• Hallo zusammen,
    ich möchte versuchen, gar nicht über "meinen Alkoholiker", sondern über mich zu schreiben, zu berichten, wie es mir geht.
    Ich bin weg. Gegangen. Und habe all die Ratschläge befolgt, die man in einer solchen Situation bekommt, zu befolgen, wahrscheinlich kennt Ihr sie ja alle.
    Kennt Ihr auch diese Angst, daß er jetzt irgendwo in der Ecke liegt und gerade etwas ganz Schlimmes passiert? Auch wenn ich weiß, daß seine Trinkerei nichts mit mir zu tun hat, denke ich, ja, wenn ich jetzt da wäre, könnte ich wenigstens aufpassen...oder daß er einen verflucht und böse mit einem ist, weil man ihn im Stich gelassen hat, ein weiterer guter Grund zum Trinken?
    Daß all die Hoffnungen, die man zusammen hatte, alle Pläne, jetzt kaputt sind?
    Kann ich sagen, ich liebe ihn? Oder ist es nicht eher das Wunschbild, ein Bild, das aus einem Zusammenspiel seines anfänglichen Verhaltens und meiner eigenen Suche nach Nähe und Liebe entstanden ist? Kann ich sagen, ich vermisse ihn? Oder vermisse ich eben diese Nähe und Wärme, die er mir in seinen nüchternen Stunden vermittelt hat und genau meinen wunden Punkt getroffen hat?
    Wünsch ich ihm noch eine gute Nacht? Höre ich mir wirklich seine Beteuerungen, aufzuhören, noch einmal an? Muß ich ganz, ganz aus seinem Leben verschwinden, wenn er aufwachen soll, oder kann ich ihm noch aus der Ferne zuwinken?
    Ich hoffe, das war für den Anfang nicht zu viel und zu durcheinander.
    Kennt Ihr sowas auch?
    LG,
    das Sonnenblümchen

  • Hallo Sonnenblümchen,
    Du sprichst mir aus der Seele. Noch bilde ich mir ein, das es echte Liebe ist oder besser Liebe gepaart mit ausgeprägtem Helferkomplex. Bin vielleicht noch nicht lang genug in der "Branche" als Partner eines Alkoholikers, habe aber in den letzten Monaten viel erlebt und vieles aus Deinen Worten kommen mir sooo Bekannt vor.
    Ich musste meine Kleine leider Monatg gegen ihren willen einweisen lassen. Und diese Trennung kam mir zu plötzlich und bin hin und her gerissen zwischen ich möchte sie schützend in den Arm nehmen und nun ist sie in Sicherheit und ich muss mich auch mal um mich kümmern.
    LG
    Dobby

  • Hi Dobby,
    schön, daß ich zumindest in dieser Situation nicht alleine mit meinen wirren Emotionen dastehe :roll: .
    Ich glaube auch, und das ist nicht wirklich provozierend gemeint, daß der Alkohol nicht DAS Problem ist, sondern lediglich eine Variante des Versuches, das Ursprungsproblems zu lösen. Selbsthaß, der Verlust der Fähigkeit, das Selbst zu spüren, mangelndes Selbstvertrauen, das halte ich für die Ursache. Und nun beginnt man zu suchen. Zu kompensieren. Wir alle tun das, einige von uns werden Alkoholiker, einige spielsüchtig oder nehmen Drogen, andere verharren in unglücklichen Lebensumständen, irgendwie kompensieren wir doch (fast?) alle.
    Vielleicht mal zwei, drei Tage ohne Alk sind natürlich ein Erfolg. Sind toll und ein Grund, stolz zu sein. Aber löst das das wirkliche Problem?
    Ich würde mir wünschen, daß er trocken wird, genau wie ich es mir für Deine Freundin wünschen würde. Und beiden und auch allen anderen wünsche ich, daß es einen Weg gibt, zu zeigen, daß das Leben nicht aus einer sinnlosen Suche bestehen muß...
    Auch nicht für mich oder Dich und alle anderen Partner, Verwandten und Freunde von Alkoholikern. Und jetzt komme ich mir wieder so schrecklich kaltherzig vor.
    Freue mich auf Antworten, auch wenn es wieder viel Text war.
    LG,
    das Sonnenblümchen

