Der Weg in freies Leben....

  • Hallo an alle,

    nachdem ich jetzt einige Tage nur gelesen habe „traue“ ich mich selbst mal aus der Deckung.

    Ich bin (noch – irgendwie zumindest) Lebensgefährtin eines Alkoholikers. Da ich ihn zu trockenen Zeiten kennengelernt habe, war ich mir lange der Problematik gar nicht bewusst. Und dann habe ich das Wissen darum, dass da irgendwas ganz gewaltig nicht stimmt, lange vor mir selbst geleugnet.

    Es ist mir nach wie vor völlig unbegreiflich, wie ich so lange dieses Leben ertragen habe. Obwohl mir da längst klar war, dass das alles andere als normal war.

    Ich behaupte von mir, dass ich eine selbstbewusste Frau bin, ich habe eine Hand voll wirklich guter Freunde, eine tolle Familie, einen guten Job….und trotzdem hat mich diese kranke Beziehung voll erwischt. Ich habe lange vor mir selbst behauptet, dass ich ihn liebe und dass er mich liebt wie noch nie jemand vorher. Zu erkennen, dass das keine Liebe ist, sondern dass ich irgendwie Teil seiner Sucht bin hat lange gedauert und ist auch jetzt noch sehr, sehr schmerzhaft.

    Nachdem mir klargeworden ist, dass Alarmstufe Rot gilt (leider erst nachdem wir vorher noch ein Haus zusammen gekauft haben – wie gesagt im Nachhinein völlig unbegreiflich), habe ich zunächst alle Fehler gemacht, die man dann so macht: Kontrollieren, Wegschütten, Diskussionen führen, Anschreien, Heulen, Drohen (und natürlich nicht Halten), mich auf Streitereien einlassen, die er längst schon nicht mehr überblicken konnte…..ich nehme an Ihr alle kennt diese Schritte.

    Ich habe dann angefangen mich über Alkoholismus zu informieren und habe Information angeschleppt und versucht ihm klarzumachen, welchen Weg er da gerade (wieder?) einschlägt. Natürlich hat das alles nichts gebracht.

    Und trotzdem hat mich immer irgendwas zurück gehalten. Mein komplettes Umfeld, sein komplettes Umfeld, alle haben gespiegelt, dass sie nicht verstehen, dass ich bleibe. Aber ich konnte noch nicht loslassen. Und erschreckenderweise ist mir mittlerweile klar, dass ich mich irgendwie auch in dieser „starken“ Rolle der „Retterin“ auf die immer Verlass ist ein Stück weit eingerichtet hatte.

    Gefolgt sind sein körperlicher Zusammenbruch mit wochenlangem Koma, monatelangem Krankenhausaufenthalt bzw. Reha und einer – zumindest körperlichen – Entgiftung. Es hat nicht viel gefehlt und er hätte es nicht gechafft, auch hier erschreckend, dass ich manchmal nur gedacht habe „Dann hat das alles wenigstens endlich ein Ende“.

    Diese Zeit hat mich sowohl körperlich, als auch psychisch an den Rand dessen was ich ertragen konnte gebracht. Gottseidank habe ich in dieser Zeit gemerkt, dass ich nicht mehr alleine damit umgehen kann und habe mir sowohl eine Therapie, als auch eine SHG gesucht. Im Moment denke ich war und ist dieses Netz sogar wichtiger als meine Familie und Freunde.

    Die Therapie hat mir vor Augen geführt – und das sogar enorm schnell – dass ich mich selbst völlig aus den Augen verloren hatte und gar nicht mehr wusste, was ich eigentlich will. Dass ich so viele Dinge, die ich in der Beziehung (und das auch schon vor dem Alkohol) als falsch und krank empfunden habe, akzeptiert hatte und vor mir selbst als notwendiges Kompromiss bezeichnet habe….

    Und die SHG hat mich zum ersten Mal mit Menschen zusammengeführt, die die Krankheit Alkoholismus nicht nur aus Büchern oder Zeitungsartikeln kannten, sondern die wussten wovon ich rede – das war eine unheimliche Erleichterung. Ich hatte und habe noch immer nicht das Gefühl, dass Gespräche mit meiner Familie oder meinen Freunden mir wirklich helfen. Es ist natürlich schön und wichtig zu wissen, dass sie alle für mich da sind und mir helfen, wenn ich Hilfe brauche, aber ich habe nicht so wirklich das Gefühl, dass sie mir wirklich helfen können….da sie nicht im Ansatz verstehen oder nachvollziehen können wie sich das anfühlt und aus welchen kranken Zwiespälten man sich da immer erst befreien muss.

