Als Co bedeutet Trennung auch Entzug-Was bedeutet das?

  • Hallo Ihr,


    ich habe gerade bei Ette folgendes gelesen:

    Zitat

    Wenn ich hier immer wieder die Geschichten lese, in denen es heißt, ich kann nicht ohne ihn, ich will ihn nicht verlassen, fallen mir all meine schlimmen Tage wieder ein, in denen ich wie ein Junkie auf Entzug hinter „meinem Alki“ herjammerte. Na ja, Entzug war es ja auch. Schließlich ist meine „Suchtmittel“ der Mensch gewesen, mit dem ich lebte.


    Was bedeutet es für uns, welche Einsicht bedarf es bei einer Trennung, welche Handlungen sind erforderlich, um die Entzugserscheinungen, wie das ständige Erwarten eines Anrufs, Sms schicken wollen etc., zu mildern, sie dann mit neuen Verhaltensmustern zu ersetzen?

    Ich freue mich auf Eure Ideen.

    Lieben Gruß

    S.Käferchen

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous (9. März 2009 um 18:38)

  • Liebe S. Käferchen,

    es ist relativ leicht, zur Einsicht zu kommen, dass eine solche Beziehung ungesund ist und mir schadet. Die Einsicht allein hilft noch nicht, solange ich noch süchtig danach bin zu leiden und verletzt zu werden. In der Phase der Trennung kommt Klärungsbedarf hoch, was mit einem nassen Alkoholiker nicht möglich ist. Die Einsicht ist zwar vorhanden, doch unser inneres schreit nach Einsicht seinerseits, er soll sich entschuldigen, bereuen uns vermissen, wir wollen ihn bestrafen und verachten und warten auf eine Nachricht, um ihn erneut abweisen zu können und sehnen uns paradoxer Weise auch noch nach ihm. Wenn immer wieder Kontakt zu Stande kommt, denn beide Seiten sind süchtig nach diesem ambivalenten Spiel, auch wenn es schon lange keine Liebe mehr ist, so kann man zumindest noch gegenseitigen Hass und Verachtung aufrechterhalten, steigert man sich erneut in die Suchtspirale hinein. Fälschlicherweise glaubt man, ohne ihn nicht leben zu können und die Wunden können nicht ausheilen.
    Meiner Meinung nach ist es eine Frage der Zeit und der Überwindung zur Abstinenz, damit sich ein neues Bewusstsein einstellen kann, das uns unseren Anteil aufzeigt, und wie wir mit unseren Bedürfnissen, unserem Schrei nach Liebe anders umgehen können.

    Die Handlungen sind auch bekannt, sich neu orientieren, etwas für sich tun, neue Interessen, ein Hobby pflegen etc.... doch solange man sich in dem neuen Bereich noch nicht stimmig und befriedigend gefunden hat, ist das Unterbewusstsein weiterhin gefährdet, sich von der dunklen süchtigen Seite angezogen zu fühlen. Dort kennen wir uns aus, in dem bekannten Unglück. Das unbekannte Glück ist fremd und scheint nicht verlockend zu sein. Solange der Selbstzerstörungstrieb noch stärker ausgeprägt ist als der Selbsterhaltungstrieb, sind wir weiterhin gefährdet. Das kann bewusst sein, die größte Schwierigkeit scheint in der Umsetzung zu liegen.

    Der Weg dorthin, kann wohl nur im üben, üben und nochmals üben liegen, und zwar solange, bis sich die alten Muster auflösen können und Platz für Neues entsteht, das sich gesund und stimmig anfühlt. Es reicht nicht zu sagen, ich brauche das alte Muster nicht mehr, solange wir nicht frei davon sind. Der Weg in die Freiheit, ist ein langer schmerzhafter Prozess mit vielen Rückfällen, wie man genau dort hinkommt, kann ich nicht beantworten, zumindest bin bisher nur in Teilbereichen dort angekommen und wünsche mir für die Zukunkt, eines Tages sagen zu können, ich habe mal co.-abhängig geliebt und hielt diesen Zustand für Liebe.

    Lieben Gruß Laurina :wink:

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

  • Liebes Käferchen,
    ich bin zwar nur Strohwitwe, aber auch mit dem Alleinsein und "Entzugserscheinungen" beschäftigt.

