Meine Kindheit - ein Thema?

  • Hallo Liebe Teilnehmer hier,

    ich komme aus dem Co Bereich, bin Partnerin eines Alkoholikers schon viele Jahre lang, verheiratet mit zwei Kindern und versuche gerade einen neuen Weg zu gehen, um insgesamt wieder glücklich werden zu können.
    Dabei stolpere ich immer wieder über Gedanken meine Kindheit betreffend und über mein Verhalten, insbesondere in der Rolle als Co.
    Ich versuche zu verstehen und auf zu arbeiten, wie es dazu kam, dass ich mich mit 19 Jahren Hals über Kopf in eine Beziehung gestürzt habe, die mir lange Zeit nicht gut getan hat, und aus der ich nur schwer heraus komme.

    Meine Mutter war Alkoholikerin und Bulemiekrank. Mein Vater hat auch getrunken, aber weniger???
    Ich habe meine Kindheit bisher nie hinterfragt, konnte mit meinen Eltern bis zu ihren Tod durch ein Unglück sehr gut auskommen. Das Alkoholproblem war für mich zu dieser Zeit kein Problem mehr, ich konnte es Akzeptieren und hatte Distanz dazu.
    In meiner Jugend, kurz vor meinem Auszug mit 17, hatte ich kein gutes Verhältnis zu meiner Mutter, zu meinem Vater schon ein besseres.

    In meiner Kindheit gab es im Nachhinein eigentlich schon einige Situationen, die im Nachhinein betrachtet schon hart waren, aber bis vor kuren habe ich meine Kindheit eigentlich nie als schlimm empfunden. Zur Zeit stelle ich mir die Frage, ob ich da nicht etwas verdrängt habe?

    Um das heraus zu finden, bin ich hier. Und um mein Verhalten zu verstehen:
    Ich bin schon immer gerne Schwierigkeiten und Konflikten lieber aus dem Weg gegangen, auch mit Hilfe von Lügen. Ich kann mir keine Fehler eingestehen, versuche immer mit Leistungen und Perfektion zu glänzen (z.B auch mit Sport / Wettkämpfen), winde mich in allen Richtungen, um zu gefallen, habe keine eigenen Meinung, sondern passe sie meiner Umgebung an. Und das ganze habe ich all die Jahre so in meine Beziehung eingebracht.

    Vor meinem Mann, den ich mit 19 kennen gelernt, und in dessen Arme ich mich wirklich Hals über Kopf gestürzt habe, hatte ich noch eine kurze Beziehung mit einem Mann, der zu viel trank, und einem anderen, der täglich ausgiebig Intimes wollte und mich nach der Trennung lange Zeit heftig belästigte.

    In meiner Kindheit habe ich mich oft in eine Phantasiewelt geträumt.
    Mitte zwanzig hatte ich auch eine Essstörung, die mit meiner Schwangerschaft verging.
    Außerdem habe ich immer gerne Lügengeschichten ohne Grund erzählt. Geschichten - einfach so, um interessant zu sein.

    Nun frage ich euch - sind das typische Probleme eines Ekas? Ich möchte gerne verstehen, um auf zu arbeiten.
    Ich bin deshalb auch seit kurzem bei einer Therapeutin, möchte aber auch sehr gerne Eure Meinungen und Erfahrungen hier lesen.

    Vielen Dank schon einmal

    Viele Grüße
    Neuweg

  • Hallo Neuweg,

    viele deiner Ausführungen treffen auch auf mich zu.

    Erst mit den Jahren und viel Hilfe von Freunden, Psychologen, Selbsthilfe, Literatur und nicht zuletzt der Liebe :) wurde mir bewusst, dass meine Eltern wirklich grobe Fehler begangen haben.

    Diese Verstöße gegen meine Seele ( körperlich musste ich von ihnen keine Schmerzen erleiden ) waren jedoch gesellschaftlich "anerkannt" und daher konnte ich es lange nicht sehen, wie wenig sie eigentlich zu einer positiven und zur Selbstliebe führenden Entwicklung beigetragen haben.

