• In wenigen Wochen feiern wir das erste Weihnachtsfest ohne meine Mutter. Das wird bestimmt schlimm. Nun wird mir immer bewusster, dass mein Vater sich wie ein Kleinkind verhält und nicht in der Lage ist, erwachsen zu werden. Die Reaktionen meines Vaters auf den Alkoholismus-Tod meiner Mutter gehen in die Richtung "im Endeffekt ist jeder seines Glückes Schmied". Diese Aussage finde ich jedoch für einen Mann, der seine Frau liebt, ziemlich bitter. Denn um ehrlich zu sein, hat er sie nie unterstützt, damit sie dem Alkohol fernbleibt. Außerdem finde ich es schon extrem, dass mein Vater nicht einmal über seinen Beitrag zum Tod meiner Mutter nachgedacht hat...Das macht er aber nicht, weil Angst davor hat, dass sein Leben sonst zerfallen würde sondern, weil er kein Schuldbewusstsein hat und sehr infantil ist. Bitte kommt jetzt nicht mir Co-Abhängigkeit eine Krankheit etc. , das weiß ich alles selber. Ich möchte auch nicht die Beziehung meiner Eltern aufarbeiten, denn ich bin ja nur das Kind, das eine ganz andere Stellung in diesem System hat und ich könnte nie in so einer Beziehung leben, wie sie meine Eltern geführt haben. Mich würden aber eure Erfahrungen hierzu interessieren...

  • Wenn jemand saufen will, kannst Du ihn davon nicht abhalten. Ich sehe nicht, welche Schuld Dein Vater haben sollte. Er hat ihr ja wohl nicht die Flasche in den Schlund gesteckt ...

    Bei mir säuft mein Vater nach wie vor. Ich kenne es gar nicht anders und ich wünschte mir, er wäre endlich erfolgreich mit seinem Selbstmord auf Raten - so traurig das ist.

  • Es geht hier nicht darum wer Schuld hat, es geht einfach darum, dass ich gern einen Erfahrungsaustausch mit anderen Menschen haben möchte, die in einer ähnlichen Situation sind. Sei bitte nicht sauer Heidi, aber ich glaube du würdest auch anders über deinen Vater denken, wenn er nicht mehr da wäre...Deine Wortwahl lässt schließen, dass du ziemlich verzweifelt bist, was ich verstehen kann, aber ich würde mir einen etwas sensibleren Umgangston wünschen, einen Menschen zu verlieren, den man liebt, ist nicht leicht...

  • Ich hatte mich auf

    Zitat

    Außerdem finde ich es schon extrem, dass mein Vater nicht einmal über seinen Beitrag zum Tod meiner Mutter nachgedacht hat...Das macht er aber nicht, weil Angst davor hat, dass sein Leben sonst zerfallen würde sondern, weil er kein Schuldbewusstsein hat

    bezogen.

    Mein Vater ist für mich bereits gestorben. Er hat eine solche Persönlichkeitsveränderung hinter sich, dass ich ihn nicht mehr erkenne und die ist irreversibel. Aber das ist mein Thema und gehört hier nicht her.

    Es tut mir sehr leid, dass Du Deine Mutter so jung verloren hast und natürlich ist Weihnachten - besonders das 1. - eine sehr schwer Zeit. Ich wollte Dich nicht angreifen, hatte mich einfach etwas daran gestört, dass Du Deinem Vater eine (Teil-)Schuld zuweist. Vielleicht hab ich es aber einfach nur falsch verstanden.

  • Ich kann nachvollziehen, dass du so reagierst, die Persönlichkeitsveränderung ist sicher eine sehr schmerzhafte Erfahrung gewesen und sicher immer noch eine. Ich wünsche dir viel Kraft für die nächste Zeit.

