Schubs in die richtige Richtung

  • Hallo liebes Forum!

    Eigentlich war ich auf der Suche nach einer realen SGH für Angehörige, und dann bin ich bei Euch gelandet. Ob das das Richtige für mich ist, weiß ich noch nicht. Ich probier's jetzt einfach mal aus.

    Ich bin Mitte 30 und lebe seit gut zwei Jahren mit einem alkoholkranken Mann zusammen. Dass mit dem Umgang meines Partner mit Alkohol irgendwas nicht stimmt, habe ich schnell bemerkt, konnte es aber anfangs nicht richtig einordnen. Schnell schlichen sich bei mir typische Co-Verhaltensweisen ein: Vorwürfe, Kontrollversuche, Schönreden der Situation vor Bekannten. Mir wird heute noch ganz anders, wenn ich daran denke, wie schnell man in so ein Verhalten rutscht. Und es zeigt mir, dass ich dafür sicher anfällig bin. Mein Glück: Die Karten lagen dann doch recht schnell offen auf dem Tisch. Ich muss zugeben, dass ich fast erleichtert war, dass es nicht mein Bauchgefühl war, das mich getäuscht hatte, sondern er. Also stand ich damals vor der Frage: Was mache ich mit dieser noch frischen Beziehung? Drei Alternativen gab's für mich:

    1. Mit einem nassen und uneinsichtigen Alkoholiker kann ich keine Beziehung führen. Dabei würde ich selbst krank werden.
    2. Eine Beziehung mit einem trockenen Alkoholiker kann ich mir gut vorstellen. Ich kann auch selber abstinent leben.
    3. Eine Beziehung mit einem Alkoholiker, der noch nicht trocken ist, es aber werden will, kann ich versuchen – doch nur, solange es mir selber damit gut geht.

    Es ist Alternative Nr. 3 geworden - und das ist jetzt immer noch aktuell. Ich habe irgendwo bei Euch gelesen, dass einfach nichts mehr trinken nicht reicht, dass ein Alkoholiker auch trocken denken und leben muss. Ich denke, genau hier liegt das Problem. Dass er der Sucht entfliehen will, nehme ich ihm ab. Einen konsequenten Weg hat er aber noch nicht gefunden. Es gab eine ganze Handvoll Rückfälle.

    Im Vorstellungsbereich hat man mir schon was ganz Wichtiges mit auf den Weg gegeben: Wo ist der Unterschied zwischen einem uneinsichtigen Alkoholiker und einem der zwar trocken werden will, aber uneinsichtig ist, sein Leben zu ändern? Im Endergebnis ja keiner: Beide trinken. Auch wenn das total logisch klingt, ich habe das bisher nie so gesehen, für mich war's doch ein erheblicher Unterschied, ob jemand möchte oder nicht. Diesen neuen Gedanken, der sich aus dieser völlig anderen Sichtweise ergibt, muss ich erst noch sacken lassen.

    Allgemein habe ich das Gefühl, mich im Moment nicht weiterzuentwickeln. Mir geht's zwar soweit ganz gut, aber merke doch, wie meine Gedanken zuletzt wieder mehr um ihn und den Alkohol kreisen. Ich hab mir die Grundbausteine für Cos schon mehrmals durchgelesen. In einigen erkenne ich mich wieder, in anderen nicht. Meine Baustelle ist, denke ich, im Moment der Grundbaustein "innere Abgrenzung". Ich möchte mir gerne so eine innere, eine emotionale Grenze setzen, über die ich das Alkoholproblem meines Freundes nicht an mich heranlasse muss. Da bin ich aber etwas planlos, wie habt Ihr das denn gemacht? Wie sieht sowas konkret im Alltag aus?

    So, das sind erstmal ein paar Dinge, die mir gerade einfallen. Ich erhoffe mir vom Austausch hier vielleicht einen kleinen Schubs in die richtige Richtung, sodass ich wieder allein weitermarschieren kann.

    Vielen, vielen Dank fürs Lesen. Jetzt bin gespannt, was mich erwartet. :)

    Liebe Grüße
    Kalliopi

  • Hallo Kalliopi,

    erstmal willkommen hier, ich selbst bin auch noch ziemlich neu hier.

