Rückzug vs. einzelne Meinung?

  • Ich verstehe die Aufregung hier und stelle folgendes einfach mal zur Diskussion, um etwas daraus zu lernen. Vielleicht mag ja der Eine oder Andere darauf eingehen.

    Da ist also jemand mal so eben einen Monat (oder zwei, drei Monate) alkoholfrei und möchte angeblich trocken werden, verkrümelt sich aber aus dem Forum, sobald der erste stramme Wind aus Westen kommt. Da gibt ein Alkoholiker also einem anderen Alkoholiker die Macht darüber, was er/sie tut und wo er/sie sich wohl fühlt? Zieht sich jeden Schuh bereitwillig an, der ihm/ihr hingestellt wird? Sieht sich (wieder) in der Opferrolle? Und findet auch noch jede Menge Unterstützung darin? Und zum Abschluss des Sich-Zurückziehens dann die bei Alkoholikern nicht unüblichen Selbstzweifel, ob man denn überhaupt „richtiger“ Alkoholiker sei.

    Ein recht nasses Denken und Handeln, welches ich von mir nur aus meiner nassen Zeit kenne.

    Wer sich in diesem Forum anmeldet, hat mit seiner Anmeldung bestätigt, dass er/sie ein Leben ohne Alkohol erlernen möchte. Dazu gehört die Bereitschaft, sich auf dieses Forum einzulassen. Wenn mein eigener Weg in der Vergangenheit so „richtig“ gewesen wäre, wenn ich alleine zufrieden trocken werden könnte, warum bin ich dann hier? Eben, ich bin hier, um jeden Tag auf’s Neue für mich was zu lernen.

    Seit ich nicht mehr trinke, weiß ich, dass nur ich für mein Handeln verantwortlich bin. Ich bin kein hilf- und wehrloses Opfer, sondern ich kann aktiv meine Rolle definieren. Ich kann für mich Hilfe nachsuchen. Ich erhalte die gewünschte Hilfe auch, ich muss sie aber dann auch zulassen, annehmen und umsetzen. Ich weiß (wie im "richtigen Leben"), dass nicht jeder Schuh, der hier rumsteht, mir auch passt. Also ziehe ich mir nur die Schuhe an, die mir passen. Die anderen lasse ich stehen für denjenigen, dem sie passen.

    Und weiter: warum soll ich für jemand anderes sprechen? Jedes Forumsmitglied hier ist erwachsen und in der Lage, für sich selbst zu sprechen. Ist es meine/unsere Aufgabe, für die Belange anderer auch noch Begründungen und Rechtfertigungen zu suchen? Ich habe für mich gelernt, sobald ich anfange, mich für andere zu rechtfertigen, ist etwas nicht stimmig und ich muss bei mir nachsehen, warum ich mich aufrege. Und wenn ich in meiner nassen Zeit jemand „in Schutz“ genommen habe, dann nur, um von meinen eigenen Unzulänglichkeiten/Defiziten abzulenken. Es war viel bequemer, mich auf Nebenkriegsschauplätzen als Samariter zu präsentieren, der ach so geschundenen Kreatur beizustehen, als mich mit meiner eigenen Trockenheitsarbeit auseinanderzusetzen.

    Thema Rückzug: ich bin in meiner nassen Zeit immer dann geflüchtet und habe mich zurückgezogen wenn ich gemerkt habe, dass ich an einem Punkt angelangt war, an dem ich mich hätte verändern müssen. Veränderung im Sinne von tatsächlich etwas gegen meinen Alkoholmissbrauch, gegen meine Alkoholabhängigkeit, gegen meine Sucht zu unternehmen. Ich weiß nur für mich, dass ich genau diese Flucht vor der Realität seit meiner Trockenheit nicht mehr möchte. Ich sehe seither lieber der unangenehmsten Wahrheit ins Auge und stelle mich der jeweiligen Situation, als mich durch Flucht vor mir selbst wieder in meine alten, verlogenen Suchtmuster zurück zu begeben. Ich finde lieber Wege um trocken zu bleiben, anstatt Gründe zu suchen, warum etwas nicht geht.

    Und schlussendlich: der Selbstzweifel, „bin ich’s“ oder „bin ich’s nicht“? So lange ich den noch hatte, wollte ich kein Alkoholiker sein und konnte mich nicht darauf einlassen, trocken zu werden. Ich machte Trinkpausen, aber keine Schritte in die Trockenheit. Ich belog mich und Andere, indem ich mir durch Aktionismus vorspiegelte, etwas zu unternehmen. In Wahrheit wartete ich nur auf eine Gelegenheit, um wieder trinken zu können. Erst als ich mir eingestand “ich bin Alkoholiker“, konnte ich auch die Hilfe anderer, trockener Alkoholiker annehmen. Auch wenn ich mit deren Ansichten zu Beginn nichts anfangen konnte, so habe ich die Verhaltensweisen einfach umgesetzt. Denn deren Weg hatte mir gezeigt, dass es möglich ist, loszukommen vom Trinken. Meine Wege in der Vergangenheit hatten nur immer zurück zum Alkohol geführt, also versagt.

    Wem soll und will ich glauben? Ich halte mich nach wie vor lieber an die Menschen (und deren gelebte Erfahrung), die bereits langfristig ohne Alkohol leben.

    Und heute? Nun, heute stelle ich Dinge fest, die mir auffallen. Auffallen nach knapp fünf Jahren Trockenheit, viel aktiver Selbsthilfe und dem permanenten Kontakt zu vielen Alkoholikern. Ich hinterfrage auch Dinge, die mir so nicht einleuchten oder nicht stimmig erscheinen. Was ich definitiv nicht mache, ist Menschen hier vorsätzlich zu vergraulen, um danach schenkel-/schulterklopfend und lachend vor dem Rechner zu sitzen. Wer das glaubt, unterschätzt mich und überschätzt sich selbst masslos. Was ich auch nicht mache: ich rede niemand nach dem Mund. Schon gar nicht irgendwelchen "halbtrockenen" Alkoholikern, die das gerne hätten.

    LG
    Spedi

  • Hi Spedi,

    ich mag Spedismussitzungen, bekommt man zwar keine Magnetbahn für, aber die Magnete werden neu gepolt. Du kannst ja nun mit wenigen Worten ganz schön Hirnmasse in Bewegung bringen, auf den Punkt kommen, da wo es weh tut, egal in welcher Ecke. Die kurzen Hacken tun nicht gut, sollen sie ja auch nicht, weil ich was draus machen muß. Draus machen heißt für mich nicht nur lernen, auch dampf ablassen und das hat manchmal nichts mit saufen zu tun, nicht mit Co, sondern einfach mit tief versenktem Müll. Und wenn ich nachlese, was ich alles für Müll geschrieben habe, dann ist mir das jetzt vollkommen egal, weil ich auf meinem Weg bin und dazu gehört auch jede Menge Blumenkästen auf meinen Pferdewagen durch die Landschaft zu ziehen.

