Warum machen wir das alles?

  • Hallo, ich bin neu hier. Ich habe in meiner Vorstellung den Titel: BIN ICH VERRUECKT? gewaehlt. Zu dem Zeitpunkt kam ich mir auch so vor. Jetzt nach ein paar Tagen rueckt diese Frage in ein anderes Licht. Ich bin nicht verrueckt und auch nicht all die anderen Co-Abhaengigen. Aber warum unterziehe ich mich (oder wir alle) einem jahrelangen freiwilligen Martyrium? Ich leide, teilweise qualvoll, weiss um die Situation Bescheid, weiss auch, dass ich andere nicht aendern kann usw. usw.. Und trotzdem man haengt oder man klebt an einem Menschen fest,von dem man genau weiss ER AENDERT SICH NIE!! Ist das denn der Preis, der gezahlt werden soll, fuer ein paar schoene Stunden, die man mit dem Partner ohne Alkohol verbringen darf. Im Leben gibt es nichts umsonst. Alles schoene, was mir widerfaehrt, wurde vorher bezahlt. Aber dieser Preis ist einfach zu hoch. Ich bin doch keine Kaffeetasse, die man bei Bedarf aus dem Schrank holt und dann wieder wegstellt. Aber!! ich lasse mich so behandeln. Ich lasse es zu!! Und bei fast allen kann ich lesen "Wenn er nuechtern ist, ist er der beste Mensch auf der Welt". Das scheinen alle Alkoholiker gemeinsam zu haben. Aber die dunkle Seite des Partners ist gravierender, sie mach krank, sie demuetigt. Und trotzdem ich oder wir machen weiter. Warum?? Liebe ist es nicht! Egoismus? Abhaengig? Von was oder wem? Und so gehen die Jahre dahin. Und was bleibt?
    Diese Frage lasse ich jetzt so stehen. Bin gespannt auf die Resonanz.
    Liebe Gruesse

  • Hallo Barcelona
    Ha! Gute Frage...ich habe 20 Jahre ausgehalten...warum?Weil mn mir einetrichtert hat was schönes für SICH SELBST zu wollen, gehört sich nicht. Und...eine gute Frau macht ALLES für die Familie. QUATSCH!. Nur, das wissen wir nicht.
    Und was Du über die paar schönen Stunden schreibst...ich hatte am Ende auch die nicht, weil wenn es schön war, war ich wütend und traurig weil ich wüsste, es sind nur paar Stunden, und ich wusste was danach kommt.
    Somit, hat sich das nicht gelohnt.

    Alles Liebe
    Grazia

    Da, wo du nur eine Spur im Sand siehst, da habe ich dich getragen...

  • Hi und herzlich willkommen!

    Ich bin auch noch nicht lange hier, aber deine Zeilen könnten von mir sein. Ich habe auch geglaubt, dass das Aushalten verschiedener Dinge der Preis für ein ansonsten angenehmes Leben ist. Aber auch ich will und kann diesen Preis nicht mehr bezahlen.

    Warum wir das so lange zulassen? Weil auch wir süchtig und krank sind. Mein erster Schritt war, das zu erkennen. Jetzt bin ich dabei etwas dagegen zu tun. Ich weiss, dass das, was auf mich zukommt nicht leicht sein wird, aber ich weiss auch, dass ich die Verantwortung für mein Leben und mein Glück selbst in der Hand habe.

    Alles Gute und viel Kraft für dich!
    Schneewittchen

  • Hallo Schneewittchen, Du schreibst, dass wir selbst suechtig und krank sind. Das hat mir einen richtigen Stich ins Herz verpasst. Aber in meinem Unterbewusstsein ist es laengst verankert und mein Ego laesst es nicht zu, Selbstkritik zu ueben. Es ist ja auch einfacher andere zu kritisieren als sich selbst. Du bist dabei etwas zu aendern. Sagst Du mir was? Vielleicht kann ich da auch was mit anfangen.