    Ich kann dir keinen Schubs geben, aber meine Erfahrung mitteilen.
    Bei mir hat der Prozess ziemlich lange gedauert, es hat sich eingeschlichen.
    Mein Partner hat eine LZT gemacht fast ein Jahr trocken gewsesen und lt seiner Aussage wegen mir (natürlich) einige Rückfälle gehabt. Ich habe versucht mich zu trennen vor einen halben Jahr ihm das auch immer wieder mitgeteilt und nahe gelegt er solle sich eine Whg. suchen. (nix passiert)

    Momentan bin ich soweit das ich mich wirklich um mich kümmere (noch nicht voll und ganz aber immer etwa mehr), mir geht es nicht gut und ich habe gemerkt das ich Kraft brauche um Anlauf nehmen zu konnen in Richtung Zukunft! Und die schließt ihn nicht mehr mit ein.
    Mein xy hat sich viel geändert, übernimmt Verantwortung für sich und kümmert sich wieder um die alltäglichen Dinge. Hat sein Hobby und macht viel mit unserem gemeinsamen Kind.

    Nur ist bei mir so das ich seit seinen Rückfällen die Kraft mich zu trennen verloren habe, aber ich habe mich abgegrenzt innerlich.
    Ich habe mir hilfe geholt und werde mit meinem Kind eine Kur machen, habe festgestellt das ich ein großes Problem habe und die klassische Co bin. Ich möchte daran arbeiten und mich ändern. Ich weiß das ich mit xy keine gesunde Beziehung mehr führen kann. Das tut weh, aber...

    Ich brauchte für diese Erkenntnis wirklich lange (Verdrängung), hab mich immer auf ihn fixiert, geschaut das es ihm gut geht und dabei mich immer aussen vor gelassen.
    Das ist momentan im Kopf immer noch so das ich mich ständig frage was hat er, ist es bald wieder soweit und und und.

    Aus diesem Forum habe ich in den letzten Tagen sehr viel lernen und verstehen können. Ich lese täglich hier und beschäftige mich mit mir selbst.

    Möchte dir damit sagen das du auf einem guten Weg bist und viel schneller auf die Idee gekommen al zb ich. Setz dich mit diesem Thema auseinander und ich denke der rest kommt.

    LG
    Traurig

    Der

  • Hallo Traurig,

    danke schön für Deine Antwort und dass Du Deine Erfahrungen mit mir teilst.

    Zitat von Traurig903


    Bei mir hat der Prozess ziemlich lange gedauert, es hat sich eingeschlichen.

    Ich bin mir sicher, dass sich das bei mir genauso eingeschlichen hätte und noch einschleichen kann. Den Anfang hatte ich ja schon gemacht. Ich hab nur anfangs alles im Schnelldurchlauf erlebt: Von "Irgendwie hat er komische Trinkgewohnheiten" bis zu "Das ist eine handfeste Suchtkrankheit" hat's nur wenige Monate gedauert. Trotzdem habe ich mich ja auf die Beziehung eingelassen. Und auch wenn's mir im Moment ganz gut geht, lauert irgendwo die Gefahr, dass sich das ratzfatz ändern könnte.

    Zitat

    Nur ist bei mir so das ich seit seinen Rückfällen die Kraft mich zu trennen verloren habe, aber ich habe mich abgegrenzt innerlich.

    Wie hast Du das gemacht? Wie gehst Du heute mit seinen Rückfällen um? Ich hab's beim letzten Mal zur Kenntnis genommen und bin dann mit Freunden ausgegangen. Am nächsten Tag hab ich dann gefragt, was denn passiert ist und wie es dazu gekommen ist. Kann ich hierbei irgendwas anders/besser machen?

    Übrigens: Du kommst für mich auf den ersten Blick gar nicht so kraftlos rüber. Muss mal Deinen Faden suchen. :wink:

    Zitat

    Aus diesem Forum habe ich in den letzten Tagen sehr viel lernen und verstehen können. Ich lese täglich hier und beschäftige mich mit mir selbst.

