Ich bin...*unsicherheitsräusper*...Alkoholiker

  • Hallo allerseits,

    nachdem ich den Vorstellungsbereich passiert habe und nun eintrete ins größere Vorzimmer (die inneren Gemächer sind mir noch verschlossen), möchte ich mich, wie es sich gehört, zuerst mal vorstellen. Ich möchte das machen, indem ich sage, warum ich hier bin:

    Der konkrete Anlass war, dass ich letzten Freitagabend, an dem ich "kontrolliert trank" (irgendwie bin ich dann doch erst um halb fünf in der Früh mit ziemlich was im Tank im Bett gelandet), als "Trinker" bezeichnet wurde - von jemandem, der selber ein ernstes Alkoholproblem hat. Zu dem Zeitpunkt hielt ich mich zwar noch für den souveränen, kontrollierten Trinker (außerdem war ja Wochenende, da ist es doch eh wurscht), und es hat mich direkt auch gar nicht irgendwie erschüttert oder so - aber es war jetzt doch das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass jemand so was in der Art gesagt hat, und das gab mir zu denken.

    Ich hatte das Gefühl, diese andere Person wünscht sich Hilfe von mir (es gab da ja auch mal ein Gespräch mit ihr darüber, ist aber schon ein paar Jahre her) und ich überlegte am nächsten Tag, ob da nicht was zu machen sei - bis mir auf einmal klar wurde, dass ich zunächst mal selber Hilfe brauche. Deshalb nahm ich spontan Kontakt zum Forum hier auf und kaufte mir später noch ein Buch zum Thema ("Alk" von Simon Borowiak), das ich in der folgenden Nacht in einem Zug durchlas.

    Vor ein paar Jahren habe ich schon mal eine offene Selbsthilfegruppe besucht, das hat bei mir damals die Situation aber eher verschlimmert: Ich saß da zerknirscht und fast mit Tränen in den Augen, also voller Selbstmitleid, und dachte mir nur so was wie: "So weit hast du's also gebracht." Eine Traurigkeit, die mir den Grund lieferte, gleich nach den Sitzungen was trinken zu gehen. Ich hab dann wenigstens eingesehen, dass das so nichts bringt und hab in der Folge versucht, es wieder auf eigene Faust zu probieren - mit sehr wechselndem Erfolg. Diesmal ist es - vielleicht auch durch die humorvolle und offene Art, in der oben erwähntes Buch geschrieben ist - anders: Ich freue mich, etwas gegen mein Problem tun zu können, und ich fühle mich kein bisschen "arm" und "verkommen", weil ich - schnüff - ein Alkoholiker bin.

    Ein zweites Problem damals war, dass ich mich in der Gruppe irgendwie "minderwertig" fühlte: Als ich den anderen Teilnehmern zuhörte, hatte ich plötzlich das Gefühl, dass meine Probleme doch nur "Peanuts" seien und ich nicht dorthin gehöre. Ich brauche ja z.B. nichts Hochprozentiges schon am Morgen, um irgendwie funktionieren zu können oder sowas. Nein, ich kann sogar über Tage und - wenn die Umgebung passt - auch wesentlich länger trocken bleiben, kein Problem. Aber sobald ich dann glaube, es gepackt zu haben, und mich auch körperlich wieder halbwegs fit fühle, kommt diese Stimme, die mir sagt: "Jetzt kannst du ja mal wieder "gepflegt" auf ein Bier oder so gehen. Und je besser ich mich vorher gefühlt habe und je länger ich trocken war, desto schlimmer war dann der Absturz (die grausigen Details lass ich jetzt mal weg).

    Soweit ich bis jetzt gesehen habe (ich kenn mich noch nicht wirklich gut aus mit dem Thema), passt das ins Schema "Quartalstrinker", zumindest so ungefähr. Es gab in der Vergangenheit allerdings auch Phasen, wo es mehr und regelmäßiger war.

    Um jetzt nicht zuviel auf einmal zu quasseln, mein Fazit: Ich bin - egal, was andere denken mögen - Alkoholiker (auch wenn mir dieses Wort immer noch nur widerstrebend von den Lippen bzw. Tasten kommt und auch wenn ich keine deutlichen Symptome körperlicher Abhängigkeit habe - soweit ich das beurteilen kann) und freue mich darauf, hier das eine oder andere zu lernen, das mir hilft, dauerhaft trocken zu bleiben. Im Moment ist es ja erst der zweite Tag...