    Für mich ist es müßig darüber nachzudenken, welchen Stellenwert Rezeptblockverwalter in der Krankheitsbeurteilung haben. Ich kann auch keinem mehr der lauthals schreit vorzeitig eine verpassen, er würde mich eh nicht verstehen, da ist es besser mal still Händchen zu halten.

    Es mag alles 100%ig richtig sein, ich kann trotzdem nicht 100%ig machen, tun und drehen was mir gesagt wird, es geht einfach nicht, ich mache Fehler, ich muß regelmäßig eine Salve verpaßt bekommen, kurze, harte Hacken und wenn ich dann enttäuscht von mir selbst das Handtuch werfe, dann weiß ich immer öfter und schneller, es ist Zeit mir selbst helfen zu lernen.

    „“..Hilfe auch, ich muss sie aber dann auch zulassen, annehmen und umsetzen. „“

    Immer öfter und die, die „plötzlich“ 5, 10, 20 Jahre voll haben, die haben ganz schön lange oft was auf die Mütze bekommen. Es dauert, bis ich gelernt habe, das morgens ein Eimer Wasser ins Kuschelbett nicht nur kalt und naß ist, sondern mir auch einige zusätzliche Stunden schenkt.


    LG kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Hallo Spedi,

    Ich versuche gerne einmal, auf Deine Gedanken einzugehen - und sage gleich vorweg, dass Deine Art, hier im Forum eigene Erfahrungen und Gedanken weiterzugeben, genau dem entspricht, was ich mir unter einer qualifizierten Hilfe zur Selbsthilfe vorstelle: Kein wiederholtes Herunterbeten von vorformulierten Weisheiten oder Prinzipien, sondern individuelle Hilfestellung für jeden Einzelnen, angepasst an die offenbarte Problematik und die dargestellte Zielsetzung der jeweiligen Person.
    Nach meiner Bewertung beruht diese, Deine, Hilfestellung auf einer gesunden Mischung aus fundiertem Fachwissen und einer Menge eigener Erfahrung; und sie wird durchaus angemessen vermittelt.
    Ich erkenne in Deinen Beiträgen - und zwar ausdrücklich in allen!! - große Sicherheit in der Thematik "Hilfe zur Selbsthilfe" und halte sie für vorbildlich.

    Das ist keine Lobhudelei, sondern mein voller Ernst - warum?

    Als ich vor zwei Jahren den (vermeintlich vernichtenden) Gang in die stationäre Entgiftung und Therapie antrat, war aus dem vormals selbstbewussten, ehrgeizigen und über alle Schwächen erhabenen Vorgesetzten und Spezialisten, der immerhin im Dunstkreis eines Bundesministeriums wirken durfte, ein armes, am Boden der Realität liegendes, Häuflein Elend geworden.
    Wie sehr hätte ich mir doch ein paar verbale Streicheleinheiten vom Typ: "Ist ja bei Dir noch alles nicht so schlimm; komm ich helf Dir ein bisserl; wir trinken doch schließlich alle - musst halt nur besser aufpassen, dass es nicht wieder so viel wird" oder so etwas gewünscht.
    Stattdessen verlangten klar formulierte Fragen ehrliche Antworten zur inneren Einstellung und zum Umgang mit den eigenen Gefühlen: "Was hast Du als Nächstes zum Ziel? Wie willst Du es erreichen? Was machst Du, wenn es nicht klappt? Und wie erklärst Du Dir das? Wann hast Du Dich zuletzt gefreut? Worüber? Was hast Du da konkret empfunden? Was wirst Du tun, um das Gefühl wieder zu erleben? Und wenn es nicht gelingt? Was tust Du, wenn Dir Alkohol angeboten wird?".. und...und...und
    Es gab keine Rezepte, keine fertigen Lösungen, die nur zu kopieren gewesen wären. Es gab nur immer wieder diese Fragen, Denkanstöße, diese provokanten Anmerkungen, die wie Zweifel oder Misstrauen klangen und die Forderung, über mein bisheriges Leben nachzudenken, die eigene Lebensgeschichte unter den Aspekten: beruflicher Werdegang, private Entwicklung und "Alkoholkarriere" aufzuschreiben, vor der Gruppe zu berichten und zu diskutieren.
    Die ganze Lehrzeit für die Trockenarbeit (=Therapie) bestand nur aus dem Themenkomplex `Alkohol und Gefühle´, aus Lernen und Üben. Da gab es kein "Das Leben besteht ja schließlich nicht nur aus der Alkoholkrankheit; lass uns mal über Kochrezepte, Kindererziehung, Kreuzworträtsel oder Sudoku reden"
    Und dann gab es noch eine Unmenge von Spielregeln, Hausordnungen, verbindlichen Tagesplänen und Dienstverrichtungen.
    Da musste ich wieder lernen, Regeln einfach einzuhalten, wie sie vorgegeben waren - nix mehr mit sinngemäßer Interpretation, Überprüfung auf Relevanz für mich, oder die Frage: was kann denn schon passieren?. Beachten und Aushalten war gefragt.
    Kurz: Es waren harte Wochen - für mich, wie für jeden von uns - und längst nicht jeder hat es verstanden und mitgemacht. Wir wurden ja nicht gezwungen.
    Aber nach meiner Kenntnis bin ich von den zehn Menschen, die ich dort kennen lernte, der einzige, der noch trocken ist bzw. noch keinen Rückfall hatte!

    Damit will ich nichts weiter sagen, als dass ich die von Dir, Spedi, vertretene Auffassung von Trockenarbeit selbst kenne und an mir selbst schätzen gelernt habe. Ich verfahre heute in meiner Arbeit in der Sucht-Selbsthilfe im Rahmen meiner Möglichkeiten grad genau so - und erfahre es umgekehrt auch so von den "Fachlaien" in meinem Umfeld der Soldaten-Selbsthilfe.
    Keine Dogmen, keine wiederkehrende Verkündung purer Prinzipien - aber steter Hinweis auf die selbstkritische Überprüfung des eigenen Denkens und Handelns auf dem Weg in eine zufriedene Abstinenz, und fundierte Hilfestellung bei der (selbstständigen) Bearbeitung akuter Fragestellungen oder problematischer Situationen.