    Ich lese auch schon lange immer wieder mal hier rein. Schön zu sehen, dass das vielen sehr gut tut. Mal sehen, was es mit mir macht. :wink:

    Alles Gute und liebe Grüße
    Kalliopi

  • Hallo und herzlich willkommen hier :)
    Ich wünsche dir einen fruchtbaren Austausch!
    Dass es so schnell ging lag an dir! Du hast hingeschaut!
    Ich bin überzeugt, das hätten viele COs, die zig Jahre mitgemacht haben, auch machen KÖNNEN- aber sie haben sich fürs wegschauen entschieden.
    Von daher- sehe ich da schon Licht Horizont, wenn ichs mal so ausdrücken darf ;)
    Innere Abgrenzung: wenn dir das schwer fällt oder unmöglich ist, könnte es daran liegen, dass du generell ein Thema mit "Grenzen" hast. So war es bei mir. Daran knüpften sich dann an: mein Selbstwert, meine Identität unvm.
    Da empfiehlt sich echt prof. Hilfe. Ohne hätte ich es nicht geschafft.

    LG girasole

  • Ach ja, was ich auch gerne möchte, aber nicht kann, weil ich aus irgendeinem Grund Hemmungen verspüre: offener mit dem Thema umgehen.

    Ich trinke ja selbst nichts mehr. Zwar habe ich mich anfangs wegen meines Partners dazu entschieden (ohne dass er's verlangt hätte), mich aber schnell selbst total wohl ohne Alkohol gefühlt. Ich finde es sehr schön, in jeder einzelnen Minute nüchtern durchs Leben zu gehen. Nun fällt das guten Bekannten aber natürlich auf. Die mit Abstand häufigste Frage, wenn ich mich lieber an einer Apfelschorle festhalte: "Bist Du schwanger?"

    Im Moment sage ich immer nur, dass ich gerade keine Lust habe. Dabei würde ich eigentlich gern klarstellen, dass das für immer gilt.

    Kennt Ihr diese Hemmungen?

    Liebe Grüße
    Kalliopi

  • Hallo girasole,

    danke schön für den Willkommensgruß. Von Dir hab ich schon viel gelesen, als ich immer mal wieder im Forum gestöbert habe. :wink:

    Zitat von girasole


    Innere Abgrenzung: wenn dir das schwer fällt oder unmöglich ist, könnte es daran liegen, dass du generell ein Thema mit "Grenzen" hast. So war es bei mir. Daran knüpften sich dann an: mein Selbstwert, meine Identität unvm.
    Da empfiehlt sich echt prof. Hilfe. Ohne hätte ich es nicht geschafft.

    Ein generelles Problem mit Grenzen... das könnte schon sein. Darüber muss ich genauer nachdenken.

    Liebe Grüße
    Kalliopi

  • Hallo liebes Forum!

    Weil girasole den Selbstwert und die Identität angesprochen hat, hab ich darüber die letzten Tage mal nachgedacht.

    Mir ist es schon sehr wichtig, was andere Menschen über mich denken. Ich bin ein perfektionistisch veranlagter Mensch und will immer alles zu meiner, aber auch zur Zufriedenheit anderer möglichst gut erledigen. Ich fühle mich gar nicht gut, wenn ich mir einbilde, dass ich Erwartungen mal nicht erfüllen kann. Was ich dabei schon erkannt habe: Ich weiß oft gar nicht, was die Erwartungen der anderen an mich sind, ich zerbreche mir vielmehr selber den Kopf darüber, was andere von mir erwarten könnten. Dabei kommt dann oft was ganz Irreales raus. Das betrifft sebst klitzekleine Kleinigkeiten wie zum Beispiel, was man von mir denken könnte, wenn ich mal ungeschminkt das Haus verlasse. Oder zu laut Musik höre. :roll:

    Ich habe immer das Gefühl, ich müsste mich erklären und rechtfertigen, auch wenn andere das vielleicht überhaupt nicht erwarten, weil sie sich darüber, anders als ich dachte, gar keine Gedanken gemacht haben. Wahrscheinlich fällt's mir deshalb auch nicht ganz leicht, offen damit umzugehen, dass ich mit einem alkoholkranken Partner zusammenlebe.

    Ich hoffe, Ihr versteht, was ich meine. Was das in Bezug auf die innere Abgrenzung gegenüber dem Alkoholproblem meines xy bedeutet, weiß ich noch nicht. Ich möchte mich emotional davon abgrenzen, einfach sein Problem bei ihm lassen und nicht immer darüber nachdenken müssen. Wie das genau gehen soll - keine Ahnung...

    So, nun hab ich erstmal wieder ein paar Gedanken dagelassen. Danke schon mal fürs lesen. :wink:

    LG Kalliopi

  • Hallo Kalliopi
    Auch von mir ein ,herzlich Willkommen,, hier.

