Wie ich mich kennen lernte...

  • Hallo Kommal,

    upps, hier bin durch Zufall gelandet und nu bis hier hin hab ich gelesen.
    Mal sehen wie es weiter geht.

    MLG Marion

  • Hallo kommal, spannend spannend ;) . Übrigens, ein Ereignis wie dieses:

    Zitat

    Ich hatte auch nur sieben Flaschen kühl gestellt, warm “schmeckte” es ja nicht. Sieben Flaschen für den vorletzten Abend… ... DIE LETZTE FLASCHE DIE ICH TRANK WAR WARM

    hatte mich in letzter Konsequenz dazu gebracht mit dem Trinken aufzuhören. Ich war so überzeugt, dass ich "es" unter Kontrolle kriegen würde, wenn ich mir nur genug Mühe gebe; und war so maßlos von mir enttäuscht als mir entgültig und bis ins tiefste Mark klar wurde - nichts habe ich unter Kontrolle. Und schon gar nicht mit Mühe. Ich glaube, ich bin an keiner Aufgabe in meinem ganzen Leben so katastrophal und verheerend gescheitert wie am "kontrollierten Trinken".

    Gott sei Dank.

  • Ich war gespannt…

    ANGESPANNT


    Donnerstag.

    Morgen fahre ich in´s Krankenhaus. Viel hatte ich nicht mehr zu tun, ich hatte eine Liste der Dinge gemacht, die ich im Krankenhaus brauchte bzw. mitnehmen wollte. Zehn Tage sind ja keine Ewigkeit. -

    DENKSTE. Ich hatte ja jahrelang die Stadt kaum noch verlassen. Im letzten Jahr hatte ich zweimal getankt. Insgesamt keine achtzig Liter. Das Auto fast nur noch zum Einkaufen und Lagern meiner Bierkästen benutzt. Dazu kam das Bier, das ich mir vor langen Wochenenden in´s Haus bringen ließ. Ich habe übrigens immer im selben Laden eingekauft. Als Erklärung hatte ich immer parat zu sagen: “Ich kaufe für mehrere Leute ein” - gefragt oder angesprochen hat mich nie jemand. Alkoholiker sind ja gute Kunden und hin und wieder hab ich ja auch einen Kasten Wasser gekauft.

    Packen also. Das war recht schnell erledigt. Noch mal in die Karte gucken, zum x-ten Mal, die Fahrtstrecke einprägen (kann ich heute kaum noch fassen) Und die letzten sieben Flaschen Bier in den Kühlschrank legen. Ich hatte mir überlegt, um 23 Uhr den letzten Schluck zu trinken, dann müsste ich morgens um neun nüchtern und ohne Fahne im Krankenhaus ankommen. Ich wollte ja einen guten Eindruck machen. War ja alles nicht so schlimm mit mir, ich hab ja nur Bier getrunken, bin nie besoffen gefahren (Restalkohol?!?!) und stets meine Arbeit und noch viel mehr getan. blabla

    Ich hatte also hatte trotz meiner Einsicht doch das Bedürfnis, mich von den Nichtsesshaften abzuheben, die damals MEIN Bild eines “richtigen” Alkoholikers prägten. Internet- Infos hin oder her- So war ich nicht!

    Der Tag verlief ohne Zwischenfälle und abends öffnete ich die erste Flasche Bier. Der Fernseher lief wie üblich und ich bemühte mich, langsam zu trinken. Sieben Flaschen waren´s ja noch und so fehlte zur gewohnten Dosis eine Flasche.

    Irgendwann setzte sich ein Gedanke in meinem Kopf fest, den ich noch nicht zu fassen bekam. Hatte ich an alles gedacht? Die Wohnung war versorgt, eine Liste mit Sachen, die morgens noch zu erledigen waren lag bereit, alle wussten wo ich hinfuhr… irgendwas… aber was???

    Die Papiere hatte ich eingesteckt, das Auto getankt - DAS AUTO!!!