  • Hallo Lieschen84,

    das ist auch meine Geschichte. Meine Eltern haben auch eine Zweckbeziehung geführt. Mit meinem Vater ist es genauso wie mit deinem gewesen. Er hat meine Mutter auch beim Trinken unterstützt und ihr immer Alkohol mitgebracht.
    Während meine Mutter zuhause getrunken hat, ist mein Vater seinen Interessen nachgegangen, er ist abends auch immer erst sehr spät nach Hause gekommen. Ich denke, dass das Interesse an der anderen Person in dieser Zweckbeziehung nachgelassen hat, er hat sich einfach nicht mehr für sie interessiert, deshalb hat er auch nicht versucht um sie zu kämpfen. Kämpfen kann/will man ja nur, wenn man einen Menschen richtig liebt und stark genug ist, um den Kampf aufzunehmen. So hat jeder sein Leben gelebt und nur an bestimmten Punkten haben meine Eltern zusammengefunden...

  • Hallo Bergchen85,

    ich verbringe dieses Jahr das 4.Weihnachten ohne meine Mutter, ihr Todestag jährt sich bald zum 3. Mal. Im Grunde hatte ich schon vorher sehr viele Weihnachten ohne sie verbracht, aber da war sie zumindest noch körperlich anwesend und ich hatte die Hoffnung irgendwann einmal meine Mutter wieder zu bekommen. Es ist nicht leichter geworden für mich, sie fehlt mir nach wie vor und wird es immer tun. Es ist nur leichter geworden damit klar zu kommen.

    Mein Vater ist heute noch der Überzeugung wenn wir, er und ich, uns nur genug ins Zeug gelegt hätten, dann würde sie noch leben und wäre trocken geworden. Jeder macht sich eben vor, was ihm am besten hilft, wenn man mit der Wahrheit nicht klarkommt oder klarkommen will. Da ist die Sicht Deines Vaters für ihn noch wesentlich gesünder, als die meines Vaters für ihn.

    Ich betrachte mich heute in keine Weise als verantwortlich für das Trinken meiner Mutter oder Ihre Trockenheit. Da kann mein Vater reden wie er will, er bekommt die passenden Antworten von mir. Mit dem Ergebnis, ich höre keine Vorwürfe mehr. Warum auch, ich ziehe die Schuhe die er hinstellt schon lange nicht mehr an, also spart er sich die Mühe.

    Zitat

    Denn um ehrlich zu sein, hat er sie nie unterstützt, damit sie dem Alkohol fernbleibt. Außerdem finde ich es schon extrem, dass mein Vater nicht einmal über seinen Beitrag zum Tod meiner Mutter nachgedacht hat...

    Es gibt in diesem Land haufenweise Hilfen für Alkoholiker die Hilfe wollen. Es war nicht Aufgabe Deines Vaters dafür zu sorgen, dass Deine Mutter trocken wird, das war Ihre. Er hat an dem Tod Deiner Mutter ebenso wenig einen Anteil, wie meiner am Tod meiner Mutter.

    Mein Vater hat meine Mutter unterstützt, durch diverse Entgiftungen, 2 LZT, div. SHG's, einige Gesprächstherapien usw. Was mit Sicherheit nicht immer einfach war, denn u. a. eine Begleiterscheinung war bei allem, das sie extreme Stimmungsschwankungen hatte. Sie war kein einfacher Mensch und der Alkohol bzw. seine zeitweise Abwesenheit hat das nicht unbedingt verbessert.

    Neben den offiziellen Hilfen, gab es da dann noch kalte Entzüge zu Hause, die natürlich nicht erfolgreich waren. Einer endete auf der Intensivstation. Eine ganz tolle Idee der beiden war, meiner Mutter den Alkohol zuzuteilen. Es ist ganz toll, wenn man die eigene Mutter den Vater um Alkohol anbetteln hört. Egal ob man 15 oder wie ich damals 35 Jahre alt ist. Vollkommen sinnlos war auch die Aktion, ihr alles Geld zu nehmen. Sie ist trotzdem an Alkohol gekommen und hat noch mehr gesoffen als sonst. Vermutlich aus lauter Angst jederzeit von der Quelle abgeschnitten zu werden.

    Mein Vater hat sie unterstützt, wenn man das denn so nennen will. Ich nenne es blinden Aktionismus aus Hilflosigkeit. Tot gesoffen hat sie sich trotzdem. Mir könnte da höchstens die Frage bleiben, hat er nicht zu viel getan bzw. das falsche? Die stellt sich mir aber nicht, da man als Angehöriger machtlos ist. Der einzige der etwas tun kann ist der Alkoholiker selbst. Wenn jemand Schuld ist, dass meine Mutter sich tot gesoffen hat, dann meine Mutter.