    Also innere Abgrenzung ist schonmal ein guter Schritt für Dich.
    Nun ist Alkoholismus nichts was stehen bleibt.In der Regel wird der Konsum im Laufe der Zeit höher und ,,auszublenden,, was das im Alltag so mit sich bringt,geht irgendwann nichtmehr.
    Der andere verändert sich ja auch unter Alkoholeinfluß und somit auch das tägliche miteinander.
    LG R..

  • Hallo Kalliopi,

    Herzlich Willkommen hier im Forum.

    Du schriebst:

    Zitat

    Ich möchte mir gerne so eine innere, eine emotionale Grenze setzen, über die ich das Alkoholproblem meines Freundes nicht an mich heranlasse muss. Da bin ich aber etwas planlos, wie habt Ihr das denn gemacht? Wie sieht sowas konkret im Alltag aus?


    und

    Zitat


    Ich möchte mich emotional davon abgrenzen, einfach sein Problem bei ihm lassen und nicht immer darüber nachdenken müssen. Wie das genau gehen soll - keine Ahnung...

    Mir stellt sich da erstmal die Frage, will ich mich denn überhaupt vom Verhalten meines Partner abgrenzen (müssen) ?
    Was ergibt es für einen Sinn, wenn ich in einer Beziehung lebe, in der ich mich von meinem Partner abgrenzen muß ?? :shock:
    Ich lebe in einer Beziehung, um mit meinem Parter ZUSAMMEN zu leben, und nicht, um mich abzugrenzen.
    Dann hätte ich auch Single bleiben können :wink:

    Ich meine das ganz mal abgesehen davon, das ich auch in einer Beziehung immer ich bleibe und mein Partner bleibt auch er selbst.
    Es gibt in meiner Beziehung durchaus gesunde Abgrenzungen vom anderen, wie sind keine Einheit, sondern jeder ist auch trotzdem noch ein eigenständiges Wesen.
    Aber ich möchte mich nicht vom Verhalten meines Partner abgrenzen müssen, weil mir das sonst nicht gut tut.
    Wenn ich merke, ich komme mit dem Verhalten eines anderen nicht zurecht, dann trenne ich mich und versuche nicht,
    da auf Teufel komm raus doch was hinzubiegen, indem ICH mich komplett verbiege.

    Nun ist Alkoholismus eine Krankheit, Ja.
    Und sie wird hier immer wieder mal mit Krebs oder anderen schrecklichen Krankheiten verglichen, und das man dann den anderen doch auch nicht allein lassen würde.
    Das ist ein sehr hinkender Verlgeich, Suchterkrankungen sind so nicht vergleichbar mit anderen Erkranungen.
    Und ganz wichtig:
    Suchterkrankungen können gestoppt werden !
    Und zwar vom Betroffenen selbst.
    Von welcher schweren anderen Krankheit könnte man schon sowas positives berichten?
    Von daher muss niemand das (verletztende) Verhalten des nassen Alkies so hinnehmen, denn er könnte das ändern.
    Indem er den Hintern hochbekommt, sich Hilfe sucht und ein trockenes Leben beginnt.
    Ich weiß, hört sich jetzt so einfach an, ist es aber nicht so ganz.
    Ich bin selbst trockene Alkoholikerin und habe das alles selbst erlebt.
    Aber es GIBT Wege aus der Sucht !
    Nur muss sie der andere auch gehen wollen.
    Halbherzige Versuche führen hier allerdings nicht zum Ziel, das ist richtig.
    Denn nur nicht mehr trinken reicht nicht, wie Du schon erfahren hast. :wink:

    LG Sunshine

  • Hallo Foris,

    @Sunshine

    Vielen Dank für Deine klaren Worte. Im ersten Moment hat sich in mir alles gesträubt bei Deinem Beitrag, dann hab ich doch gesehen, dass er mir ein bisschen aus dem Herzen spricht. Ich hoffe, ich hab Dich richtig verstanden, wenn nicht, gibt mir bitte Bescheid.