    Die größte Herausforderung ist für mich, mit diesem Vakuum zurechtzukommen.
    Er ist weg, kümmert sich um sich, sein Leben, seine Sucht.
    Ich bin hier, im Alltag und viel mit mir allein.
    Manchmal ist es gut, mich durch irgendwelche Übersprungshandlungen abzulenken(Putzen, Hin und Herräumen, Ausmisten).
    Aber mir gelingt das nicht so richtig, weil ich so hibbelig bin.
    Ich hänge zwischen den Leben.
    Das alte ist vorbei, das Neue noch nicht da.
    Ich verfalle oft chaotisch in blindem Aktionismus und komme nicht zur Ruhe.
    Sitze ich auf der Couch, springe ich nach fünf Minuten wieder auf und fange irgend eine Tätigkeit an, um wiederum fünf Minuten später zur nächsten Tat zu schreiten.
    Dazwischen schnell vor die Kiste, im Forum gestöbert.
    Und wieder schleicht sich diese Leere an.

    Einerseits geniesse ich die Ruhe nach diesem ganzen Wahnsinn, andererseits kann ich es kaum erwarten, bis der neue Alltag mit meinem trockenen Mann endlich losgeht.

    Ich glaube auch, dass das Alleinsein geübt werden will.
    Diese Leere mal auszuhalten, mal mit, mal ohne Ablenkung.

    Emotionen, die nach einer Trennung hochkommen sind Kräfte, die konstruktiv umgewandelt werden können.

    Wut ist z.B. ein guter Motor, zu einem gesunden Egoismus zu finden und vielleicht stillgelegte Träume oder Hobbies rauszukramen und auszuprobieren.

    Immer, wenn Entzugserscheinungen auftreten, hilft es mir, vergangene Szenen revuepassieren zu lassen und ich bin geheilt.

    Hilfreich ist bei aufkommenen Zweifeln nach einer Trennung auch die Frage:
    Was wäre die Alternative gewesen?

    Ich weiß, ich stecke in einer komplett anderen Siuation als diejenigen, die eine Trennung hinter sich haben.
    Aber für mich ist es essentiell wichtig, autark zu werden, damit ich nicht mehr von meinem Mann erwarte, meine Leere auszufüllen.

    LG
    Thelma

  • Hallo Käferschen,

    guter Ansatz, hier eine Art Werkzeugkiste gegen Co-Rückfälle zu starten. Ich gestehe, dass ich mir seinerseit die Anti-Rückfall-Werkzeugkiste der Betroffenen in meiner realen SHG zu eigen gemacht habe. Denn letztendlich waren meine Rückfälle bzw. die Zeit davor nix anderes als das Craving, dass die abhängig Trinkenden beim Trockenwerden immer wieder mal packt.

    - Die Situation verändern, d. h. nicht jammernd irgendwo in der Ecke sitzen, sondern spazierengehen, baden, kochen, laute Musik anmachen und tanzen, telefonieren, u.s.w.

    - Erinnerungsstücke eliminieren, Briefe und Bilder entweder in den Keller oder ganz wegwerfen. Andere Spazierwege gehen als mit ihm zusammen gegangen wurden.

    - Mit Gedankenstopp arbeiten und wirklich laut stopp sagen, wenn wieder einmal die wehmütigen Sehnsüchte auftauchen, die vorgaukeln, dass es so schlimm ja gar nicht war.

    - Mich mit meiner eigenen Abhängigkeit EHRLICH befassen. Nicht nur sagen, ich bin co-abhängig, sondern die Co-Abhängigkeit als Abhängigkeit ernst nehmen.

    - Mich nicht mehr als Opfer sehen dessen, was "er" mir angetan hat. Ich habs schließlich mit mir machen lassen, also die eigene Verantwortung an der ganzen Geschichte für mich annehmen, weil ich dann auch in der Lage bin, für mich anders zu entscheiden als bisher.

    - Mir immer wieder vor Augen halten, was ICH will und reflektieren, ob das das ist, was ich mit ihm kriegen konnte.