    Die Verzweiflung, die Scham, die Hilflosigkeit, das Verletzt sein, dieses den Boden unter den Füßen verlieren – und das Gefühl das alles trotzdem aushalten zu müssen……ganz schön bescheuert.

    Während der Zeit in der die Ärzte mit allen Mitteln versucht haben ihn am Leben zu halten, konnte ich gar nicht gehen. Da war die Angst um ihn und das Bedürfnis ihn damit nicht alleine zu lassen viel zu groß. Und ich habe mich auch vor dem großen Erwachen gedrückt. Und natürlich war da auch die Hoffnung, dass der Tiefpunkt fast sein Leben zu verlieren, ja sicher ausreichen muss um DER entscheidende Tiefpunkt zu sein.

    Nach dem Heimkommen aus der Reha (ich hatte bis dahin lange Zeit gehabt, mich damit auseinanderzusetzen was ich will) habe ich ganz klar meinen Standpunkt formuliert und Bedingungen gestellt unter denen ich bereit bin ihm eine letzte Chance zu geben.

    Wenn ich das jetzt so schreibe merke ich, wie vergeblich das an diesem Punkt eigentlich schon wieder war, da ja alles wieder von mir vordiktiert war. Aber zunächst lief alles besser als es jahrelang vorher war. Wir sind zusammen in die SHG gegangen und haben langsam wieder normale Gespräche geführt, haben wieder gemeinsam Freunde und Familie besucht, uns angenähert….und trotzdem.

    Ich habe festgestellt, dass er zwar mitgekommen ist in die SHG, aber nicht teilgenommen hat. Immer nur von der Krankheit und den gesundheitlichen Problemen gesprochen hat und wie viel Zeit er jetzt braucht um wieder gesund zu werden. Und dass Alkohol kein Problem mehr wäre, da er nur noch daran denke, wenn ich ihn daran erinnern würde oder er mit in die SHG gehen „müsste“. Oha, dachte ich, das klingt irgendwie falsch.

    Ich habe trotzdem nicht glauben wollen, dass es möglich ist nach einem solchen Paukenschlag immer noch nicht selbst zu wollen. Und wieder nicht wahr haben wollen, dass er keinerlei Einsicht entwickelt hatte.

    Aber er hat sich geweigert in den Urlaub mitzufahren, den ich für mich geplant hatte (und bei dem ich extra darauf geachtet hatte, dass er mitkommen konnte, wenn er gewollt hätte). Ich hatte das aber schon – gestärkt durch die Therapie – entschieden, dass ich auch alleine fahre und bin ohne ihn gefahren. Natürlich hat er mich mit Nachrichten und Anrufen bombardiert, bis ich nach einer Woche jeglichen Kontakt eingestellt habe, weil ich sonst keinerlei Erholung gehabt hätte. In dieser Zeit habe ich mir auch bewusst verboten daran zu denken was diese ganzen kranken Anrufe und Nachrichten bedeuten können und habe den Urlaub ganz bewusst nur für mich genossen.

    Das Ende vom Lied wird hier wahrscheinlich niemanden erstaunen, mir hat es trotz allem was ich schon erwartet hatte, nochmal den Boden völlig unter den Füßen weggezogen. Ich kam nachhause – sowieso schon skeptisch, weil ich nach langer Zeit mal wieder gemerkt hatte wie sich zwei Wochen normales Leben mit normalen Menschen anfühlen – und habe sofort gesehen und gerochen und gehört, dass er getrunken hat. Ich habe sofort Familienangehörige von ihm gebeten zu kommen und wir haben versucht eine Vereinbarung zu treffen, wie es weitergehen kann, wenn er das will.

    Natürlich stehe ich jetzt nach nur 5 Tagen vor der Erkenntnis, dass ihn das alles nicht erreicht und er das alles auch gerade nicht wollen kann. Ich hatte sowieso schon gemerkt, dass das keine Liebe sein kann und für mich ganz klar gefühlt, dass ich ihm diese Chance fast nur noch aus Pflichtgefühl gebe (beim Schreiben klingt das noch viel unbegreiflicher als es eh schon ist….) und in den letzten Tagen bin ich innerlich den letzten Schritt gegangen und weiß, dass ich jetzt gehen kann.