    Zitat von Sunshine_33


    Mir stellt sich da erstmal die Frage, will ich mich denn überhaupt vom Verhalten meines Partner abgrenzen (müssen) ?
    Was ergibt es für einen Sinn, wenn ich in einer Beziehung lebe, in der ich mich von meinem Partner abgrenzen muß ?? :shock:
    Ich lebe in einer Beziehung, um mit meinem Parter ZUSAMMEN zu leben, und nicht, um mich abzugrenzen.
    Dann hätte ich auch Single bleiben können :wink:

    Ich meine das ganz mal abgesehen davon, das ich auch in einer Beziehung immer ich bleibe und mein Partner bleibt auch er selbst.
    Es gibt in meiner Beziehung durchaus gesunde Abgrenzungen vom anderen, wie sind keine Einheit, sondern jeder ist auch trotzdem noch ein eigenständiges Wesen.


    Ich hab schon recht klare Vorstellungen, was für mich eine schöne Partnerschaft ausmacht. Bevor ich mit meinem Partner zusammenkam, war ich mehrere Jahre Single. Ich war's also gewohnt, allein durchs Leben zu gehen, und hab mich dabei auch sehr gut gefühlt. Eine Partnerschaft besteht für mich aus zwei gleichberechtigten, eigenständigen Menschen, die ohne einander könnten, weil sie auch in der Lage sind, auf eigenen Füßen zu stehen, die aber miteinander wollen, weil sie sich lieben. Zu einer gesunden Partnerschaft gehört für mich, dass sich jeder auch mal am anderen anlehnen kann, gegenseitiger Respekt, dass man sich immer auf Augenhöhe begegnet. Ein Partner steht nicht hinter mir, um mir zu folgen, nicht vor mir, damit ich ihm folge, sondern neben mir, weil wir gemeinsam durchs Leben gehen. Solange der Weg der gemeinsame Weg ist. Freilich gehört dazu auch, dass man sich gegenseitig sein Herz ausschütten kann, wenn man Probleme oder eben eine Krankheit hat.

    Was meine Partnerschaft trübt, sind alle paar Wochen die Abende, an denen er betrunken schnarchend auf dem Sofa liegt und man nicht mehr mit ihm über ein Problem sprechen kann, weil er es für sich gerade in den Hintergrund gesoffen hat.

    Nun weiß ich, wie auch Renate gesagt hat: Die Alkoholkrankheit ist eine fortschreitende Krankheit, wenn der Erkrankte sie nicht stoppt. Bei dieser Partnerschaft mit ein paar trüben Abenden wird es also höchstwahrscheinlich nicht bleiben.

    Zitat


    Wenn ich merke, ich komme mit dem Verhalten eines anderen nicht zurecht, dann trenne ich mich und versuche nicht,
    da auf Teufel komm raus doch was hinzubiegen, indem ICH mich komplett verbiege.

    Darüber habe ich lange nachgedacht und bin auch noch nicht ganz fertig mit nachdenken... :wink: Wann verbiege ich mich? Wie verbiege ich mich? Wie würde ich mich eigentlich gerne verhalten? Diese Fragen muss ich noch für mich beantworten.

    Vielleicht kriege ich das mit der inneren Abgrenzung nicht hin, weil innere Abgrenzung doch gleichbedeutend ist mit Trennung? Vielleicht ist aber die innere Abgrenzung auch ein Prozess, dessen Ende eine Trennung sein könnte? Ich weiß nicht. Eine Trennung ist (im Moment) für mich die Option, falls die Situation kippt und ich nicht mitkippen will. Ich versuche mir zu verinnerlichen: Wenn ich nicht mehr will, dann darf ich auch gehen. Ob ich das machen würde, weiß ich nicht... Die vielen Erfahrungsberichte im Co-Bereich gehen nicht spurlos an mir vorbei: Da sind so viele Menschen, die in ihrer verfahrenen Situation auch einfach aufstehen und gehen könnten, es aber dann doch nicht tun. Vielleicht würde ich mich ganz genauso verhalten und - wie Du sagst - den Hintern nicht mehr hochbekommen und lieber still leiden. Ich weiß nicht. Auch darüber muss ich noch nachdenken.

    Zitat


    Nun ist Alkoholismus eine Krankheit, Ja.
    Und sie wird hier immer wieder mal mit Krebs oder anderen schrecklichen Krankheiten verglichen, und das man dann den anderen doch auch nicht allein lassen würde.
    Das ist ein sehr hinkender Verlgeich, Suchterkrankungen sind so nicht vergleichbar mit anderen Erkranungen.