    Ich wünsche Dir weiterhin Erfolg und noch viele schöne Jahre in Deiner neu erlernten Zufriedenheit.

    Liebe Grüße
    Michel

  • Hallo Spedi ...,

    Zitat

    wer sich in diesem Forum anmeldet, hat mit seiner Anmeldung bestätigt, dass er/sie ein Leben ohne Alkohol erlernen möchte ...dazu gehört die Bereitschaft, sich auf dieses Forum einzulassen ...

    Eigentlich so einfache und logische Aussagen ... nur ist die Realität im Virtuellen nicht anders, auch im Realen ?

    Es gehören nun einmal entscheidende Veränderungen dazu, sich trockenes Denken und Schaffen anzueignen, fern von alter, suchtgesteuerter Psyche.
    Und hierzu heißt es auch altes Alternativdenken, manche bequemeren Hintertürchen zu schließen, weil`s ja eben nie so geklappt hat, sonst wär man ja auch nicht hier, ... und neue Erfahrungen aus Vorgelebtem anzunehmen und umzusetzen.

    Aber leider habe ich oft genug das Gefühl, dass manche trotz deiner anfangs aufgeführten Anmeldebestätigung sich um ihr (nasses) Wissen nur Gleichgesinnte suchen, Wege praktizieren wollen, die auf keinerlei Erfahrungen beruhen ... die, wie schriebst du: ... mit Aktionismus etwas vorspielen.

    Und für diese Gruppierungen findet man auch selten ein Schuhhaus, wo selbst Pantoffeln passen, sie laufen meistens irgendwann gesammelt und barfuß von dannen.

    Danke für deinen Beitrag.

    Gruß, Freund.

  • Sevus Spedi,

    ich wollte erstmal warten ,damit sich die dieses Themas am meisten betrifft ,sich dazu äüßern, aber nun komme ich Ihnen mal zu vor! :wink:

    Zitat

    Wer sich in diesem Forum anmeldet, hat mit seiner Anmeldung bestätigt, dass er/sie ein Leben ohne Alkohol erlernen möchte. Dazu gehört die Bereitschaft, sich auf dieses Forum einzulassen. Wenn mein eigener Weg in der Vergangenheit so „richtig“ gewesen wäre, wenn ich alleine zufrieden trocken werden könnte, warum bin ich dann hier? Eben, ich bin hier, um jeden Tag auf’s Neue für mich was zu lernen.


    ich muss zu meinem Anfängen gestehen das ich es gar nicht gelesen sondern nur überflogen hatte, aber das war mir in dem Moment der Anmeldung auch nicht so wichtig!

    Es war für mich klar wenn ich bis hier her komme das ich auch mit meinen eigenen Latein am Ende war und auf die Hilfe der sich hier befindlichen längeren Trockenen, die ihren Weg ja kannten und erfolgreich gingen/ gehen,angewisen , obwohl Fragen/Antworten in mir aufkamen die sich nicht mit den "Möchtergernwissern von Langzeittrockenen" da drausen deckten!

    Ich ginge einfach weiter meinen aufgezeigten Weg und hielt mich mit meinen Nicherfahrungen und nasses Geankenwissen ,aus den meisten Thread heraus!
    Als das Nasse Denken verschwand und es immer mehr in das Trockene überging , deckte es aufeinmal die der LZT!
    Auch bei mir waren in meinen Threads immer wieder Neuerkenntnissbringer des ultimativen ,besonderen und einfacheren Weg,den ich nun gehen sollte! Nur diese war ich ja jahrelang gegangen, in meinen Trinkpausen!

    So eine lebenslange Abstinenz erscheint für viele, nach der abschwächten Anfangseuphorie auf einmal doch zu lange zu sein und versuchen dann mit andern Wegen sich wieder einfacher zu machen!

    Leider ist der Mensch ein Herdentier und da laufen gleich ein paar naive Schäfchen mit zu Schlachtbank!

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Einmal editiert, zuletzt von Hartmut (30. März 2008 um 12:33)

  • Servus Karsten,

    Zitat

    ...Jemand, der für sich noch glaubt, Altanativen zu haben, vielleicht sogar Zweifel an dieser tödlich verlaufenden Krankheit hat, für sich nicht akzeptieren kann, alkoholkrank zu sein, wird einen Konfrontationsgedanken aufbauen, wo er sich und auch uns beweisen will, dass es auch ohne diese Lebensveränderungen, also die Einhaltung der Grundbausteine geht.

    In meinen Augen ist das nicht mal böswillig, sondern einfach die Angst, für sich erkennen zu müssen, das es eben keine besseren Alkoholiker gibt, sondern nur unterschiedlich ausgeprägte Entwicklungsstufen der Alkoholkrankheit, die früher oder später alle tödlich verlaufen können, wenn man nicht ein Leben ohne Alkohol anstrebt.

    Diese Angst, die sich auch in Scham ausdrückt, möchte man nicht akzeptieren und schreit ( diskutiert ) seine Meinung umso lauter in die Welt hinaus.

    Einsicht kommt meiner Meinung aus der Erkenntnis heraus, um Hilfe bitten zu können.


    Das beanbtwortet meiner Meinung nach auch Deine frühere Frage, warum im offenen Bereich derart "andere" Diskussionen ablaufen, als im geschlossenen Bereich.

    Die Menschen, die für sich erkannt haben, dass sie Hilfe benötigen, sind willens, etwas für sich zu tun. Sie beschränken sich nicht auf Lippenbekenntnisse und Wichtigtuerei in der Öffentlichkeit. Sondern sie arbeiten -im Stillen?- an sich und an ihren Veränderungen.

    Wenn ich mich recht entsinne, Karsten, war es einmal Dein Anliegen, jedem hier eine Plattform zum Erlernen der Trockenheit zu bieten. Um einen sinnvollen Austausch zu gewährleisten und unsinnige Diskussionen "um des Kaisers Bart" gar nicht erst aufkommen zu lassen, wurden dann nach und nach verschiedene "Hürden" und Kontrollmechanismen eingebaut. Dies alles sollte helfen, denen, die wirklich trocken werden wollen, einen geordneten Diskussionsablauf zu ermöglichen.

