Guten Morgen ihr alle,
nun kann ich auch im offenen Bereich schreiben u. will mich kurz vorstellen. Ich bin 45 Jahre alt und Alkoholikerin.
Nachdem ich sechs Jahre während meiner Ehe trocken war, baute ich nach der Scheidung einen Rückfall. Obwohl "baute" falsch ist; wenn ich heute ehrlich bin, dann wollte ich es noch mal wissen, ob ich nicht doch kontrolliert trinken kann. Ich eiere also seit 10 Jahren rum. Hier mal ne Therapie, da ein bißchen Gruppe, Monatelang trocken, Abstürze, noch ne ambulante Therapie... Immer wieder der Versuch, kontrolliert zu trinken und immer wieder auf die Schnauze fallen. Daran war nur "die Gruppe schuld; die verstehen mich nicht und so schlimm wie die bin ich doch nicht. Ich bin doch gar nicht abhängig, ich betreibe nur Missbrauch.."
Ich habe mir nicht nur Hintertürchen offengehalten, das waren ganze Scheunentore. Mein Partner war mir in dieser Hinsicht auch eine "Hilfe", wenn er sagte "Du bist nicht abhängig, Schatz. Du trinkst nur manchmal ein bißchen viel."
Mein krankes Hirn fand das natürlich klasse, hat in die Hände geklatscht u. gesagt "Darauf trinken wir erst mal einen.."
Ich habe alle um mich herum belogen und betrogen. Habe meinem Freund, wenn er zu mir kam erzählt, daß das mein 1. Bier ist, was da vor mir steht, dabei standen schon 4 leere im Küchenschrank.
Ich habe im Suff mit anderen Männern rumgemacht, war oft so voll, daß mir ganze Nächte der Erinnerung fehlen.
Ich habe mein Handy vor mir selbst versteckt, wenn ich saufen wollte, damit ich nicht in Versuchung komme, meinen Freund anzurufen um ihm "mal richtig die Meinung zu sagen".
Vor drei Tagen habe ich zum letzten Mal getrunken. Ich habe mir 6 Flaschen Bier geholt u. war sicher, die reichen, danach wollte ich ins Bett.
Beim 5. wurde ich schon nervös, habe mir die Jacke angezogen und bin nachts u. im strömenden Regen zu meinem "Lieblingstürken" u. hab den aus dem Bett geklingelt, weil der schon zu hatte. Habe dann noch 3 geholt u. fand mich nur noch erbärmlich.
Am nächsten Tag bin ich in meine Gruppe gegangen und habe zum ersten Mal ehrlich gesagt, daß ich wieder trinke. Bisher lief das so ab, wenn ich denn mal hingegangen bin, daß ich sagte "Ich bin B. ich bin Alkoholikerin und mir geht´s suuuper!"
Ich habe dort also auch gelogen.
An diesem Abend hab ich kapiert, daß ich mir nur selbst helfen kann, daß keine Gruppe u. keine Therapie der Welt mich trockenlegen kann.
Tags drauf bin ich zum Arzt u. habe auch ihm erzählt, was los ist. Ich habe ein Medikament bekommen, das leicht sedierend wirkt (ohne Suchtpotential) u. heute ist mein 3. trockener Tag.
Dieses Mal fühlt sich alles anders an. Ich bin nicht mehr so euphorisch wie all die anderen Male als ich "aufgehört habe zu trinken".
Ich fühle mich sehr sehr klein.
Ich habe verstanden, daß Alkoholismus eine schwere Krankheit ist, mit der man nicht rumspielen sollte. Und ich habe kapiert, daß ich mein Leben nicht mehr im Griff habe, wenn ich saufe.
Und damit es nicht allzu schwer ist, sage ich mir "Nur heute werde ich nicht trinken." Das sage ich mir jeden Tag, bis daraus Jahre geworden sind.
Wenn etwas sein sollte, kann ich jemanden aus der Gruppe anrufen. Und werde das auch tun. Telefonnummern habe ich jetzt genug. Die hätte ich schon früher haben können, wollte aber "niemanden belästigen". Blödsinn.
Ich wünsche mir und euch gute 24 Stunden!