    Ich weiß noch nicht wie ich das alles stemmen soll (gemeinsames Haus, gemeinsamer Kredit…das Finanzielle bremst mich da grad ein bisschen aus) aber ich habe so viele wichtige Jahre und so viele Hoffnungen vergeudet, dass ich es jetzt kaum erwarten kann wieder frei zu sein. Spätestens dieses Gefühl, dass ich wieder „frei“ bin hat mir klar gemacht was ich mir habe nehmen lassen.

    Mir ist klar, dass das noch ein langer und bestimmt oft steiniger Weg wird und dass ich da das eine oder andere Mal sicherlich jemanden brauche, der mir klipp und klar sagt, dass ich meinen Weg verloren habe und mir den Kopf zurecht setzt. Und nach allem was ich hier gelesen habe, bin ich hier glaube ich richtig.

    Ich bitte also darum, sehr direkt zu sagen, wenn ihr das Gefühl habt, dass ich mich verrenne. Ich kann klare Ansagen gut verkraften und möchte einfach meinen Weg nicht mehr verlieren.

    Ich hoffe, dass ich hier eine weitere Plattform finde, die mich auffangen kann, wenn ich einen schwachen Moment habe. Dafür danke ich euch allen schon jetzt!

    Und Danke fürs Mitlesen.

  • Ich hatte den Text gestern Abend getippt, bevor ich in die SHG gegangen bin. Als ich heim kam (solange ich noch nicht geklärt habe wie das mit dem Haus weitergeht, habe ich mich im Haus auch räumlich so gut es geht separiert) war er so alkoholisiert, dass er einen Briefumschlag in der Hand hatte und offensichtlich nicht wusste was er damit jetzt tun soll.

    Das hat mich so traurig gemacht. Ich merke, dass ich zwar dann einfach gehen kann und mir denke, dann muss er halt sehen ob er wichtige Briefe liest oder nicht.

    Aber ich denke es ist trotzdem normal, dass man traurig ist, dass ein Mensch, den man geliebt hat und der einem auch nicht völlig gleichgültig ist so enden muss....

    Oder?

  • Hallo JUF,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich kann gut nachvollziehen, wie du dich da gestern abend gefühlt hast.
    Lebe auch noch mit dem XY unter einem Dach, und trotz Separierung bekomme ich da auch noch einiges mit.
    Das ist traurig, aber wir können nichts tun.
    Was habe ich alles unternommen, und habe immer wieder geglaubt jetzt wird es besser, und nichts geschah.
    Die Versprechungen eines nassen Alkoholikers sind nichts wert, er verspricht dir erst einmal alles, damit sich für ihn nichts ändert.
    Ich habe für mich gelernt, und das halte ich für sehr wichtig, immer nur das ankündigen, was ich durchhalten kann.
    Ich habe grdroht, und nichts umgesetzt, das Ergebnis war, das er mich gar nicht mehr ernst genommen hat.
    Das war für mich ein schweres Stück Arbeit, denn ich war immer die Kümmerin, und dachte ohne mich läuft es nicht.

    Ich finde es gut, dass du alleine in den Urlaub gefahren bist, ich habe mich zu diesen Urlauben "vorgetastet" immer ein paar Tage mehr, und bin seit Jahren bei 14 Tagen und das tut richtig gut, ein ganz anderes Urlaubsgefühl als früher.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Liebe JUF,

    ein herzliches Willkommen in diesem Forum.

    Um Deine Frage zu beantworten, ja, ich finde schon, dass man auch traurig sein darf/kann, selbst wenn der Entschluss gefasst wurde, dass man gehen möchte. Schließlich liegt einem etwas an dem Menschen oder hat es in der Vergangenheit.

    Ich erkenne mich in Deinen Zeilen zum Teil wieder. Ich habe mich auch immer für eine selbstbewusste, starke Frau gehalten und hätte mein Lebtag nicht gedacht, dass ich in so einen Strudel gerate. Lange Zeit habe ich mich auch dagegen gesträubt, habe die Augen verschlossen, dachte, das kriegt man in den "Griff". Ich habe gar nichts im Griff, ich kann nur Loslassen und mich auf mich selbst konzentrieren, auch wenn das verdammt weh tut.