    Da wusste ich, was ich noch tun musste: Ich hatte immer wieder mal eine Flasche “extra” bei Werbeaktionen bekommen- natürlich “nur Bier” und wegen des leichteren Transportes der Kästen diese Extraflaschen in der Werkzeugkiste im Auto gelassen. Nach und nach hatte ich die dann auch verkonsumiert. - Sollte da noch etwas schlummern? Von meinem Telefonat mit der Klinik wusste ich, dass mein Gepäck kontrolliert werden würde. Was, wenn sich im Kofferraum noch etwas fände???

    Ich zog mich an, fuhr zur Garage und tatsächlich, als ich den Kofferraumdeckel öffnete, sah ich schon die Versuchung. Eine Flasche war noch da, die achte für diesen Abend. Ich durchsuchte den Wagen noch mal, um sicherzugehen und…

    …ich kippte die Flasche aus und warf sie in die Mülltonne. Sie passte nicht zu meinem Plan.

    Zurück zuhause war ich stolz und ängstlich zugleich. Was, wenn sie mir doch fehlen sollte am Ende dieses Abends? Es war ja nichts mehr da.

    Nun, sie fehlte nicht. Irgendwie wurde ich auch ruhiger. Der Gedanke, dass morgen, nach Jahren der Sauferei, der Lügerei und des Selbstbetrugs endlich etwas passieren würde, irgendetwas -Hilfe-, dass sich etwas ändern würde, ich nicht mehr trinken würde… ich wusste ja nicht, WAS passierte, aber es würde etwas passieren…und da waren Menschen, die mir helfen wollten. Irgendwie war ich voller Vertrauen zu diesen Menschen, die ich noch nicht kannte.

    Es war Donnerstag, der 18. Mai 2006

    Es war 23 Uhr

    DIE LETZTE FLASCHE WAR LEER

    unterwegs...

  • Da Du gerade eben den Donnerstag geschildert hast geht es mit Deinem Bericht wohl erst Morgen weiter ... Schade ... :(

    Na ja ich wünsche Dir mal auch wenn es in der Vergangenheit liegt viel Erfolg an Deinem ersten trockenen Tag :wink:

  • Hallo Vaan,

    Zitat

    Ich möchte meine Geschichte aufschreiben, in lockerer Folge.


    MORGEN kommt kommaline!

    Und am Wochenende fahren wir weg.

    Ich setze Prioritäten. Ich lebe jetzt. Die Vergangenheit läuft nicht weg.

    LG kommal

    unterwegs...

  • Hallo kommal,

    also an dir ist doch scheinbar ein Schriftsteller verloren gegangen!

    Das liest sich verdammt gut!

    Ich reihe mich ein in die Reihe der gespannten Mitleser.

    Liebe Grüße
    Clare

  • Hallo kommal
    Schönen Gruß an kommaline.DAs ist so spannend und echt,wie du hier schreibst.Freu mich auch auf die Fortsetzungen.

    Lütze

    Trocken seit 2.11.2007

  • Hallo Kommal,

    ich bin heute auf deinen Bericht gestoßen und

    Zitat

    also an dir ist doch scheinbar ein Schriftsteller verloren gegangen!
    Das liest sich verdammt gut!

    Zitat

    Hehe, du bist ein Meister des Cliffhangers :lol: . Also warte ich geduldig ab wie es weiter geht ;)

    Zitat

    Ich reihe mich ein in die Reihe der gespannten Mitleser.


    Dem habe ich nichts hinzuzufügen!

    Naja, doch: erstmal ein schönes Wochenende wünsche ich dir!
    LG
    Lonely Girl

  • Es war Donnerstag, der 18. Mai 2006

    Es war 23 Uhr

    DIE LETZTE FLASCHE WAR LEER


    Heute ist es soweit. Frühstück, spülen, alles ausgeschaltet? Wasser und Heizung abgesperrt? Gut, dass ich meine Liste habe.