    LG
    514

  • Hallo 415,

    Herzlich Willkommen!

    Was Du schreibst, erinnert mich stark an mich selber (außer die SHGs, die habe ich im RL bisher nicht besucht).

    Ein Alkoholiker lässt sich für mich weder an den Mengen, noch an der Regelmäßigleit des Trinkens festmachen. Wenn man auf Dauer ohne Alkohol nicht mehr auskommt, ist man einer. Auch ich konnte/kann über Monate nichts trinken, das ging fast ein Jahr lang so. Aber dann kam wieder der Rückfall. Und am Ende die Erkenntnis, dass "normales", reduziertes oder sonstwie Trinken nicht möglich ist. Das war der Punkt, wo ich erkannt habe, dass ich Alkoholikerin bin (auch wenn ich nicht Literweise Alkohol in mich hineinschütten musste) und nie wieder Alkohol trinken darf (damals - klingt so lang her...es passt wohl eher: zum Zeitpunkt der Erkenntnis) bzw. möchte (aktueller Stand).

    Auch wenn Du keine (offensichtlichen) Entzugserscheinungen hast, möchtest Du dich ärztlich begleiten lassen?

    Viel Kraft auf deinem Weg!

    panem

  • Hallo panem,

    danke für deine Antwort!

    Zitat von panem

    Ein Alkoholiker lässt sich für mich weder an den Mengen, noch an der Regelmäßigleit des Trinkens festmachen. Wenn man auf Dauer ohne Alkohol nicht mehr auskommt, ist man einer.

    Es klingt in gewisser Weise komisch, aber ich bin froh, etwas Bestätigendes zu hören in der Richtung, dass ich Alkoholiker bin. Man könnte ja meinen, dass es die bessere Nachricht wäre, wenn mir jemand sagen würde: "Nein, in deinem Fall ist es nicht so schlimm." Aber nach so einer Botschaft würde ich wahrscheinlich bald wieder zu trinken anfangen, denn "ich bin ja keiner" und hätte dann sogar noch eine Bestätigung von außen. - Es ist für mich sehr wichtig, dass da klare Verhältnisse sind. Denn nur so kann ich auch einen klaren Vorsatz fassen. (Ich hatte, ehrlich gesagt, ein wenig Angst davor, jemand hier könnte daran zweifeln, dass ich einer bin.)

    Das Gemeine, wenn man es immer wieder, auch über längere Zeiträume schafft, nicht zu trinken, ist ja, dass man dann meint, es kontrollieren zu können. Man (oder jedenfalls bei mir ist das so) fühlt sich dann auch gar nicht als Alkoholiker: ich funktioniere gut, hab andere Interessen, das Leben ist schön, ich bedaure andere, die trinken müssen, und fühle mich in ihrer Gegenwart sehr "geläutert" und "gereift"...und dann ist man z.B. irgendwo bei einem "besonderen Anlass", wo es unhöflich wäre, nicht zu trinken, und...aber ich brauch das wohl niemandem hier zu erzählen...

    Die Frage mit den Entzugserscheinungen, also die Frage, ob ich auch körperlich abhängig bin (und ärztlichen Beistand brauche), ist für mich noch nicht geklärt, zu dem Thema möcht ich mich hier auch noch näher umsehen. Ich hab zwar keine deutlichen Symptome, aber die Grenzen sind da meinem Gefühl nach fließend. Aber jetzt einfach zum Arzt gehen und eine Entgiftung verlangen, dafür ist mir die Angelegenheit doch irgendwie zu vage. Mein derzeitiger "Kompromiss": ich möchte zunächst mal einen Termin zu einer Gesundenuntersuchung vereinbaren und dann mal schauen, wie's so im Allgemeinen um meine Gesundheit steht, und danach die weiteren Entscheidungen treffen...(das wollte ich eigentlich heute machen, hab ich aber "vergessen" - da muss ich mich morgen wohl mal selbst "an der Nase nehmen"...)

    Jedenfalls danke für deine hilfreiche Reaktion,
    auch ich wünsche viel Kraft auf deinem weiteren Weg!

    LG
    514

  • Hallo 415,

    ich bin natürlich kein Arzt und kann sagen: Du bist Alkoholiker und Du nicht.

    Du scheinst aber der Meinung zu sein, dass Du ein Problem mit Alkohol hast. Und hast in der Vergangenheit auch schon Schritte aus der Sucht (SHG) gesucht. Aber am Ende kann dir niemand von außen sagen, was Du bist oder machen musst. Man kann Dir Ratschläge geben, dich unterstützen und dich begleiten. Die Entscheidung dafür bzw. gegen den Alkohol, musst Du aber ganz alleine treffen.