    - Mir, wie ein "Alki", darüber klarwerden, dass das Craving auch wieder weggeht und ich nur ein wenig aushalten muss, bis dieser Moment da ist.

    Das sind so für mich die wichtigsten Schritte gewesen, andere Gedanken und somit im Laufe der Zeit ein anderes Empfinden zu bekommen. Natürlich ging das nicht von heute auf morgen, aber jeder Tag wurde ein wenig leichter.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • P.S. Und ganz wichtig: NICHT NUR SAGEN; ICH BIN CO-ABGÄNGIG UND ARBEITE DARAN, sondern es auch WIRKLICH und AKTIV tun.

    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Ette, kannst du mir das nochmal erklären, was du dir genau vorstellst, wenn du sagst:
    Und ganz wichtig: NICHT NUR SAGEN; ICH BIN CO-ABHÄNGIG UND ARBEITE DARAN; sondern es auch WIRKLICH und AKTIV tun.

    Die Liste hat mir gut gefallen, obwohl ich es nie übers Herz bringen würde, meine Fotos wegzuschmeißen. Er ist doch nun mal ein wichtiger Teil meines Lebens gewesen.
    Aber die anderen Dinge kann ich mir gut vorstellen.

    Meine Strategie war bisher:
    aufschreiben, was war.
    Bilanz ziehen, schriftlich.
    Das Positive nicht ausblenden, aber das Negative überwiegt einfach ganz klar.

    Doro

  • Liebe Ette,

    danke für Deine angeführten Möglichkeiten, habe sie mir zweimal durchgelesen und finde alles sehr passend und richtungsweisend.

    Mir fällt dazu noch ein, dass sich mit dem Ausstieg vom Partner auch das Umfeld verändert.
    Ich habe inzwischen viele neue Bekanntschaften aus dem Bereich meiner Angehörigengruppe kennengelernt. Neben meiner Gesprächsgruppe gehe ich in eine Tanzgruppe und werde demnächst an einer Theatergruppe teilnehmen.
    Die Menschen, die selbst auf dem Weg sind, sind weitaus offener und authentischer in Bezug auf ihre Gefühle, dort muss niemand um Anerkennung buhlen oder sich verstellen.
    Außerdem werden viele Seminare angeboten. Früher konnte ich an einem Wochenendseminar nicht teilnehmen, weil ich keine Ruhe und ihn nicht unter Kontrolle hatte. :lol:

    Wenn möglich, sollte man die Telefon- oder Handynummer ändern, um in einer stillen, einsamen und schwachen Stunde nicht zu diesem Strohhalm zu greifen. Dieser kurze Augenblick des vemeintlichen Glücks ist nur eine berauschende Phantasie, die im Ergebnis nicht satt macht.

    Lieben Gruß Laurina :wink:

    Hinter jeder Sucht steht eine Sehnsucht, hinter jeder Sehnsucht steht eine Hoffnung.

  • Hallo Käferchen,

    für mich bedeutete das erstmal, daß alle die mir zum Trennschmarren rieten einen weg hatten. Wie sollten die Weicheier auch wissen, was ich für ein starker Kerl war, da muß man nur hier und dort und schon ist alles wieder im Lot, denn Co-Abhängige verfügen über besondere Fähigkeiten.

    Bis das Lot irgendwo rum baumelte wo es nicht hingehörte, denn was ich nicht mitbekam war, daß ich die Probleme egal was ich machte mitnahm, sie waren in mir, ich war das Problem. Einsehbar war das für mich lange nicht.

    So wie der Alkoholiker sich von jedem Tropfen fern hält, um dauerhaft eine neue Lebensrichtung einzuschlagen, um das Hirn klar zu bekommen und wenn es noch so lange Monate dauert, bis er erstmals alleine ein Geschäft aufsucht, ist es für den Coabhängigen nicht anders, nur sein Suchtmittel ist aus Fleisch und Blut, schläft oft Seite an Seite und ist in greifbarer Nähe, gepaart mit Lust und Entzug.

    Respekt, wer sich da schnell oder mal eben so wieder zu recht findet. Mir war das nicht möglich, dazu brauchte ich Zeit. Zeit um mich anzunehmen und zu lieben wie ich bin. Zeit um den Partner nicht nur körperlich loszulassen, sondern auch aus dem geistig Greifbaren zu entlassen. Noch mehr Zeit, um Menschlichkeit von Abhängigkeit zu unterscheiden.

