Aber er würde zum Arzt gehen und sich helfen lassen, um wieder gesund zu werden. Eigentlich lässt er dich im Stich!
Ja, kurioserweise trifft das den Nagel auf den Kopf. Kein Mensch würde zu Hause mit einem offenen Beinbruch sitzen, sich seinen rausstehenden Knochen angucken und sagen "Wieso soll ich zum Arzt gehen? Das heilt von allein!" und sich OBENDREIN noch wundern, wenn ihn jeder für bescheuert hält.
Hallo und guten Abend, Nachtschicht!
In den letzten Tagen hast Du Dir viel Gedanken gemacht. Viel über Dich geschrieben. Über die letzten 10 Jahre.
Was Dich stört... Du arbeitest wirklich viel auf in den letzten 3 Tagen. Dir wird bewusst, wie viel schiefläuft.
Wie viel Zeit verbringt Ihr noch als Paar gemeinsam? Fahrt Ihr gemeinsam in Urlaub? Ist da noch irgendetwas,
dass Euch verbindet?
Hierzu muss ich sagen, dass dieses Problem ja nicht erst seit gestern besteht. Er hat schon in unseren 20igern gern und häufig getrunken, ich übrigens auch, aber ich wurde dann älter und bin dem dann einfach ... ja entwachsen? Es ist, als wären wir irgendwann einfach unterschiedlich abgebogen. Mein Genörgel über seine immer häufigeren Abstürze wurden mehr, irgendwann fing ich an ihm zu sagen er ist suchtgefährdet, dann wurde mir klar, dass wir "gefährdet" schon lange überschritten haben. Das war etwa vor einem Jahr, seine Trinkerei nahm in der Pandemie nochmal an fahrt auf. Ich hab also schon einige Phasen der Erkenntnis hinter mir: Leugnen, Verzweiflung, ignorieren etc. Das sich hier alles so sinnflutartig entleert liegt vor allem daran, dass ich tatsächlich mit niemandem bisher über das alles gesprochen habe. Nicht aus Scham, eher aus Selbstschutz. Ich wollte nicht mit der Familie oder Freunden darüber reden, weil ich niemanden emotional Involvierten wollte, der mir in MEIN Leben reinquatscht. Es wäre einfach zu viel Lärm und ich könnte mich selbst nicht mehr hören. Als ich nach 15 Jahren angefangen habe mir das Rauchen abzugewöhnen habe ich auch niemandem davon erzählt, irgendwann nach einem Jahr hat mich jemand gefragt, ob ich nicht mehr rauche, da war aber alles schon über die Bühne gegangen. Jetzt ist es ähnlich. Ich weiß absolut wie mein Bruder reagiert, wenn ich ihm sage, dass mein Mann trinkt. Genauso wie Freunde. Es wäre viel Hysterie da, was ich verstehen kann und was mich froh macht, denn es zeigt, dass ich geliebt werde und man sich sorgen um mich macht, aber witzigerweise ist es bei der Beziehung genauso wie bei einem Suchtproblem: Wenn ich meinen Partner auf Druck von Außen verlasse, dann habe ich selbst dabei nichts gewonnen. Eigentlich befinde ich mich schon mittendrin im Prozess mich zu lösen, die Anmeldung hier im Forum ist nur ein weiterer Schritt. Denn der Redebedarf ist groß, nur will ich niemanden, der mich bemitleidet oder mir erzählt "Du weißt offensichtlich nicht, was das Beste für dich ist, wir machen das jetzt so und so". Es tut mir gut einfach mal alles runter zu schreiben, meine eigenen Beiträge zulesen und antworten zubekommen, die rational reflektiert sind. Oder andere Beiträge zu lesen, mir selbst an den Kopf zu fassen, nur um mir dann zu sagen "Jetzt komm mal von deinem hohen Roß runter, du bist selbst nicht besser, vielleicht ziehst du mal für dich selbst die passenden Schlüsse, ehe du dich gedanklich darüber auslässt, wie dumm doch andere sind."