    Aber was ist daraus geworden? Du liest Dir selbst die Beiträge in den offenen Bereichen durch, also was soll ich Dir erzählen? 80% kontraproduktiv - wenn's reicht? Aber genau diese 80%, die Hilfe gar nicht annehmen wollen, fordern Deine Zeit und die Zeit Deiner Moderatoren, weil zum Teil über 40, 50 oder noch mehr Seiten "Stillstand" (im günstigsten Fall) zu erkennen ist, und kein Fortschritt. Keine Entwicklung. Und vor Allem: keine Bereitschaft, sich mit der eigenen Situation auseinander zu setzen. Also wo ist die Einsicht, die Deiner Meinung nach aus der Erkenntnis kommt, um Hilfe bitten zu können? Ich kann sie sehr oft nicht erkennen, und genau die, die am lautesten nach ihren "Rechten" hier im Forum schreien, die sich über Wortwahl aufregen, anstatt ihre Probleme anzupacken, die sind die ersten, die plötzlich wieder verschwunden sind. Warum wohl?

    Um es abzukürzen: es gab eine Zeit hier im Forum, da wurden derartig langatmige Threads, die kein Ziel erkennen liessen, durchaus auch mal etwas deutlicher hinterfragt. Entweder, die Schreiber haben sich dann "berappelt" oder sie blieben weg. Beides fand ich persönlich besser, als solche Threads sich selbst zu überlassen und darauf zu hoffen, dass es des Verfassern irgendwann "von selbst" zu blöd wird. Die Erfahrung zeigt leider, dass diese Art Selbstdarsteller einen langen Atem hat und keineswegs die Lust an der Verbreitung ihrer z.T. waghalsigen Thesen verliert.

    Es gibt im www genügend einschlägige Foren, in denen sich nahezu ausschließlich derartige "Veränderungsunwillige" austoben können (und es auch tun). Willst Du das in Deinem Forum wirklich auch fördern, indem Du es (womöglich) stillschweigend zulässt?

    Kann ich mir bei Dir gar nicht vorstellen.

    Aber -wie immer- das ist nur meine Meinung.

    LG
    Spedi

  • Servus Karsten,

    zwei Dinge möchte ich da noch klarstellen:

    Zitat

    "Früher war alles anders"

    War es das? War wirklich alles anders? Nein. Aber hier im Forum ging es im öffentlichen Bereich zum Teil doch erheblich konsequenter und geradliniger zu, als das heute der Fall ist.

    Und zum Zweiten:

    Zitat

    Aber ist es nicht falsch, sich ein Forum aufzubauen, wo es nur positiv verlaufende Lebensgeschichten zu lesen gibt?

    Das wäre auch meiner Ansicht nach falsch, da es eine Welt vorspiegeln würde, die so nicht existiert.
    Aber muss im Umkehrschluss "geduldet" werden, wenn sich sehr viele Threads als "rumeiern" entpuppen?

    Vielleicht habe ich mich da vorhin missverständlich ausgedrückt. Ich will nicht "die guten alten Zeiten" zurück. Die gab es meiner Meinung nach nie und die wird es wohl auch nie geben.

    Aber was dieses Forum damals ausgezeichnet und von der breiten Masse an Foren -für mich- positiv unterschieden hat, war die Geradlinigkeit. Du hast hier ganz klare Ziele formuliert und sehr fundiert mit allen Mitstreitern entsprechende Hilfsangebote aufgelistet (Grundbausteine etc.). Und Du hast hier auch ganz klar die Einhaltung bestimmter Grenzen verfolgt, ich denke da an Diskussionen zu den unsäglichen Themen wie "Kalter Entzug" oder "kontrolliertes Trinken". Und sowie ein Thread mal als pure Plauderstunde entgleiste, wurde das wahre Thema wieder in den Vordergrund gerückt.

    Und das geht mir in letzter Zeit vermehrt ab. Zuviel Gelaber über Dinge, die durchaus auch "mal" angesprochen werden können, aber die wohl kaum 20 Seiten und mehr wert sind.

    Aber OK, vielleicht bin ich da einfach zu lange verwöhnt worden? Wie dem auch sei, ich würde mir wünschen, hier im offenen Bereich wieder mehr produktive Arbeit zu sehen als "Kaffeekränzchen-Gelaber". Und es gibt ja zum Glück auch noch die löblichen Ausnahmen, die zu lesen und mitzuverfolgen es sich lohnt weil eine Veränderungsabsicht zu erkennen ist.

    LG
    Spedi

  • Servus Karsten,

    zweistimmige Diskussion ist gut, das ist ja dann eher ein Kanon - unsere Meinungen liegen so weit gar nicht auseinander...nur die Vorgehensweisen wären teilweise unterschiedlich...

    Und wie immer: die, die es betrifft, glänzen durch Abwesenheit / Schweigen...

    LG
    Spedi

  • Hallo miteinander, Hallo Spedi,

    mit meinen grünschnäbligen 8 Monaten mag ich vielleicht einige Worte hier loswerden. Dabei mag ich ganz grundsätzlich erst einmal erwähnen, dass ich dieses Forum und auch die so häufig hier thematisierte ‚harte Gangart’ in genau dieser Form sehr gut finde. Es hat mir in den letzten Monaten unglaublich geholfen, mich auf meinem Weg in eine zufriedene Trockenheit nicht zu verirren, und ich bin mir auch sicher, dass ich hier auch in Zukunft viele hilfreiche Erfahrungen finden werde, die mich weiter stabilisieren. Aber ich schreib hier ja nicht zum schleimen … :wink: .

    Zum Thema selbst (aus meiner ganz persönlichen Sicht): Als ich den Entschluss gefasst habe, meiner Trinkerei ein Ende zu setzen, war ich noch kein am Boden zerschmettertes und stets nach Alkohol lechzendes (weil sonst nicht funktionierendes) Wrack einer menschlichen Existenz. Die Summe der Erfahrungen der letzten 32 Jahre meines Lebens hat jedoch nach einer Entscheidung verlangt: Weitermachen wie bisher und dabei das Risiko eingehen, genau so zu enden, wie ich es eben beschrieben habe, oder zu versuchen, eine Wende in meinem Leben zu beschreiten, wobei die Loslösung vom Alkohol eine primäre Grundvoraussetzung war. Das ist mein ganz persönlicher Startpunkt gewesen und davon ausgehend bin ich nach Arztbesuch und Entgiftung hier im Forum gelandet. Ohne mich jetzt in Details zu verlieren muss ich aber schon ganz deutlich zugeben, dass ich in den ersten Wochen gedanklich oft von Abschiedsgedanken (‚nie wieder Alkohol’) und auch Zweifeln (‚Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm’) geplagt wurde. Das können wir jetzt ganz großzügig in die Tonne mit der Aufschrift ‚nasses Denken’ kloppen, aber zu jener Zeit war mir das so nicht bewusst. Hätte man es mir so vorgehalten, dann hätte ich es auch nicht verstanden und nachgefragt: ‚Was ist denn bitteschön nasses Denken?’. Diese Unwissenheit bezüglich der eigenen Denkens- und Verhaltensmuster bedarf natürlich der Aufklärung und an dieser Stelle entstehen dann auch Diskussionen und eben jene so oft zu lesenden Thesen über die eigene Andersartigkeit.