    Zitat

    ..."kontrolliert trank" (irgendwie bin ich dann doch erst um halb fünf in der Früh mit ziemlich was im Tank im Bett gelandet)

    Die Aussagen mit dem kontrollierten Trinken, finde ich persönlich immer sehr bezeichnend. Warum muss man etwas kontrollieren, wenn es kein Problem darstellt?

    Ich habe auch immer wieder die Gedanken gehabt, dass es bei mir "nicht so schlimm" ist. Ich bin mit meiner Flasche Wein gut zurecht gekommen, konnte arbeiten gehen, Freunde treffen usw. Habe auch manchmal tagelang und wochenlang nix getrunken. Aber irgendwann merkt man, dass man sich Ziele sucht. An dem Wochenende ist das und da ist das. Da kann ich dann trinken. Bei mir steigerte sich das immer mehr. Irgendwann saß ich jeden Abend alleine mit meiner Flasche, stürzte sie mehr oder weniger runter, nur um dann nicht denken zu müssen, den Streß zu verdrängen und schnell einzuschlafen.

    Die "Kunst" ist, auf Dauer achtsam zu bleiben. Die Entscheidung trocken zu bleiben auch in 2 Wochen, 5 Monaten oder 10 Jahren nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Das wird meine größte Baustelle werden, denn genau wie Du, konnte ich phasenweise ganz einfach mit dem Trinken aufhören.

    So, jetzt muss ich ab in die Koje!

    Freue mich darauf mehr von Dir zu lesen,

    panem

  • Hallo panem,

    Zitat von panem

    Aber am Ende kann dir niemand von außen sagen, was Du bist oder machen musst.

    Wenn ich meine obigen Posts jetzt mit ein wenig Abstand nochmal lese, merke ich, wie wichtig das, was du da sagst, ist. Ich hab immer noch zuviel darauf gegeben, wie andere mich da beurteilen mögen. Mir wird jetzt so richtig klar, dass das letztlich alles ganz egal ist. Wurscht, ob ich nach irgendwelchen Meinungen von außen bzw. Diagnosemanualen nun "offiziell" Alkoholiker bin oder nicht, Tatsache ist einfach, dass das Trinken mein Leben einschränkt und dass ich den Entschluss gefasst habe, das Zeug nicht mehr anzurühren. Punkt.

    Deine Frage, warum man was kontrollieren muss, das angeblich eh kein Problem ist, bringt die Sache sehr treffend auf den Punkt.

    Zur Zeit fällt es mir übrigens relativ leicht, nicht zu trinken - das heißt allerdings noch nicht viel, denn die Woche steckt voller Arbeit und Verpflichtungen, da geht das schon - während der Woche ist mir das in letzter Zeit auch schon, als ich noch getrunken habe, meist gelungen (die Betonung in diesem Satz liegt auf "meist"!). Und es heißt auch nicht, dass die Gedanken, jetzt mal schnell einen heben zu gehen, völlig fehlen würden. - Die nächste größere Herausforderung werden aber das Wochenende und die Feiertage werden. Mal sehen...

    Zwei Unterschiede zu früheren trockenen Phasen, die mir an mir auffallen, machen mir Mut:

    1. Ich nehme die trinkende Welt mit ganz anderen Augen wahr als bisher. Wenn ich z.B jemanden auf der Straße die typischen verharmlosenden Witze reißen höre à la "Haha, da haben wir Gas gegeben und am nächsten Tag konnte ich nicht in die Vorlesung, haha", sehe ich darin nichts Lustiges mehr. Früher hätte ich mitgegrinst.
    2. Zugleich fühle ich mich aber auch nicht überlegen. Ich habe nicht das Gefühl, da drüber zustehen, nur weil ich mal ein paar Tage nicht trinke. Ich bedaure einfach nur, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der wir Gesundheitsgefährdungen "witzig" finden. Ich bilde mir nichts darauf ein - es geht hier nicht um eine "Leistung", sondern schlicht darum, sich selbst gut zu behandeln.

    Ich hab inzwischen auch deinen Thread zu lesen angefangen, und ich kann das zurückgeben, was du oben gesagt hast: ich erkenne mich da in vielem wieder...

    LG
    514

  • Hallo 415!