    Sie vermittelten mir, dass das was sie tun ok ist und ich es eben nicht bin.
    Um es ganz einfach auszudrücken.

    Aber das war für mich als Kind so schwer zu durchschauen, dass ihr Gift unbemerkt für mich und andere wirken konnte.

    Und hätte es jemand bemerkt, hätte es sie/ihn so sehr interessiert, um mir zu helfen, daran etwas zu verändern ?

    Wohl eher nicht :( .

    Ebenso wie du, flüchtete ich in sehr jungen Jahren in eine selbstzerstörerische Ehe.

    Von der Eheschließung erfuhren meine Eltern dann nur aus der Zeitung ;), was ja schon einiges über das Vertrauensverhältnis, das wir (nicht) hatten, aussagt.

    Auch ich habe/hatte eine große Palette an Verhaltensstörungen/Süchten aufzuweisen, die ich seit langem und langsam abbaute und mit denen die noch übrig sind, versuche ich mich zu arrangieren.

    Ich bin dabei einen wohlwollenden Blick auf mich und andere zu erlernen, das ist das, was meine Eltern nie hatten und umso dankbarer bin ich, dass es mir nun ( einigermaßen ) möglich scheint.

    Die Krater die meine Eltern hinterlassen haben werde ich selbst wohl nie ganz auffüllen können und hin und wieder ( in besonderen Situationen ), wird mit das auch schmerzlich bewusst, ich halte mich aber nicht mehr so sehr damit auf.

    Dazu ist mir der Rest meines Lebens zu wertvoll, denn ich habe jetzt die Chance relativ unabhängig, das Beste daraus zu machen.

    (Akut wünsche ich mir zu diversen anderen Tierchen die bei mir zuhause sind, noch ein Pärchen Laufenten und einen kleinen Teich dazu. )

    Dass das Beste manchmal "ganz wenig" ist ;)......das zu akzeptieren gehört mit dazu, zu meiner Trockenheitsarbeit.


    Du schreibst, dass das Alkoholproblem zum Zeitpunkt des Todes deiner Eltern, kein Problem mehr für dich war.

    Wie war es denn zuvor ?

    Meine Eltern haben auch immer mal wieder ziemlich viel getrunken, ich hatte das aber nie als Alkoholismus erkannt.

    Erst dann.....als ich mich selbst auf den Weg zur Trockenheit machte.

    Ich bin gespannt, was du über dich heraus finden wirst und ich freue mich, dass du darüber im offenen Bereich berichten möchtest.


    Grüße von slowly ( trockene Alkoholikerin )

  • Hallo Slowly,

    vielen dank für deine Antwort!

    Nun, ich denke, ich habe das Problem als solches auch erstmal nur unbewusst erkannt. Wenn man von Klein auf mit so was aufwächst, ist es ja auch irgendwie normal?

    Ich weiß, dass ich als Kind meinen Eltern oft den Schnaps nach dem Essen aus dem Kühlschrank geholt habe, das "Übliche". Das habe ich immer mit einem Topflappen gemacht, weil ich bis ich etwas 17 war, keinen Alkohol berühren wollte, er hat mich geekelt und zwar seit ich ganz klein war. Konnte ihn nicht riechen und fand die Untersetzter, auf denen Schnaps war fürchterlich anzufassen.
    Meine Eltern haben das immer belächelt.

    Als Jugendliche habe ich mich oft für meine "schrullige " Mutter geschämt, Alkohol war aber auch da nie das Thema. Es war ja normal, dass man soviel trinkt, auch tags. In der Ausbildung wurde ich von einem Lehrer mal direkt angesprochen, und habe mich damals gefragt, was er denn eigentlich will? Weggeschoben habe ichs. Aber ab da habe ich angefangen zu erkennen.