    Ja, das ist wohl wahr. Wobei man sicherlich auch co-abhängig werden kann von einem Menschen, der eine andere schwere Krankheit hat, weil man ihn nicht im Stich lassen möchte und für ihn sorgen will und am Ende die Krankheit die ganze Familie bestimmt.

    So, schonmal vielen, vielen Dank für den vielen Input hier im Forum. Da sind echt jede Menge Gedankenanstöße dabei. :wink:

    LG Kalliopi

  • Hallo Kalliopi,

    warum würdest du lieber still leiden, als zu gehen?
    Das scheint mir ein ganz ganz entscheidender Aspekt zu sein, über den du nachdenken kannst- das musst du aber natürlich hier nicht alles schreiben ;)

    Ich denke, wenn du dahinter kommst, bist du einen Riesen Schritt weiter.
    Aber das ist ein Knackpunkt der co- Abhängigkeit überhaupt natürlich ziemlich schwierig, mal eben zu beantworten :?

    LG girasole

  • Hallo Kalliopi
    Zitat:
    Darüber habe ich lange nachgedacht und bin auch noch nicht ganz fertig mit nachdenken... Winken Wann verbiege ich mich? Wie verbiege ich mich? Wie würde ich mich eigentlich gerne verhalten? Diese Fragen muss ich noch für mich beantworten.
    -----------------------------------------------
    Vor der Beziehung mit meinem (inzwischen) Ex,war ich auch ein zufriedener Single und ich dachte wenn ich tägliche draufschaue ob es sich für mich gut anfühlt,dann bin ich auf der sicheren Seite.
    Ich wußte ja von Anfang an das da Alkohol auch eine Rolle spielte.
    Er ist Spiegeltrinker und begann erst Abends zu trinken und war lange nicht ,,sichtbar,, betrunken, zudem führten wir über 3 Jahre eine Fernbeziehung.
    Abends schauten wir Fernsehen und ich strickte oder bastelte,wir waren also ,,zusammen,, ich fands ok so, sein Alkoholkonsum schränkte mich nicht ein.
    Später zog er in meine Stadt(in eine eigene Wohnung)und natürlich erwartete ich das wir dann auch unter der Woche und abends mal was unternehmen,rausgehen etc.
    Da wurde es schon schwieriger weil er immer drängelte so gegen 18 Uhr bei sich zuhause sein wollte (am Wochenende bei mir)an ,,Saufdruck,, dachte ich dabei noch nicht ,wußte auch zuwenig über die Krankheit.
    Auch ging er Sonntags,nach einem Wochenende in meiner Wohnung meistens schon gegen 16 Uhr zu sich nach hause,wie früher,nur da lagen 200 km dazwischen und wartetende Kinder in seinem Heimatort ,jetzt waren es nur 3 Strassen die uns trennten.
    Rückblickend würde ich sagen begann es da, das ich mir anfing Gedanken zu machen und zu begreifen das sein Alkoholkonsum/seine Trinkgewohnheiten meine Leben unser Zusammensein beeinträchtigte/bestimmte,selbst Familienfeste /Grillnachmittage ,Besuche bei seiner Familie etc.
    Manchmal ärgerte ich mich ,manchmal machte ich alleine was,aber ich nahm wahr das es mir so nicht gefällt.So hatte ich mir das nicht vorgestellt ,ich hatte auf mehr Nähe und Zweisamkeit gehofft ,jetzt wo er so nah wohnte.
    Aber es gab zu dieser Zeit natürlich auch noch viele schöne Dinge zwischen uns,damals überwogen die noch.
    Der Alkohol nahm aber schleichend immer mehr Raum ein,die Trinkmenge wurde mehr(was ich damals nicht wußte)
    Irgendwann fiel mir mal auf, das er an einem Abend bei mir 10 Flaschen Bier trank ohne das mir an seinem Verhalten was aufgefallen wäre.
    ich trinke überhaupt keinen Alkohol,er brachte den Stoff also immer mit und nahm 2 Tage später auch das Leergut wieder mit und nur deshalb fiel mir das auf.
    Nun bestand das Leben aus so vielen Dingen,habe 2 erwachsene Kinder/,einen Job,meinen Haushalt ,Hobbys ,Alltag eben etc
    Ich verdränke das alles also noch eine Weile,wollte keine große Sache draus machen.
    Seine Gesundheit litt immer mehr und ich begann das Gespräch mit ihm zu suchen,was zu Folge hatte das er sich zurückzog....etc
    dann war er mal Tage und mal Wochenlang nicht erreichbar für mich und ich litt sehr.

