Tiefpunkt bei Süchtigen?

  • Hallo ihr lieben,
    da ich nicht wusste in welches Forum ich das Schreiben soll stelle ich es einfach mal hier rein.

    Ich habe jetzt immer wieder gelesen das es vielen Alkohikern gelingt trocken zu werden bzw. sie sich ändern wollen wenn Sie Ihren Tiefpunkt erreicht haben. Dabei stelle ich mir die Frage wie schlimm der Tiefpunkt denn sein muss. Ich frage mich das aufgrund dessen das mein Vater alkoholiker ist und er vor einer weile im Krankenhaus war ich sage mal ein kleines Kind war nichts dagegen. Er konnte so gut wie nichts mehr. Das ist doch sicherlich für so einen Menschen ein Tiefpunkt. Er stand kurz vor dem Tod. Und jetzt ein paar monate später ist es so als wäre das ganze nie passiert. Wie tief muss den ein mensch fallen bis er das realisiert. Ich habe hier ´ja schon gelernt das mann den Menschen nicht wirklich helfen kann. Aber sollte es nicht eigentlich klick machen, wenn es kurz vor 12 ist? Ich unterstütze meinen Vater so gut es geht aber verstehe auch nicht, warum er es einfach nicht kapiert. Wahrscheinlich ist er noch nicht tief genug gefallen. oder er realisiert es wenn es viel zu spät ist.

  • Hallo stern

    Zitat

    Ich unterstütze meinen Vater so gut es geht aber verstehe auch nicht, warum er es einfach nicht kapiert.

    der Satz hört sich so an, als ob Du noch ganz schön tief drin steckst, im verstehen und helfen wollen.

    Ich persönlich glaube, daß manche selbst im allertiefsten Tiefpunkt noch keinen Wendepunkt finden. Nicht jeder wird trocken, wenn er nur tief genug drinsteckt oder schlecht genug dran ist. Was ist genug? Was ist für einen süchtigen Menschen genug? Ich glaube es geht weniger darum, daß er etwas kapieren muß. Sondern welche Konsequenzen er vorzieht.
    Lieber tot als trocken? Oder lieber trocken als tot? Für ihn hat das Suchtmittel ja noch eine sehr große Bedeutung. Eine Bedeutung mit mittel- und langfristigen und schon erlebten Konsequenzen. Aber es bleibt seine Konsequenz und auch die Verdrängung der Tatsachen ist eine mehr oder weniger bewußte Entscheidung, wenn er konsequent bis zum Tod trinken will.

    Um Dich besser zu fühlen, darfst Du nicht nach Antworten suchen, die
    Antworten für sein weiteres Vorankommen betreffen. Du mußt nach Antworten suchen, die Dein weiteres Vorankommen, Deine (innerlichen) Überlebenschancen betreffen. Du suchst hier nach einem Stein der Weisen, den es so nicht gibt. Jeder Mensch und jeder Süchtige ist anders und entscheidet sich anders.

    Es tut mir sehr leid, Dir nichts hoffnungsvolleres schreiben zu können.

    LG Nys

  • hallo stern2013

    einen allgemeinen tiefpunkt bei alkoholikern gibt es nicht. da ist jeder unterschiedlich.

    der eine verliert den job oder den partner/in um seinen tiefpunkt zu erreichen, der andere muss erst in der gosse landen und kurz vor´m verrecken sein damit es klick macht. bei anderen wiederum kommt der tiefpunkt nie. das ist so unterschiedlich, wie jeder einzelne mensch.

    das mit deinem vater tut mir leid, aber du weißt selbst, das du ihm nicht helfen kannst, wenn er es nicht will. so wie du schreibst, dein vater konnte gar nichts mehr, vielleicht hat er dies alles auch gar nicht mehr mitbekommen was um ihn herum passiert. ich weiß es nicht.

    jetzt wo er wieder "auf den beinen ist" denkt er vielleicht, warum sollte ich jetzt aufhören, ist doch alles gut, oder er weiß davon nichts mehr.

    so leid es mir für deinen vater auch tut, er muss es selbst wollen, sonst wird das nix.

    wie gehst du mit dieser situation um? das dich das belastet ist mir klar, aber in wie fern unterstützt du ihn? besorgst du ihm den alk?

    gruß
    NNGNeo

  • Hallo Stern,

    Zitat

    Dabei stelle ich mir die Frage wie schlimm der Tiefpunkt denn sein muss.

    Meine Meinung:

    Es ist nicht immer Voraussetzung, einen Tiefpunkt zu haben, um mit dem Trinken aufzuhören.

