Hallo Leute,
Neu angemeldet, habe ich schon mehrere Ansätze gemacht, diesen Post zu verfassen und jedes Mal gedacht: Boah, viel zu lang, viel zu viel Gesülze, das liest kein Mensch zünde, der bei Vernunft ist
Also versuche ich mich so kurz wie möglich zu fassen: Ich habe 13 Jahre mit einem alkoholkranken Mann zusammengelebt, wir haben ein gemeinsames Kind. Ende letzten Jahres habe ich mich aufgrund seiner Sucht von ihm getrennt. Ich konnte einfach nicht mehr so leben.
Er hat unmittelbar danach eine neue Freundin gefunden und mir erzählt, er habe aufgehört zu trinken. Ich habe das geglaubt und ihm auf sein Drängen hin versprochen, seiner Familie nichts über den wahren Trennungsgrund zu erzählen. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, mit diesem Zugeständnis meine Co-Abhängigkeit fortzuführen. Ich war einfach nur froh, aus der Nummer raus zu sein und habe mir von ihm nicht verbieten lassen, meinen Vertrauten die Wahrheit zu sagen, was er mir unwahrscheinlich verübelt hat und wofür ich mich erst einmal schlecht gefühlt habe.
Wenn ich ihn bei gemeinsamen Telefonaten (er weigert sich seit der Trennung, mich auch nur 30 Sekunden persönlich zu treffen) fragte, ob er noch tränke, verneinte er, aber er erzählte, in eine Depression abzurutschen.
Aufgrund dieser Depression- die sicherlich eine Tatsache ist, kümmerte sich sein Umfeld aufopferungsvoll um ihn, ohne von seinem Alkoholproblem zu wissen. Er selbst geht zurzeit weder zur Arbeit, noch pflegt er Kontakt zu unserem Sohn - er hat wegen seiner Depression absolute Narrenfreiheit. Er lässt seine neuen Connections die letzten Monate also ein Feld beackern, das eigentlich nicht seine Hauptbaustelle ist. In dieser zeit hat er sich zusätzlich immer wieder an mich gewendet, ob es nun Vorwürfe, Beschimpfungen, Liebesbekundungen waren. Ich habe mittlerweile begriffen, dass er seinen Tippi-Toppi-Co-Alki (das war/bin ich nämlich leider) wiederhaben will. Begriffen habe ich nicht, dass ich das mitgemacht habe, getröstet, zugehört, geschwiegen, aufgebaut, vermutlich, um meine Sonderstellung etc. zu behalten und außerdem war ich es ja so gewohnt. Begriffen habe ich auch nicht, dass er bereits wieder voll am Saufen war. Das ganze Programm. Ich habe ihn wegen seiner Depression aufrichtig bedauert und ihm mit den anderen alles abgenommen.
Als er unseren Sohn nach langer Zeit letztes Wochenende (alleine) bei mir getroffen hat, fand ich später leere Wodkaflaschen, die er vergessen hatte, zu entsorgen und mir wurde klar, dass er nicht aufgehört hat zu trinken. Das traf mich widersinnigerweise wie ein Hammerschlag. Ich habe mich wieder einmal vollkommen hilflos gefühlt, voller Angst, voller Mitgefühl für mein Kind. Mir ging es wirklich schlecht - und ich bin wütend. Ich habe mich getrennt und komme dennoch nicht aus diesem Gefängnis der Sucht. Und ich habe begriffen, dass ich seine Sucht nicht mehr alleine tragen will.
Anstatt ihm die üblichen Vorhaltungen und Gardinenpredigten zu halten, habe ich habe seinen Vater informiert, der sein einziger Kontakt neben seiner neuen Freundin ist. (er hat keine Freunde). Er hat meine Worte nicht bezweifelt, ihm selbst war das Problem ansatzweise schon aufgefallen. Das hat mich zunächst unfassbar erleichtert - endlich nicht mehr allein mit dem Wissen um die Krankheit. Wir haben beschlossen, übermorgen gemeinsam die Suchtberatung der Caritas aufzusuchen, damit er ein wenig Durchblick über Alkoholismus bekommt, bevor er seinen Sohn mit seinem neuen Wissen konfrontiert. Ich frage mich, ob es überhaupt gut ist, wenn ich darüber hinaus noch mitmische. Ich gehe nicht meinem Ex zuliebe mit, sondern um meinen Schwiegervater nicht alleine zu lassen, der natürlich momentan total am Arsch ist. Wie weit bin ich noch in der Verantwortung? Ich weiß es nicht. totaler Nebel bei dieser frage.
Nach dem Blabla, nun mein eigentliches Anliegen, bei dem Betroffene oder Angehörige mir hier vielleicht etwas sagen können:
Innerhalb unseres verrückten Suchtkonstruktes ist die Aufklärung seines Vaters der höchstmögliche Verrat, den ich begehen konnte. Seitdem ich „gepetzt“ habe, fressen mich meine Schuldgefühle auf. Ich habe Angst, sein Leben damit endgültig zerstört zu haben. Dieses Denken zeigt mir natürlich auch, wie sehr ich noch in der Co-Rolle stehengeblieben bin. Mein Kopf ist momentan voll von Angst, Schuldgefühlen und der Erkenntnis, WAS ich da eigentlich all die Jahre gemacht habe, ich frage mich, wie ich es meinem Kind gegenüber jemals wieder gut machen kann, dass ich die Scheiße so lange mitgemacht habe. Es tut mir so unfassbar leid. Für uns alle.
Es ist völlig verrückt: mein Verstand sagt, ich habe die richtige Entscheidung getroffen, mein Co-Herz glaubt, ich habe ihn doppelt verraten und treibe ihn jetzt in den Selbstmord. Tief in mir weiß ich, dass ich auch angst habe, nicht mehr von ihm geliebt zu werden, weil ich ausgepackt habe. Er wird komplett durchdrehen, denn für ihn ist die höchste Priorität im Leben seine Sucht zu vertuschen. Das habe ich ihm nun genommen. Es ist gefühlsmäßig für mich wie eine zweite Trennung …
Was für ein Murks.
Momentan fürchte ich mich vor der Lawine, die ich mit meiner Ehrlichkeit ausgelöst habe und grübele ob, es wirklich in Ordnung war, mich an seinen Vater zu wenden. In meinem Hirn geht es gerade zu, wie auf dem Marktplatz, wo alle durcheinanderschreien.
Danke fürs Lesen
Ahoi