    Ich bin zwar irgendwie immer irritiert mit einer "Nummer" zu schreiben, aber das ist hier ja eigentlich nebensächlich :D

    Zitat

    Tatsache ist einfach, dass das Trinken mein Leben einschränkt und dass ich den Entschluss gefasst habe, das Zeug nicht mehr anzurühren. Punkt.


    Diesen Entschluss finde ich sehr gut und wünsche Dir viel Kraft auf deinem Weg!

    Was ist denn bei Dir am Wochenende anders als in der Woche? Fehlende Ablenkung durch die Arbeit? Und hast Du die Möglichkeit Dich am Wochenende mit Menschen zu umgeben, die ebenfalls nicht trinken? Oder die von deinem Entschluss wissen und Dich unterstützen? Gerade in der Anfangszeit hat mir das sehr geholfen...

    Die Weihnachtstage tauchen immer wieder als Thema auf, sei es hier im Forum oder im RL. Auch für mich ein Thema, denn meine Eltern wissen noch nicht, dass ich Alkoholikern bin. Ihnen das zu erzählen, fällt mir sehr schwer und im Moment fühle ich mich auch noch nicht stark genug dazu. Ein Telefonat mit meiner Mutter hat mich aber zumindest dahingehend beruhigt, dass sie gefragt hat, welche Getränke sie zu Weihnachten besorgen soll, weil: "Alkohol trinkst du/ihr ja gar nicht".

    Diese Methode, die Karten nicht richtig auf den Tisch zu legen ist für mich definitiv keine Dauerlösung. Ich möchte nie wieder Alkohol trinken, dann kann ich das doch eigentlich auch so formulieren...Doch dann taucht immer der Gedanke von einem "Makel" auf. Dass man die Kontrolle über sich selbst verloren hat und "schwach" ist - obwohl ich weiß, dass das eigentlich totaler Quatsch ist.

    Wie ist das bei Dir? Gehst du offen mit Deiner Entscheidung um oder wirst es?

    vg und bis bald,

    panem

  • Hallo panem,

    die Nummer habe ich deshalb als Namen gewählt, weil ich sie kurz vor meinem Entschluss und irgendwie in Zusammenhang damit geträumt habe - sie ist also weniger unpersönlich als sie aussieht... :)

    Zitat von panem

    Was ist denn bei Dir am Wochenende anders als in der Woche? Fehlende Ablenkung durch die Arbeit? Und hast Du die Möglichkeit Dich am Wochenende mit Menschen zu umgeben, die ebenfalls nicht trinken? Oder die von deinem Entschluss wissen und Dich unterstützen? Gerade in der Anfangszeit hat mir das sehr geholfen...

    Ja genau, mir fehlt die Ablenkung: ich bin auf mich selbst zurückgeworfen, muss mich selbst organisieren, und die Gefahr der Langeweile ist größer. Langeweile ist ja nicht so harmlos, wie das Wort zunächst klingt. Langeweile bedeutet ja eigentlich nichts anderes, als dass man sich selbst nicht aushält, und da schließt sich dann gern eine Fluchtreaktion an, und Fluchtreaktion bei einem Trinker besteht dann oft eben im Trinken. Nun kann man zwar sagen, man müsse eben lernen, sich selbst auszuhalten, und ich finde das auch, nur kann es halt passieren, dass man in manchen gefährlichen Augenblicken dieser Aufgabe nicht gewachsen ist, dass man sich selbst quasi über den Kopf wächst, und dann kommt die Flucht...

    Meine Strategie besteht darin, dass ich alternative Fluchtmöglichkeiten praktiziere: Lesen, Yoga, Meditation, und darauf baue ich (wobei diese Alternativen zum Teil auch durchaus helfen können zu lernen, eben nicht zu flüchten, sondern im Hier und Jetzt anzukommen - ich weiß, das klingt abgdroschen, aber es stimmt halt doch). Andere zu treffen, wie du zu Recht vorschlägst, die auch nicht trinken - diese Möglichkeit habe ich zur Zeit nicht. Mein gesamter Freundeskreis, ich übertreibe nicht, besteht aus Leuten, die trinken. Das ist mir eigentlich erst in den letzten Tagen richtig bewusst geworden...

    Deine Frage, wie ich mit meiner Entscheidung umgehe: ich denke, das kommt ganz auf die jeweilige Person an. Es gibt unter meinen (trinkenden) Freunden einige wenige, die ein gewisses Problembewusstsein diesbezüglich haben - denen kann, wenn es sich ergeben sollte, ich mich bedenkenlos anvertrauen. Ich weiß, dass sie meinen Entschluss verstehen, auch wenn sie selber dazu nicht bereit sind.

