Guten Abend, ich habe zwar selbst kein Alkoholproblem, dennoch bin ich sehr froh, dass ich dieses Forum gefunden habe und wenigstens nicht mehr ganz so alleine bin, denn mich macht die ganze Situation total fertig und es bricht mir das Herz, dass ich nichts tun kann.
Ihr könnt mich OuttaSpace nennen, ich bin 28 Jahre alt, lebe in Deutschland und möchte mich gerne kurz vorstellen und meine Leidensgeschichte erzählen. Ganz von vorn.
Alles begann mit meiner Mutter, sie verliebte sich damals als Teenager in einen Jungen, der so ein bisschen wie James Dean aussah, erzählte sie immer.
Die beiden heirateten, er musste seinen Wehrdienst ableisten und als er zurückkehrte, war er Alkoholiker, meine Mutter musste ihm immer Geld schicken weil seines von hinten bis vorne nicht reichte und er versoff alles.
Es folgten später noch zwei Kinder und jede Menge häusliche Gewalt bis er 9 Monate vor Geburt des zweiten Kindes an, seinen zwielichtigen Kumpel besuchte, mit ihm trank und dann ein sehr dummes und gefährliches Spiel spielte, dass ihn im Alter von 29 Jahren das Leben kosten sollte.
Meine Mutter trank ebenfalls jahrelang, pöbelte betrunken Männer an, die sie flüchtig oder gut kannte und wurde dann immer geschlagen.
Als sie meinen Vater kennenlernte, behandelte sie ihn mies und warf betrunken Gläser nach ihm.
Als sie dann mit mir schwanger wurde, hörte sie mit dem Trinken auf und fing nie wieder an. Der jahrelange Alkoholkonsum hatte dennoch Folgen und sie erkrankte an Krebs, der sie letztendlich das Leben kostete.
K1 trinkt nur sehr selten Alkohol, seit sie einen Unfall unter Alkoholeinfluss gebaut hatte, K2 um den es hier gehen wird, wurde Alkoholiker und ich, K3, trinke eigentlich fast gar nicht.
Mein Bruder trank schon als 16-Jähriger abends täglich eine Menge an Bieren, die über das „Feierabendbier“ hinausgingen und ging dann am nächsten Tag so zur Arbeit.
Mit 18-25 war er Teil einer Partyclique, die nicht nur gerne viel trank sondern auch mit allerlei Drogen herumexperimentierte, mein Bruder landete auch schon einmal mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus.
Drogen nimmt er keine mehr, aber der Konsum von alkoholischen Getränken veränderte sich immer mehr.
Erst waren es unter der Woche wie gesagt täglich einige Biere und ca. 3 Partys in der Woche, dann hörte er auf Bier zu trinken und es musste jeden Tag eine Flasche Wein sein, mittlerweile reicht die Flasche Wein nicht mehr und es kommen mehrere grosse Gläser Ramazotti hinzu. Als er noch einen Job hatte, trank er 5 Tage die Woche zuletzt nichts und an zwei Tagen dann viel, wenn er Urlaub hatte trank er jeden Tag diese Mengen!
Mein Bruder definiert wirklich alles übers Feiern gehen, Freunde, Beziehungen… Alle seine Partner hatten immer ein Alkoholproblem.
Kaum dass er Geld hat, wird ein sehr grosser Teil davon in Wein und Ramazotti investiert, mein Bruder wird auch immer geiziger um mehr Geld für Alkohol zu haben.
Wenn er will oder muss, kann er nichts trinken, aber er gibt zu, dass er dann darüber nachdenkt, wie gern er etwas hätte.
Sein letzter Freund ist vor fast einem Jahr gestorben, er ist umgezogen, sah seine alten Freunde und Kollegen nicht mehr und seinen neuen Job hasste er, seit kurzem ist er arbeitslos weil er gekündigt hatte und trinkt jeden Tag.
Spricht man ihn darauf an, sagt er „Ja, das ist jetzt mal am Anfang so, weil ich lange nichts hatte.“ oder er rastet aus. Fakt ist: „Lange“ ist für ihn in diesem Fall 1-2 Wochen. Überhaupt verändert er sich menschlich immer mehr zum negativen.
Als ich ihn nach langer Zeit wieder sah, war er noch einfühlsam und sehr für einen da (oder hat es vorgespielt) und jetzt unterbricht er einen ständig, benimmt sich wie ein Prolet und sagt oft Dinge, die sein verstorbener Ex-Freund gesagt hätte, die einfach nur unmöglich sind zB wenn jemand weint, tröstet er einen nicht sondern behauptet, man wäre quengelig und soll aufhören.