  • Hallo Sonnenblümchen,

    wie ich sehe machst Du Dir genau so viele Gedanken wie ich. Und ich muss Dir recht geben, dass der Alkohol nicht das Grundproblem ist (abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt) konnte ich in meiner Beziehung auch beobachten, da war das Problem Unsicherheit, Selbsthaß und daraus resultierend kaum noch vorhandenes Selbstvertrauen. Aber dennoch verstehe ich so vieles nicht. Warum??? Gut sie hat sehr viel Pech in ihren Leben gehabt aber ich habe es ihr doch vorgelebt wie es gehen kann. Ich bin ein unverbesserlicher Optimist, habe einen guten Job, (also nicht all zu große finazielle Probleme) wir haben uns geliebt. Wir haben sehr viele Ausflügen gemacht, habe ihr also „die große, weite Welt“ gezeigt um ihr zu beweisen, dass auch das Leben ausserhalb der Kneipen und ohne Alkohol schön sein kann. Alles nichts geholfen.
    Mein Verstand sagt: Gut…. Jetzt ist sie in der Klinik, das ist die Gelegenheit sich zu trennen. (wenn sie sich nicht schon von mir getrennt hat) aber mein Herz sagt mir: Ich will sie wiederhaben, ich liebe sie , lass alles wieder gut werden. Auf deutsch: ich vermisse sie sehr.
    Ich kann sie einfach noch nicht aufgeben!!! Und ich weiß nicht ob das für mich so gesund ist.

    LG
    Dobby

  • Nachtrag! Ich habe noch einen unerschütterlichen Glauben daran, dass ich es mit viel Liebe und Geduld irgend wie hin bekomme alles zu Guten zu wenden. Das ist wahrscheinlich illosorisch aber ich kann im Moment nicht anders. Die Hoffnung stibt zu letzt.
    LG
    Dobby

  • Hallo Sonnenblümchen,

    Die Angst, XY könnte irgendwo halbtot oder tot, besinnungslos in einer Ecke liegen, hat mich zu Beginn fast in den Wahnsinn getrieben. Alles andere konnte ich halbwegs ertragen, aber diese absolute Abwesenheit von Kontrolle über XYs Wohlergehen hat mich fertig gemacht.

    Irgendwann habe ich dann begriffen, was andere hier im Forum gemeint haben, wenn sie sagten, dass man einen anderen Menschen nicht daran hindern kann, sich umzubringen. Das ist in diesem Land nicht verboten. Auf der anderen Seite hatte ich dafür aber auch keinerlei Verantwortung. Aber was mir am besten in meiner Panik geholfen hat, war die Aussage, dass man so schnell einfach nicht stirbt.

    Ich habe dann meine Angst einfach ausgehalten. Sie wurde weniger und weniger, bis sie sich - dafür schäme ich mich, aber ich bin auch damit nicht alleine - ins Gegenteil gekehrt hat.

    Ich wünsche XY nach wie vor, dass er seinen Weg geht und irgendwann mal ein glückliches Leben führen kann. Ich habe ihn geliebt mit allem, was ich hatte. Ich habe nur selbst nicht begriffen, dass die Liebe irgendwann gestorben war und sich in eine Sucht verwandelt hatte. Die so seltenen extrem lieben Gesten seienrseits machten es mir unheimlich schwer. Nein, hör Dir seine Beteuerungen nicht mehr an. Warte lieber ab, ob er seinen Worten auch Taten folgen lässt. Sollte er trocken werden und sein Leben auf die Reihe kriegen, könnt Ihr Euch immer noch für ein neues gemeinsames Leben entscheiden. Dafür muss aber erst er gesund werden und DU AUCH. Ja, dafür musst Du ganz aus seinem Leben verschwinden. Echte Liebe kann warten - meine Meinung.

    Ob ich das kenne? Es ist (auch) mein Leben, das Du da beschreibst.

    Liebe Grüße
    Feeli

    Liebe Grüße von

    Feeli

  • Hi Feeli,
    noch einmal: Schön, daß es mir nicht alleine so geht...so blöd das klingen mag, aber es hilft mir.
    Und ja, wenn er mich fragt, ob ich vorbeikommen oder mich melden oder was auch immer will, entweder ich sehe ihn und sage ihm, was ich von seinem Verhalten halte. Dann hat er einen Grund zum Trinken. Oder ich sehe ihn nicht, dann hab ich ihn im Stich gelassen. Dann hat er einen Grund zum Trinken. Oder ich sehe ihn und sage nichts zu dem Thema. Dann hat er ja keinen Grund, aufzuhören. Was ich damit sagen will: Es ist EGAL, was ICH tue. Die Entscheidung für oder gegen das Trinken, für oder gegen die Innenschau, die kann nur er fällen. Er und nur er und niemals ich. Wobei das Trinken es einfacher macht, sich nicht den eigenen Schmerz anzusehen...und ihn auszuhalten.
    Gedanklich kann ich das alles fassen. Emotional macht es mich fertig. Ich hab's im Kopf begriffen...
    Es ist egal, ob ich ihm einen guten Morgen wünsche oder nicht, ob ich ihm Mut zuspreche oder ausschimpfe, ob ich überhaupt mit ihm rede oder mich in komplettes Schweigen hülle...es ist und bleibt auf ewig seine Entscheidung - und Mensch, mir fällt das ganz schön schwer, diese Worte für mich zu formulieren :oops: .
    Aber auch hier sage ich ja wahrscheinlich nichts Neues!
    LG,
    das Sonnenblümchen