    Anders ist es mit Leuten, die überhaupt kein Problembewusstsein haben. Da würde ich keinen Sinn drin sehen, ihnen das jetzt groß zu erzählen. Man würde bei ihnen, fürchte ich, nur bewirken, dass sie sich selbst noch mehr in ihrer "Trinkerposition" einzementieren und es womöglich noch darauf anlegen, einen wieder zum Trinken zu überreden.

    Und dann gibt es noch die Gruppe der "Nichttrinker", jedenfalls derer, die sich nach außen so zu präsentieren wissen. Da denke ich mehr an meine Berufskollegen und Vorgesetzten und manceh Leute aus meinem Verwandtenkreis. Bei der Gruppe werde ich mich hüten, irgendwas Derartiges zu sagen. Ich habe schon oft genug Gespräche mitangehört in der Art von: "Ich hab's auch oft schwer gehabt, da muss man sich halt am Riemen reißen." Den Teufel werde ich denen sagen.

    Also nochmal die Kurzfassung :wink: : es hängt ganz vom Gesprächspartner ab...

    Übrigens würde ich die Sache nicht so formulieren, dass ich die Kontrolle über mich verloren habe und schwach sei. Eher das Gegenteil: Ich bin dadurch, dass ich nicht trinke, stark. Es ist ja einfach, nicht zu trinken, wenn man keine Sucht entwickelt hat. Ich finde, trockene Alkoholiker haben denen, die noch nie "getrunken" haben, etwas voraus...

    LG
    514

  • Hallo 514,

    Zitat

    Andere zu treffen, wie du zu Recht vorschlägst, die auch nicht trinken - diese Möglichkeit habe ich zur Zeit nicht.

    wenn ich eine lange Zeit getrunken habe kenne ich meist auch nur Menschen die selbst trinken.

    Was will ich denn auch mit den Anderen, die verstehen mich ja eh nicht.

    Wenn ich aufhöre zu trinken kann ich auch Menschen suchen/finden die nicht trinken.

    Es müssen ja keine Menschen sein die nie trinken, aber in meiner Anwesenheit sollten sie es lassen.

    LG Martin
    ------------------------
    Wie kann ich das Forum unterstützen?

  • Hallo Martin,

    danke für deine Antwort!

    Zitat von Martin

    wenn ich eine lange Zeit getrunken habe kenne ich meist auch nur Menschen die selbst trinken.

    Was will ich denn auch mit den Anderen, die verstehen mich ja eh nicht.

    Das beschreibt sehr treffend meine derzeitige Situation. Bei mir ist es ja erst ein paar Tage her, seit ich nicht mehr trinke, und neue Formen des sozialen Umgangs...ja, aber das wird wohl eine Weile dauern, bis das gewachsen ist.

    Das mir dem Suchen / Finden von Menschen, die nicht trinken bzw. zumindest in meiner Gegenwart nicht trinken - ja, ich werde versuchen, in der Richtung was zu bewegen...dabei fällt mir grade ein, dass dieses Forum (auch wenn es reale Kontakte wohl nicht ersetzen kann) ja auch schon so ein soziales Netz ist :) ...ein Anfang ist also bereits gemacht! Es hilft auch schon sehr dabei, sich nicht (mehr) so ganz alleine zu fühlen...

    LG
    514

  • So, da ist es also, das Wochenende, mein aktueller Intimfeind...