    Die Halbwertzeit scheint mir eine gute Formel, über die ich mal lachte und mich hinwegsetzte, um immer wieder von vorne anzufangen. Dieses Jahr werden sich die schönen Jahre mit den weniger schönen Jahren treffen. Für die ganze Zeit bin ich dankbar, sie ist wertvoll und ich möchte sie heute nicht mehr missen.

    LG Kaltblut

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Zitat von Doro

    Hallo Ette, kannst du mir das nochmal erklären, was du dir genau vorstellst, wenn du sagst:
    Und ganz wichtig: NICHT NUR SAGEN; ICH BIN CO-ABHÄNGIG UND ARBEITE DARAN; sondern es auch WIRKLICH und AKTIV tun.

    Doro

    Hallo Doro,

    ganz einfach: Genauso, wie wir oft sagen, ich weiß ja, dass es falsch ist, helfen zu wollen, aber ich liebe ihn so, sagen wir auch gern den oben angeführten Satz. Und deshalb nur mein Hinweis, dass es nicht nur ein Lippenbekenntnis sein darf, unsere Co-Abhängigkeit anzuerkennen.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Für mich bedeutete es eine nie gekannte Ruhe - vielleicht sogar eine, an die ich mich gewöhnen musste.

    Vorbei die beständigen Sprünge auf einem Riesentrapez. Zu Boden geschmissen wenn Wutattacken an der Tagesordnung waren, in die Luft gewirbelt wenn es so schien, als wäre Normalität eingekehrt. Entzug vom ständigen auf- und ab, das mein Körper mit Krankheiten beantwortete.

    Ja es ist Entzug! Glasklar bei mir! Je weiter er weg war, desto mehr sehnte ich mich nach meiner Illusion. Stand der Wutbrocken vor der Türe oder suchte er Kontakt, so war auch das schon eine Ohrfeige, weil das, was da stand, das wollte ich auf keinen Fall....

    Entzug von vielen Worten, denen keine Taten folgten. Worte, die oftmals verlogener waren als die Prognosen für Sommer oder Winter.

    Entzug heisst endlich frei zu sein von Vorhaltungen gegenüber dem anderen weil sein Leben mich nicht mehr beeinflußt. Wut und Hassgefühle entdlich zu überstehen, weil keine Präsenz mehr da ist, die mich wütend oder traurig macht. Aber es ist Entzug...

    Ja, der seelische Entzug dürfte dem körperlichen sehr ähnlich sein, den ein Alkoholiker überstehen muss: schlechte Nächte, schlimme Träume, Angstgefühle und Zukunftsängste.

    Entzug bedeutet aber auch dass Belastungen entzogen werden, die wir vielleicht nicht als Belastungen verspürt haben. Dinge, die wir als Zugeständnisse ertrugen, der Form halber um das Deckmäntelchen weiterhin zu bedecken über seine Sucht und unsere Untertützung der Sucht.

    Entzug bedeutete für mich kein TV mehr während des Schlafens - Entzug bedeutete kein Schnarchen mehr hören zu müssen, wegen erhöhtem Alkoholspiegel - Entzug bedeutete keine Hochspannung mehr, die beim absinken fast mein persönliches Kraftwerk entladen hat.

    Entzug verbinde ich mit negativem! Wenn ich es in Bezug auf meine Beziehung und meine Veränderung annehme, dann wurde mir negatives für mein Leben entzogen. Belastungen, von denen ich meinte, mein Gott, so kleinkariert kannst Du doch nicht sein, durfte ich endlich als Belastung sehen und ablehnen. Entzug bedeutet für mich nicht mehr kooperativ zu sein nur um meine Gesundheit zu schützen oder vielleicht eine bereits "verseuchte" Beziehung als Virenträger weiterhin am Leben zu erhalten.