    Ich wünsche Dir hier einen frohen Austausch. Ich schreibe hier nicht ganz so viel, aber lese regelmäßig die Beiträge und konnte schon sehr viel für mich rausziehen.

    Lieben Gruß
    Seerose

  • Hallo JUF,

    schön, dass du hier bist!! Ich bin auch erst seit ein paar Tagen hier und bin wirklich sehr sehr glücklich diese Gemeinschaft gefunden zu haben. Ich bin mir sicher, dass du hier den Halt bekommst, den du dir wünscht/ erhoffst.

    Das ist eine wirklich traurige Geschichte und wenn du eines sein darfst, dann ist es deiner Trauer auch Raum zu geben. Ich glaube das ist ganz ganz wichtig. Gott, mir kommen gerade die Tränen, weil mich das so berührt. Diese Trauer drängt sich mir Tag für Tag auch mehr auf und ich habe Angst vor ihr. Ich habe Angst vor ihr, weil ich fürchte, dass durch sie das Mitleid wächst und das darf nicht sein. Wir sind ja für den anderen nicht verantwortlich... Du hast wirklich mehr als genug getan und selbst so gelitten. Durchlebe die Trauer, aber nur mit einem Blick auf dich selbst.

    Ich wünsche dir ganz viel Kraft für den Weg, der noch vor dir liegt!! :!:

    LG Syrinx

  • Danke für eure Antworten. Ja die Trauer ist schon ganz schön groß....
    Irgendwie hatte man ja ein gemeinsames Leben geplant, Haus, Kinder usw....

    Und jetzt stehe ich vor den Scherben. Und vor einem Menschen, der mir immer noch viel bedeutet, der aber nicht mehr der Mensch ist, mit dem ich leben möchte. Das ist grad sehr hart.

    Wir haben gestern darüber gesprochen und ich habe ihm sehr deutlich gesagt, dass ich keine Liebe mehr für ihn übrig habe und es das Leben zu zweit, das wir geplant hatten nicht mehr geben wird. War ein schweres Gespräch mit tausend Beteuerungen und Bitten und Tränen auf beiden Seiten.....

    Aber ich war mir so klar, dass ich für mich das Richtige tue. Und es ist eine schwere Last von meinen Schultern gefallen, als ich das gespürt habe. Vielleicht waren diese langen Monate in denen ich ihm nochmal alle Chancen gegeben habe zumindest gut insofern, als ich darüber innerlich Abstand gewonnen habe und mir tatsächlich auch die Zeit gegeben habe, die ich brauchte um mich von der Beziehung zu lösen.

    Irgendwie verstehen das meine Freunde und Familie nicht so richtig, dass ich mich ja nicht nur von einem Alkoholiker trenne, sondern auch von einer Beziehung (mag sie auch noch so ungesund gewesen sein)....von Träumen und Hoffnungen...und irgendwie auch von einer Zukunft, die es so nicht mehr geben wird.

    Ich hoffe für ihn, dass das alles wenigstens für ihn etwas bewirkt und er vielleicht für sich selbst daraus etwas zieht. Für mich selbst hoffe ich nun, dass wir es schaffen einigermaßen zivilisiert zu regeln, was mit dem Haus passiert. Ich hasse Kämpfe mit Menschen, die mir etwas bedeuten.

    Vielleicht ist das das große Problem, dass ich mich scheue viel früher mit Menschen, die mir etwas bedeuten Klartext zu reden - und meine Bedenken und Bedürfnisse klar auszudrücken.

    So hart das war und ist, ich habe daraus eine Menge über mich gelernt.

  • Ich werde jetzt nachdem ich verkündet habe, dass ich nicht keine Zukunft mehr mit ihm will, regelmäßig mit der Phase "Ich liebe dich doch so sehr, ich tue alles für dich, ich höre doch auch auf zu trinken, nur verlass mich nicht" und mit der Phase "ich habe kein Problem, aber wenn du eins hast, dann musst du halt schauen wie du damit klar kommst" konfrontiert.

    Zum Teil wechselt das wirklich innerhalb kurzer Zeit hin und her....warum ist mir das früher nicht aufgefallen?