    Gleich nach Arbeitsschluss war sofort der bei mir übliche "Juhuuu-ich-hab's-geschafft-jetzt-kann-ich's-krachen-lassen-Anfall" da. Gut, den kenn ich schon - nicht mit mir! Ich hab's bis nach Hause geschafft, ohne irgendwo "abzubiegen", und da konnte ich mich erst mal wieder etwas beruhigen. Dann, nach einem extra "gesunden" Essen (ich fühl mich immer noch nicht besonders seit letztem Freitag, dem letzten Tag, als ich's mir "gegeben hab", vielleicht liegt das aber auch an den Zigaretten) nochmal raus - vielleicht war das schon eine Suchtentscheidung? Ich wollte noch ein Buch (Weihnachtsgeschenk) abholen in einem Laden, der auch abends geöffnet hat (hätte ich morgen genauso erledigen können). Hab dann auch für mich dort ein wenig herumgeschmökert. Irgendwann hätte ich dann aber die Wände hochrennen können, hab's nicht mehr ausgehalten und bin raus. Einerseits tat mir die frische Luft gut, andererseits war ich von lauter Punschständen umgeben: zwei Schritte hin ("Wär doch gut!"), dann wieder ein paar Schritte weg ("Ekelhaft, jetzt angetrunken zu sein!") Meine Sucht fand den Kompromiss-Ausweg in einen Zigarettenkiosk, natürlich leichte, naturbelassene Zigaretten, man ist ja gesundheitsbewusst. Die Zigarette schmeckte scheußlich. Dann nachhause. Lesen: ich kann kaum einen Satz verstehen, weil ich mich nicht konzentrieren kann. Um die Ecke wären alle meine "Freunde". Aber nein, ich will mir den morgigen Tag nicht versauen, für den ich Weihnachtseinkäufe und Sport eingeplant habe. Dann halt hierher ins Forum. Hat mir jemand geantwortet? Was treiben die anderen in ihren Threads so? Scrolle und klicke wild herum. Schließlich beschließe ich, meine Unruhe hier in diesem Post abzureagieren. Uff. Blick auf die Uhr: wann werde ich müde genug sein, um schlafen gehen zu können? Aber wenigstens bin ich zuversichtlich, dass mich heute kein "Friday-Night-Fever" mehr packen wird. Oder doch?

    Zwischendurch auch Momente plötzlich auftauchender (und ebenso plötzlich verschwindender) Ruhe: Freude, es bis jetzt geschafft zu haben. Und jetzt muss ich sogar ein wenig schmunzeln, wenn ich mir durchlese, was ich da grade geschrieben habe...

    Ich weiß, was ich da geschrieben habe, ist eine weitere Version der ewig gleichen Geschichte, die den meisten von euch, könnte ich mir vorstellen, schon zum Hals raushängt. Aber mir hat das jetzt gut getan. Ausatmen. (Und eine "Zigarette danach" anstecken...)

    LG
    514

  • Hallo 514,

    wenn es dir gut tut deine Gedanken aufzuschreiben ist das doch toll, es muss ja niemand lesen :lol:

    Ich hätte das Buch morgen früh erst abgeholt, bevor die Punschstände geöffnet haben :idea:

    Heute ist es nochmal gut gegangen, es hätte aber auch schief gehen können :!:

    LG Martin
    ------------------------
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  • Hallo Martin,

    Zitat von Martin

    Heute ist es nochmal gut gegangen, es hätte aber auch schief gehen können :!

    Ja, das war haarscharf...und ich fürchte, ich hab's ein wenig darauf angelegt. Morgen und übermorgen werd ich mich die Abende zuhause einbunkern. Bin schon gespannt, welche "überzeugenden" Argumente dem Suchtteufelchen dann wieder einfallen werden...

    LG
    514

  • Hallo 415,

    auch von mir ein nettes Willkommen! Ich hoffe Du hast noch einen ruhigen Abend und Nacht. Hast Du schon erste Pläne wie du die nächste Zeit gestalten willst?

    Schönen Gruß,
    Quantensprung

    "Was einer für sich selbst hat, was ihn in die Einsamkeit begleitet, und keiner ihm geben und nehmen kann: dies ist viel wesentlicher als alles, was er besitzt, oder was er in den Augen andrer ist." Arthur Schopenhauer

  • Hallo 415,

    nun dachte ich ja immer, die Antwort auf alle Fragen wäre 42, oder auch 23, aber nicht die 415, die Dir im Traum erschienen ist ;-). Spannend :-).

    Natürlich wirst Du gelesen!
    Freitagabend. Der „Juhuuu-ich-hab´s-geschafft-jetzt-kann-ich´s-krachen-lassen-Anfall“ – den kenne ich auch. Ich habe mich dann mühsam runtergefahren, ausgehalten, durchgehalten, mich an irgendetwas festgebissen, unruhig rotiert, allein, leiden, büßen? Wofür? Warum?
    Der Grund fiel mir immer ein: Um mir mein Leben zurückzuholen, nicht weiterhin meiner Sucht ausgeliefert zu sein, denn dann ist alles nichts. So far so good.
    Ich bin davon überzeugt, dass man alles geben muss, um manche Ziele zu erreichen.
    Muss man es sich aber unnötig schwer machen?
    Längst bin ich absoluter Fan des Plan A-B.
    Ich habe mir überlegt, was mir gut tun würde, was mir Spaß machen würde – mit Menschen oder auch ohne - worauf ich richtig Bock hätte, damit das Wochenende bleibt, was es immer war: Zeit, um Dinge zu tun, auf die ich mich freuen kann. Es soll doch keine Strafe sein, eine schier endlose Zeitspanne, die ich überstehen muss, Zeit, die ich quasi totschlage.
    Einen Plan B noch, um aufzufangen, was mir bei Plan A vermasselt wurde.
    Vielleicht hilft es Dir am Anfang, eine Liste mit den Dingen zu erstellen, auf die Du dich freuen könntest am Wochenende, nicht mehr ganz so planlos da hinein zu plumpsen.
    Kleine Schritte halt. Alles, was Dir hilft, dieses Gefühl des Verzichts zu mindern, wie es bei jeder Trennung der Fall ist.