    Ich frage mich ernsthaft, was Du eigentlich von Deinem Vater erwartest bzw. erwartet hast. Fakt ist, er hat Deiner Mutter die Flasche nicht an den Hals gehalten, ebenso wenig mein Vater meiner Mutter. Keiner kann einen Alkoholiker vom trinken abhalten wenn er trinken will und es gibt für jeden Alkoholiker in diesem Land Hilfe sofern er welche will. Nasse Alkoholiker wollen ganz offensichtlich keine. Man kann sie nicht trocken zwingen und man kann sie nicht trocken lieben.

    Was hätte er Deiner Meinung nach tun sollen? Vor allem wenn Du solche Aussagen tätigst:

    Zitat

    Das macht er aber nicht, weil Angst davor hat, dass sein Leben sonst zerfallen würde sondern, weil er kein Schuldbewusstsein hat und sehr infantil ist.

    Wer oder was gibt Dir das Recht, das Verhalten Deines Vaters zu ver- und beurteilen. Wenn er so klar kommt, ist das seine Sache und nicht Deine und selbst wenn er nicht klarkommt, ist es immer noch seine Sache. Es ist sein Leben, damit kann er machen was er will.
    Ich würde mir für meinen Vater auch etwas anderes wünschen, aber er macht weiter wie bisher, obwohl es noch mehr für ihn gäbe. Ich finde es schade, aber er ist erwachsen und kann selbst entscheiden wie er leben möchte. Für mich klingst Du sehr selbstgerecht. Bist Du über jeden Zweifel erhaben, stehst Du über jeder Kritik?

    Was ich verstehen könnte wäre, wenn Du ihm Vorwürfe machen würdest, Dich nicht vor Deiner trinkenden Mutter geschützt zu haben, indem er Dich genommen hat und gegangen wäre. Wenn Du ihm vorwerfen würde, Dir als Kind nicht genug zur Seite gestanden zu haben. Auch wenn das jetzt wenig bringen würde, wo Du erwachsen bist. Das jedoch könnte ich nachvollziehen. Alles andere ist allein seine Sache, jetzt wo Du erwachsen bist.

    Ich bin heute erwachsen, fähig und in der Lage mich um mich selbst zu kümmern und das tue ich inzwischen. Ich habe viel zu viel Lebenszeit damit verschwendet meine Mutter retten zu wollen. Heute weiß ich, nur sie konnte das, ebenso wie ich weiß, nur mein Vater kann sein Leben ändern. Denn nur ich konnte meines ändern.

    Lass Deinen Vater sein Leben leben, wenn er so zufrieden ist und wenn er es nicht ist, dann muss er etwas ändern. Lebe Du Dein Leben, Du hast nur das eine.

    Gruß
    Skye

  • Hallo Skye, vielen Dank für deinen Beitrag. Ich denke, dass jede Verallgemeinerung falsch ist, wenn sie in einem Fall ausgehebelt wird. Du kennst deinen Vater und ich kenne meinen. Jede Persönlichkeit ist anders. Das mein Vater infantil ist, hat ja nichts mit dem Alkoholismus meiner Mutter zu tun. Trotzdem bin ich der Meinung, dass es in einer Beziehung normal ist, dass man, wenn der Partner unter Alkoholismus leidet und man sich für den Menschen interessiert, sich mal über die Krankheit informiert (das macht man ja bei jeder anderen Krankheit ja auch) oder einen Versuch startet dem anderen zu helfen, zumal mein Vater wusste, dass sich meine Mutter in einem gefährlichen Zustand (extremer Wasserbauch etc.) befand. Das diese Versuche natürlich nichts bringen, ist mir klar. Mir ist auch klar, dass "jeder Mensch für sich verantwortlich ist". Trotzdem gibt es auch eine Verantwortung die wir alle für unsere Mitmenschen haben und auch für unseren Lebenspartner. Ich habe auch Erwartungen an meinen Partner, wenn das nicht so wäre, bräuchte ich keine Beziehung mit ihm führen. Ich habe meinem Vater aber schon vor dem Tod meiner Mutter verziehen und auch darauf habe ich ein Recht. Sicher habe ich ihm früher auch Vorwürfe gemacht, das ist ganz normal, wenn man jünger ist und sieht, das der Vater sein Leben in vollen Zügen genießt und die Mutter depressiv zuhause sitzt. Meine Sichtweise ist in Ordnung, genau wie es deine ist. Ich denke, dass ich mir ein Urteil erlauben kann, weil es meine Familie ist, die ich am besten kenne. Das ich darüber urteile ist ganz normal und auch wichtig. So "selbstgerecht" wie ich mein Urteil fälle, fällst du deines ja auch. Wie bereits gesagt, mache meinem Vater auch keine Vorwürfe, ich habe mich damit abgefunden dass es so ist, wie es ist. Ich möchte einfach nur wissen, wie eure Väter mit der Situation umgegangen sind und dafür muss und möchte ich mich auch nicht rechtfertigen. Jeder hat seine eigene Wahrheit...