    Ich bin so froh, dass ich egal was er sagt weiß, dass ich ihn nicht mehr liebe. Dass unsere Beziehung vorbei ist. Und dass das auch so ist, wenn er tatsächlich aufhören sollte zu trinken. Diese Beziehung hat mich so verändert und zu jemandem werden lassen, der ich nicht sein will, dass ich dahin nie wieder zurück will.

    Es ist einfach vorbei und das fühlt sich gut an. Das fühlt sich wieder an wie ICH - wenn das einen Sinn macht :D .

    Trotzdem ärgert es mich, dass die finanziellen Verstrickungen mich so festhalten....aber ich möchte einen wirklichen Neuanfang machen können, dazu gehört für mich auch dass ich nicht mehr in einem Kredit drinhänge.

    Mist, aber es gibt für alles eine Lösung - wenn man will.

  • Willkommen im Forum!

    Ja, wenn man will findet man Lösungen. Und du willst.

    Dass du trauerst um das was hätte sein können, finde ich ganz normal. Ausser Geld hast du ja auch Gefühl investiert, hattest Hoffnungen und Träume.


    Schön dass du hier bist!

    LG Clärchen

  • Danke Clärchen.

    Ja ich nehme mir auch das Recht heraus zu trauern. Das habe ich am Ende von normalen Beziehungen auch machen müssen.
    Nur so kann man das ja abschließen.

    Was mich in den letzten Tagen doch sehr beschäftigt hat ist die Frage warum ich mich in diese Beziehung überhaupt soweit habe hineinziehen lassen.

    Ich habe viel hier im Forum gelesen, auch in alten Beiträgen gestöbert und komme immer mehr an den Punkt, dass ich mich im Stillen mal fragen muss, was sich an meiner eigenen Einstellung zu einer Beziehung so geändert hat, dass ich in dieser Beziehung (und das auch schon bevor der Alkohol sich so in den Vordergrund gedrängt hat) so gar nicht mehr auf meine Grenzen geachtet habe.
    Ich habe viele Dinge, die mir wichtig waren, viele Einstellungen, die mich ausmachen und viele Kontakte, die mir gut getan haben einfach aufgegeben "für die Beziehung".

    Das ist nicht gesund und das ist vielleicht die Lektion, die ich dadurch lernen sollte....wer weiß.

    Bin im Moment sehr nachdenklich. Aber gut nachdenklich :)

  • Zitat von JUF2015

    Bin im Moment sehr nachdenklich. Aber gut nachdenklich :)

    Das ist sehr gut, das bin ich auch. Ruhig und nachdenklich. Nach so einer Erfahrung gibt es vieles, das man aufarbeiten muss. Bei mir auch vieles aus den Monaten wo ich noch gar nichts von seinem Alkoholproblem wusste. Plötzlich tauchen Erinnerungen auf, die mir wieder und wieder vor Augen führen wie oft ich die Augen verschlossen habe.

    Manchmal in ruhigen Moment, wenn die Gedanken fließen, ertappe ich mich immer noch dabei, dass ich denke "Vielleicht wird alles gut, er wacht endlich auf und wir können einen Neustart probieren, denn so eine perfekte/n Beziehung/ Partner werde ich nie wieder haben/finden!". Und dann schlägt es wie ein Blitz ein und ich werde mir über meine Gedanken bewusst. Wie kann ich nur so etwas denken, bei all dem was er mir angetan hat!! Was für ein Partner/ was für eine Beziehung war denn das? Und ich habe solche Gedanken, das ist einfach unglaublich.
    Es braucht sicherlich viel Zeit, bis man distanziert genug ist, um das eigene (kranke) Verhalten zu analysieren. Nasse Alkoholiker haben wohl wirklich ein gutes Händchen für Manipulation... :roll:

    An die Leerstelle des Partners und des Alkohols kann nun Neues treten... und das wird gut!! :wink:

  • Zitat

    Nasse Alkoholiker haben wohl wirklich ein gutes Händchen für Manipulation...

    ...ich befürchte ich habe auch ein gutes Händchen für Selbstmanipulation :?

    Aber wie war das: Der erste Schritt ist immer die Erkenntnis.

    :D

    Liebe Grüße und Unterstützung beim Nachdenken

  • So, kurze Bestandsaufnahme.