    Alles Gute.

    Viele Grüße
    Katha

  • Zitat von 415

    Ich weiß, was ich da geschrieben habe, ist eine weitere Version der ewig gleichen Geschichte, die den meisten von euch, könnte ich mir vorstellen, schon zum Hals raushängt. Aber mir hat das jetzt gut getan. Ausatmen. (Und eine "Zigarette danach" anstecken...)

    LG
    514

    Moin 514,

    natürlich ist es die ewig gleiche Geschichte. Zum Hals raushängen tut sie sicher keinem hier, hat sie doch wirklich fast jeder am eigenen Leib erlebt. Und Du kannst Dir sicher sein, daß Deine Posts auch gelesen werden, selbst wenn am Anfang noch wenig Antworten kommen.

    Das Gefühl, unbedingt noch mal "raus" zu müssen, kenne ich v.a. aus meiner nassen Zeit noch...das "raus" dauerte dann oft genug bis zum nächsten Morgen mit fast immer demselben Ergebnis: Abschuß.

    Selbst jetzt hab ich noch ab und zu dieses Gefühl, unbedingt "raus" zu müssen, was ändern zu müssen - ja kein Stillstand. Aber es ist nicht mehr mit Alkoholgedanken verknüpft. Natürlich dauert das seine Zeit, bis sich das bessert...wie alles Wichtige im Leben bekommt man die Trockenheit nicht einfach so geschenkt. Man stösst schon ab und zu an seine Grenzen und gerade da helfen gewisse "Tricks".

    Nun bin ich nicht gerade ein Verfechter der strikten Einhaltung sämtlicher Grundbausteine, aber manche sind schon wirklich sehr sinnvoll. In Deinem Fall wäre es vielleicht vernünfig, vor dem "Rausgehen" ne Menge Wasser zu trinken, um damit einen evtl. Saufdruck zu verhindern. Bei vielen hat das geholfen.
    V.a. bin ich kein Freund der Selbstgeißelung und insofern halte ich es für ebenso gefährlich, sich am WE komplett alleine in der Wohnung zu verschanzen, ohne Kontakte zu Menschen, die in die Krankheit eingeweiht sind und verstanden haben, um was es wirklich geht.

    Wenn die alten Kumpels aus Saufgründen keine Option sind, muß man eben neue Kontakte knüpfen oder trockene, alte Kontakte aktivieren. Ich glaube, jeder kennt Menschen aus seinem Bekanntenkreis, mit denen man gut konnte, die man aber mit der Sauferei vertrieben hat. Die sind oftmals ein guter Anfang.

    Ein Paradebeispiel ist hier mMn. Dr. Gerner...wenn Du Lust hast, liest Du Dir seinen Thread mal durch.

    So, ich muß weiter...hab noch ein Dach aufzurichten bei dem Sauwetter...aber einen Rat will ich Dir noch mitgeben:

    Schreib ruhig alles auf, was Dich bewegt und umtreibt, völlig unabhängig davon, ob Reaktionen kommen oder nicht. Du wirst für Dich trocken, nicht für andere...insofern spielt es v.a. eine Rolle, ob es Dir damit bessergeht - und das hast Du ja schon erkannt :)

    Schönen Gruß und schöne Zeit Dir

    Andreas

  • Hallo an alle,

    danke für euer Willkommen! :) Es hat mich sehr gefreut, heute morgen auf so viele nette Rückmeldungen zu stoßen...

    Ich glaub, ich hab die halbe Nacht heute durchgesoffen, hauptsächlich sogar Hochprozentiges - aber zum Glück "nur" im Traum... :shock::)

    Jeden Tag geht es mir ein Stück besser, heute fühle ich mich zum ersten Mal sogar fast ausgeschlafen und fit.