    Mehr belastet hat mich in meiner Jugend die Bulemieerkrankung meiner Mutter. Da habe ich auch mit meinem Vater darüber gesprochen und auch über das Trinken - als Nebensache sozusagen. Er hat damals aufmerksam zugehört und ist darauf eingegangen, es kam aber nie eine Rückmeldung, was er gemacht oder mit meiner Mutter besprochen hat. Ich frage mich das bis heute, was er damals unternommen hat. Leider werde ich das nie erfahren.

    In der Jugend war es dann auch so, dass ich nach ihr gesehen habe. Ich habe sie auch kontrolliert, wenn sie gebrochen hat, sie konfrontiert, es gab üble Streite deswegen. Sie hatte sich auch mal verletzt, so dass alles blutig war, und ich habe alles aufgeputzt, mit 13 oder wie alt ich war. Und mich dabei so vernünftig und erwachsen gefühlt.

    Irgendwie habe ich dann verstanden, dass sie A-süchtig ist, sie hat ja dann auch an einem Vormittag den Führerschein verloren. Aber durch den Abstand wegen des Auszuges, habe ich es als ihr Problem eingestuft, nicht als meines. So wie man es ja auch im Co Bereich geraten bekommt. Diese Distanz. Ich habe meine Eltern dann auch mit den Jahren bis zu ihrem Tod wieder akzeptieren und lieben gelernt. Habe sogar mit ihnen und meinem Mann gemeinsam Alkohol getrunken.

    Erst durch das A-Porblem meines Mannes ist das alles wieder hoch gekommen. Und zwar über unsere Kinder. Da er betrunken Dinge ggü. unserem Sohn gemacht und gesagt hat, die mich plötzlich so wahnsinnig an meine Kindheit erinnerten.

    Äußerungen die mich damals so getroffen haben und ich nie vergessen konnte, hörte ich jetzt hier wieder. Und plötzlich war ich wachgerüttelt - in meiner Partnerschaft und als Mutter. Und durch informieren und lesen habe ich erkannt, dass mein Leben bis heute in Verbindung mit Alkohol, bzw. auch anderen Süchten, "Bilderbuchmässig" verlaufen ist. Nun möchte ich erkennen, aufarbeiten, verstehen und vor allem ändern. Mich ändern, mein Leben und meine Zukunft. Weil Vergangenheit ist Vergangenheit. Aber ich hab ja auch Kinder, die aus diesem Kreislauf rausmüssen, damit sie das so nicht weiterführen...

    Liebe Grüße


    Neuweg

  • Hallo Neuweg,

    hab´ein wenig in deinem anderen Faden gelesen.

    Wenn du nachdenkst über deine Kindheit und hier dazu schreibst, dann geht es ja damit automatisch auch um die Kindheit deiner Kinder.

    Und wenn du dann in einiger Zeit hoffentlich dastehen wirst und ein "wir" nur noch in Zusammenhang mit deinen Kindern existiert, dann wirst du diejenige gewesen sein, die das Rädchen, das sich oft Generation um Generation weiter dreht, gestoppt hat.

    Nach der Trennung ( aus anderen Gründen als Missbrauch von Alkohol ) von meinem wirklich guten zweiten Mann, stand ich das erste Mal in meinem Leben da und konnte ein "ICH" fühlen.

    So ein tolles Gefühl !

    Und auch wenn ich wieder eine Liebe geschenkt bekommen habe, ist dieses "ICH" nach wie vor da und macht mich glücklich.

    Ich spüre deinen Mut und deine Willensstärke und freue mich für dich und für deine Kinder !

    Liebe Grüße

    Slowly

  • Hallo und danke!

    Dieses Rädchen zu Stoppen ist einer meiner größten Motivationen, aus dem Schlammassel heraus zu kommen.
    Eben auch wegen der Kinder.

    Aber auch für mich. Das "Ich" zu entdecken ist höchste Zeit!

    Ich hatte die letzten Monate in meinem Jammertal oft so den Gedanken: "Ein bißchen Glück hast du doch auch verdient, hast du denn nicht schon genug durch gemacht?" Jeder ist seines Glückes Schmid und nun muss ich vielleicht endlich mal anfangen, zu schmieden.