    Nein, ganz entzogen habe ich noch nicht. Die Gedanken wandeln immer wieder um mein Suchtmittel. Ruckzuck bin ich wieder (wie wohl ein stofflich abhängiger) an einem Ort der mir Erinnerungen bringt. Aber entgegen meiner ersten Phase im Entzug, wo mich mein Gift noch anfassen, erreichen und umwerfen konnte, so ist das mir gefährliche Gift nun so weit entfernt, dass es mich nur erreichen könnte wenn ich einige Schritte auf mein Gift zugehe. Was ich hoffentlich nicht tun werde!
    Nein, derzeit ist dann meine Aufgabe, wenn die Gedanken in Richtung "Verschwendung" gehen zu mir zu sagen, halt es gibt so viele schöne und sinnvolle Dinge in der wenigen Zeit, die Dir verbleibt, schicke den schlechten Jahren nicht auch noch weitere Minuten dazu aus dem jetzigen Leben.

    Entzug bedeutet für mich in den Hintergrund zu stellen was war und mich auf das konzentrieren was heute ist.

    Aushalten - durchhalten - entziehen. Verlangen wir das nicht auch von einem Alkoholiker? Erwarten wir nicht, dass ihm die Beziehung zu uns so viel wert ist, dass er von seiner stofflichen Sucht Abstand nimmt?

    Warum also, soll unser Entzug leichter sein als der "Seinige"?

    Erwarten wir nicht vom Alkoholkranken, dass er seinen Entzug mit Hilfe von Fachleuten überwindet und in Therapie geht? Dann also gilt für mich ich möchte selbiges erst mal selber ausprobieren um überhaupt zu wissen, wovon ich spreche. Es ist leicht zu sagen "mein Ex hat mir dieses oder jenes angetan, dabei ist er nüchtern doch ganz anders". Wie bin ich denn nüchtern????

    Bin ich vielleicht auch wenn ich auf Entzug bin wüten oder aggressiv? Ich persönlich war traurig und hatte nicht mehr die Kraft für Wut oder ähnliches. Aber mit welchem Recht habe ich persönlich einen Vorwurf gestartet über die Veränderung der Psyche, wo doch meine sich auch schon geändert hatte und erst durch einen "Entzug" eventuell wieder gesunden kann?

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Danke Dagmar

    was du geschrieben hast is so einleuchtend für mich.
    Ich hab von meinem Mann erwartet, daß die Familie wichtiger ist als der Alkohol. Aber für mich war mein "Suchtmittel" Mann auch wichtiger als meine Kinder. Ich hätte ihnen eine bessere, "nüchterne" Mutter sein können.
    Allein dieser Gedanke hilft mir enorm. wenn Entzugserscheinungen kommen.

    julchen

  • Hallo,

    es sind ja schon tolle Gedanken hier zusammengekommen. :lol:

    Besonders die Auflistung von Ette hat mir besonders gut gefallen, weil vieles davon ein Bestandteil meiner Überlebensstrategie war, mein Suchtmittel aus meinem Leben zu verbannen.

    Ganz besonders war es wichtig für mich, wirklich alles aus meinem Auge, aus dem Umfeld zu eleminieren, worauf ich auch in schlechteren Zeiten zurückgreifen konnte, keine Bilder mehr in der Wohnung, gespeicherte Sms etc..
    Natürlich konnte ich nicht alles aus meinem Leben entfernen, denn dann hätte ich fast meine gesamte Wohnung auflösen müssen, aber der Gedanke daran, daß es um mein Leben geht, daß ich die Loslösung wirklich wollte und brauchte, um zu *überleben*, half mir, wirklich zu kapitulieren. Auch ein interessanter und wichtiger Punkt, der schon oft hier, sogar als eigenes Thema, erörterrt wurde.

    Bei kaltblut ist mir noch etwas sehr Wichtiges aufgefallen:

    Zitat

    Für die ganze Zeit bin ich dankbar, sie ist wertvoll und ich möchte sie heute nicht mehr missen.

    Dies ist natürlich eine Aussage, die getroffen werden kann, wenn schon ein großer Schritt schon getan ist, aber für mich dennoch nicht uninteressant.