    - Beziehung für mich gesehen innerlich und äußerlich vorbei.
    - Trennung aber aktuell nur durch Abgrenzung und im Haus durch räumliche Trennung möglich - das wenigstens ist echt schön und "mein" Bereich fühlt sich sehr nach mir an.
    - Lösung fürs gemeinsame Haus wegen Alkohol-Uneinsichtigkeit nicht in Sicht.
    - Heimkommen macht keinen Spaß - ich merke, dass er mich ärgern will wo er kann.

    Und nun? Jetzt merke ich erst wie sehr ich mich anstrengen muss egoistisch zu denken.
    Die wenigen rechtlichen Wege, die mir offen stehen auch tatsächlich mal durchzudenken.
    Mir selbst erlauben vielleicht auch Wege zu gehen, die andere (???) unter Umständen als unfair oder unangemessen ansehen werden.

    Gefällt es mir so zu denken? Nein.
    Warum denke ich immer noch, dass ich ihm gegenüber fair bleiben muss?
    Er ist mir gegenüber schon so lange nicht mehr fair gewesen.

    Aber will ich tatsächlich auch so werden?
    Schafft man das, sich in diesem ganzen Schlamassel so was wie Fairness und Gerechtigkeit zu bewahren?

    Ich finds grad ganz schwer. Denn eigentlich will ich einfach nur noch weg von allem. Aber um jeden Preis?

  • Zitat von Syrinx

    Diese Trauer drängt sich mir Tag für Tag auch mehr auf und ich habe Angst vor ihr. Ich habe Angst vor ihr, weil ich fürchte, dass durch sie das Mitleid wächst und das darf nicht sein.

    Daran musste ich gestern denken. Und das halte ich mir gerade auch wieder vor Augen. Er hatte gestern Geburtstag und hat schon seit Tagen mehr oder weniger unkoordiniert vorbereitet.
    Und dann kamen gestern genau 4 Gäste und sonst niemand.

    Ich wäre auch nicht gekommen und habe mich auch nur kurz dazugesetzt und bin dann in meinen Bereich verschwunden, aber trotzdem war es hart das mitanzusehen.
    Und ich merke, wie mich das traurig macht.
    Und wie das Mitleid sich seinen Weg sucht.

    Und es ist so schwer die Distanz zu bewahren und mich rauszuhalten.
    Obwohl ich weiß, dass es mich nichts angeht und ich auch gar nichts machen kann.

    Im Moment fühle ich mich gar nicht stark, ganz im Gegenteil....

  • Das klingt wirklich sehr traurig und ich kann dich gut verstehen. :( Unter einem Dach zu wohnen stelle ich mir sehr belastend vor! Immer wieder damit konfrontiert zu werden... Ist denn schon eine Lösung für das Haus in Sicht?

    Ich fühle mich im Moment auch gar nicht stark, sondern schwach und verwundbar. Ich habe seit ca. 1 Woche mit ihm gar keinen Kontakt mehr, was gut ist. Aber auch diese Funkstille hilft mir nicht dabei die Gedanken abzustellen. Wahrscheinlich müssen sie da sein, um alles verarbeiten zu können, aber es fühlt sich wie eine nicht heilende Wunde an (momentan noch). Wahrscheinlich wird es bei dir ähnlich sein. Immer wenn mich die Empfindungen überrollen, schreibe ich Tagebuch und ich bin unheimlich glücklich, dass ich das tue. Ich kann dadurch viel kompensieren und (wahrscheinlich ähnlich einer Therapie) auch reflektieren. Was dabei manchmal zu Tage kommt, hilft mir zwar nicht (weil es ältere Wunden wieder zum Vorschein bringt), aber mir werden einige Zusammenhänge klar.
    Es sind wohl nur kleine Schritte, die wir gehen können, aber wir tun es und das ist gut!

    MitLeid... wir leiden mit... und das haben wir doch eigentlich schon viel zu lange getan. Es ist ein aufzerrendes Gefühl und - vor allem in unserem Fall - völlig aussichtslos. Das Groteske ist ja auch, dass er wahrscheinlich in seinem Suff noch nicht mal leidet. Ich habe einen guten Freund, der psychisch krank ist und das chronisch. Wir tauschen uns sehr viel aus und er ist auch jemand, der ständig am Abgrund steht. Seine Denkmuster und -strukturen sind extrem "verformt", ähnlich stelle ich mir das auch bei einem Alkoholiker vor. Es gibt da kein Rankommen, kein Aufbrechen von außen. Wie du ja selbst schreibst.