  • Hallo Barcelona
    Resignation...ja. Auf jeden Fall. Ich musste einsehen daß das bisherige Leben und kämpfen NIX bringt ausser Schmerz und Leid.
    Ich habe mich getrennt von allem was bis dato mein Lebensinhalt war.
    ICH BIN FREI...ohne resignation wäre es nicht gegangen, ich hätte immer diesen Kampf gekämpf bis ich Tot wäre (das meine ich jetzt auch so)

    Ich habe ein neues Leben geschenkt bekommen, mit einem neuen Lebenspartner und Zukunft und Zuversicht und Glück und Lachen une LEBEN.

    Ich habe jetzt Karft meine Wunden zu lecken, gesund zu werden und Freude wieder zu verspüren.

    Das wünsche ich Dir auch vom ganzen Herzen

    Alles Liebe
    Grazia

    Da, wo du nur eine Spur im Sand siehst, da habe ich dich getragen...

  • Hallo barcelona!

    Es tut mir leid, wenn ich dich mit meiner Aussage erschreckt habe, auch für mich war es nicht leicht, das zu erkennen. Ich denke aber, diese Erkenntnis ist der erste Schritt. Für mich ist diese Tatsache auch gar nicht so sehr eine Selbstkritik, sondern nur das Erkennen, dass ich niemand anderen dafür verantwortlich machen kann, ob es mir gut oder schlecht geht.

    Ich stehe noch ganz am Anfang meines Weges und weiß noch nicht genau wie er aussehen wird, aber ich werde einen Schritt nach dem anderen machen.
    Ich habe mich in den letzten Jahren total zurückgezogen und mich ganz dem Gefühl "mir geht es so schlecht, weil mein Mann trinkt" hingegeben.
    Jetzt bin ich dabei, herauszufinden, wie ich mir Gutes tun kann. Ich weiß zum Beispiel, dass ich gerne einen Yoga-Kurs besuchen möchte und ich werde zu einer SHG gehen. Das können für dich natürlich ganz andere Dinge sein.

    Frage dich, was du für dich tun kannst, um wieder Freude in dein Leben zu bringen und warte nicht darauf, dass jemand anderer etwas für dich tut.

    Ich hoffe, ich konnte dir damit ein wenig helfen.
    lg Schneewittchen

  • Hallo an alle,

    warum macht man das so lange mit?

    Ich glaube, es ist eine Fixierung auf dieses eine Ziel: ein gemeinsames Leben ohne Alkohol. Das entsteht einfach, wenn man auf Dauer mit einem nassen Alkoholiker lebt. Es ist sehr schwer oder sogar fast unmöglich, dabei nicht irgendwie verrückt zu werden.
    Man bildet sich ja die ganze Zeit ein: wenn nur der Alkohol weg wär.
    Am Anfang wars bei mir auch der Wunsch zu helfen. Und das Gefühl, jemandem durch diese Extremsituation besonders nahe zu sein.
    Es war auch so eine romantische Idee dabei: Gemeinsam durch dick und dünn und dann beginnt das wahre Leben, fest zusammengeschweißt durch das erfahrene Leid.

    Alkohol schweißt aber nicht zusammen, Alkohol trennt.
    Und eine gemeinsame Überwindung des Suchtproblems (ich meine in einer Partnerschaft) gibt es in dem Sinne nicht. Nur jeder für sich und dann erst gemeinsam.

    Bei mir wars so: Ich konnte die Welt nicht mehr in ihrer Vielfalt sehen. Er und sein Problem - das hat einen großen Teil meiner Wahrnehmung eingenommen.
    Das Leben ist aber viel mehr. Vor allem ich selbst in meinen Bedürfnissen und Entwicklungsmöglichkeiten war dadurch total an den Rand gedrängt.

    Es gibt für uns Co-Abhängige nur einen Weg: aussteigen aus dem Karussel, das sich um den Suchtkranken dreht.
    Entweder durch Trennung oder durch innere Abgrenzung.
    Und sich selbst wieder zum Mittelpunkt machen.
    Da entdeckt man oft auch die eigenen Baustellen, die diese Beziehung überhaupt erst möglich machten.