Was ich zum Beispiel auch sehe: Mein Freund und ich - existieren schon länger nicht mehr als Paar. Er trinkt, seine Freizeitbeschäftigungen beinhalten diese Aktivität meistens, wenn sie sich nicht ausschließlich darum drehen. Ich habe mich da nach und nach mehr von zurück gezogen. Aktuell ist die einzige Sache, die wir noch verhältnismäßig oft zusammen machen Spaziergänge mit dem Hund. In der ersten Zeit wurde ich darüber beinahe schon depressiv, oder war es sogar. Wenn er weg war hockte ich zu Hause rum, fraß und wartete darauf, dass er heim kam. Im Dezember 2021 kam dann bei der Vorsorgeuntersuchung beim Frauenarzt raus, dass an meiner Gebärmutterschleimhaut was nicht in Ordnung ist. Man fand veränderte Zellen, ich musste operiert werden, das ganze wurde eingeschickt etc. Rückblickend wahrscheinlich das Beste, was mir passieren konnte. Es war nur eine Krebsvorstufe, aber ich wurde wieder wach. Guckte in den Spiegel und war...nicht begeistert. Ich habe meine Lebensweise eingenordet, Ernährung umgestellt, fing wieder an Sport zu machen. "Wen interessierts ob er sich im Garten die Birne zukippt, ich gehe jetzt laufen!" Aktuell bin ich 10 Kilo leichter und habe mich seit Februar von 100m joggen auf inzwischen 4km hochgearbeitet. Ohne ihn. Inzwischen ist da auch noch eine leise Stimme in meinem Hinterkopf, die gelegentlich feststellt, dass mein Tag um so vieles besser war, bevor er nach Hause kam. Alles in allem sehr klare Anzeichen, dass sich meine Beziehung im letzten Akt befindet. Sofern sich nicht grundlegend etwas ändert und ich den Mann wieder bekomme, in den ich mich einmal verliebt hatte. Denn DEN liebe ich nach wie vor und würde nicht wenig geben um ihn wieder zu bekommen. Vielleicht dauert diese ganze Sache auch nur so lange, weil man einen Toten betrauert ohne zu begreifen, dass er wirklich nie wieder kommt.
Hallo Nachtschicht,
das betrunken sein und Auto fahren ein no Go ist...
Nachtrag:
Zum Thema Alkohol am Steuer: Wenn er alkoholisiert Auto fährt, dann riskiert er nicht nur sein Leben,
sondern vor allem das von anderen Menschen.
Dieses Thema ist tatsächlich auch eines der wenigen, bei dem mir regelmäßig der Kragen platzt. Ich musste da aber leider sehr bitter erfahren, dass ich überhaupt keine Handhabe besitze um ihn daran zu hindern. Bin ich dabei fährt er nicht (mehr), sondern ich. Mir ist einmal untergekommen, dass er wirklich die Frechheit besaß betrunken zu sein, während ich auf dem Beifahrersitz war und das wird wohl auch das letzte Mal gewesen sein. Den Wutausbruch hat er so nicht kommen sehen und wahrscheinlich hat er ihn auch erschreckt. Wenn ich nicht dabei bin setzt er sich eben hinters Steuer und ich habe tatsächlich deswegen einmal bei der Polizei angerufen. Das Ergebniss war: Sie tun gar nichts. Sofern sie ihn nicht auf frischer Tat ertappen gibt es nur den Weg der Selbstanzeige, selbst wenn er auf die Wache zum pusten kommt und nicht wirklich so dämlich ist dort selbst im Auto hinzufahren stünde im Zweifel seine Aussage gegen meine. Also läuft es am Ende auf drei Szenarien hinaus: Er sieht es selbst ein. Er gerät in eine Kontrolle. Oder er baut einen Unfall. Ich kann der Polizei nicht einmal einen Vorwurf machen, aber wie gesagt, es ist super bitter.
Hallo
Nachtschicht,
ja!
Ansprechen.
Okay, werde ich. Ich denke zwar, ich weiß schon wie er reagiert, aber den Luxus sich selbst einen in die Tasche zu lügen möchte ich ihm ehrlich auch einfach nicht gönnen.
Puuh. Und damit kommt wieder ein ellenlanger Text zum Ende.
Eine Sache möchte ich aber gerne noch loswerden. Mir ist sehr bewusst, dass sich hier die allermeisten Geschichten sehr gleichen und wenn man länger im Forum ist ist es wahrscheinlich irgendwann auch nervig immer wieder das Gleiche zu lesen. Das ich nicht Antworten bekomme die lauten "Schau mal in diesen Themen, da steht schon was zu deinem Problem" weiß ich sehr zu schätzen. Generell auch, dass sich hier Leute wirklich die Mühe machen meine Romane durchzuarbeiten und sehr klare, sehr hilfreiche Meinungen dazu abgeben.
Euch allen noch einen schönen Tag