    Diese seltsame Mischung aus Nervosität und Ruhe, innere Zerrissenheit…

    Also los. HIER gibt´s jetzt nichts mehr zu tun. Ein neuer Abschnitt beginnt.. Auf dem Weg zum Auto begegne ich einem Kollegen, mit dem ich nicht direkt zu tun habe. Seine Frage, wo ich denn mit meiner Reisetasche hin will (die Arbeitszeit beginnt gerade) beantworte ich mit:” Ich fahre ins Krankenhaus. Ich will Schluss machen mit einer Trinkerei!” Ungläubiges Erstaunen als Reaktion. Dann kommt eine Kollegin, die schon “Bescheid weiß” hinzu und wünscht mir alles Gute. Auch das beflügelt.

    Ich fahre los mit meinem in letzter Minute trockengelegten Auto und natürlich verfahre ich mich. Weil ich aber für die 30 Minuten Fahrtzeit das Dreifache eingeplant habe ist das kein Problem, zumal ich nur einen kleinen Umweg nehmen muss. Je näher ich meinem Ziel komme, umso ruhiger werde ich, ja, ich verspüre sogar so etwas wie Freude. Weil ich endlich etwas unternehme? Mich nicht mehr verstecke? Weil ich´s satt habe, so nicht weiter machen will, ja kann? Sei´s drum- ICH KOMME!!!

    Auf dem Gelände muss ich suchen. Ich habe mir zwar beschreiben lassen, wo ich hin muss und wie das Gebäude aussieht, aber ich war ja lange nicht mehr raus gekommen.

    Schließlich suche ich mir einen Parkplatz und gehe zu Fuß auf die Suche. Bald finde ich Gebäude und auch die Station und...

    …ich platze mitten in eine Art Besprechung. Eine gutes Dutzend Leute sitzen zusammen - wie Kinder beim Spielen im Kreis- und ich glaube ausmachen zu können, wer das Sagen hat. Sieht nach einem Arzt und zwei Schwestern aus. Zwar ohne Kittel, doch mit Namensschild, aber irgendwie unterscheiden diese drei sich von den anderen.

    Alle gucken mich neugierig an (!!!) und eine Schwester kommt zu mir. Ich erkläre, warum ich da bin und werde in´s Aufnahmebüro geschickt. Formalitäten- ich unterschreibe alles.

    Mit den Papieren zurück und dann zum Schwesternzimmer auf die Station. Die Runde hat sich aufgelöst, die vermeintlichen Patienten sitzen an Tischen, erzählen, lesen, rauchen, trinken Kaffee (und gucken mich an!!!)

    Eine Schwester kümmert sich um mich. Fragen: Wann zum letzten Mal getrunken, wie viel, wie lange, wie hergekommen (“das Auto dürfen sie hier nicht bewegen wg. der Versicherung“), Medikamente (ich nahm eine ganz geringe Dosis Blutdrucksenker), Blutdruck messen (zu Beginn ein wichtiger Wert), sonstige Drogen (Drogen??? Hab doch nur …) und…

    “warum sind sie hier?” (die Frage wundert mich) “weil ich mit der Trinkerei aufhören will”

    … zum ersten Mal in meinem Leben muss ich Pusten. 0,05 Promille hab ich noch (peinlich, peinlich) “Wenn sie auf Null sind, dürfen sie zu den anderen” sagt sie… “…Gleich wird der Doktor sie untersuchen, …hier dürfen sie rauchen, …wo haben sie denn ihr Gepäck?” - “Im Auto”.

    “Das ist aber schlecht-

    SIE DÜRFEN DIE STATION ZWEI TAGE NICHT VERLASSEN!”

    unterwegs...

  • Hallo Kommal,

    da muss ich aber schmunzeln. :lol:

    Na da bin ich aber gespannt.

    MLG Marion

  • “Das ist aber schlecht-

    SIE DÜRFEN DIE STATION ZWEI TAGE NICHT VERLASSEN!”