    Ich habe schon das eine oder andere überlegt, auch gemeinsam mit meiner Therapeutin.
    Im Zusammenhang mit meinem beiden Kinder kam in meinem Therad das Wort Panrentzipierung auf. Da mit habe ich mich beschäftigt und erkannt, dass es bei mir das gleiche war. Mit 12 oder 13 habe ich, nachdem meine Mutter wegen eines Unfalls das ganze Bad verblutet hat, Hilfe verständigt und alles aufgeputzt. Danach habe ich mich gut gefühlt.
    Nachdem meine Eltern gestorben sind, habe ich mich um alles gekümmert, keine Hilfe annehmen wollen. Da habe ich mich gut gefühlt.
    Dieses Aufopfern - dieses "schau, was ich leisten kann" ist sehr ausgeprägt bei mir. Massiv war das auch während der Zeit als wir unser Haus bauten.
    Dann als die Kinder zur Welt kamen. Alles musste perfekt sein. Stillen, Umsorgen, Haushalt picobello. Völlige Aufopferung. Ohne Pause.
    Fehler machen wollte ich nie - und wenn habe ich nicht dazu gestanden.

    Meine Therapeutin hat mich mal gefragt, wann ich mich denn mal geborgen gefühlt habe. Tja,...
    Ich bin früh von zu Hause weg. Habe mich in verschiedene Beziehungen gestürzt. Gefiel dem Partner Rockmusik - mir auch. Gefiel dem Partner Sport - mir auch. Springt der Partner in den Brunnen ....

    Tja, nun bin ich Mitte 30 und weiß nicht, wer ich bin. Ich kann mich im Schubladen nicht meal für ein Paar Schuhe entscheiden, weil ich nicht weiß, was mir gefällt. Und von dieser Perfektion, nach der ich so gestrebt habe.., die gibt es so nicht.

    Ich möchte eigentlich nicht alles auf meine Kindheit, bzw. meine Eltern schieben. Aber ich denke viel nach und komme doch auf so manches.

    Liebe Grüße
    Neuweg

  • Hallo Neuweg, auch hier :D

    "alles auf die Kindheit schieben"- das ist ja ein Extrem, dazu gehört das andere Extrem "mit meiner Kindheit hat mein erwachsenes Leben nichts zu tun".
    Wie wäre es mit einem Mittelweg.
    So habe ich es gemacht:
    Ich schaute mir meine Kindheit ungeschönt an. So, wie sie eben war.
    Einiges, an das ich mich nichtmal mehr erinnern konnte, kam plötzlich hoch.
    Dann verarbeite ich das alles. Das, was eben "liegengeblieben" war, nicht verarbeitet, sondern verdrängt und ausgeblendet wurde. Zb Schmerz und Wut. Ich habe einiges beweint. Und auch Zorn zugelassen.
    Irgendwann konnte ich mir aber auch die positiven -die echt positiven, nicht die vielen "schön-gemalten" - Seiten meiner Eltern anschauen.
    Dann habe ich meine Eltern betrachtet in ihrem Lebenskontext und konnte verstehen.
    Dann konnte ich verzeihen, loslassen und für mich fühlen "Das ist vorbei."

    (Dieses Verzeihen und Loslassen heißt nicht, dass ich nun alles mit mir machen lasse! Mein Vater behandelt mich heute noch so wie früher. Zu ihm habe ich keinen Kontakt mehr. Ich schütze mich. Aber ich fühle keine Bitterkeit und keinen Hass o.ä.)

    Dann erst konnte ich viel unbeschwerter und mit deutlich weniger "selbstschädigenden Verhaltensweisen" weiterleben.

    Wie Du Dir denken kannst, hat das ein paar Jährchen gedauert und ging nur mit Hilfe eines Profis.
    Es geht alles Schritt für Schritt.
    Man kann nicht einen vorwegnehmen, das ganze abkürzen.
    Und man kann auch nicht schnell "durchrasen". Dann fühlt man nicht.
    Und ohne Gefühle geht es nicht. Die waren es ja, die so lange verdrängt wurden.

