Hallo,
soeben wurde ich nach 15 Tagen Nüchternheit freigeschaltet. Es folgt die Vorstellung:
Alkohol begleitet(e) mich seit meinem 15/16. Lebensjahr. Ich bin Asperger-Autist, mein Verhältnis zu anderen Menschen, ja zur Welt, war und ist sehr distanziert. Das "Gefühl" ist schwer beschreibbar, so als sei die ganze Welt einen Meter entfernt, alles wirkt wie ein Film, nicht real. Dazu kommt, dass ich nicht, wie andere, "klönen", "einfach so reden" kann. Mehr noch, ich ertrage es nicht, wenn das andere tun. Ich halte das vielleicht 5 Minuten aus, dann verlasse ich die "Quatscher". Auch wenn ich ausnahmsweise mal nicht allein spazieren gehe, gehe ich einfach weiter, wenn mein "Mitgeher" anfängt, mit irgend jemandem Small Talk zu halten. Ich kann nur über einen Gegenstand, der mich interessiert, disputieren/diskutieren. "Du warst wieder 'unmöglich', du kannst nur Vorträge halten" ist dann oft der Vorwurf. Sollte hier der eine oder andere Asperger-Autist mitlesen oder Forist sein, wird er das vielleicht verstehen.
Die Schule, Universität waren für mich schwer erträglich, Gruppenarbeit, Mannschaftssportarten aller Art unerträglich. Allerdings war ich ein recht guter Schwimmer und spielte gerne Tischtennis und Badminton.
Irgendwann fing die "Fetenzeit" an. Ich wurde eingeladen, ging aus Höflichkeit hin. Ich stand abseits. Ja, und dann entdeckte ich (leider!) eine "Medizin", die den Graben zwischen mir und der Welt vorübergehend schließen konnte: Alkohol. Nach ein paar Gläsern konnte ich tatsächlich auf Menschen zugehen, reden, ja sogar tanzen! Das war der Anfang. Ich fing an, die "Medizin" einzunehmen, wann immer ich es für nötig hielt. Ich trank exzessiv bei diesen Gelegenheiten und hatte am nächsten Tag einen schweren Kater. Die Trinkmenge nahm zu, die Abstände wurden kürzer. Weil ich mich und meine Existenz verabscheue, hatte ich nie die Motivation, das Trinken für mich aufzugeben. Vor einigen Jahren hatte sich mein Trinkverhalten vollkommen geändert. Ich trank nicht mehr exzessiv, im Gegenteil, ich wollte nicht mehr betrunken sein, trank jedoch jeden Tag exakt 4 Liter Bier. Viel zu viel natürlich.
Vor drei Jahren wollte ich meine absurde Existenz auslöschen, habe jedoch überlebt. Ein missglückter Suizid. Nach dem Krankenhausaufenthalt hatte ich knapp sechs Monate nicht getrunken, hatte auch überhaupt kein Bedürfnis. Aber eines blöden Tages dachte ich, ach, jetzt ein kühles Helles...den Rest kennt jeder hier. Kurze Zeit später war ich wieder bei meinen vier Litern.
Mein Trinkverhalten hatte sich noch einmal geändert. Ich trank ausschließlich in meiner Wohnung und nur, wenn niemand sonst anwesend war. Da ich zuhause arbeite, konnte ich meinen Trinkplan exakt einhalten: um 12.30 öffnete ich die erste, um 18.30 die letzte Dose. Um spätestens 20 Uhr ging ich ins Bett. Meine (erwachsenen) Kinder hatte ich gebeten, ihren Besuch immer einen Tag vorher anzukündigen, sodass ich vorbereitet war. Wenn sie doch einmal nach 12.30 (!) "spontan" kommen wollten, erfand ich einen dringenden Arztbesuch o.ä. An anderen Orten trank ich nicht. Auch wenn ich, was selten geschah, in ein Restaurant eingeladen wurde, trank ich dort Wasser, die Familie auch Wein oder Bier. Das hat mir nichts ausgemacht. Einmal hatte ich einen Gast bei mir für eine Woche. Auch in dieser Zeit hatte ich nie etwas getrunken, fühlte mich aber in den ersten 3-4 Tagen etwas "neben der Spur", Schwindelgefühl, "Watte im Kopf", aber kein Händezittern oder andere Beschwerden.
Zunehmende Müdigkeit, Abgeschlagenheit, ständiges Völlegefühl und Druck im rechten Oberbauch ließen für mich keine Zweifel an einer Leberzellverfettung. Weil ich meinem Kind versprochen hatte, meinem Enkel Klavierunterricht zu erteilen, sobald er fünf Jahre alt ist (er ist 19 Monate alt), musste und wollte ich aufhören zu trinken. Das war vor 15 Tagen. Um 12.30 gibt es jetzt Essen, statt Bier. Bis jetzt ging es gut, ich habe nicht das geringste Bedürfnis zu trinken. Aber ich weiß natürlich, dass der gefürchtete "Saufdruck" droht. Und vor dem habe ich Angst. Deshalb bin ich hier.
Vielen Dank fürs Lesen.