    Das wusste ich natürlich, weil mir auch das am Telefon gesagt worden war. (Was mir in dem Moment noch nicht klar war: Die Entscheidung über Ausgang traf der Stationsarzt. Es war Freitag- und am Wochenende ist nur der Arzt vom Dienst da, für Notfälle).

    Der Stationsarzt ruft mich in sein Zimmer. Er liest, was die Schwester niedergeschrieben hat, untersucht mich und stellt weitere bzw. tiefer gehende Fragen. Über die Frage nach dem Tagesdatum bin ich so überrascht, dass ich mich um einen Tag vertue. Das ist aber kein Drama.

    Auch die “Sperrzeit” erklärt er mir. Sie dient zu meinem eigenen Schutz, damit bei einem Krampfanfall oder ähnlichen Zwischenfällen schnell Hilfe zur Stelle ist- für mich. Ich erzähle ihm meinen Wochenablauf bzw. Wochenabsauf und weise ihn auf das bevorstehende Wochenende hin, insbesondere darauf, dass ich ja Freitag mittags den ersten Vollrausch eingeläutet habe.

    Da ich körperlich recht fit bin und auch organisch nichts krankhaftes vorliegt, begnügt er sich damit, mir den Blutdrucksenker weiter zu geben. Allerdings mit einer höheren Dosis. “Wir müssen den auf XXX kriegen!”

    Damit bin ich entlassen, bekomme noch eine Flasche Mineralwasser (“eine pro Tag”) und rauche mir auf dem Flur erst mal eine Zigarette. Die Schwester zeigt mir mein Zimmer (“hier gibt es nur Doppelzimmer, aber im Moment sind sie alleine”). Hierbei wurde mein aktuelles Problem noch aktueller: Mein Gepäck war ja noch im Auto. Nach kurzer Beratung im Stationszimmer kommt sie mit zum Wagen und ich öffne in ihrem Beisein den Kofferraum.(und war in dem Moment mehr als erleichtert, dass ich am Abend vorher noch “entrümpelt” hatte- ich war wirklich mächtig froh!!!).

    Mein Gepäck wird durchsucht wie angekündigt. Ich habe nichts zu verbergen, bei Zahnpasta, Rasierwasser und Deo hab ich aufgepasst, dass sie alkoholfrei waren.

    "Abendessen ist um 18 Uhr", bekam ich als Information noch mit und dann packte ich meine Sachen aus. Ich war allein und hatte Zeit nachzudenken. “Erst mal Lüften” dachte ich mir, doch das Fenster ging nur einen Spalt auf. Ich fragte bei der Schwester nach und die erklärte mir: “Das ist wegen der Fluchtgefahr:” Das fand ich zwar seltsam, aber ich fügte mich den Tatsachen (wie so oft in der Folgezeit).

    Vielmehr beschäftigte mich die Frage, was am Nachmittag mit mir passieren würde, wenn normalerweise mein Wochenendbesäufnis beginnt. Es war mehr Neugier als Angst, die sich bemerkbar machte. Ich versuchte mich abzulenken und nicht ständig auf die Uhr zu schauen. Ich fühlte mich sicher und gut aufgehoben. Um´s kurz zu machen: Es passierte Nichts. Ein leichtes Zittern zwar, aber das kannte ich schon. Es wurde 18 Uhr, aber niemand holte mich zum Essen. So blieb ich auf meinem Zimmer, las ein wenig und ging hin und wieder auf den Flur um zu rauchen.

    Die anderen saßen zusammen, rauchten, unterhielten sich oder sahen fern.

    Niemand kam, ich war allein.

    ZEIT ZUM NACHDENKEN…

    unterwegs...

  • Niemand kam, ich war allein.