  • Meine Erfahrungen:
    Meine Mutter war sehr lange sehr schwere Alkoholikerin. Sie hat die Wirkung des Alkohols zusammen mit meinem Vater kennengelernt... Er hatte sie zum regelmässigen Glas Wein zum Essen eingeladen und so kam dann das ganze... Ihrer Lebensgeschichte kam diese Wirkung entgegen und mit den Jahren entglitt ihr die Kontrolle darüber. Die Geschichte ist hässlich, das wisst ihr ja auch. Mit viel eigener Kraft und etwas Hilfe von aussen hat sie den Entzug geschafft und lebt nun seit mehreren jahren trocken. Bewundernswert. Mein Vater hatte sie (und mich) noch in ihrer nassen Zeit verlassen, für eine andere Frau (die unterdessen auch trinkt, ebenfalls ihre gemeinsame Tochter). Tja, auch er trinkt noch immer und wenn der Elefant im Wohnzimmer bei uns nicht sooooooo unübersehbar gewesen wäre, würde er heute noch verleugnen, dass da ein alk.problem besteand/besteht. Ich denke er war nicht in der Lage anders zu handeln. Und eine, wenn auch nur winzige Teil-, Schuldeingestehung wär enorm anstrengend. Ich habe ihm schon auch Vorwürfe gemacht. Bin mit dem Kopf gegen die Wand gerannt, hab mich beim Therapeuten darüber ausgewint, geheult, gezetert, geschimpft. Ich kannte einfach nicht glauben, dass man einen Menschen zum Saufen anregt, ihn und ein Kind verlässt und dann noch das Gefühl hat, da war doch gar nichts. tja, mittlerweile weiss ich einiges mehr und mir tuts sogar leid, was er dadurch mitgemacht hat. Ich sehe ja auch, dass er icht glücklich ist mit seinem Leben. Aber auch da muss ich mich abgrenzen. Was passiert ist ist passiert. Ich wünsche dir /euch viel Kraft in den ersten Weihnachtstagen ohne deine Mutter. Es wird weh tun, Erinnerungen (gute und traurige) werden präsenter sein. Lass die Gefühle zu und hör auf dich und deine Bedrüfnisse...oder versuchs zumindest :wink:

    ...wende dein gesicht der sonne zu und der schatten fällt hinter dich..

  • Hallo Bergchen85,

    Zitat

    Trotzdem bin ich der Meinung, dass es in einer Beziehung normal ist, dass man, wenn der Partner unter Alkoholismus leidet und man sich für den Menschen interessiert, sich mal über die Krankheit informiert (das macht man ja bei jeder anderen Krankheit ja auch) oder einen Versuch startet dem anderen zu helfen, zumal mein Vater wusste, dass sich meine Mutter in einem gefährlichen Zustand (extremer Wasserbauch etc.) befand. Das diese Versuche natürlich nichts bringen, ist mir klar.

    Ja was denn nun? Dein Vater sollte den Versuch starten Deiner Mutter zu helfen, obwohl Dir klar ist, dass das nichts gebracht hätte. Nochmal die Frage, was hätte Dein Vater denn tun sollen?

    Zitat

    Trotzdem gibt es auch eine Verantwortung die wir alle für unsere Mitmenschen haben und auch für unseren Lebenspartner.

