Merle - noch etwas zögerlich…

  • Trinkt er auch zu Hause, also habt Ihr Alkohol zu Hause? Hast Du mit Deinem Mann über Deine Alkoholsucht gesprochen?
    Das alkoholfreie Zuhause ist (meiner Meinung nach) der wichtigste Grundbaustein. Es geht ja unter anderem darum, die Risiken für einen Rückfall zu minimieren.

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Habe gerade gesehen, dass Du schon zu meinen Fragen geschrieben hattest, den Beitrag hatte ich übersehen.

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Bier (hab ich nie getrunken)und es gibt Wein und Sekt und so.

    Ich habe das billigste Bier vom Discounter getrunken. Es kam aber auch vor, dass ich - wenn er mal da war - auch teuren Whisky getrunken habe. Nachts im dunklen Gang mal schnell einen Schluck aus der Pulle. 60 € die Flasche. Aber auf einmal hing sie mir am Mund.

    Was ich damit sagen möchte ist, dass es recht unerheblich ist, ob Du das vorher getrunken hast, oder nicht. Wenn Suchtdruck aufkommt, wird so ziemlich alles getrunken. Und selbst wenn nicht, weißt Du die ganze Zeit, dass er da ist. Das kann schon ein ständiger Kampf sein.

    Das mit dem Outen, vor Deiner Familie, kann ich gut nachvollziehen. Es ist immer ein Thema hier und jeder macht das anders. Bei mir weiß es einfach jeder. Mir bietet keiner etwas an. Und wenn, hätte ich das Recht, mich aufzuregen. Und ich gehe zu keiner Veranstaltung, bei der Alkohol im Vordergrund steht. Auch nicht familiär. Sie wissen ja, dass das nichts mit ihnen zu tun hat.

    Wissen sie es nicht, wird es immer wieder sein, dass Du gefragt wirst und, dass manches persönlich genommen wird. Selbst meine Kollegen wissen jetzt, wieso ich nicht mit ihnen feiern gehen würde.

    Es ist aber sicher nicht bei jedem und überall möglich, das so zu klären. Ich habe da viel Glück.

    Wenn Du sie z. B. nicht oft siehst, passt das vielleicht auch so.

    Es ist für mich ja auch eine Sicherheit, dass es bekannt ist.

  • dass es recht unerheblich ist, ob Du das vorher getrunken hast, oder nicht. Wenn Suchtdruck aufkommt, wird so ziemlich alles getrunken

    Ja, das denke ich eigentlich auch.

    Ich scheue mich davor, meinen Mann zu nötigen, das Zeug zu entfernen. Aber eigentlich wäre es ein deutliches Eingestehen meiner Sucht, verbunden mit der Bitte nach Unterstützung. Ich glaube, ich war nie deutlich genug, weil ich es so wirklich richtig auch nicht wahr haben wollte.

  • Wissen sie es nicht, wird es immer wieder sein, dass Du gefragt wirst und, dass manches persönlich genommen wird

    Genau, es wird persönlich genommen und als Zurückweisung interpretiert.
    Aber es fällt mir schwer, gerade der Familie gegenüber. Ich habe so lange darum gekämpft von ihnen ernst genommen zu werden. Ein Alkohol-outing wäre (für sie) ein Ausdruck maximaler Schwäche und Willenlosigkeit. Denke ich.

    Gerade frage ich mich aber auch, ob das stimmt, dass sie das denken. Oder ob mir das egal sein kann.

  • Oder ob mir das egal sein kann.

    Was Dir nicht egal sein kann, ist alles was Dein abstinentes Leben gefährdet.

    Ich habe auch einige Zeit gebraucht mich durchzusetzen. Bis ich es mir richtig wert war.

    Aber es ist geschafft und vieles mehr. Erkenne Deinen Wert. Dein Recht auf ein gutes Leben. Dann ziehst Du es durch.

  • Auch wenn es wahnsinnig allgemein klingt, für mich hat dieser inflationäre Konsum von Alkohol was mit Stressbewältigung oder, anspruchsvoller formuliert: mit Emotionsregulation zu tun.
    EINE Reaktion auf alles: Angst, Anspannung, Trauer, Freude,Ärger, Wut etc.

    Ich habe es gestern gemerkt: ich habe eine sehr erfreuliche Nachricht ( beruflicher Kontext) erhalten. Es war Samstag, 16 Uhr.
    1. Gedanke:“oh, jetzt ein Glas Wein“. Als mir dann einfiel, dass ich ja nicht mehr trinke, bin ich erst mal ziellos hin u her gelaufen, weil ich einfach nicht wusste, wohin mit meiner Freude. Das Verlangen war da sehr stark. Bin dann zum Briefkasten gelaufen, da musste ich eh hin. Dann ging’s.