    ZEIT ZUM NACHDENKEN…

    Samstag Morgen- Frühstück. Die Tische sind gedeckt- wer das wohl gemacht hat? Ich fragte, wo ich mich setzen kann und eine Patientin antwortete: “Wo Platz ist”. Da nahm ich gleich bei ihr Platz, war ja gerade eine nette Unterhaltung. “Frühstück und Abendessen machen wir selber, Mittagessen kommt, für die, die noch nicht raus dürfen” erklärte sie mir. Also frühstückte ich, hörte den Gesprächen zu und wusste nicht, was ich sagen soll. Danach wollte ich helfen, das Geschirr in die Küche zu bringen, aber ich wurde ausgebremst: “Das macht der Tischdienst. Wird alles einmal in der Woche eingeteilt”. - AHA -

    Ich zog mich wieder auf mein Zimmer zurück (später lese ich in meinen Entlassungspapieren, dass mir daraus eine “Anfangsdepression” diagnostiziert wurde), bis eine Schwester mir am Nachmittag sagte, ich sollte mich doch zu den anderen setzen.

    Es war nicht leicht, hier ins Gespräch zu kommen. Niemand sprach mich an (na so was!) und ich hörte erst mal zu. Die meisten schienen sich zu kennen und waren offenbar nicht zum ersten Mal hier. Haarsträubende Saufgeschichten machten die Runde, aber auch Gespräche über Alltagsorgen, Ängste, Hoffnungen.

    Meine Frage nach Ausgang beantwortete die Schwester mit dem Hinweis auf die werktägliche Arztvisite. Draußen war das schönste Wetter, das Krankenhaus lag im Wald und ich konnte, nein ich durfte nicht raus. Ein neues Gefühl des Eingesperrt seins. Zuhause WOLLTE ich ja nicht raus, hab mich ja selbst isoliert (und bemerke gar nicht, dass ich das hier ja wieder machte). Ich wollte mich bewegen, laufen… ja, was eigentlich? Ich stehe an der Türe, schaue nach draußen. Was will ich denn? Was will ich hier? - Und danach??? Erst mal nach draußen!

    Also blieb mir nichts anderes übrig, als meine Scheu zu überwinden und meinen Platz in dieser Gruppe zu finden.

    ICH MUSS AUF DIE LEUTE ZUGEHEN!

    Leichter gesagt, als getan: Ich bemerkte bald, dass es mehrere Gruppen waren.

    Der kleinsten gehörte ich an: Die “Frischlinge”- zum ersten Mal hier und desorientiert. Und ziemlich naiv, wie ich in den nächsten Tagen lernen sollte.

    Die andere Gruppe bestand aus alten Hasen (den Begriff “Drehtürpatienten” hörte ich erst später). Die, die sich hier auskannten, organisierten, ja teilweise fast schon ihr zweites zu Hause hier hatten. Natürlich waren auch die sich nicht alle “grün” und so hatten sich wiederum zwei Gruppen gebildet- der Altersunterschied machte sich bemerkbar und dabei auch das Bemühen darum, wer “das Sagen hat”. - Machtkämpfe

    Bald aber fand ich mich besser zurecht und fühlte mich aufgenommen, obwohl mir einiges unwirklich, rätselhaft vorkam.

    Auf die menschlichen Ereignisse in dieser Zeit möchte ich nicht im Detail eingehen. Es waren vielfältige Eindrücke:

    Frauen und Männer vom jugendlichen Alkoholiker über den sechzigjährigen abhängigen Tablettendealer bis hin zum 50 jährigen, der “Korsakow” hatte, Hausbesitzer und Obdachlose, Arbeitslose und ein Doktor, Arbeiter und Beamte, Mütter und Töchter, Väter und Söhne, Omas und Opas- in der Entgiftung wurde mir hautnah bewusst, dass der Alkoholismus keine gesellschaftlichen Grenzen kennt. Ich erlebte, was der Alkohol aus Menschen machte- nein, was Menschen mit Alkohol aus sich machten.

    Ich erlebte aber auch, wie einfühlsam, geduldig, hilfreich, disziplinierend, motiviert und motivierend das Personal war. Ich fühlte mich gut aufgehoben, hatte Vertrauen in diese Menschen.

    Die Eindrücke haben meinen späteren Weg stark geprägt und ich möchte diese Zeit nicht missen, so hart sie teilweise war bzw. das dort erlebte menschliche Leid.