    Quantensprung
    Was Pläne betrifft: Neben meinen noch ausstehenden Weihnachtseinkaufsplänen müsste / möchte ich meine Wohnung wieder auf Vordermann bringen. Die musste nämlich neu geweißelt werden und jetzt stehen alle Möbel irgendwo, wo sie nicht stehen sollten. Ich nehme das zum Anlass, um alles ein wenig wohnlicher und netter einzurichten als vorher. Das macht mir überraschenderweise sogar Spaß und es gibt mir ein gutes Gefühl, so als würde ich auch mich selbst innerlich "neu einrichten". Abgesehen davon, habe ich an einem Reisebericht zu schreiben begonnen und arbeite nebenbei immer wieder an was "Literarischem", was mir auch Spaß macht. Ansonsten Fitnessstudio (für Outdoor passt mir das Wetter nicht), Lesen und die Anwendung meiner "Hauptwaffe" gegen die Sucht: regelmäßiges Meditieren (ich weiß, der Ausdruck "Waffe" passt hier nicht, aber irgendwie halt doch...).

    Ich weiß, das sind alles eher "einsame" Tätigkeiten, aber zu einem trockenen Sozialleben fehlen im Moment die Voraussetzungen - mal sehen, ob sich da was machen lässt...

    @joschi
    Ja, da kann ich einiges mitnehmen - du gehörst also hiermit mit zu den "Supermärkten". :D Ein gutes Bild: sich das mitnehmen, was einem weiterhilft. Man muss ja nicht alles machen. Das motiviert mich, mich weiter nach Hilfe(n) umzusehen...

    Ich kann mich in deinem Bericht in Vielem wiedererkennen. Auch ich hab mich immer um "Welten entfernt" von den "richtigen" Alkoholikern gefühlt und hab es immer wieder versucht, auf das berühmte "eine Bier" zu gehen...entweder (in den allermeisten Fällen) endete es doch wieder im Exzess, oder es kostete mich eine so übermenschliche Überwindung, nach dem "einen" Bier (= mindestens drei bis vier und noch ein Kleines zum Abschluss) nachhause zu gehen, dass es die reine Folter war.

    @ Katha
    Das mit dem Plan B ist eine gute Idee, vielleicht auch noch ein Plan C und D - denn das Problem ist bei mir oft, dass ich mir während der Arbeitswoche viel vornehme, von dem ich mir ausmale, dass es am Wochenende super wird, und dann, wenn das Wochenende da ist, macht plötzlich nichts davon Spaß und alle Ideen fallen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Aber ich habe auch gelernt, dass solche Momente vorübergehen und die Sachen dann doch wieder Spaß machen (falls ich durchhalte und nicht auf "Plan(losigkeit) Alk" umsteige). Und sie machen in jedem Fall mehr Spaß als trinken - dass man da manchmal ein "Gefühl des Verzichts" hat, ist eigentlich absurd.

    Carpenter
    Das "Rausmüssen" und der "Abschuss" - ja, das kenn ich leider nur allzugut...

    Du hast natürlich recht, Kontakte zu anderen Menschen sind wichtig. Sich zum heroischen Einsiedler hochzustilisieren, ist gefährlich, weil man von diesem Extrem sehr schnell ins andere Extrem kippen kann, und war man gerade noch sowas wie ein Yogi in einer Himalayahöhle, ist man wenig später schon ein lustiger "Kneipenalleinunterhalter". Aber im Moment sind bei mir keine neuen oder trockenen, alten Kontakte in Sicht. Ich sag das ganz ohne Selbstmitleid und bin entschlossen, da was dagegen zu tun - aber das wird wohl seine Zeit brauchen, für dieses Wochenende bleibt mir vorerst doch nur die "Höhle"...

    Bin schon gespannt, was Dr. Gerner zu sagen hat...:)

    Nochmal danke für die vielen Rückmeldungen und
    LG
    415

  • So, komme grad vom Kino zurück - war eine spontane Entscheidung. Ich hab gespürt, wenn ich jetzt nachhause gehe, halte ich's dort nicht aus - ein Kino war grad in der Nähe, und schon saß ich drin, obwohl's schon ein bisschen komisch war, als einziger ohne Begleitung drinzusitzen. Zum Glück kein aufreibender Monumentalfilm, sondern "Fading Gigolo" mit Woody Allen, sehr ruhig-beruhigend. Hat irgendwie gepasst....und jetzt sieht's wieder nach einem ruhigen Abend aus... :)

    LG
    514

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