    Aber mal ganz ehrlich: Ist das nicht normal?

    Wenn man als neuer Leser mit einem eben noch nicht so immensen Leidensdruck und der dazugehörigen Unerfahrenheit hier durch die Threads wandert, dann kommen einem viele Aussagen der Langzeittrockenen durchaus ‚seltsam’ vor. Beispiel: Für eine erfolgreiche Trockenheit reicht es nicht, nur nicht zu trinken, das ganze Leben muss neu organisiert und umstrukturiert werden!

    Wow! Für einen Newbie ist das ein Hammer, der vor allem mehr Fragen aufwirft, als beantwortet. Was ist zu tun? Soll ich mir jetzt morgens einen Zeigefinger in den Popo stecken und ihn erst wieder herausholen, wenn die Sonne abends untergegangen ist, damit ich auch wirklich trocken bleibe? Ganz im Ernst: So wahr die Aussage von oben auch ist, so unkonkret ist sie eben auch auf das Individuum bezogen.

    Und an dieser Stelle entwickeln sich eben schnell Thesen und Theorien, die diesen Hohlraum füllen und dabei sicher auch in zum Teil abstrusen Wegen in die (dann auch häufig nicht so erfolgreiche) Trockenheit führen. Wenn sich dann Nutzer dieses Forums nach darauf geäußerter Kritik zurückziehen oder auf die Barrikaden gehen (das berühmte nasse Denken), dann gibt es in meinen Augen dafür nur zwei Schlussfolgerungen:

    1) Die Person hat den Wunsch nach Trockenheit nicht oder nur in unzureichendem Maße
    2) Die didaktischen Fähigkeiten der hier schreibenden Lanzeittrockenen haben versagt

    Mir persönlich ist das eigentlich egal, denn ich gehe in allererster Linie meinen Weg. Anders als in einer stationären LZT bedeutet das Trockenwerden mithilfe eines Forums eine Menge Disziplin und Eigenverantwortung. Auch wenn der Wunsch nach einem alkoholfreien Leben besteht, so können Defizite bei diesen Eigenschaften eben doch ganz schnell zum Rückfall im Denken und Handeln führen und für diesen Personenkreis ist dann eine etwas intensivere Betreuung vielleicht die bessere Alternative.

    Irgendwie ganz unspektakulär und eigentlich kaum diesen Roman wert, den ich hier jetzt verfasst habe, aber in einem kurzen Schlusswort mag ich meine Ausführungen doch gipfeln lassen:

    Ich fände es bedauerlich, wenn durch strengere Moderation und/oder Nutzersperren die ‚Erfolgsquote’ dieses Forums erhöht werden würde. Ich glaube nicht, dass durch eine solche Elitisierung des Forums wirklich etwas gewonnen werden würde und ganz ehrlich: Ich persönlich gewinne auch aus diesem ‚Kaffeekränzchen-Gelaber’ etwas, wenn dieses final zum Rückfall führt. Klingt böse, aber hilft mir, Fehler zu erkennen und bei Gefahr rechtzeitig gegenzusteuern!

    In diesem Sinne

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Liebe Diskussionsteilnehmer!

    Ich bin noch nicht lange registriert in diesem Forum lese aber seit Beginn meiner Trockenheit ( 29.12.2006 ) intensiv in allen offenen Bereichen mit und möchte euch meine bescheidene Sicht der Dinge zur Kenntnis bringen:

    Zu allererst ist mir beim Stöbern nach Alkoholikerforen im Internet aufgefallen, dass dies wohl das größte und auch kompetenteste Forum ist.
    (Kompliment an Karsten und seine Mitarbeiter) Gleichzeitig habe ich beim Lesen der Beiträge und Antworten festgestellt, dass einige der Forenteilnehmer ( allen voran Spedi ) kompromißlos und manchmal auch schonungslos offen den Weg in die Trockenheit vorzeigen und auch vorleben. Es gab und gibt so viele Ansichten, Meinungen und Ratschläge wie ein zufriedenes nüchternes Leben erreicht werden kann. Manches ist als unbedingte Grundvoraussetzung ( Grundbausteine) zu verstehen andere Erfahrungen der Langzeittrockenen sind individuell anwendbar ( Je nach Person und Situation verschieden).
    Allem gemeinsam ist jedoch alle auch noch so verschiedenen Wege sollten in eine dauerhafte Trockenheit und in ein zufriedenes, nüchternes Leben führen.

    Inwieweit sich Hilfesuchende von den Erfahrungen der Langzeittrockenen führen und leiten lassen können wir alle nicht beeinflussen und sollten es auch nicht. Jeder muss seinen eigenen Weg finden - Wegweiser gibt es ja hier genug und Patentrezept gibt es auch keines. Wer wirklich den Willen hat trocken zu werden bekommt Unterstützung in allen Lebenssituationen.
    Nur annehmen und umsetzen muß jeder für sich selbst - es kann keiner trocken gelegt werden.

    Ein drastisches Eingreifen der Administratoren bzw. Moderatoren, so wie hier auch gefordert, sollte meiner Meinung nach nur in besonderen Fällen
    ( grobe Gefährdung anderer, totale Uneinsichtigkeit bzw. Unwilligkeit, etc.) erfolgen. Ansonsten sollte man den Hilfesuchenden auch die Gelegenheit geben in ihren Einsichten und Ansichten zu reifen.

    Wünsche dem Administrator und den Moderatoren noch eine erfolgreiche und zufriedenstellende Arbeit, Spedi eine spezielle gute Gesundheit und allen anderen trockene, zufriedene 24h jeden Tag aufs Neue!