    Was will ich dir damit sagen.
    Der Alkohol schleicht sich ein wie ein Krake nimmt immer mehr Raum ein und das Verhalten der Angehörigen verändert sich ebenso ,,schleichend,, passt sich quasi an.
    Da liegt meiner Meinung nach die große Gefahr.
    Irgendwann stecken alle zu tief drin .
    Mein ex reagierte jedenfalls sehr heftig als ich dann seinen inzwischen hohen Alkoholkonsum und die sichbaren körperlichen Beschwerden/Schäden bei ihm ansprach.
    Mein Anteil an der Sache: ich hatte es viel zu lange hingenommen,mich ohne mir dessen wirklich bewußt zu sein ,längst neben seiner Sauferei eingerichtet.
    Also pass auf dich auf.
    LG R..

  • Hallo Kalliopi,

    ich denke, Du hast verstanden, was ich meinte, ich fühle mich jedenfalls nicht mißverstanden :wink:
    Sollte es anders sein, muss das aber auch nicht an Dir liegen, es kann ja ebenso gut daran liegen, das ich mich unklar ausgedrückt habe.

    Ja, ich halte diese Vorstellungen von einer Beziehung auch für sehr gesund.
    Ein Idealzustand sozusagen. :wink:
    Sicher wird es nicht an jedem Tag so sein können, es gibt auch in intakten Beziehungen ja durchaus mal Streit, Ärger, Alltagstress etc.
    Und auch Ungleichgewichte, die sich aus Umständen ergeben, die man gar nicht voraussehen konnte.
    Aber wenn es größtenteils so oder so ähnlich läuft, wie Du es beschreibst, würde ich das schon als durchaus geglückte Beziehung beschreiben. :)

    Zitat

    Was meine Partnerschaft trübt, sind alle paar Wochen die Abende, an denen er betrunken schnarchend auf dem Sofa liegt
    und man nicht mehr mit ihm über ein Problem sprechen kann, weil er es für sich gerade in den Hintergrund gesoffen hat.


    Ja.
    Und wahrscheinlich wird es bei den bisher eher wenigen Abenden nicht bleiben.

    Zitat

    Darüber habe ich lange nachgedacht und bin auch noch nicht ganz fertig mit nachdenken... Winken Wann verbiege ich mich?
    Wie verbiege ich mich? Wie würde ich mich eigentlich gerne verhalten? Diese Fragen muss ich noch für mich beantworten.

    Ich denke, es gibt da sehr unterschiedliches Empfinden, ab wann man sich verbiegt.
    Was der eine als einschränkend oder als persönliches Verbiegen empfindet, ist für jemand anderen noch völlig okay.
    Von daher kannst wirklich nur Du allein wissen, ab wann Du dich zu sehr verbiegst.
    Es gibt aber Anzeichen dafür, ab wann Grenzen überschritten werden.
    Wir haben schon viel zu sehr verlernt, auf unseren Körper zu hören.
    Denn der signalisiert schon recht deutlich, ab wann eine Situation für uns grenzüberschreitend ist und somit nicht mehr okay.
    Der "Rest" (Gefühl und Verstand) merkt es erst etwas später.
    Aber auch von dort kommen normalerweise Signale.
    Ab da, wo Du Dich persönlich unwohl fühlst, ab da stimmt dann auch was nicht mehr.
    So würde ich das erstmal ganz pauschal sagen.

    Zitat

    Vielleicht kriege ich das mit der inneren Abgrenzung
    nicht hin, weil innere Abgrenzung doch gleichbedeutend ist mit Trennung? Vielleicht ist aber die innere Abgrenzung auch ein Prozess, dessen Ende eine Trennung sein könnte?
    Ich weiß nicht.

    "Wissen" tue ich das auch nicht :wink:
    Aber ich denke schon, das es oft so ist, wie Du schreibst.