    Dies ist genau das, was ich erreichen wollte, ein festes Ziel in meiner Phase des Loslassen-wollens: Diesen Teil in meinem Leben, die Sucht in meinem Leben anerkennen, sie als einen Bestandteil in meinem Dasein anzunehmen. Wie oft habe ich am Anfang mein Suchtmittel verflucht, ihm die Schuld zuschieben wollen, es getan....
    Heute spüre ich, daß dies ein wichtiger Bestandteil war, meine Sucht zu erkennen, sie akzeptieren zu können, ohne dabei die Verantwortung meinerseits wegzudrücken.
    Dies hilft mir, mit mir und meiner Erkrankung, und auch mit meinem Suchtmittel, ins Reine zu kommen, Frieden schliessen zu können. Ich brauche ihm keine Schuld mehr in die Schuhe schieben, ihn dafür verantwortlich machen, daß es mir letztes Jahr so schlecht ging, ich an meinen Entzugserscheinungen fast verreckt wäre.

    Die Erkenntnis, die kaltblut hier beschreibt:

    Zitat

    Für mich bedeutete das erstmal, daß alle die mir zum Trennschmarren rieten einen weg hatten. Wie sollten die Weicheier auch wissen, was ich für ein starker Kerl war, da muß man nur hier und dort und schon ist alles wieder im Lot, denn Co-Abhängige verfügen über besondere Fähigkeiten.

    Bis das Lot irgendwo rum baumelte wo es nicht hingehörte, denn was ich nicht mitbekam war, daß ich die Probleme egal was ich machte mitnahm, sie waren in mir, ich war das Problem. Einsehbar war das für mich lange nicht.

    ...
    ist heute für mich Gold wert. :wink:

    Als dieser Zeitpunkt erreicht war, ging es aufwärts. Dazu gehörte es, meine Entzugserscheinung nicht allein zu bewältigen. Wie beim Alkoholiker,der ärztlich betreut wird, gehörte es dazu:

    *viel im Forum geschrieben zu haben (im Geschützten); besonders, wenn der Rückfall kam, ich spürte, ihn anrufen zu *müssen*

    *das Gespräch in meiner Realen

    *keine Ablenkung, sondern aufrichtige Arbeit und Reflektion meiner kranken Anteile, diese anzusehen und dann zu verändern.

    Dazu möchte ich sagen, daß das, was Ette schreibt, wie Spaziergänge, Tanz, körperliche Bewegung, für mich auch wichtig war, aber nicht als Ablenkung, sondern, um mich wiederzufinden. Ablenkung führt dazu, daß ich das Problem weiterhin mit mir rumschleppe und der Rückfall umso schneller kommt.

    *ärztliche Betreuung durch den Therapeuten

    *und immer größer werdenende geistige Loslösung vom Suchtmittel, und sich dem Leben wieder mehr öffnen.


    Die Entzugserscheiningen sind ein Bestandteil unserer Erkrankung. Sich dessen bewußt zu sein, diese auch zu überstehen, als ein Teil unserer Genesung, half mir, die Angst davor zu verlieren. Natürlich taten diese mir sehr weh, aber immer mehr spürte ich auch, warum es mir weh tat: Weil ich mich aufgegeben hatte, und nicht, weil er mir durch seine Sucht weh tat.


    Ich danke Euch schon mal für die tollen Gedanken.

    Lieben Gruß

    S.Käferchen

  • so nun fühle ich mich ertappt.
    sms`en löschen,hab ich noch nicht geschafft.warum? ich lese sie gar nicht mehr,aber irgendwie wollt ich sie behalten.hm
    das werd ich mir durch den kopf gehen lassen.
    auch bilder stehen hier noch,das beeinflusst mich aber weniger,gehört zur vergangenheit die ja gelebt wurde.sind keine portäts,sondern von urlaub mit kids.
    stehen einfach da,ohne grosse beachtung.
    aber handy könnte ich wohl löschen,zumal da steht speicher fast voll und ich lösche immer die neuen sms von freunden.
    sollte ich wirklich drüber nachdenken.und handeln?
    eine woche überlegungsfrist.werds euch mitteilen.

    glg kathrin

  • Das Thema Vergangeinheit-Löschen find ich aber trotzdem irgendwie komisch.