    Lg
    Andreas

    carpe diem

  • Hallo Karsten,

    grundsätzlich stimme ich ja mit Deiner Meinung überein, was Mutwilligkeit in solchen Situationen betrifft. Leider kenne ich den Beitrag nicht um den es bei Dir ging. Da aber nicht alle, bzw. habe ich es hier bisher nur bei einigen wenigen gelesen, mutwillig in solche Situationen gekommen sind, sollte schon etwas differiert betrachtet werden, wem und wie man jemandem etwas an den Kopf schreibt.
    Ich möchte hier mal ein Beispiel zum Nachdenken anbringen: Ich lege einem Affen eine Banane hin und jedesmal wenn er zugreift, schlage ich ihn mit der Peitsche. Nach einer Weile sitzt der Affe ruhig da und ihn interessiert die Banane überhaupt nicht mehr, doch plötzlich kommt wieder ein Peitschenhieb auf ihn hernieder, obwohl er möglicherweise mit einer freundlichen und motivierenden Geste gerechnet hat, bzw. diese ihn in seinem zukünftigen Handeln bestärkt und gefestigt hätte.
    Auch ich hab hier im Forum schon ein- oder zweimal, ohne nachzudenken und mich tiefer zu informieren, in einem Thread einfach aus dem Bauch heraus geschrieben (siehe Bsp. Leosaar: "ich möchte nicht irgenwann unter Deinem Auto liegen", wobei sich aber meine Menschenkenntnis in diesem Falle im Nachhinein wahrscheinlich bewahrheitet hat). Das tat mir hinterher, nachdem ich darüber nachgedacht hatte, eigentlich sehr leid und mich hätte es persönlich belastet, wenn derjenige wegen mir seine guten Vorsätze vergessen hätte. Deshalb befasse ich mich intensiver mit dem bisher Geschriebenen in einem Thread und denke vorher nach, ehe ich und wie ich meinen Senf von mir gebe und schreibe nicht einfach bloß auf einen einzigen, vielleicht gerade dieses Mal mißglückt stilisierten Kommentar, eine knallharte Antwort.

    LG, Andy

  • Servus Karsten!

    Ich habe die bisherigen Meinungen und Ansichten der Forenteilnehmer aufmerksam verfolgt und für mich ergibt sich daraus folgendes Resümee:

    Es kann keiner trockengestreichelt noch trockengeprügelt werden. Die Antworten auf so manche Beiträge erfordern sehr viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen und wenn hier Fehler in der Trockenheitsarbeit aufgezeigt werden so kommen die Erfahrungen nicht von Theorethikern sondern von Betroffenen die am eigenen Leib oft schmerzlich diese Erfahrungen machen mussten und nun andere Alkoholiker davor bewahren möchten.

    Wenn jemand wider besseres Wissen und der Erfahrung von Langzeittrockenen gewisse Warnungen in den Wind schlägt, so ist das ganz alleine sein Problem. Nur sollten andere Forenteilnehmr, denen ihre Trockenheit das Wichtigste ist darauf hingewiesen werden und das geschieht in diesem Forum meiner Meinung nach ganz augezeichnet durch dich und die anderen Moderatoren und auch durch die Beiträge von langjährigen Forenteilnehmern ( z.B. Spedi u.a. )

    Alles in allem kann gesagt werden:
    Wenn jemand Unterstützung und Hilfe sucht, so wird er sie hier finden!

    Danke dafür!

    LG Andreas

    carpe diem

  • Zitat

    Ich lege einem Affen eine Banane hin und jedesmal wenn er zugreift, schlage ich ihn mit der Peitsche. Nach einer Weile sitzt der Affe ruhig da und ihn interessiert die Banane überhaupt nicht mehr, doch plötzlich kommt wieder ein Peitschenhieb auf ihn hernieder, obwohl er möglicherweise mit einer freundlichen und motivierenden Geste gerechnet hat, bzw. diese ihn in seinem zukünftigen Handeln bestärkt und gefestigt hätte.

    wieso hat der affe mit einer motivierenden und freundlichen geste gerechnet, wenn er gar kein interesse bekundet?

    weder die forumsleitung noch die registrierten mitgleider sind dazu da um zu motivieren. die einsicht alkoholkrank zu sein und sein leben wieder gewinnen zu wollen, sollte die persöhnliche motivation sein. die erfahrungen der längeren trockenen kann mir hoffnung geben, das mein bisheriger weg im suff nicht so bleiben muß. diese hoffnung zu sehen andere habens geschafft, es gibt ein weg da raus, sollte nochmal motivierend auf mich wirken.

    und der affe hat die banane nicht bekommen, weil er sich nicht bedankt hat. in dankbarkeit und demut die banane genommen hat, sondern es als selbstverständlich angesehen hat. nun gut der affe ist seinen instinkten gefolgt. der suchtkranke hilfesuchende, den es durstet und hungert nach genesung, nimmt dankend hilfe an und geht den bewährten weg. nimmt diese hilfe und helfenden hände nicht als selbstverständlich hin und wundert sich auch noch, warum er harte/klare worte bekommt.

    Zitat

    aber in den Grundzügen mache ich für mich keine Ausnahmen und gehe auch keine Kompromisse ein.

    so und nicht anders. sonst wäre die erfahrung jener die schon lange trocken sind verfälschte wiedergabe und bringen mir nichts, wenn ich trocken werden und bleiben will. und durch die blume will ichs dann auch nicht gesagt bekommen. der alk hat mich genug niedergestreichelt.

    Kompromisse bedeuten ein Rückfall riskieren
    (vor dem trink - Rückfall geht ein Verhaltensrückfall vorraus)
    nicht Trinkende seid 04.03.07

  • Hallo phanter,

    ich habe meine Ausbildung zum Maurer, im Jahre 1976, mit sehr viel Motivation begonnen. Doch ich kam in die Kolonne eines Lehrmeisters
    (mancher LZT ?), dem konnte ich so garnichts recht machen. Ich habe von ihm Nichts gezeigt/gelehrt/vermittelt bekommen, sondern er hat einfach vorausgesetzt, dass ich ja Maurer werden will und mir deshalb meine Erfahrungen bei der Arbeit selbst sammeln soll. Wenn es mir dann nicht sofort gelang alles richtig zu machen, dann hagelte es nur so böse Worte (was ich hier mit manchen Kommentaren vergleiche) und meine Arbeit wurde mit Gewalt eingerissen, kaputt gemacht und zerstört. Das gipfelte zum Schluß darin, dass er mir eines Tages mit der scharfen Seite des Schaufelblattes auf meinen Handrücken schlug, ich ihm die Schaufel daraufhin entriss und ihm über den Rücken schlug, dass der Schaufelstiel zerbrach. Meine Hand war zwei Wochen dick wie ein Pfannkuchen und unbrauchbar (von meiner Seele ganz zu schweigen) und sein Rücken war auch nicht besser dran. Trotzdem zwang man mich damals in seiner Kolonne zu bleiben (hier können Sie einfach gehen), man kann sich vorstellen, was da für ein Klima war.
    Erst als ich generell meine Einstellung zur Arbeit (Trockenheitsarbeit ?) und mein Arbeitstempo gegen Null fuhr (weil er ja an mir prozentual mitverdiente, was aber hier Gott sei Dank nicht der Fall ist), hat in der Ausbildungabteilung jemand reagiert und mich in eine andere Kolonne versetzt (was man hier wohl manchmal als zu spät bezeichnen dürfte), aber auf jeden Fall habe ich ein ganzes Jahr meiner Ausbildung dadurch verloren. In der neuen Kolonne befand ich mich dann in guten Händen und wurde mit Ruhe, Verständnis und viel fachlicher Vermittlung zu meinem Abschluß geführt. Diesen Leuten habe ich es zu verdanken, dass ich heute sagen kann: "Ich bin ein Meister meines Faches geworden"!
    Soviel zu Krümelkackerei mit meinem Affen, dessen Sinn Du aber, da bin ich mir sicher, verstanden hast.
    Und wenn es Dir gefällt mit rohen Kommentaren an den Kopf geschrieben zu werden, ohne Fachliches vermittelt zu bekommen, sondern nur liest, dass Du eine nasse Rübe hast, dann ist das Dein Problem. Hilfe und Erfahrungsvermittlung kann ich sowas nicht nennen und akzeptieren kann ich das nur bei absoluter Unbelehrbarkeit, bzw. Mutwilligkeit (MPU, ect.).
    Ausserdem hat Hilfe, bei mir jedenfalls, auch etwas mit Motivation zu tun.