    Schwieriger ist: wenn ich nach einem Arbeitstag nach Hause komme: Gestresst, manchmal genervt, Kopf voll mit tausend Dingen die ich noch machen muss, will, sollte. Wie komme ich da zur Ruhe? Meine bisherige Strategie? Kennt ihr. Was macht ihr da? Wie reguliert ihr Euch?

  • Und ich gehe zu keiner Veranstaltung, bei der Alkohol im Vordergrund steht. Auch nicht familiär. Sie wissen ja, dass das nichts mit ihnen zu tun hat.

    Genau das. Die Ironie dabei: Ich war häufig derjenige, der Feiern oder Ausgehen organisiert hat, um zu trinken. Saufabende finden nun ohne mich statt. Ich treffe mich jetzt mit Freunden, um echte Aktivitäten zu haben: Spieleabende, Kino, Ausstellung, Atelier, Restaurant, Spaziergang, Gaming Night etc. Dabei fallen auch ein paar Leute weg. Das ist augenöffnend und voll ok.
    Was aber nun richtig cool ist: Wenn wir zB zur Feier eingeladen sind, ist klar: Ich fahre. Ich fahre aber auch relativ früh zurück, also bin ich nur eine Mitfahrgelegenheit bis XX Uhr. Nämlich dann, wenn es ab spät abends eigentlich nur noch ums Trinken geht. Nun gehöre ich zu jenen Leuten, die ich früher als spießige, blutleere Langweiler innerlich abgestempelt habe.
    Neulich bin ich allein nachts durch die Stadt gefahren nach einem Geburtstag und habe noch eine Extrarunde gedreht, weil es sich so unfassbar gut nach Freiheit angefühlt hat. Mit einem Milchshake in der Mittelkonsole nachts durch die Stadt, ohne Ziel. Übertrieben weird? Vielleicht, aber irgendwie auch richtig cool. Egal in welchen Situationen individuell dieses Gefühl kommt, dieses Bewusstsein echter Befreiung ist unschlagbar.
    Sorry, wenn sich das vllt. übertrieben euphorisch liest, aber bei mir sind es auch erst 17 Monate nach so vielen Jahren Suff. Ich betrachte mich immer noch als nüchterner Anfänger.

  • Schwieriger ist: wenn ich nach einem Arbeitstag nach Hause komme: Gestresst, manchmal genervt, Kopf voll mit tausend Dingen die ich noch machen muss, will, sollte. Wie komme ich da zur Ruhe? Meine bisherige Strategie? Kennt ihr. Was macht ihr da? Wie reguliert ihr Euch?

    Regulieren, genau. Was mir als Trinker damals nicht klar war, war, dass der Stress vom Trinken kam. Gerade beim Ausschleichen wurde ich extrem kratzbürstig, nervös, unzufrieden und genervt. Dh. ich habe immer wieder trinken müssen, um mich zu regulieren. Das ist die Abwärtsspirale. Und sie wurde immer schlimmer, weil mein Konsum sich über die Jahre natürlich gesteigert hat. Alkohol war bei mir Stressverursacher #1. Auch für Depressionen.
    Sport ist doch ein guter Anfang. Für mich ist es ein Muss, weils zur Gesundheit dazu gehört, aber ich mache es nicht wirklich gern. Deshalb, wie ich oben schrieb: Echte Aktivitäten, die skalieren. Gemeint ist: Dinge in denen man kontinuierlich besser wird, wenn man sie verfolgt. Da ist Sport top, wenn man es mag. Aber es gibt unzählige Aktivitäten. Was mir nur geholfen hat: Kleine Schritte. Langsam. Sie sind mächtiger und beständiger als der vermeintliche große Wurf.

  • Andere Rituale. Z. B. statt Kühlschrank auf und Pulle raus, einen Tee aufgesetzt. Da habe ich mich dann dran gewöhnt.

    Es dauert eine Weile. Dann verändert sich das Verhaltensrepertoire ganz von selbst.

  • Schwieriger ist: wenn ich nach einem Arbeitstag nach Hause komme: Gestresst, manchmal genervt, Kopf voll mit tausend Dingen die ich noch machen muss, will, sollte. Wie komme ich da zur Ruhe? Meine bisherige Strategie? Kennt ihr. Was macht ihr da? Wie reguliert ihr Euch?

    Mir hilft es, wenn ich mir einen heißen Kakao oder Cappuccino mache. Anderen hilft Sport, wie Rory schon geschrieben hat.