    Daher sag ich als PÄdagogin auch immer: Es gibt in der Erziehung fast nichts Wichtigeres, als Gefühle des Kindes wahrzunehmen, und ernstzuehmen. Zu Respektieren.
    Wenn ein Kind weint, warum auch immer, oder wütend ist, wird gerne gesagt "ach, so schlimm ist es doch nicht" oder "Das ist doch kein Grund zu....weinen....u.ä.!"
    Bitte niemals einem Kind seine Gefühle absprechen.
    "Du bist traurig/wütend, weil... (du kein TV schauen darfst, ins Bett musst, hingefallen bist....) Das kann ich verstehen.
    Aber sonst bist du ja morgen nicht ausgeschlafen in der Schule, und das ist mir sehr wichtig." - so in der Art ist das immer eine gute Basis.

    LG
    Girasole

  • Hallo,

    nachdem ich aufhörte zu trinken, konnte ich vieles nach und nach einfach abhaken.
    Ich habe geschaut, wo ich stehe und wo ich hin will.
    Die Gründe, warum ich dort stand, wo ich stand, waren für die Zukunft fast nie von Belang, es sei denn, es wären Verhaltensweisen von mir zu ändern.
    Das Wort "Warum" ist über Bord zu werfen.
    Fakten feststellen, sich und die Dinge ändern.

    Gruß Jürgen

  • Zitat von juergenbausf


    Das Wort "Warum" ist über Bord zu werfen.
    Fakten feststellen, sich und die Dinge ändern.

    Glückspilz, wenn Du das einfach so konntest.
    Bei mir ging das gar nicht.
    Es ist jeder Mensch verschieden, und für so manchen ist sehr wichtig, sich dem "warum" zu stellen.
    Andere wollen lieber nicht hinschauen. Wenn sie auch so ein zufriedenes Leben führen können... wie gesagt- brauchen sie das ja auch nicht.
    Ich wäre wohl ohne das "warum" nie mehr glücklich geworden.

    Außerdem: Ich lese immer bei euch, es reicht nicht, nur einfach aufzuhören zu trinken?

    LG
    Girasole

  • Guten Abend,

    Ja ich bin auch hier, girasole.
    Dein Vorschlag mit dem Mittelweg find ich gut. Ich muss allerdings auch noch betonen, dass ich gar keine Wut auf meine Mutter spüre. Früher schon, bevor ich weg bin, ja, fast schon Hass. Dann kam aber eine zeit, in der ich mit ihr und auch meinem Vater im reinen war. So dachte ich bis jetzt. Als sie so plötzlich starben, habe ich einfach eine Riesen Trauer gespürt und ich vermisse sie immer noch sehr.

    Ich habe das a-Problem meiner Mutter erst so richtig als Problem im Nachhinein erkannt. Und diese warum frage zu klären ist für mich sehr wichtig. Weil, jetzt rückblickend betrachtet doch vieles im Argen lag und ich möchte gerne wissen, wieso ich das so lange auseblendet habe, und wieso das plötzlich wieder hochkommt. Immer wieder fällt mir was neues ein. Dinge die ich schon lange vergessen hatte. Und ich möchte schon wissen, warum das alles so ist, warum ich so bin?

    Schöne Ostern

    Neuweg

  • Moin girasole,

    Zitat

    Außerdem: Ich lese immer bei euch, es reicht nicht, nur einfach aufzuhören zu trinken?

    Zitat

    Fakten feststellen, sich und die Dinge ändern.

    Sich ändern! Wer das tut, ist schon gaaaanz weit vorne.

    Gruß Jürgen

  • Hallo Neuweg,

    zu dem was du geschrieben hast über das Thema,..... dass dir das Sorgen um deine Eltern scheinbar gut getan hat und es für dich ein angenehmes Gefühl war.........und was damit so zusammen hängt.

    Ich glaube, dass auch ich an einem Punkt im Leben angekommen bin an dem ich lernen darf zu nehmen, was mir an Zuneigung und Hilfe von anderen Menschen angeboten wird und im besten Fall irgendwann auch darum zu bitten.