    Wobei:

    Für den einen ist es möglicherweise eine Art Tiefpunkt, wenn einem das eigene Kind ins Gesicht sagt, dass eben derjenige nicht mehr trinken soll; für andere ist ein jahrelanges Pennerleben kein Tiefpunkt, für mich war der Anblick der über mir hängenden Infusionsflaschen in der Intensivstation mit einem gemessenen Promillewert nahe der 4 ein Tiefpunkt.

    So vielfältig ist es mit dieser Sache.

    Und dann kanns natürlich auch sein, dass man im Zuge so eines Tiefpunktes Stein und Bein schwört, nichts mehr zu trinken und irgendwann gehts wieder los.

    So komisch das auch aus dem Mund eines "ExTrinkers" klingt, versuche Abstand zu gewinnen, auch ich hab in meinem näheren Familienkreis jemanden vergleichbar mit deinem Vater, mit Abstand zu demjenigen "fahr" ich am besten.

    Muss aber zugeben, hat lange gedauert, das zu kapieren. Is sein Leben.


    klarerkopf

    Mein abstinentes Leben begann am 25. Okt. 2005

  • HAllo nys, und nngNeo,

    danke für eure ehrlichen Worte. Natürlich besorge ich ihm keinen Alkohol das würde nie in frage kommen. Damals habe ich mich um seine Vermögesnsorge gekümmert, da ich seine Betreuung hatte und wir handhaben das jetzt immernoch so.nachdem ich die betreuung gott sei dank losgewurden bin. Er bekommt für die wo einen Betrag und den muss er sich einteilen. Den alkohol würde er sich aj eh so oder so kaufen auch wenn ich ihm das Geld vorenthalten. Das habe ich auch schon gemacht und bin für ihn lebensmittel einkaufen gegangen. Aber alkohol war komischerweise trotzdem plötzlich im Haus. Mit hilfe meine ich auch eher, dass ich für ihn da bin wenn er mal jemanden zum reden braucht. Ich fahre mit ihm zum Arzt usw. Denn alleine geht er nicht. Allerdings sage ich auch nichts mehr dazu wenn er etwas trinkt, da es eh nichts bringt. Nur manchmal da kommt alles hoch und ich erkläre ihm wie es um ihn steht und wie ich mich fühle. Wahrscheinlich versteht er es eh nicht aber ich fühl mich dann besser. Für mich ist es sehr schwer mit der situation umzugehen. Es geht einfach nicht in meinem Kopf das man es in kauf nimmt zu sterben. Ich bin ein mensch der sich versucht in die Menschen hineinzuversetzten und überlege wie er sich wohl fühlt. Die letzten monate habe ich gemerkt, das ich vieles nicht mehr an mich ranlassen darf, denn das macht einen wahnsinnig. Ich halte es auch kaum aus wenn er sich einen TAg nicht gemeldet hat, weil ich denke er könnte in seiner Wohnung liegen. Wie gesagt, ich lerne Tag für Tag das es mir besser tut ihn auch ein wenig loszulassen, denn auch ich muss mein leben leben.

  • Das ist sehr krass, was Du da erleben mußt Stern2013. Er ist Dein Vater. Er sollte für Dich da sein. Und nun seid ihr in einem umgekehrten Rollenverhältnis. Mir ist jetzt klar, wie sehr die Kinder von Süchtigen zum Opfer werden. Ich bin froh, dass ich es geschafft habe mich von meinem mann zu trennen. Besonders für die Kinder. Das ist wie ich doch an Deinem Beispiel sehe doch noch etwas anderes, etwas härteres und ich hoffe, dass viele die hier lesen das nochmal zum Nachdenken anregt.

  • glück auf stern

    ich bin davon überzeugt, dass der "persönliche tiefpunkt" vorausetzung is um trocken zu werden.
    sei es das "mitleidige lächeln eines kindes" oder der "tropf" in der intensivstation oder was anderes.
    s kommt aber leider immer wieder vor, das jemand seinen "tiefpunkt" garnich mehr "versteht" - wenn der alk s gehirn "aufgelößt" hat (korsakow-demens) "vergisst" der kranke innerhalb weniger minuten, dass er trocken werden wollte. auch desshalb ist die beste hilfe das "in liebe loßlassen".
    je länger n kranker "bemuttert" wird, je öfter ihm immer wieder "aus der patsche geholfen" wird - umso länger braucht s oft, damit er seinen "persönlichen tiefpunkt" erlebt.