    Ich verliebte mich (das glaubte ich damals jedenfalls) in eine Mitpatientin (auweia) und die Geschichte endete nach Wochen ziemlich dramatisch: Sie war mehrfach abhängig, nahm offenbar während ihrer Therapie, die sie dort inzwischen begonnen hatte Medikamente und viele meinten später, sie hätte mich nur ausgenutzt. (Heute weiß ich, wie Liebe ist)

    Zum Glück hatte ich in dieser Zeit regelmäßig Gespräche mit meiner Beratungsstelle und ich überstand diese Krise heil- nämlich ohne zu trinken.

    Entzugserscheinungen hatte ich kaum. Schwitzen in der ersten Nacht, leichtes Zittern, das ließ aber nach kurzer Zeit nach. So brauchte ich auch- bis auf das Blutdruckmittel- keine Medikamente. Das erleichterte meinen Aufenthalt, weil ich freier in meiner Zeitgestaltung war.


    Der Montag kam und damit die Arztvisite. Der Doc gab sein o.k und ich durfte raus!


    Und im Fernsehen verfolgten wir die Berichterstattung über die Fußball- WM:


    SPIELE, KOMMENTARE, FEIERNDE FANS

    unterwegs...

  • Hallo Kommal

    Weisst Du wie ich mich hier nach Deinen Berichten immer fühle :

    Wie ein 5 jähriger, der die letzte Seite im Comic Heft zugeschlagen hat und ds steht nur "Fortsetzung folgt" unter dem letzten Bild aufdem ein Rot Blau gekleideter Mann von Kryptonit angestrahlt wird

    :wink:

    Schreibe bitte weiter ... 8)

  • Hallo Kommal,

    bin grad auch durch Zufall hier gelandet und Du hast mich mit Deinem Bericht gefesselt, das ich alles lesen musste.

    Sitze nun also auch hier im Kreis der fleissigen Mitleser und warte gespannt auf Fortsetzung..

    Liebe Grüsse
    Bine

  • Und im Fernsehen verfolgten wir die Berichterstattung über die Fußball- WM:


    SPIELE, KOMMENTARE, FEIERNDE FANS


    Diese Bilder sollten mich in den nächsten Wochen begleiten. Dazu die euphorische Stimmung im Land, Autos mit Fähnchen, leergefegte Straßen, wenn “unsere” spielten, Public Viewing usw.

    Aber zunächst war ich ja hier. Der Montag kam und damit das o.k. vom Doc für meinen Ausgang. Den nutzte ich natürlich gleich- ein herrliches Gefühl, wieder raus zu können.

    Der Tagesablauf auf der Station war durch die drei Mahlzeiten grob strukturiert. Frühstück und Abendessen machten wir selbst, hierzu gab es eine kleine Küche mit Kühlschrank, Herd und Spülmaschine. Das Mittagessen wurde in einem Speisesaal auf dem Gelände eingenommen. Hierhin gingen wir in der Gruppe und hatten auch “unseren” Tisch.

    Nach dem Frühstück gab es täglich das Morgengespräch. Her erzählte jeder, wie es ihm ging, wie die Nacht war, was er/sie tagsüber vor hatte (Arzttermine, Beratungsstelle…, Klinikaktivitäten).


    Dann folgte die Arztvisite in der Gruppe, bei Bedarf (melden!) auch einzeln.

    Nach dem Mittagessen war Medikamentenausgabe. Und Einnahme, d.h. die Medi musste im Beisein der Schwester eingenommen werden. Hier gab es nämlich auch Medikamentenabhängige. Mein Blutdruck war nach kurzer Zeit im normalen Bereich, so entfiel für mich das Schlange stehen zum Dessert.

    Einmal pro Woche wurden die “Dienste” eingeteilt, je nach Aufgabe begehrt oder weniger beliebt.

    Küchendienst: Vor- und Nachbereiten von Frühstück und Abendessen, Bestellung von Lebensmitteln bei der Schwester.

    Tischdienst: Tische im Speiseraum decken und abräumen.

