) Alkoholiker kann Verantwortung für sein Handeln übernehmen.
    b) Alkoholiker kann aber nichts dafür, wenn seine Krankheit wieder ausbricht?

    Wenn also ein Alkoholiker einen Rückfall hat, ist das dann wie die Rückkehr eines Tumors? Also weitestgehend (abgesehen von Prophylaxe und gesunder Lebensführung) außerhalb des Verantwortungsbereichs des Alkoholikers? Spätestens da sehe ich einen Widerspruch zu a! Und da darf ich dann doch enttäuscht sein als Angehöriger?
    Und vor allem: WEnn er nach dem Rückfall den Weg zurück in die Trockenheit nicht schafft, ist es dann Krankheit oder mangelnde Verantwortung?

    Obwohl ich das alles hier so auseinanerpflücke, bin ich, BlueCloud, ja im Grunde deiner Meinung, dass das Rückfallrisiko nun mal ziemlich groß ist. INsofern ist die Erwartung des Angehörigen in gewisser Weise töricht.
    Bloß ich weiß nicht, wie man eine Beziehung zu einem trockenen Alkoholiker eingehen soll, ohne diese, vielleicht törichte, Erwartung. Eine gute Beziehung zu einem nassen Alkoholiker ist meines Erachtens ab einem gewissen Stadium nicht mehr möglich.

    Doro

  • Und diesen, meinen letzten Satz, möchte ich noch mal unterstreichen, denn er ist sehr wichtig!

    Wenn ich einen Partner hätte, der viel raucht, dann ist das eigentlich mehr oder weniger seine Sache, solange er mich nicht dauernd vollnebelt.
    Wenn er sonst irgendwas tut, was mich nur am Rande trifft, dann sollte ich das akzeptieren. (oder mich trennen, falls ichs nicht akzeptieren kann)
    Und ich kenne Menschen, die tatsächlich so sehr auf das Verhalten anderer fixiert sind, dass sie sich daran ständig hochziehen, die dauernd um das Verhalten anderer kreisen und es kontrollieren wollen.

    Beim Alkoholismus ist aber eben das PRoblem, dass es meiner Erfahrung nach früher oder später zu meinem Problem als Partnerin werden MUSS.
    Ich habs lange versucht zu ignorieren. Früher oder später kommen eben die bekannten Folgen, die irgendwann eine Beziehung kaputt machen.
    Das ist beim Rauchen oder sonst irgendwelchen anderen selbstschädigenden Verhaltensweisen oft nicht so.

    Deshalb glaube ich auch:
    Co-Abhängigkeit entsteht fast automatisch, wenn jemand längere Zeit mit einem nassen Alkoholiker liiert ist. Insofern ist es oft sozusagen eine sekundäre Geschichte, die eben als Folge der Sucht des Partners entsteht. Oft, nicht immer.

    Co-Abhängigkeit ist ein Titel für sehr unterschiedliche Phänomene. Dazu hatte ich auch mal einen Thread aufgemacht.
    Ich kenne Frauen, die tatsächlich dauernd andere kontrollieren und gar nicht aus der Opferrolle rauswollen.
    Ich kenne Beziehungssüchtige, die sich von einer in die nächste Beziehung stürzen und ihr Leben alleine nicht leben können.
    Und ich kenne mich: Ich bin eher so die Marke "Gutmütig", schwaches SElbstwertgefühl. Das ist sicher eine psychische Disposition, eine Anlage, aber keine SUcht.

    Schöne Grüße,
    Doro

  • Hallo,

    1. Ich habe nichts dagegen, wenn mir einer die Klassifizierung von Co-Abhängigkeit nach ICD-10 zeigt und erklärt.
    In aller Regel dürfte wohl die Mischung einiger anderer psychischer Erkrankungen vorliegen.
    2. Mir ist schon klar, dass meine persönliche Einstellung für manch einen ungemütlich erscheint.
    3. Nein - Alkoholabhängigkeit ist kein Verbrechen - es ist eine Sucht.
    Seit 1968 eine SuchtErkrankung.
    4. Ich persönlich halte es nach dem Prinzip der Selbstverantwortung.
    Ich übernehme Veranwortung für alle meine Handlungen, auch die unter Suchtmitteleinfluss. Ich übernehme die Verantwortung für meine Abstinenz und für jeden Rückfall.
    Ich habe aufgehört, Alkohol zu trinken, als mir die Verantwortung für mein Handeln entglitt. ( Filmriss, Gefährdung Anderer )
    5. Ich möchte diese Position niemandem aufdrängen, aber darstellen, dass es auch trockene Alkoholiker gibt, die so denken.

    LG Jürgen
    -----------------------------------------------------
    Meine Meinung. Kein Suchtberatung.

  • Hallöle,

    Zitat von Doro

    Deshalb glaube ich auch:
    Co-Abhängigkeit entsteht fast automatisch, wenn jemand längere Zeit mit einem nassen Alkoholiker liiert ist. Insofern ist es oft sozusagen eine sekundäre Geschichte, die eben als Folge der Sucht des Partners entsteht. Oft, nicht immer.