    Aber was tut man nicht alles, um die eigene Klientel und Handlungsweise zu rechtfertigen, auch wenn sie manchmal nicht richtig ist ?

    Uns vereint zwar die gleich Krankheit, mit den gleichen Symptomen und Auswirkungen, aber die gleiche Seele und Belastbarkeit, vor allem in der stressigen Anfangsphase, haben wir nicht.

    Denk mal drüber nach, bevor Du an´s Auseinanderpflücken gehst !

    LG, Andy

  • Zitat von ottonv

    Ich habe von ihm Nichts gezeigt/gelehrt/vermittelt bekommen, sondern er hat einfach vorausgesetzt, dass ich ja Maurer werden will und mir deshalb meine Erfahrungen bei der Arbeit selbst sammeln soll.


    Hallo Andy,

    dein Vergleich zwischen deinem Ausbilder und dem Forum hinkt ganz gewaltig, weil gerade das oben Zitierte auf das Forum nicht zutrifft.

    Hier im Forum wird durchaus gezeigt, gelehrt und vermittelt. Es wird immer wieder geduldig auf die Grundbausteine verwiesen. Die LZT berichten immer wieder von eigenen, positiven und negativen Erfahrungen auf ihrem Weg zur Trockenheit, aus denen die Neuen lernen können.

    Von daher finde ich deinen Vergleich sachlich nicht richtig und auch recht unfair.

    LG
    Babsi

  • Lieber ottonv,

    nachdem Du ja einer der Vertreter bist (wieder mal), bei denen der Ton die Musik macht , will ich dir etwas dazu schreiben. Ich will versuchen, nicht nur höflich, sondern auch wohlwollend und freundlich zu bleiben.

    Dein "Affen-Bananen-Beispiel" lasse ich bewusst außen vor, denn hier im Forum geht es eben nicht um Konditionierung (=Trockenwerden mit der Faust in der Tasche), sondern um ein neues Leben. Und ein neues Leben wird halt nicht "antrainiert" und dann hat "man" es "geschafft".

    Nein. Ein neues Leben für uns Alkoholiker wird erlebt. Wir verinnerlichen und trockene Handlungsweisen, weil wir es so wollen - und nicht, weil es danach eine "Belohnung" wie beim Affen in Form einer Banane gibt. Und dieses Verinnerlichen hat auch sehr viel damit zu tun, dass wir weite Teile unserer "alten Erfahrung" erst mal hinter uns lassen. Warum? Nun, genau die Anwendung dieser alten Erfahrungen hat uns vom Missbrauch zur Sucht gebracht, aber nicht die Aufarbeitung unserer eigenen Defizite gelehrt. Sie war und ist also wertlos, da untauglich.

    Nun gibt es unter uns Alkoholikern welche, die wollen sich einfach nicht eigestehen, dass ihre bisherigen Bewältigungssttrategien und Verhaltensweisen in dieser Hinsicht völlig untauglich waren. Das sind dann sehr oft diejenigen, die hier so rumeiern und deren Verhalten und Gedanken hier von längerfristig trockenen gerne als "nass" bzw "nasse Denke" bezeichnet wird.

    Das sind dann meistens auch diejenigen Alkoholiker hier im Forum, die immer wieder nach "Motivation" von außen fragen, nach Applaus und Lob von anderen gieren, weil sie es als Bestätigung ihres Handelns brauchen.

    Sie haben bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht begriffen, dass ihr Leben ohne Alkohol ihre eigene Motivation ist.

    Wenn schon derjenige für sich selbst nicht erkennt, was er sich da gutes tut, wie soll ich als Außenstehender (der ich ja immer bin) ihn da noch ernst nehmen können? Das fällt mir schwer, ich gebe es gerne zu. Und sehr oft lasse ich es dann einfach auch sein.

    Denn erstens fühlt sich derjenige von meinen Aussagen dann regelmässig "angepi..t", weil sie ihm ja nicht in sein schönes Weltbild von seiner "Trockenheit" passen, und zweitens bewirken meine Aussagen dann auch nichts weiter als Ablehnung, weil derjenige ja gar nichts anderes hören will außer einer Bestätigung seines Handelns.

    Und dann denke ich mir einfach meinen Teil, lasse denjenigen seine Runden drehen, die er noch so braucht, und warte auf diejenigen, die für sich erkannt haben, dass sie ihr Leben ändern wollen.

    Die diskutieren nämlich nicht über Alles und jedes Argument, sondern nehmen Hilfsangebote jeder Art erst mal an, um das für sich passende rauszuziehen. Den Rest lassen sie liegen ohne sich darum zu kümmern. Sie kümmern sich um ihre eigenen Belange, hinterfragen ihr eigenes Handeln, ändern ihre eigene Einstellung. So wie es im realen Leben auch ist.

    Sie kümmern sich nicht am Anfang ihrer Trockenheit um "globale" Geschehnisse, die sie ohnehin nicht beeinflussen können (wie z.B. "wie wird meine Abstinenz in welcher sozialen Schicht angenommen"), sondern um ganz profane Dinge: wie gestalte ich mein trockenes Leben selbst und aktiv? Was kann ich ändern, was muss ich ändern, was will ich ändern? Kann ich das schaffen, oder brauche ich dazu Hilfe? Wo und wie finde ich diese Hilfe?