    Tafeldienst: Morgens das Tagesprogramm auf die Tafel schreiben und bei Änderungen aktualisieren.

    Blumendienst: Gießen der Grünpflanzen auf der Station (die konnten einem manchmal leid tun).

    Patientenbetreuung: Den “Neuen” den Ablauf erklären und die Räumlichkeiten zeigen, wenn sie aufnahmefähig waren. Evtl. das Essen auf´s Zimmer bringen und Wünsche notieren für den …

    Einkaufsdienst: Zu dritt (Immer bei Verlassen des Geländes Richtung Stadt!!!) im nächsten Supermarkt einkaufen. Jeder konnte seine Wünsche äußern- Vorkasse.

    Wöchentlich geb es einen Vortrag vom Stationsarzt über die körperlichen Folgen des Alkoholismus. Themenvorschläge und Fragen erwünscht. Hieraus entwickelte sich oft ein intensives Gespräch bzw. Diskussion. DAZU hatte jeder etwas beizutragen. Meistens begann es mit: “Ich kenn da einen…” Ich hörte neue Begriffe wie “Varizen“ oder “Korsakow“, die mir in den nächsten Monaten nicht nur als Worthülsen begegnen sollten.

    Ein bis zweimal wöchentlich konnten manche zur Ergotherapie. Die Teilnehmer wurden von der Schwester und dem Doc ausgewählt. Die körperliche Verfassung, eine evtl. anschließende Therapie, Gruppenfähigkeit waren u.a. Faktoren, die eine Teilnahme rechtfertigten. Und der Wille. “Keiner MUSS hier mitmachen” war die Vorgabe des Personals.

    Sport wurde wöchentlich betrieben (nur wer konnte). Es gab verschiedene Fitnessgeräte, an denen wir uns unter Anleitung betätigen konnten. Hier merkte ich recht schnell, wie ich mich körperlich zugrunde gerichtet hatte. Obwohl ich bei meiner Arbeit den ganzen Tag auf den Beinen war und auch Lasten bewegt hatte- Kraft: Null, Kondition: Null! Was war aus dem ehemaligen Leistungssportler geworden? Ich war schockiert und angestachelt zugleich. Hier konnte ich ansetzen, mein (gesunder) Ehrgeiz war geweckt. Nicht auf dem Hometrainer vor dem Fernseher, wie mancher sich dort vornahm- nein, ich wollte raus. Mit dem Fahrrad wie früher die Landschaft erfahren. Jedes Mal ein paar Kilometer mehr. Das Rad stand bereits zum Generalcheck in der Werkstatt- da hatte ich vorher dran gedacht (?!?).

    In der Entgiftung machte ich auch eine ganz neue Erfahrung: Zweimal in der Woche wurde “Muskelentspannung nach Jacobsen” angeboten. Zunächst war es ungewohnt, in der Gruppe so “komische Dinge” zu tun (was soll das auch bringen), doch bald merkte ich, dass sich durch die regelmäßige Wiederholung durchaus ein positiver, entspannender Effekt einstellte. Das tat richtig gut! Manche schliefen dabei sogar ein (was natürlich nicht der Sinn der Übung war). Vor dem Einschlafen machte ich fortan meine Übungen und behielt das auch zuhause bei.

    Freitags und montags gab es die “große Runde”. Im Prinzip wie die Morgenrunde, jedoch mit größerer Besetzung: Schwestern, Doc, Sozialarbeiter. Freitags blickte jeder auf die Woche zurück: Was wollte ich tun, was hab ich getan, wie geht´s mir jetzt? Und die Frage die freitags angesichts zweier freier Tage alle bewegte:

    WAS MACHE ICH AM WOCHENENDE?

    unterwegs...

  • Hallo Kommal,

    ich komm dich jetzt auch mal hier besuchen.

    Danke für deine Geschichte. Es macht wirklich Spaß sie zu lesen.

    Liebe Grüße Sabine.S

    Nicht ärgern nur wundern!

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