  • Hi Sonnenblümchen,

    Es ging mir absolut genauso. Im Juni habe ich eingesehen, dass ich bzgl. XY machtlos war. Und weil ich nicht wieder rückfällig werden wollte, habe ich mir Hilfe gesucht. Habe mich hier angemeldet, mir eine Psychotherapeutin gesucht, mir etwas vom Arzt verschreiben lassen, mir eine Selbsthilfegruppe gesucht. Alles endlich einmal Schritte, die ich für mich unternahm!

    Meinem Herzen hatte ich schon so oft nachgegeben und war jedes Mal auf die Nase gefallen. Jetzt wollte ich meinem Verstand endlich mal eine Chance einräumen. Ich habe also so gehandelt, wie mein Verstand (und - ich danke ihr auf Knien - meine Therapeutin) es mir empfohlen hat. Und mein tyrannisches Herz gab erst langsam und Schrittchen für Schrittchen Ruhe und dann irgendwann gab es - kleinlaut und mürrisch - meinem Verstand Recht!

    Ich bin dankbar dafür, welche Wendung mein Leben seit Ende Juni genommen hat. Ich hätte nie gedacht, dass man in so kurzer Zeit so tiefgreifende Lernprozesse durchmachen kann und dass sich die anscheinend so unerschütterlichen Gefühle so wandeln können. Es gibt den Ausdruck "blind vor Liebe". Für mich galt "blind vor lauter Co-Abhängigkeit".

    LG
    Feeli

    Liebe Grüße von

    Feeli

  • Hallo nochmal,
    hab mich ein bißchen durch das Forum gelesen und mir anhand der Beiträge selber mal ein paar Fragen gestellt.
    Was hält Dich in der Gegenwart noch an dem Partner fest? Erinnerungen, Hoffnungen, etwas, das mal war und etwas, das mal sein könnte...doch wo lebe ich, wo leben wir alle? In der Gegenwart!!! Mensch, es gibt immer nur den einen Moment, und zwar den, der jetzt gerade ist!
    Und noch etwas, sorry, wenn das jetzt provokant klingt. Der Partner, also der jeweils "eigene Alkoholiker" hat Schuld, daß es einem schlecht geht...wie oft habe ich gedacht und auch gesagt: Hör auf, ein Opfer zu sein, hör auf, immer Deine Umwelt als Schuldigen für Dein Trinkverhalten darzustellen! Was mache denn ich, wenn ich sage: Du bist schuld, daß es mir schlecht geht. Das ist nichts anderes, nur in diesem Fall bin ich das arme Opfer. Verkehrte Welt...
    Ich habe räumlichen Abstand zwischen uns gebracht, genug, als daß es eine unvorhergesehene Begegnung geben könnte. Ich habe ihn allein gelassen mit seinen Gedanken und der Gelegenheit, sich unbescholten Alkohol zu kaufen oder auch nicht. Ich habe ihm nichts mitgeteilt. Ich habe einfach meine Ankündigung konsequent wahrgemacht. Logisch? Wir Menschen sind nicht logisch. Ich kann nichts mehr tun, außer, daß ich die Sache aus der Hand gebe...
    LG,
    das Sonnenblümchen

  • Hallo Sonnenblümchen,

    Zitat

    Ich glaube auch, und das ist nicht wirklich provozierend gemeint, daß der Alkohol nicht DAS Problem ist, sondern lediglich eine Variante des Versuches, das Ursprungsproblems zu lösen. Selbsthaß, der Verlust der Fähigkeit, das Selbst zu spüren, mangelndes Selbstvertrauen, das halte ich für die Ursache.

    Genaus diese Dinge halte ich auch für das eigentliche Problem des Trinkers. Dies hat sich auf jeden Fall bei mir gezeigt (seit über 5 Jahren "trocken"), nachdem ich damals gehörig "auf die Schnautze gefallen bin", oder meinen Tiefpunkt hatte, wenn man so will.