    Zum Geben habe ich gerade bei Karstens Thema etwas geschrieben, damit habe ich einen ausgeglichenen Umgang gefunden.

    Beim Nehmen sieht die Sache leider ganz anders aus.

    Es fällt mir sehr schwer etwas anzunehmen, in welcher Form auch immer.

    Früher war es mir sogar fast unerträglich ein Geschenk aufzumachen, ich zögerte das immer hinaus bis es nicht mehr ging.

    Vor einiger Zeit hat mir eine gute Freundin eine Massage angeboten, ich konnte sie nicht annehmen und habe ihr damit ziemlich vor den Kopf gestoßen.

    Sie hat es dann verstanden und auch akzeptiert aber für andere Menschen ist es nicht einfach zu verstehen, so etwas Schönes wie eine geschenkte Massage, einfach nicht annehmen zu können.

    Und erst seit diesem Erlebnis ist es mir eigentlich auch wirklich klar, dass bei mir da etwas nicht so ganz stimmt und verändert werden kann.

    Diese Tage habe ich auch gemerkt, dass wenn ich mal ein Problem, dass es mir dann schwer fällt über meine Gefühle zu sprechen.

    Ich möchte es schon, könnte es auch, tue es sogar manchmal, es fehlen mir dann aber oft die Worte, ich bekomme meine Gedanken nicht zusammen und stottere mich mehr schlecht als Recht durch die Beschreibung meines Anliegens.

    Da muss ich dann schon fast wieder über mich selbst lachen ;), trotzdem möchte ich das gerne verbessern:

    Das Annehmen und auch das Bitten um Hilfe bzw. Gefälligkeiten und das verständliche Aussprechen meiner Probleme/Gefühle.

    Liebe Grüße von Slowly

  • Das Thema ist schon was älter, aber für mich immer wieder aktuell. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich tappe immer wieder offenen Auges in die selben Fallen. Auch dazu gehört Hilfe von aussen anzunehmen oder gar darum bitten, es muss schon lichterloh brennen bevor ich mal aus meinem Schatten springe und mich öffne. Und darin liegt mein grösstes Problem, mich öffnen und Schwächen zeigen/zugeben. Mein Drang alles allein zu stemmen (Haus, Garten, Familie, Job), und die Starke ohne Fehl und Tadel zu geben, das raubt so viel Lebensenergie. Dazu mag ich allen gefallen, ich will von allen gemocht werden und reisse mir zu oft ein Bein dafür, aus um anderen einen "Gefallen" zu tun. Mittlerweile erkenne ich die Situationen, weiß auch warum das so ist, aber leider verhalte ich mich manchmal doch wieder so wie früher...
    LG Kitze

  • Hallo Kitze,

    mir hilft, es in solchen Zeiten ganz bewußt zu versuchen, die Zeiten zu sortieren. Wie alt bin ich gerade? Oft stelle ich dann fest, daß ich denke oder handle wie mit 8 oder 14 usw. Ausgelöst durch eine altbekannte Konstellation wie in der Herkunftsfamilie, agiere ich heute dann wie als Kind damals. Wenn ich das auseinandergefisselt habe, es reicht es wahrzunehmen, dann verändert es sich. Und ich werde mit der Zeit handlungsfähiger. Komme aus der Zeitschleife heraus ins Heute.

    Du machst das gut, bleib einfach dran. Ich habe mit der Zeit gemerkt, was mich triggert und aus der Ist-Zeit herauskatapultiert, das kann alles mögliche sein. Auch wenn ich so vom Gefühl her glaube, daß ich mittlerweile ziemlich viel nochmal nachempfunden und dadurch verstanden und integriert habe, kommt es immer noch vor, daß sich ab und zu die Zeiten vermischen. Dann schau ich eben wieder hin, auch wenn es schmerzhaft ist, was da hochkommt. Es löst sich auf und ich komme immer mehr im Heute an. Aus Trauma wird Biographie.