    Ich trage ausschließlich die Verantwortung für mich und für niemanden anderen und niemand trägt für mich die Verantwortung. Ich bin erwachsen, ich kann das selbst und will das auch selbst. Ausnahme sind kleine Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihres Alters und ihrer geringen Lebenserfahrung noch nicht in der Lage sind für sich selbst zu sorgen.
    Eine Partnerschaft hat für mich etwas mit gegenseitiger Fürsorge zu tun, aber nicht damit die Verantwortung für einen anderen erwachsenen Menschen zu übernehmen. Fürsorge ist etwas, dass man auch zulassen muss, wenn sie entgegen gebracht wird. Man kann niemanden etwas aufzwingen, dass er nicht möchte. Fürsorge ist für mich nicht anderen die Entscheidung abzunehmen etwas für ihre Gesundheit zu tun oder ihnen etwas aufzudrücken, von dem ich meine, dass sie das brauchen und das es gut für sie ist. Fürsorge ist für mich, den anderen in seinen eigenen Bemühungen zu unterstützen.

    Zitat

    Ich habe auch Erwartungen an meinen Partner, wenn das nicht so wäre, bräuchte ich keine Beziehung mit ihm führen.

    Mit Erwartungen ist man in der Regel schlecht bedient. Zu erwarten endet meist damit enttäuscht zu werden. Niemand ist dazu da meinen Erwartungen gerecht zu werden. Natürlich kann ich erwarten, aber ich darf mich nicht beschweren, wenn sich meine Erwartungen nicht erfüllen. Wenn ich etwas möchte, mir etwas wünsche, dann sage ich das und erwarte nicht. So weiß jeder woran er ist und die Wahrscheinlichkeit, dass ich bekomme was ich möchte ist um ein Vielfaches höher.

    Gruß
    Skye

  • Liebe Skye,

    noch einmal: mein Vater hat sich weder über Alkoholismus informiert etc. Wenn ich meinen Partner sehe und ich sehe, dass er sich zu Grunde richtet, eindeutige Zeichen erkenne, die auf einen baldigen Tod hindeuten ignoriere und nicht einmal einen Versuch unternehme ihm zu helfen, dann ist das eine sehr traurige Angelegenheit. Ich weiß, dass diese Versuche einem Alkoholiker zu helfen nichts bringen, aber ich würde trotzdem wenigstens einen Versuch unternehmen, um ihm helfen, das meine ich damit. Der Rest sind deine persönlichen Lebensgrundsätze von Verantwortung, Erwartungen etc., die deine Geschichte bestimmen, meine bestimmen andere!

  • Liebe Bergchen85

    Bei mir war es so, meine Mutter fing an zu trinken als ich ca 10 oder so war, oder zumindest hab ich dann realisiert dass sie ein Problem hat.... ich denke, sie war nicht glücklich in der Ehe und dass das vermutlich auch ein Grund fürs trinken war... mein Vater ist einer, der wollte sich von ihr von vorn bis hinten bedienen lassen, und rührte selbst keinen Finger, es musste alles nach seinem Willen geschehen... als es darum ging, dass Mutter trocken wurde hat er sie gedrängt was zu tun und hat den Hausarzt informiert etc.. und mir gesagt, wenn ich bloss hilfsbereiter etc. wäre, würde sie aufhören zu trinken (super!). Auf alle Fälle habe ich mit den Jahren gemerkt, dass er das alles nicht ihretwegen tut, damit sie aufhört zu trinken, sondern nur darum dass sie ihn weiterhin bekocht und seine Wäsche gewaschen und gebügelt ist, damit er keinen Finger rühren musste. Meine Mutter war sowas wie man nennt es glaube ich eine funktionierende Alkoholikerin... Mittlerweile hat sie dank einer Therapie den Entzug geschafft und ist 4 Jahre trocken.... sie bedient Vater nach wie vor von vorne bis hinten (für ihn ist das selbstverständlich...) und er gönnt sich auch pro Tag gerne seine 2,3, oder wie viele auch immer Gläschen Weine. Er sagt, er dürfe das, er sei ja schliesslich kein Alki (was ich schwer bezweifle, weil er ja doch auch nicht ohne sein kann, und wenn er getrunken hat immer so provozierend aggressiv wird....). Er nimmt null Rücksicht auf meine Mutter, dass sie trocken ist, und nicht ständig eine Weinflasche vor den Augen sehen möchte.. Aber sie macht nichts und toleriert das weiter... ich hab mir gesagt was solls, die sollen selber schauen, jeder ist sich seines Glückes Schmid, ich will nicht so enden... Meine Wut ist fast grösser auf meine Vater, der so ein emotionaler Missbraucher war und ist, als auf meine Mutter, da ich immer das Gefühl habe, sie wäre nicht zum Alki geworden, wenn er nicht gewesen wäre. Ich habe mir als Kind oft gewünscht, er wäre tot und Mutter würde einen andren Mann treffen, der sie schätzt und auch mich annimmt und lieb und nett ist.....