    Abstand ist klar, der muss erstmal sein.
    Aber Löschen?
    Ich meine, es ist doch mein Leben!
    Ich kann doch nicht einfach so tun, als hätte es diesen Mann in meinem Leben nie gegeben.
    Da belüge ich mich doch selbst.

    Ich muss doch auch die Möglichkeit wahren, meine Vergangenheit wieder aufzuarbeiten...

    Und allein für die Kinder muss ich doch Erinnerungen an ihn aufbewahren.
    (Und er wird sowieso möglicherweise wegen der Kinder immer irgendwie Teil meines Lebens sein, notgedrungen.)

    SMS'en ist vielleicht wieder was anderes.
    Aber Briefe und Bilder würd ich nicht wegtun.
    gut, jetzt im Augenblick guck ich mir auch keine an, das ist klar, aber später...?


    Meint
    Doro

  • Hallo,

    Vergangenheit auszulöschen/eleminieren ist natürlich auch ein großer Schritt, aber für mich notwendig.
    Der Gedanke, ich kann doch nicht..., wegen der Kinder...und so...waren bei mir auch vorhanden, aber....

    Ich gehe bei dieser Aussage auch von meiner Erfahrung aus. Mein Partner ist a) nicht der Vater meiner Kinder und b) war für mich ein ganz erheblicher Punkt maßgeblich für diese Entscheidung: Inwieweit ist mein Partner mein Suchtmittel?

    Trennungen laufen ja auch nicht immer gleich ab, aber in meinem Fall war dieser Mensch mein Suchtmittel,mit dem ich nicht umgehen konnte. Da half mir der Gedanke, daß ein Alkoholiker den Alk auch nicht einfach in den Keller stellen kann, denn im Suchtdruck würde er wieder daraufzurückgreifen. So war es auch bei mir. Daher entschied ich ich dafür, alles, was mich in meinem Schmerz, in meinem Entzug belastete, wirklich zu entfernen. Dazu gehörte es, meinen Alltag zu verändern, was die gemeinsamen Gewohnheiten anging, ich mied mein Küchenfenster,a n dem ich immer saß und auf ihn wartete. Ich machte mir einen strukturierten Plan, um alles zu verändern, was ich gewohnheitsmäßig tat, was mich an ihn erinnerte, fuhr andere Einkaufsorte an, fuhr andere Wege, trennte mich von den Dingen, die mir meinen *Suchtdruck* verstärkten.
    Bilder verschwanden, wurden woanders untergebracht(bei meiner Freundin), die sie mir auch nicht gab, ich habe einer anderen Freundin verboten, ihn als Thema zu benutzen, weil mir dies nicht gut tat.

    Heute brauch ich dies nicht mehr, weil mein Abstand, die Loslösung so intensiv stattgefunden hat, daß ich ohne Probleme wieder zum gewohnten Einkaufsmarkt fahren kann, an seiner Strasse vorbeifahren kann, ohne, daß es bei mir Suchtdruck ausübt, aber dies war ein langer und harter Weg, der jetzt ein Jahr her hier.(Ist schon etwas dran, das erste Jahr alles zu meiden, was mich an meine Suchtmittel erinnert)


    Natürlich ist der Gedanke, daß es ein Teil meines Lebens ist, sehr wichtig, man ja deshalb nicht alles vernichten sollte. Das liegt auch bei jedem selbst, aber wenn ich am Anfang stehe, immer wieder spüre, daß ich den Abstand zum Suchtmittel noch nicht aufgebaut haben kann, weil ich noch mitten drinn stecke, kann es nur gut sein, sich alles aus seinem Umfeld zu schaffen,was mich wieder in meine Sucht treibt. Da unterscheiden wir uns als Co-Abhängige nicht wirklich vom Alkoholiker! So sehe ich dies.

    Suchtfreies Umfeld, dazu gehört es auch, keine Emails, Sms zu lesen, diese nicht aufzubewahren. Warum? Als Notanker, immer wieder zu lesen, mich selbst wieder hineinzuziehen, wie *schön* es doch angeblich war? Das ist in meinen Augen Selbstbetrug, den ich selbst viel zu lange betrieben habe....natürlich mit immer *guten* Argumenten...Mich aber noch länger in meinem Strudel festhielt.

    Lieben Gruß

    S.Käferchen

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