    Liebe Grüße
    Doro

  • Liebes Schneewittchen, Du hast mich nicht erschreckt. Das war eher ein intensives wachruetteln. Aber ohne Selbstkritik gibt es keine Erkenntnis. Und was nutzt die ganze Erkenntnis wenn den Worten keine Taten folgen? Die Phase des totalen Rueckzugs habe ich schon hinter mir. Bin ja auch schon um einiges aelter. Ich lasse es mir gut gehen. Und den letzten Schritt des Loslassens den packe ich auch. Ohne Schmerzen und Leid. Schoene Gruesse

  • Liebe Doro, Du hast es auf den Punkt gebracht. Irgendwann lebt man das Leben des Anderen und man selbst trottet als grauer Schatten vor sich hin ohne, wie Du so treffend sagst: die Welt in ihrer Vielfalt zu sehen. Es ist natuerlich auch nicht immer einfach sich zu trennen. Obwohl, wenn man seine eigene Geschichte Revue passieren laesst, ist es im nachhinein immer die beste Entscheidung. Alles andere ist wieder ein Zugestaendnis.
    Es ist sehr lehrreich und hilft ungemein, die vielen unterschiedlichen Meinungen zu lesen. Aber alle haben eins gemeinsam: wieder zum eigenen Mittelpunkt zu werden.

  • Hallo, bin neu und versuche mir gerade nicht vorzuwerfen warum ich es 17 Jahre ausgehalten habe, sondern dies zu verstehen. Ich bin abhängig emotional und das hat zumindest bei mir etwas mit meiner Lebensgeschichte zu tun, als Kind eines Alkoholikers suchte ich mir mit traumwandlerischer Sicherheit jemanden den ich stellvertretend retten will. Er soll meine Wunden heilen, ich investiere so viele Jahre, das kann doch nicht umsonst gewesen sein, also mache ich weiter mit allen Mitteln vorallem dem Besserwissen, was für ihn gut ist. Aufzugeben zumindest innerlich und das eigene Drama verstehen und mir zu verzeihen ist mein erster Schritt.

  • Hi Cidra, schoen, dass Du Dich zu diesem leidigen Thema gemeldet hast. Bei dem, was Du schreibst,koennen wahrscheinlich alle Betroffenen zustimmend nicken. Aber warum sich immer und immer wieder zum Selbstvorwurf machen, man sei krank und ebenso abhaengig. Ich bin auch das Kind eines Alkoholikers und lebe nun schon ueber 30 Jahre mit einem Alkoholiker zusammen. Dass die Kindheit tiefe Wunden hinterlassen hat, ist augenscheinlich. Das Leben mit einem Alkoholiker hinterlaesst noch tiefere Wunden, weil wir als Erwachsene alles besser begreifen und die Erfahrung der Kindheit ihre Spuren hinterlassen hat. Aber wenn wir mit einem "Helfersyndrom" behaftet sind?? was ist daran so schlimm?? Die Hilfe, die wir Alkoholkranken geben, geschieht doch nicht aus Eigennutz oder aus Dummheit. Im Gegenteil. Aber sich hierfuer ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen ist fehl am Platz. Mach den ersten Schritt. Du wirst sehen, er ist leichtet als Du denkst. Liebe Gruesse

  • Hallo Barcelona, hab gar kein schlechtes Gewissen es war mir nur lange Zeit garnicht klar, daß ich ihn b.z.w. meinen Vater( ist früh an Bauchspeichelkrebs verstorben) retten wollte. Mir gehts auch mehr darum mich besser zu verstehen, habe mir nie Selbstvorwürfe gemacht, habs eher als Erkenntnis gewertet.Denke nur das meine Hilfe nicht helfen konnte und sehe im Nicht-mehr-Helfen eher eine Chance für mich da raus zukommen, ich habe nicht aus Eigennutz oder Dummheit geholfen, sondern weil ich mein Drama nicht verstanden habe. lieben Gruss Cidra ( fliege bald nach Barcelona)