    Ich weiß nicht, ob du etwas von meinen Gedanken brauchen kannst, wenn nicht, lasse sie einfach am Wegrand liegen.

    Viele Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Danke für deine Worte, liebe Linde. Erst einmal muss ich sacken lassen und darüber nachdenken was du vorschlägst, mir über einige Situationen klar werden und dann schauen was passiert. Ich hab auch in anderen Momenten die Erfahrung gemacht, dass guter Anfang gemacht ist, wenn man die Grundthematik wahrnimmt. Es verändert sich tatsächlich etwas, besonders die Emotionen.
    vlg

  • Hallo Kitze,

    das Entscheidene bei mir war zu einen, nichts "künstlich" hochzuholen. Also nichts forcieren. Und zum anderen, daß ich danach, also nach dem Wahrnehmen, Nachfühlen, Sortieren, Aufschreiben usw. nichts, aber auch gar nichts tun muß. Es reicht, daß ich es wahrgenommen und beachtet habe. Die Veränderung lebt sich in mich hinein, einfach indem ich die Fenster öffne. Klar kommt auch mal etwas Dunkles ins Blickfeld. Manchmal habe ich gedacht, ich bestehe nur aus Schmerz. Das ist nicht so. Aber ich bestehe eben auch aus Schmerz. Oder der Erinnerung an den alten Schmerz. Mit der Zeit sortiert es sich.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hast du denn eine besondere Methode für dich gefunden mir dir achtsam zu sein? Denn das ist doch eine Voraussetzung dafür um wahrnehmen zu können, oder?

  • Hallo Kitze,

    ich glaube, ich war und bin eigentlich immer schon achtsam. Also eher übermäßig achtsam. Von klein auf hatte ich Radaraugen und Elefanfenohren (stelle mir das gerade bildlich vor... :lol:). Es ging immer darum, wie ist der Pegelstand der Mutter heute, wie ist der Vater drauf, wo ist er, was muß ich wie machen oder bleiben lassen, damit dies und das passiert oder nicht passiert und vor allem mir nichts passiert, oder nicht gar so schlimmes passiert........ :cry: Meine Wahrnehmung verfeinerte sich aus purem Überlebenstrieb in so eine Art Über-Wachheit. Ich war auf Dauer-Wach eingestellt. Ich konnte nie abschalten, das dauerte bis vor wenigen Jahren sogar an.

    Bei mir ging es eher darum, was kann ich für Filter einbauen oder für Puffer schaffen. Oder wie kann ich mit Erinnerungsblitzen umgehen lernen. Ich bin in traumatherapeutischer Behandlung deswegen.

    Ich habe als Kind echt viele schlimme Sachen erlebt. Aber eben auch viele schöne Sachen, z. B. Garten, Tiere, klassische Musik, Mathematik, Bücherwelten... An all die guten Sachen kann ich heute gut wieder aufbauen, ohne daß mich die Erinnerung an die parallel gelaufenen üblen Dinge runterzieht. Wie gesagt, hinschauen, hinfühlen, benennen, aufschreiben, immer wieder überlegen wie alt ich gefühlsmäßig gerade bin. Dann sortiert es sich und gerade wenn ich besonders irrational drauf bin oder durcheinander bin, dann schiebt sich wie ein Vorhang ein altes Gefühl in eine heutige Situation, nur weil sie sich ähnelt. Je klarer ich das aufdrösle, desto mehr kann ich Erinnerungen an alte Gefühle und heutige Gefühle auseinander halten.

    Merke gerade, das ist ein ganz schön wichtiges Thema für mich.

    Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Das mit den Dauerantennen kenne ich gut, diese Feinsinnigkeit habe ich auch bei vielen anderen Menschen und lernte sie mir zu Nutze zu machen, auch beruflich.
    Aber die Achtsamkeit mir selbst gegenüber ist noch nicht so geschult, da muss ich noch viel über mich selbst lernen... Dazu gehört auch das Aufdröseln vieler Situationen. Ich bin gespannt, auch für mich ist es ein besonderes Thema.
    LG Kitze

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