    sorg dafür, dass es dir gut geht

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Liebe Stern,
    leider habe ich es auch so erlebt, wie viele es hier schon schrieben. In dem damaligen Umfeld, in dem ich als Kind aufwuchs gab es viele Alkoholiker. Da war es schon fast 'normal' zu hören: Der xy hat sich 'totgesoffen'.
    Als Kind habe ich nicht einmal großartig darüber nachgedacht, das war eben so. Heute finde ich schon allein diese Tatsache erschreckend. Viele in diesem Umfeld waren Alkoholiker und niemanden hat das abgehalten weiter zu trinken oder sich Gedanken zu machen.
    Möglicherweise war dieses Leben für diese Menschen im wahrsten Sinne des Wortes 'erfüllend'.
    Ich muß sagen, dass es ja ausser der Alkoholsucht viele lebensgefährliche Lebensarten gibt, wo Menschen in Kauf nehmen , dass sie dabei ihr Leben lassen könnten. Man denke nur an Extremsportarten. Aber auch das Nichtlassenkönnen von leckeren Schlemmereien gehören für mich dazu. Was ich damit sagen will ist, dass der Mensch an sich nicht immer vernünftig handelt. Jeder möchte auch auf seine Art das Leben 'genießen'. Alkohol ist ein 'Genußmittel'.

    Mein Vater hat es wohl in einem ähnlichen Zustand wie Deiner es nun ist tatsächlich geschafft aufzuhören. Ausschlaggebend war bei ihm, dass der Arzt ihm ebenso nicht mehr lange zu leben 'gegeben' hat. Ihm hat es offenbar etwas bedeutet in dem Moment.

    Ich weiß nicht, ob Du es schaffen könntest bei ihm durch ein Gespräch noch irgendwie einen 'wunden Punkt' treffen kannst. Es müßte wirklich etwas sein was sein Herz berührt, ihn wachrüttelt.

    Du mußt Dir bewußt sein, dass Du in der schlechten Position bist, da Du die Tochter bist. Ein Vater muß traditionell nicht auf die Tochter hören. Eine Tochter bestimmt nicht über den Vater.

    Betüdeln bewirkt genau das Gegenteil und Mitleid auch, denn damit bestätigst Du ja auch noch die Vorstellung eines nassen Alkoholikers, dass alles um ihn herum sch**** ist.
    Das wäre nur coabhängigges Verhalten von dem wir hier ja genug lesen, dass es nichts bringt.

    Du hast also nur einen einzigen Trumpf und das ist die Tatsache, dass Du die Tochter bist, dein Vater Dich liebt und
    Dich vermutlich auch nicht verlieren möchte, so paradox das jetzt klingen mag. Ich weiß, dass mein Vater sich nicht für uns Kinder interessiert hatte, als er trank. Aber ich bin mir sicher, wenn es etwas Spektakuläres gab hat es auch ihn wachgerüttelt. Und ich kenne diese Sitaution auch von anderen.

    Ich hatte früher einmal jemanden kennengelernt, der mir zu sehr trank. Ich kannte ihn noch nicht einmal richtig , aber der Blick in die Küche reichte mir. Ich war von Anfang an konsequent und sagte, dass bei mir Alkohol ein absolutes Tabu ist und er nicht mit Alkoholgeruch in meine Wohnung darf. Ich blieb konsequent und er trank dann tatsächlich nicht mehr. Ich weiß nicht einmal, ob er alkoholsüchtig war oder auch nur gefährdet. Aber mir war es zu viel. Wenn man dabei bleibt, was man selber will, also sich selbst treu bleibt ist es das Beste. Und bis heute ist dieser jemand mir dafür dankbar. Leider funktioniert diese Art und Weise jemanden zu bekehren wohl eher selten. Wenn man sich schon mal auf die Trinkerei eingelassen hat und dann etwas ändern möchte, wie es in längeren Beziehungen und Ehen der Fall ist wird so etwas wohl eher als Bevormundung oder Erpressung aufgefasst und der Partner kann sich auch ganz abwenden. Ich hatte, denke ich, den Vorteil, dass ich da ganz glaubwürdig und konsequent mein eigenes Lebensmotto rübergebracht hatte.
    Das würde vermutlich bei Deinem Vater keine Wirkung zeigen, denn es ist ja nichts neues für Dich, für ihn dass er trinkt. Neu wäre, dass Du sehr leidest, dass Du damit konfrontiert wurdest, dass er nun bald nicht mehr sein wird.
    Vielleicht fällt Dir etwas ein, was Ihn noch schockiert.

  • Für mich persönlich war mein Tiefpunkt im Nachhinein betrachten gleichzeitig auch mein Lebensretter. Hätte es sonst wohl nicht aus der Sucht geschafft.
    Ich weiß nicht, ob jeder Alkoholabhängige seinen persönlichen Tiefpunkt erreichen muss um aufzuwachsen, ein gehöriger Leidensdruck ist aber sicherlich hilfreich beim Trockenwerden. So zynisch das auch klingen mag.
    Was als Tiefpunkt empfunden wird ist sicher, wie ja auch hier schon erwähnt wurde, subjektiv. Und ich denke auch, dass Tiefpunkte immer auch ausbaufähig sind, tiefer geht immer.

    LG
    Stine

    Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist dann ist es auch nicht das Ende.

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