    Ich begann damals "meine Geschichte" mit professioneller Hilfe aufzuarbeiten und das sich befassen damit sehe ich in der Zwischenzeit als eine Art "Lebenswerk".

    Ich bin auch der Meinung, daß, je mehr diese Ursprungprobleme, die du ansprichst, ausgeprägt sind, desto schneller führen sie einen in die Suchtspirale, die letztentlich in Abhängigkeit endet.

    Ich hab mir in den letzten Jahren oft die Frage gestellt, warum ich soweit kommen konnte und warum andere, so scheint es mir, jahrzehntelang genußvoll dann und wann etwas Alkoholisches trinken können, ohne abhängig zu werden. Mein Großvater war übrigens einer von jenen Menschen, die ihr Leben lang den Alk als Genuss sahen (ich trauere hiermit dem Alk keine Träne nach, bin mit meinem alkfreien Leben mehr als zufrieden und möchte es nie, nie mehr anders haben).

    Wie gesagt, ich meine, daß das ein ganz gravierender Punkt ist, eben die Ursprungsprobleme, aber, man kann daran, das behaupte ich jetzt mal, arbeiten, das Einem das auch mal bewusst wird, warum das so ist und hier dann eben mal ansetzen, so war mein Weg. Ich behaupte sogar, daß diese Eigenschaften bei jedem vorhanden sind, beim Einen halt mehr, beim Anderen weniger ausgeprägt.

    Dies hab ich für mich eingesehen und ich kann nur sagen, es lohnt sich, eben solche Dinge mit Hilfe von Professionisten (Therapeuten, ...) aufzuarbeiten.

    Wichtig, das muß aber derjenige selbst wollen .......


    lg

    klarerkopf

    Mein abstinentes Leben begann am 25. Okt. 2005

  • Hallo Sonnenblümchen,

    Ging mir auch so, mein Kopf war schneller als das Herz. Als ich hier ins Forum fand, hab ich zuerst eigentlich beim Lesen schnell begriffen, daß ich ihm nicht helfen kann. Bis zur Trennung sind noch Monate vergangen, dann aber für ihn abrupt. Alle Sachen zurückgegeben und kein Kontakt mehr. Er wußte natürlich nicht, weshalb Schluß war, das konnte mein Ex sich übrigens bei keiner seiner Ex-Frauen erklären. An ihm lag (und liegt) es natürlich nicht.

    Ich habe dann aber noch weitere Monate gebraucht, um selbst damit fertig zu werden. Ich habe mich in eines meiner sehr sehr vernachlässigten Hobbys regelrecht reingekniet, so als wollte ich alles das, was ich versäumt hatte nachholen (war vielleicht eine Art Suchtverlagerung meinerseits, hat sich aber jetzt auf ein normales Maß eingepegelt).

    Wirst sehen, am Ende ist aus dem Sonnenblümchen eine Sonnenblume geworden, ich seh Dich schon leuchten.

    lg inga

  • sonnenblümchen

    auch wenn du zwischendurch zögerlich auf mich wirkst-

    ich find´s echt toll, wieweit du schon gekommen bist!

    konsequenz und durchhaltevermögen ist wahrscheinlich das stichwort
    bei jeder suchtbekämpfung.

    manchmal muss man ja nur die zeit vertreiben (die elende!), und dann
    rutscht man (und wundert sich selbst darüber) wieder in eine neue,
    stärkere phase, die man sich selbst gar nicht zugetraut hätte...

    durchhalten und das licht steht am ende des tunnels.

    lg fatima

  • ....

    möchte auch darauf antworten.
    alk. versprechen viel und halten wenig. so zumindest meine erfahrung.man muss als partner sehr konsequent sein, sonst tun die alk. nichts. in meinem fall (bitte kommentare) war es so, dass meine alk.partner die leichtere variante vorzog: nichts tun gg. den alk. neuen partner ( nicht zusammenleben) und weiter gehts mit alk.

    die frage in partnerschaften ist: wer ist stärker der alk oder der partner. in der regel ist es leider der alk. alle schöne zeit, die man gemeinsam erlebt hat, ist nichts gegen eine flasche alk. der alk wird vorgezogen.
    dein er muß aus sich heraus trocken werden,hilft nix.

  • Halo Klarerkof,

    interessanter Beitrag und tolle Selbsterkenntnis. Das Aufarbeiten hat sich bei Dir auf jeden Fall gelohnt.
    Mein Glückwunsch zur über 5jährigen Trockenheit.

    Hoffentlich lesen es viele der XYs hier im Forum und denken ernsthaft darüber nach.

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