Früher fragte mein Bruder wenn man nicht mit ihm sprach, weil man sich beispielsweise gestritten hatte ob man sauer sei und dies in einem Ton, der heraushören liess, dass er sich bewusst war und es ihm leid tat etwas gesagt zu haben, dass andere verletzt, jetzt meint er nur dass die Person „pampig“ wäre.
Ich merke auch so etwas wie Neid auf mich, weil ich mein Leben eher im Griff habe, denn er sagt dann: „Warum sollst du diese Sache haben? Ich habe sie doch auch nicht!“.
Dabei spielt es übrigens keine Rolle ob er etwas getrunken hat oder mal nüchtern ist. Ich merke auch dass sich meine Gefühle die ich für meinen Bruder empfinde, verändern. Früher hing ich schon als kleines Kind bedingungslos total an ihm und hatte ihn einfach nur lieb, heute schwanken meine Gefühle zwischen „Ich will meinen Bruder nicht verlieren“, Verachtung weil er sein Leben egal ob mit oder ohne Alkohol nicht auf die Reihe bekommt,
(würde am liebsten den ganzen Tag schlafen und von morgens bis vormittags trinken und gibt dann zB mir die Schuld, dass er so spät mit dem Trinken anfangen könne, weil ich noch lange auf war) Verachtung, weil es mich anwidert, wie die ganze Wohnung nach billigem Alkohol und dem nur allzu bekannten Geruch nach den Ausdünstungen desselben riecht und Hass weil er sich menschlich immer weiter ins negative verändert und sich nur noch um sich zu drehen scheint.
Ihr fragt euch jetzt sicher: „Warum ziehst du dann nicht aus?“, „Warum schmeisst du ihn dann nicht raus?“. Tja, leider ist das alles andere als einfach, denn ich habe körperliche Einschränkungen, mit denen ich zwar zum Grossteil alleine leben kann, ich aber jemanden brauche der mir bei den Dingen hilft, die für mich körperlich zu viel wären. Das macht mein Bruder für mich und deshalb wohnen wir zusammen.
Das ist die beste Lösung um so selbstständig und selbstbestimmt wie möglich leben zu können, Freunde oder noch lebende Verwandte habe ich nicht und leider momentan auch keine Beziehung sodass ich mit der Person zusammenleben könnte und weg aus der Situation könnte.
Sämtliche Möglichkeiten die es für Menschen wie mich gibt, habe ich schon durch, so habe ich sogar schon mal bei einer Gastfamilie gelebt aber das war die Hölle auf Erden und man riet mir auch, dass ich in meiner eigenen Wohnung leben und mir von den Nächsten bei den paar Alltäglichkeiten helfen lassen solle.
Das klappt ja auch nach wie vor, denn immerhin geht mir mein Bruder nach wie vor unverändert zur Hand und erledigt die Aufgaben des Alltags bei denen ich seine Hilfe brauche, da er nicht so im Vollrausch ist, dass er das nicht könne, aber ich mache mir dennoch Sorgen um ihn, weil er seinen Konsum bzw. dessen Häufigkeit nicht mehr im Griff hat, sofern er nicht arbeiten muss oder sonstige Termine hat.
Reden bringt diesbezüglich nichts und es macht mich wahnsinnig. Wenn er wieder Arbeit findet, wird er die meiste Zeit des Jahres „nur“ zweimal in der Woche etwas trinken, da er seit letztem Jahr sehr grossen Wert darauf legt, bei Terminen und an Arbeitstagen nüchtern zu sein, aber ich mache mir Gedanken dass er in der übrigen Zeit immer mehr trinkt und bald auch körperliche Entzugserscheinungen hat und letztlich am Alkohol zu Grunde geht.
Habt ihr Rat für mich, was ich tun kann, damit es mir besser geht? Ab wann ist jemand eigentlich Alkoholiker und wann ist es nur riskanter Konsum?
Stimmt es, dass Alkoholiker nur alleine aufhören können zu trinken? Und hat das jemand hier geschafft?
Ich weiss, dass mein Bruder manchmal auch für eine Überraschung gut ist, beispielsweise hat er es in der Vergangenheit erfolgreich geschafft nicht mehr zu kiffen und obwohl er extremer Raucher war, hat er damit vor sieben Jahren aufgehört.