    Heute ist er einfach mein Erzeuger, Vater kann ich ihn nicht recht nennen.... ich bin oft traurig darüber, aber ändern kann ichs nicht.....

    Hakuna Matata

  • Liebe Sarana, genau so war es bei meinen Eltern auch. Mein Vater hat sich die ganze Zeit bedienen lassen. Ich finde es aber trotzdem toll, dass deine Mutter den Entzug geschafft hat. Ich denke, dass ein Partner auch zum Problem beitragen kann. Leider denke ich auch, dass unsere Mütter aus einer Generation stammen, wo das "Zusammenhalten" der Familie großgeschrieben wurde, deshalb hatten/haben sie wahrscheinlich auch keinen Mut, keine Kraft etc. sich zu trennen. Das meine Mutter auch zur "funktionierenden Alkoholikerin" geworden ist, denke ich, geht auf ihre Geschichte zurück, schlimme Kindheit, emotionale Missbraucher etc. Ich kann mich noch an eine Szene erinnern: meine Mutter und ich sind einmal früher aus dem Urlaub zurückgekommen und mein Vater ist total ausfällig geworden, weil er noch seine Ruhe haben wollte und sich geärgert hat, dass wir schon wieder zuhause waren, da habe ich zum ersten gespürt, was emotionale Kälte bedeutet, die respektlose Umgangsweise der Partner miteinander ist glaube ich das Schlimmste. Trotzdem hoffe ich, dass deine Mutter durchhält und vielleicht wird es für sie ja irgendwann einen anderen Partner geben, der sie liebevoll und respektvoll behandelt...

  • Hallo Bergchen,

    als ich das alles gelesen habe, kam mir unweigerliche ein Gedanke.

    Liegt es im Bereich des Möglichen, daß Du auf so etwas wie Schuldsuche bist und jetzt da Deine Mum nicht mehr da ist um die irgendwie annehmen zu können, bleibt halt nur noch Dein Dad übrig um irgendwo mit dieser Schuld hinzukönnen?

    Hilft Dir das irgendwie weiter Dich damit auseinanderzusetzen wie Dein Vater hätte sein können, sollen, müssen? Wie Deine Mutter hätte sein können, sollen, müssen?

    Gerde gestern bin ich über'n Gullideckel gestolpert und seitdem ärger ich mich ohne Ende, daß diese Idioten da einen Gullideckel hingebaut haben. Die hätten doch ahnen könne, daß ich da irgendwann mal langlaufe.

    Liebe Grüße

    Kaleu

  • Interessant und zugleich erschreckend, dass sich solche Geschichten soviel wiederholen....

    Meine Mutter war auch funktionierende Alkoholikerin, mein Vater ein Choleriker, der sich auch gerne bedienen liess. Ob sich meine Eltern liebten, weiss ich nicht so genau. Er unterdrückte sie immer, und sie liess sich das gefallen. Als er lange im Krankenhaus war, stellten wir fest, wieviel Geld er eigentlich ausgab, meine Mutter leistete sich gar nichts, obwohl sie voll arbeitete. Was andereres als arbeiten und trinken kannte ich aber nicht. Ich habe als einzige der Familie versucht, meine Mutter vom Alkohol abzubringen. Ich kann aber jede Situation verstehen. Bei meinem Bruder war es ein z. B. ein Trauma, das ihn verdrängen liess, er erlebte als Grösserer noch mehr und mein Vater war selbst einer, der gerne trank, aber Kontrollierter. Meine Mutter hätte nicht bei ihm bleiben brauchen. Ich kann eigentlich gar nix Neues erzählen, denn ich wúnschte mir auch einen, den sie neu kennen lernte, der mich mochte. ;).
    Ich war sogar mal mit 9 Jahren früher von der Schule gekommen, meine Mutter hatte wohl was mit jemanden. Ich ärgerte mich überhaupt nicht darüber, ich war zwar etwas kindlich verwirrt, aber ich hatte gar nichts dagegen und hoffe, es würde sich evtl. was ändern. Aber die oft angekündigte Scheidung kam nicht.