    Es dauert eine Weile, bis alte Gewohnheiten überschrieben sind, Merle.

    Ich scheue mich davor, meinen Mann zu nötigen, das Zeug zu entfernen. Aber eigentlich wäre es ein deutliches Eingestehen meiner Sucht, verbunden mit der Bitte nach Unterstützung. Ich glaube, ich war nie deutlich genug, weil ich es so wirklich richtig auch nicht wahr haben wollte.

    Für einen trockenen Alkoholiker ist ein alkoholfreier Haushalt wichtig!

    Und es ist wichtig, dass Dein Mann Bescheid weiß. Er ist der Mensch, der Dir am nächsten steht und zu dem Du am meisten Vertrauen haben solltest. Sprich mit ihm ehrlich, was mit Dir los ist, damit er Dich unterstützen kann.

    Mein Mann hat es am Anfang auch übertrieben gefunden, dass er alle seine Alkoholvorräte entsorgen sollte. Erst als ich ihm erklärt habe, dass es eine Gefahr für mich ist, dass ich im Falle eines Falles alles, wirklich alles an Alkohol trinken würde, hat er verstanden.

    Und weil er so froh ist, dass ich nicht mehr saufe, unterstützt er mich gern. Auch Deinem Mann wird nicht verborgen geblieben sein, wie sehr Du Dich verändert hast im Laufe der Zeit unter dem Alkoholeinfluss.

    Mein Mann hat allerdings nie viel getrunken, ein Glas oder selten mal 2 Gläser Wein und dann konnte er aufhören. Mittlerweile trinkt er selbst so gut wie keinen Alkohol mehr. Er sagte mir erst kürzlich, dass ihm der Alkohol überhaupt nicht mehr guttut.

    Sollte Dein Mann nicht einlenken wollen, könnte es sein, dass er selbst ein Alkoholproblem hat. Aber das wirst Du herausfinden und wirst dann überlegen müssen, wie Du damit umgehst.

    Gerade frage ich mich aber auch, ob das stimmt, dass sie das denken. Oder ob mir das egal sein kann.

    Es kann Dir völlig egal sein, was andere denken. Das tun sie sowieso!

    Du trinkst keinen Alkohol mehr und musst Dich niemanden erklären.

    Außer denen, die es wirklich etwas angeht. Nämlich Deinem Mann und Deinen Ärzten. Da ist absolute Offenheit überlebenswichtig.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Willkommen Marle, vorwiegend Zuhause zu trinken, damit das Problem in der Öffentlichkeit verheimlicht werden kann, scheint so ein Frauending zu sein.

    Auch ich war nach aussen völlig unauffällig. Selbst auf Partys konnte ich mich zurückhalten und bis 1 Uhr nachts nur wenig trinken. Zuhause angekommen habe ich mir selbst so spät noch die fehlende Menge schnell nachgeschüttet.

    Die junge Ärztin die mich auch nicht kannte, war völlig erstaunt als ich ihr mitteilte, dass ich wegen eines Alkoholproblems in der Praxis war. Sie meine nur, bei jemandem wie mir hätte sie es nie erwartet.

    Meinen Mann musst ich auch erst überzeugen, daß mein hoher Alkoholkonsum Zuhause bereits Alkoholismus ist. Er glaubte ich hätte es unter Kontrolle, da ich Tagsüber nicht trank und mein Leben gut im Griff hatte.

    Ich habe es ihm erklärt und er versteht es jetzt. Er kannte meine Mengen und so war es für ihn auch nachvollziebar. Ich bekomme jede denkbare Unterstützung von ihm. Kein Alkohol zuhause hat er natürlich eingesehen.

    Mein Mann, die Ärztin und das Forum hier wissen Bescheid.

    Als ich noch getrunken habe, sollte es keiner wissen und jetzt möchte ich es erst recht nicht.

    Die plötzlich vermeintlich freie Zeit war nur so quälend, weil das unterschwellige Verlangen nach Alkohol im Nacken saß.

    Ich denke du wirst bald auch merken, dass du die Abende entspannt angehst, sobald die Sucht Routine verblaßt.

    Ich bin seit erst seit 5 1/2 Monaten trocken und es geht es so viel besser. Es ist eine Befreiung. Halte durch, es lohnt sich.

  • Ich denke du wirst bald auch merken, dass du die Abende entspannt angehst, sobald die Sucht Routine verblaßt.

    Hallo Kopffuessler, vielen Dank für Deine ermunternden Worte. Ich hoffe das sehr und glaube es auch. Die Routine oder Gewohnheit verblasst gibt Raum für neue und (hoffentlich) gesündere Verhaltensweisen die dann zu Gewohnheiten werden können.

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