    Das wird Dir jetzt wahrscheinlich nicht besonders gefallen haben beim Lesen, aber so sehe ich das halt. Und danach handle ich. Und lebe danach. Und mit mir viele andere trockene Alkoholiker. Denn die "nassen" bleiben irgendwann von alleine weg...die müssen alle ihren individuellen Weg gehen.

    LG
    Spedi

  • Zitat von Babsi11

    dein Vergleich zwischen deinem Ausbilder und dem Forum hinkt ganz gewaltig, weil gerade das oben Zitierte auf das Forum nicht zutrifft.
    Hier im Forum wird durchaus gezeigt, gelehrt und vermittelt. Es wird immer wieder geduldig auf die Grundbausteine verwiesen. Die LZT berichten immer wieder von eigenen, positiven und negativen Erfahrungen auf ihrem Weg zur Trockenheit, aus denen die Neuen lernen können.
    Von daher finde ich deinen Vergleich sachlich nicht richtig und auch recht unfair.Babsi

    @Babsi: Das zeigt mir wieder, das ich doch nicht so verkehrt liege. Man kann lesen was man will (und dann darauf antworten) und man kann lesen was geschrieben steht (dann darüber nachdenken und dann antworten).. Ich habe nie das Forum in Frage gestellt, im Gegenteil, wenn ich es nicht gehabt hätte, wäre ich jetzt vielleicht in der Gosse. Mir hat es bisher sehr viel gegeben. Mir ging es lediglich um manche, und zwar einige wenige, Kommentare und nicht unbedingt auch von Leuten, die gerade hier in diesem Thread schreiben. Und ich denke gerade deshalb hat auch der Eröffner dieses Threads ihm den Namen: Rückzug vs. einzelne Meinung ?, gegeben, damit über so etwas diskutiert wird, über Rückzüge versus einzelne Meinungen.

    @Spedi: Je mehr und je öfter ich von Dir lese, umso besser lerne ich Dich zu verstehen. Danke für Deine sachliche Antwort, die mir durchaus Grund zum Nachdenken gibt und mir vor allem beim Lesen gefallen hat!

    @Karsten: Ich versuche hier doch keine Veränderungen nach meinen Wünschen herein zu bringen. Ich habe nur meine Meinung zum Umgang Miteinander versucht zum Ausdruck zu bringen und dazu bin ich ja indirekt, am Anfang des Threads, aufgefordert worden.
    Aber Du hast recht, wenn es in Linsenpickerei ausartet, dann sollte man es ruhen lassen.

    LG, Andy

  • Hallo zusammen,

    da ich ja auch schon mal einige Worte hier verloren habe, mag ich mich auch ein paar Gedanken anmerken:

    Mir liegt es völlig fern, die Wege, die hier aufgezeigt werden, verändern zu wollen oder gar einen eigenen Weg in die erfolgreiche Trockenheit aufzeigen zu wollen (dazu hätte ich ja überhaupt keine Erfahrungskompetenz). Was mich manchmal nur etwas wurmt, ist die an manchen Stellen etwas durchschimmernde Ungeduld, die ich manchmal zu lesen glaube. Als Beispiel einmal der gute Spedi. In Deinem ersten Beitrag in diesem Forum schreibst Du über Dich:

    Zitat von Spedi

    … seit gut dreieinhalb Jahren trocken, davon seit zwei Jahren zufrieden trocken. […] Auch wenn ich am Anfang über die Ratschläge anderer den Kopf geschüttelt habe: mit der Zeit wuchs in mir die Einsicht …


    Ich entnehme daraus, dass auch Dein Weg in die zufriedene Trockenheit zu Beginn nicht von bedingungsloser Akzeptanz geprägt war und Du eben das von Dir benötigte Weilchen gebraucht hast, um wirklich die Kurve zu kriegen.

    In der gleichen Weise ergeht es sicher auch vielen Frischlingen, die am Beginn ihrer Abstinenz nicht nur mit einer emotionalen Dünnhäutigkeit, sondern vor Allem mit einer Menge Fragen in das Forum kommen. Dabei können von LZT längst verinnerlichte Grundsätze in Form kurzer Phrasen einfach mehr Fragen aufwerfen, als Antworten bieten. An dieser Stelle wäre vielleicht ein wenig mehr Geduld und/oder Erklärungen ganz hilfreich?!?

    Wie gesagt, mich stört das nicht, ich kann mir aber vorstellen, dass manch einer davon durchaus abgeschreckt wird und da komme ich zum zweiten Punkt:

    Der Stil des Forums und der hier aufgezeigte Weg, wie Du ihn hier beschrieben hast, lieber Karsten, ist für den frisch angemeldeten User so kaum erkennbar, weil einem so viele Dinge am Anfang durch den Kopf jagen, dass man froh ist, überhaupt einen Ansprechpartner zu finden. Mit der Zeit und der gewonnenen Ruhe kehren diejenigen, denen dieser Stil zu hart oder zu kompromisslos ist, dem Forum auch wieder den Rücken – und das eben auch oft verbunden mit einer entsprechenden Diskussion.

    Niemand muss sich in seinen Meinungen verbiegen, um anderen zu gefallen, aber das gilt natürlich nicht nur für die Forenleitung, sondern für alle Teilnehmer des offenen Bereiches.

    Für den ruhigeren Austausch gibt es ja noch den geschützten Bereich!

    Also: Alles doch in bester Ordnung, oder?

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

  • Hallo JoeDoe,

    Zitat

    Der Stil des Forums und der hier aufgezeigte Weg, wie Du ihn hier beschrieben hast, lieber Karsten, ist für den frisch angemeldeten User so kaum erkennbar, weil einem so viele Dinge am Anfang durch den Kopf jagen, dass man froh ist, überhaupt einen Ansprechpartner zu finden.

    Ich fand den hier aufgezeigten Weg garnicht schwierig,........es war doch endlich ein Weg der aufgezeigt wurde !!!!

    1. Einsicht gegenüber dem Alkohol machtlos zu sein
    2. Arztbesuch mit Absprache wg. ambulanter oder stationärer Entgiftung
    3. SHG suchen, real oder hier online
    4. Grundbausteine verinnerlichen und umsetzen
    5. Vertrauen fassen gegenüber Erfahrungen Langzeittrockener

    und so weiter,.........Step by Step.........machen und annehmen !

    So war und ist mein Weg..........was ist daran bloß so schwierig ?! :roll:

    Laßt doch mal eure Vorstellung vom "eigenen Weg" außen vor, der hat doch bisher auch nicht funktioniert, oder warum seid ihr sonst hier ?????????

    Lieben Gruß, Rose

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