    Da wiedersprech ich jetzt mal. Meine Mutter hatte ne ungefähr 10-jährige nasse Phase. Das ist jetzt 10 Jahre her, sie leben heut noch zusammen, mein Vater ist aber auch nie co-abhängig gewesen. Mag rührend klingen, aber das war es nicht. Die zwei haben sich das Leben zur Hölle gemacht, weil die gegenseitigen Erwartungen, die nun einmal in einer Beziehung vorhanden sind, beidseitig nicht erfüllt wurden. Meine Mutter wollte Unterstützung, mein Vater lediglich, dass sie mit der Trinkerei aufhört...
    Irgendwie hat sie dann den Absprung geschafft.

    Die Tendenz zur Coabhängigkeit hatte eher ich. Bei der "Anlage, aber keine Sucht" würde ich mich selbst auch einordnen. Genau deshalb hab ich noch in der nassen Phase meiner Mutter die Kurve gekratzt. Sonst wär ich wohl in die Sucht reingeschliddert, vielleicht wars auch schon eine. Sie wollte die ganze Zeit da raus und ich hatte versucht, sie zu unterstützen, doch das hat nicht funktioniert. War ein Wechsel zwischen miteinander reden und sich gegenseitig Vorwürfe machen, weil ja nun mal auch Erwartungen im Spiel waren.
    Als ich dann weg war, hat sie es geschafft...Brauchte sie bezüglich mir nun kein schlechtes Gewissen mehr zu haben? Keine Ahnung, hab es auch nie hinterfragt.

    Denke jedenfalls, dass Co-Abhängigkeit, wenn sie zur Sucht wird, und Alkoholsucht zwei Dinge sind, die sich gegenseitig fördern und dass sich dann beide einen Gefallen tun, wenn sie Abstand voneinander nehmen, damit jeder das für sich selbst aufarbeiten kann. Ob man das dann später, wenn man genügend Abstand vom ganzen hat und auch mit den Schuldgefühlen, die entstehen müssen, zurecht kommt, noch einmal gemeinsam angeht, das kann wohl nur jeder selbst wissen. Da gehört aber wohl einiges an Stabilität dazu.

    Jedenfalls kenne ich mich und meine Tendenz, Anlage oder wie auch immer man das nennen mag, gut genug, um mich auf derartiges nicht noch einmal einzulassen.

    Gruß Gela


    [/quote]

  • Hallo Melanie,

    Zitat

    wer daneben sitzt und betroffen auf den boden schaut hat an dem punkt wohl seine eigene geschichte noch nicht aufgearbeitet bekommen.

    Ich selber habe mir z. B. in dieser Richtung nichts vorzuwerfen - ich habe immer alleine getrunken, hatte keinen Co-partner, habe niemanden in den Ruin getrieben - ausser mich selber und habe keine Kinder unglücklich gemacht.

    Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb finde ich diese gebetsmühlenartigen Erwartungshaltungen: "Ich will bzw. erwarte von Dir, dass Du trocken bleibst" ganz schlimm und auch demütigend. Selbst wenn ich da mehr der Zaungast bin, ließen mich so manche Äußerungen auch demütigend zu Boden schauen. Ich war anfangs mehr als geschockt.

    Ich hatte viele 4-Augen-Gespräche mit den trockenen Alks deswegen - manche nehmen es hin, manche sagen immer wieder, dass man an die Trockenheit keine Erwartungen haben kann, andere trennten sich deswegen, weil es einfach nicht aufhört, dass ihnen jedesmal diese vermeintliche Schuld in Form von Erwartungen, die sie evtl. nicht erfüllen können, vorgehalten wird.

    Dies ist jetzt auch keine Überredung, meine Haltung anzunehmen, es ist vielmehr ein erlebter Augenzeugenbericht.


    @ Jürgen:

    Also:
    1849 sprach Huss das erste Mal von der Alkoholkrankheit
    1915 wurde die Trunksucht in der Reichsverordnung als Krankheit anerkannt,
    zwischendurch wurde die Reichsverordnung im 3. Reich wieder aufgehoben und dann etliche Alks. zwangssterilisiert und auch vergast und 1968 wurde in der BRD die Alkoholkrankeit dann wieder als Krankheit nach Bundessozialgesetz anerkannt.

    Nur so zur Info!

    Ich schließe mich aber Gipfel an, mache doch mal einen Thread mit Deinen Thesen auf.


    Gruß

    BC

  • Hallo Gela,

    Co-abhängigkeit definiert sich nicht nur über einen Alkoholiker - diese gibt es auch in ganz vielen anderen Bereichen.

    Es hat mehr damit zu tun, dass der andere Mensch zum Lebensmittelpunkt wird und man sich nur noch über den anderen definiert.

    Es ist aber ein Zusammenspiel. Wenn ein Co. nicht seinen Gegenspieler hat, wird er seine Sucht auch nicht ausleben.

    Aber - ich denke, das Forum ist so mit Info´s voll, da findest sicherlich eine fundiertere Erklärung über Co-Abhängigkeit, als meine jetzt.


    Gruß

    BC

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