Ich möchte mich kurz vorstellen oder es jedenfalls versuchen, es knapp zu halten
Mein Freund ist Alkoholiker. Er hatte nach über zehn Jahren Abstinenz vorigen Herbst einen Rückfall, aus dem er nicht mehr herauskommt. Er ist völlig am Boden. Bei ihm ist aber sehr unklassisch - oder vielleicht ist es ja auch typisch und ich bin einfach nur nicht erfahren genug - dass er in trockenen Phasen, dessen Länge variieren, depressiv und unglücklich ist. Wenn er trinkt, und dann meine ich nicht die völligen Abstürze, sondern das Pegeltrinken, ist er glücklich. Seine Depressionen sind wie weggeblasen. Er meint, er hätte sonst keinen Grund und Druck das Trinken zu lassen, weil er trocken eher rastlos, getrieben und depressiv ist. Professionell helfen zu lassen, wehrt er sich vehement. Ich sehe quasi zu, wie er sich körperlich zugrunde richtet und sein Leben an die Wand fährt. Ich leide wie verrückt, bin zerrissen und hilflos, weiß nicht, wie ich damit umgehen kann und soll. Ich habe ihn übrigens in seiner langen trockenen Zeit, also trocken kennengelernt. Der Rückfall war schleichend und ich habe lange Zeit nicht begriffen, wie es um ihn steht, habe tatsächlich naiverweise gedacht, er hätte alles im Griff. (Wir leben nicht zusammen). Wenn er trinkt, ist er entweder aggressiv (in Worten) oder euphorisch und teilweise extrem liebevoll und emotional (Liebeserklärungen, die ich vorher nie bekam) , wie er nie vorher trocken war und ist. Das irritiert mich und zerreißt mich noch mehr. Ich kann doch nicht plötzlich genießen, dass er sich mir öffnet und liebevoller ist, da es ja im „Suff“ ist. Er selbst sieht sein Problem, weiß genau, was da passiert und sagt aber selbst, er hätte keinen Druck aufzuhören, da es ihm betrunken besser gehe, als nüchtern.