    Ich bin überzeugt, dass du aus diesem "Tal" wieder herauskommst und letztendlich gestärkt daraus hervorgehen wirst. :)

    LG Syrinx

  • Hallo Syrinx,
    dankeschön für deine Worte. Leider brauche ich gar keine Lösung für das Haus (das ist mir im Zweifel egal) sondern für den Kreditvertrag. Und ein gemeinsamer Kreditvertrag ist schwieriger zu lösen, als eine Ehe…mehr Einzelheiten würden hier zu weit führen. Wenn das geklärt ist, dann werde ich einfach ausziehen und nicht mehr zurück schauen. Wenn er dann dort bleiben will ist das für mich vollkommen in Ordnung.

    Was du über Mitleid schreibst hat mich die letzten Tage beschäftigt. Ich merke, dass es genau dieses mitLeiden ist, was ich nicht mehr will aber nur ganz schwer abstellen kann. Ich finde es aber vor allem schwer für mich selbst die Grenze zwischen angemessenem und gutem Mitgefühl und vielleicht auch Mitleid und einem ungesunden mitLeiden zu erkennen. Ich weiß nicht wie ich das besser ausdrücken soll, aber ich habe festgestellt, dass es bestimmte Knöpfe bei mir gibt, die manche Menschen bewusst oder vielleicht auch unbewusst drücken und dann bin ich sofort dabei und mache und tue und gebe mein Bestes – egal ob das mit meinen eigenen Bedürfnissen und Kräften vereinbar ist oder nicht.

    Das ist in privaten Beziehungen und Freundschaften genauso wie bei der Arbeit, man kann mich sehr gut zu vollem Einsatz „hin-manipulieren“. Und es fällt mir sehr schwer, das abzustellen, obwohl mir das bewusst ist. Und irgendwie macht das auch meine Persönlichkeit aus und ist so sehr auch ein Teil von mir geworden, dass ich mir eben die Frage stelle, ob ich es schaffe zu merken an welchen Stellen dieses Verhalten ungesund wird.

    Und ich hoffe, dass nicht noch mehr Tal kommt, sondern dass mal langsam der Aufstieg beginnt. Gelernt habe ich aus dieser Sache auf jeden Fall einiges – so viel ist sicher.

    Dir weiter viel Kraft, Gedanken kann man nur langsam und allmählich abstellen. Ich glaube da muss man sich umgewöhnen. Und das fällt mir auch schwer, an manchen Tagen mehr und an anderen Tagen weniger. Aber Tagebuch führen hilft dabei sicher. Ich habe dabei immer gemerkt, wenn ich gedanklich auf der Stelle geschrieben habe. Wenn sich meine Einträge nicht wirklich weiterentwickelt haben, dann konnte ich mir selbst immer ganz gut in den Hintern treten um einen Schritt weiter zu kommen. Letztlich hat das Forum ja eine ähnliche Funktion, manchmal mit mehr Austausch, manchmal aber auch als eine Art öffentliches Tagebuch. Ich lenke mich im Moment von den ungebetenen Gedanken ab, indem ich viel mit Freunden unternehme oder lese. Das funktioniert eigentlich ganz gut.

    Ich drücke dir weiterhin die Daumen und schaue immer wieder mal bei dir vorbei :)

  • Ich habe in der letzten Zeit wenig geschrieben und gelesen, weil ich - erfreulicherweise - so mit Leben beschäftigt war :D .

    Ich habe ganz viel wieder-entdeckt und wieder-gefunden, dass ich mir vorkomme wie neu bei mir angekommen.
    Irgendwie habe ich so richtig meine Richtung im leben verloren gehabt und habe mich auf eine ganz anderen Kurs pusten lassen.
    Jetzt wo ich wieder auf mich gehört habe, merke ich wie viel wohler ich mich fühle, wenn ich wieder mein Leben lebe.

    Das macht mich traurig, weil es zeigt, wie viel ich mir habe nehmen lassen.
    Und froh, weil ich es mir zurück hole. Und etwas hinter mir lasse, was nie mein Leben war.
    Das macht vor allem innerlich frei und beschwingt.