  • Hallo alle zusammen,
    als ich in dieses Forum kam, steckte in mir noch sehr viel Wut und Verzweiflung. Mein Ego bestand darauf, dass ich die Unverstandene, das Opfer, die Ungeliebte bin. Jetzt nach einigen Wochen hat sich bei mir schon eine sehr klare Wandlung vollzogen. Zum einen gab bzw. gibt es hier so viele Denkanstoesse die zum Nachdenken anregen. Zum anderen musste ich mir viele Fragen selbst beantworten. Und von da an wurde es fuer mich unangenehm. Ich konnte viele Fragen nicht ehrlich beantworten. Wer ist hier abhaengig? Er vom Alkohol und ich?? Jetzt koennte ich eine Liste von einer DINA4-Seite fuellen, z.B die Angst vor der Trennung; fuerchte jede Veraenderung, will nur festhalten was ist; versuche den anderen zu aendern; brauche den anderen, um mich ganz zu fuehlen; wuensche Naehe, habe aber Angst , verletzt zu werden usw. usw..
    Und jetzt in meiner Haltung der Bejahrung zum: Es ist, wie es ist kann ich dem ungeheuren Druck nachgeben. Wieviel Gewicht ist schon von mir abgefallen, als ich mich nicht mehr als Opfer fremder Kraefte, sondern als Taeter meiner eigenen Kraft sehe. Es wurde leichter und beweglicher. Das Leben rollt im Augenblick aus mir heraus. Und das ist gut so.
    Liebe Gruesse an alle

  • Hallo Barcelona, das Leben rollt aus Dir heraus, klingt gut. Ja diese Opferhaltung ist wirklich tükisch. Die 100
    % tige Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist erstmal ungewohnt und den anderen nicht mehr verantwortlich machen zu können auch. Ich war oft so wütend, hätte ihn schlagen können, tat ich nicht oder so verzweifelt, dass alles auch mein Leben so trostlos erschien. Ich glaubte auch er ist ja krank aber ich doch nicht. Das Gute ist aber das Gefühl endlich etwas verändern zu können, mich und nicht hilflos zu sein. LG Cidra

  • Hallo,

    sende Grüße aus Deutschland nach Spanien, da ich großer Barcelona-Liebhaber bin!!! Der letzte Besuch ist aber schon 14 Jahre her.....leider.
    Dafür habe ich bestimmt ein Dutzend Mal die Stadt unterschiedlich erleben dürfen.

    Erstaunlich, wie weit verbreitet hier die Teilnehmer sind.

    Lieben Gruß

    CHarlie

    Immer schön die Ohren steif halten!!!

  • Die Frage ist, warum macht man weiter?

    Die Frage habe ich mich auch schon gestellt... und viele Antworten oder evt. Ausreden darauf gefunden.

    - weil ich nicht alles zerbrechen lassen will, wofür ich jahrelang gekämpft habe.

    - weil ich der Meinung bin, dass die Trennung eine Lösung ist, aber nicht unbedingt nur DIE Lösung.

    - weil ich hinter dem Kranken, ein Mensch sehe, denn ich mal geliebt habe und ich will ihm nicht seine Lebensexistenz zerstören.

    Ich habe mich entschieden, momentan, noch bei ihm zu bleiben, das habe ich ihm mal gesagt.... aber ich habe ihm auch gesagt, dass ich vielleicht morgen, oder übermorgen, anders entscheiden könnte, wenn ich merke, dass es über meine Kräfte geht oder, dass ich es nicht schaffe in Frieden mit mir selbst, bei ihm zu bleiben.

    Genau wie der Alkoholiker täglich die Entscheidung treffen muss, nicht mehr zu trinken, bin ich bereit meine Entscheidung zu ändern, wenn ich merke, dass mein Co-Verhalten wieder kommt..

    Und ich habe gute Freunden, die mich ehrlich darauf hinweisen, wenn sie merken, ich mache ein Schritt rückwärts und lasse mich wieder von Illusionen berauschen.

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