    Das Einzige, was mich heute noch ärgert, dass mir so viele Jahre die Wahrnehmung abgesprochen wurde. Heute noch zweifle ich so oft an ihr. Ich sei ja sooo empflindlich und ich würde übertreiben...Evtl. hätten wir etwas zusammen bewirken können, keine Ahung, aber ich habe auch genug getan, um meine Mutter zu retten. Ich hatte eine absolute Gleichgültigkeit entwickelt, die natürlich Selbstschutz war.
    Als sie dann starb war es total fuchtbar für mich. Ich hätte nicht gedacht, dass es so weh tut. Sie war trotz allem die einzige Person, bei der ich wusste, sie liebt mich und wúrde mich nie hintergehen (wenn man mal das krankhafte Verhalten beim Alkohol weglässt).
    Und jetzt, es ist über drei Jahre her, habe ich wieder etwas eine Gleichgúltigkeit. Ja, lieber ein Schrecken mit Ende, als ein Ende ohne Schrecken, also immer die Angst, dass was passieren könnte.

    Der letzte Tag, bevor meine Mutter betrunken die Treppe runterfiel und starb war aber sehr schön. Ich hatte sie als Letzte und nicht betrunken gesehen. Wir hatten ausnahmsweise einen schönen Moment (mein Vater war lange im Krankenhaus, und ich lernte wieder ihre gute Seite kennen).
    Der Abschied herzlich. Von meinem Vater verabschiedete sie sich im Streit. Er hatte sie mal wieder mies sogar vom Krankenbett behandelt. Ehrlich gesagt denke ich, dass es ihm Recht geschieht. Ob er drüber nachgedacht hat weiss ich nicht. Jedenfalls die paar Male, die ich ihn dann noch gesehen habe, war er recht melancholisch und sortierte Fotos, was ich gar nicht von ihm kannte. Wenigstens muss mit ihm meiner Mutter zuliebe keinen Kontakt mehr halten.

    Böse bin ich auf niemanden. Nur eben dieses Absprechen der Wahrnehmung ärgert mich heute noch.

    Weihnachten war immer furchtbar bei uns. Meine Mutter meistens mittags betrunken und lallte immer so was wie. Oh, wie schön ist es eine Familie zu haben und gesund zu sein. Dann wollte sie es klassisch iyllisch, und weil sich nie jemand mit doofen Bemerkungen zurückhalten konnte, brach sie in Tränen aus und das Theater ging los....Ich feierte somal mit meinen Geschwistern alleine in einem unserer Zimmer, ich war da 10 oder so.

    Es hilft mir generell, dass ich alles Positive von meiner Mutter weiterleben lasse. Ich habe eine paar Dinge von ihr, die mir sehr wichtig sind (Tasche, Ohrringe), ich versuche Rezepte nachzukochen, als ich zumindest klein war, blieb sie bei Stress immer supercool, das bin ich eigentlich auch usw. Ab und zu schaue ich hier noch rein, ja, warum weiss ich nicht. Manchmal noch habe ich nachdenkliche Momente, will ihr nahe sein, zurück wúrde ich sie aber so krank nicht haben wollen.

    Ich denke, du brauchst noch so Momente, um dich damit abzufinden. Ich finde es normal, dass du noch nach Gründen suchst. Irgendwann wirst du es akzeptieren, und dann ist das Beste, sich um sich selbst zu kûmmern, dass es seinem gut geht. Ich verstehe dich aber auf jeden Fall!

    War jetzt etwas lang, aber ich habe bei dem Thema halt so viele Erfahrungen. :?

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