    Ansonsten bin ich im Moment damit beschäftigt an mir und meinem Verhalten zu arbeiten.
    Ich möchte gerne auch weiterhin mitfühlend und gerne-helfend bleiben ohne mich dabei aufzugeben.
    Aber ich möchte diesen herzlichen, aufgeschlossenen und auch hilfsbereiten Teil in mir nicht verlieren, weil ich ihn an mir mag.
    Lieber möchte ich erkennen, wann ich mir damit selbst schade und dann in diesen Situationen die Reißleine ziehen.
    Das ist schwer, aber ich finde es ist die Mühe wert.

    Und es fühlt sich für mich richtig an.

    Ich habe noch einiges an bürokratischen Hürden vor mir, aber nachdem ich die innerlichen Hürden überwunden habe und den gefühlsmäßigen Ballast abgeworfen habe, bin ich optimistisch.
    Das wird sich alles klären lassen - wie auch immer.

    Ich habe mein Leben zurück. Endlich.

  • Hey, das klingt toll!! Ich freue mich sehr für dich! :) Solche Sätze gehen auch wieder Mut, wenn man selbst einen kleinen Durchhänger hat. Schön!

    Zitat von JUF2015

    Ansonsten bin ich im Moment damit beschäftigt an mir und meinem Verhalten zu arbeiten.
    Ich möchte gerne auch weiterhin mitfühlend und gerne-helfend bleiben ohne mich dabei aufzugeben.
    Aber ich möchte diesen herzlichen, aufgeschlossenen und auch hilfsbereiten Teil in mir nicht verlieren, weil ich ihn an mir mag.
    Lieber möchte ich erkennen, wann ich mir damit selbst schade und dann in diesen Situationen die Reißleine ziehen.
    Das ist schwer, aber ich finde es ist die Mühe wert.

    Und es fühlt sich für mich richtig an.

    Diesen Entschluss habe ich für mich auch getroffen. Ich bin auch so, mitfühlend und ich helfe auch gern anderen Menschen. Warum sollte ich diese - für mich positiven Seiten - völlig wegschließen? Ich glaube auch, dass es einen Weg gibt vernünftig damit umzugehen und aus dem Vergangenen zu lernen. Man muss nur mit sich achtsam umgehen und das kann man lernen. Gedanken beobachten und korrigieren.

    Ich drücke dir ganz fest die Daumen für die nächsten Hürden... aber das machst du schon!!

    LG Syrinx

  • So. Ich bin soweit und habe mit der Wohnungssuche angefangen. Hat lange gedauert, aber jetzt konnte ich diese Entscheidung mit gutem Gefühl treffen.
    Ich habe festgestellt, dass ich - völlig unabhängig davon, ob die Situation mit dem Haus geklärt ist bzw. kurzfristig geklärt werden kann - nicht mehr länger so weitermachen will.

    Ich habe mein Leben abgenabelt und das geht einfach nicht mehr in einem Haus.
    Das war ein großer Schritt und ich rechne auch nochmal mit Turbulenzen, wenn der Auszug dann ansteht.
    Denn wirklich angekommen ist die neue Realität offensichtlich bei ihm nicht.

    Aber ich bin schon mitten in der Planung für MEIN Leben und freue mich so drauf, dass mich die Vorfreude trägt.

    Es wäre schön gewesen, ich hätte das alles schon vor einem Jahr gekonnt, aber alles hat eben seinen Zeitpunkt.
    Und nun ist mein Zeitpunkt da. Und ich freu mich :D.

    Ich möchte deshalb nochmal allen, die noch an den Stationen vorher sind und zweifeln oder verzweifeln oder nicht wissen wie und wohin es weitergeht Mut machen! Denn es kostet Mut. Und Kraft. Und leider auch etwas Lebenszeit. Aber das eigene Leben zurück zu haben ist das alles wert.

    Und - wie ich heute schmunzelnd auf einer Karte gelesen habe - das Leben geht weiter , auch wenn es humpelt :lol:

  • ...das Leben geht weiter , auch wenn es humpelt ...

    Das ist wirklich gut!! :lol:

    Schön zu lesen, dass du den Schritt wagst, ich kann mir sehr gut vorstellen das es bis dahin ein sehr langer Weg war. Umso schöner, dass es nun soweit ist und du mit Volldampf ins neue Leben startest. :!: Ich drücke dir alle Daumen, dass es bald aufhört zu humpeln. :wink:

    LG Syrinx

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