    Ich sage es mal so:
    Viele CO`s versuchen erstmal, über Abgrenzung dem alkoholkranken Partner deutlich zu machen, das die Sauferei nicht okay ist.
    Es soll wie eine Art "Strafe" für "Fehlverhalten" sein 8)
    Nun ist aber die Alkoholkrankheit kein Fehlverhalten, sondern eben eine KRANKHEIT.
    Von daher bringen solche "Erziehungsmaßnahmen" nur selten was.
    Klar, sie können auch in Einzelfällen den alkoholkranken Partner wachrütteln, aber
    in den meisten Fällen wird erstmal weiter gesoffen.
    So nach dem Motto "ach lass die Alte/den Alten ma labern... die/der beruhigt sich auch wieder"
    Sollte das nicht eintreten und der Partner/oder der CO "nervt" weiterhin rum (oder grenze sich eben ab), backt man erstmal ne Weile kleine Brötchen.
    Was aber nicht heißt, man säuft nicht mehr 8) man versucht dann, das heimlich zu tun, bis sich die Wogen wieder geglättet haben.
    Oder aber man bricht n Streit vom Zaun, um wieder einen "Grund" zum Saufen zu haben.
    Sogar die Abgrenzung selbst beispielswiese könnte dann als Grund herangezogen werden, wieder saufen zu müssen.
    Bekloppt, gelle?

    Ja, oder der Partner/oder CO beginnt wirklich, sich abzugrenzen, weil er sich wieder ein eigenes Leben aufbauen will.
    Der Schritt zur völligen Trennung ist evtl. erstmal noch zu groß ?
    Aber die endgültige Trennung ist dann wohl doch das Hauptziel.
    Alles beginnt erstmal mit dem ersten Schritt.
    Und das wäre eben die Abgrenzung.
    Um so auch erstmal wieder zu sich selbst zu finden.
    Denn mit Abstand vom anderen gelingt das mit Sicherheit sehr viel besser.

    Und während dieser Abgrenzung merken viele auch, das sie im Grunde ja schon sehr lange allein waren.
    Weil der Partner längst in einer anderen Welt lebte, eben in seinem kleinen Suchtkarussell.
    Und dazu hat der Partner normalerweise keinen Zugang, es sei denn, er säuft selbst.
    Aber auch dann leben beide doch irgendwie in verschiedenen Saufwelten, glaube ich. Hm. Gruselig.

    Zitat


    Die vielen Erfahrungsberichte im Co-Bereich gehen nicht spurlos an mir vorbei: Da sind so viele Menschen, die in ihrer verfahrenen Situation auch einfach aufstehen und gehen könnten,
    es aber dann doch nicht tun.
    Vielleicht würde ich mich ganz genauso verhalten und - wie Du sagst - den Hintern nicht mehr hochbekommen und lieber still leiden.
    Ich weiß nicht. Auch darüber muss ich noch nachdenken.

    Ja, denke mal darüber nach.
    Warum jemand(oder DU) lieber still leiden würde, anstatt sein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen und in eine zufriedenere und glücklichere Richtung zu steuern ?
    Du hörst Dich allerdings schon recht gut sortiert an.
    Und hängst evtl. auch noch nicht ganz so tief drin?

    LG Sunshine

  • Guten Morgen!


    girasole

    Zitat von girasole


    warum würdest du lieber still leiden, als zu gehen?
    LG girasole


    Danke für die Frage - auch wenn ich sie tatsächlich noch nicht beantworten kann. Ich mache mir Gedanken. :wink:


    Renate
    Vielen, vielen Dank für Deine Erfahrungen.

    Zitat von RenateO


    Vor der Beziehung mit meinem (inzwischen) Ex,war ich auch ein zufriedener Single und ich dachte wenn ich tägliche draufschaue ob es sich für mich gut anfühlt,dann bin ich auf der sicheren Seite.


    Ja, genau! So geht's mir gerade, das hätte ich auch schreiben können.

    Zitat von RenateO


    Der Alkohol schleicht sich ein wie ein Krake nimmt immer mehr Raum ein und das Verhalten der Angehörigen verändert sich ebenso ,,schleichend,, passt sich quasi an.
    Da liegt meiner Meinung nach die große Gefahr.
    Irgendwann stecken alle zu tief drin .


    Trotzdem sehe ich auch diese Gefahr. Wenn sich was langsam einschleicht, ist es viel schwerer, klare Grenzen zu ziehen, als wenn es mal irgendeinen großen Knall gibt.


    @Sunshine

    Zitat von Sunshine_33


    Du hörst Dich allerdings schon recht gut sortiert an.
    Und hängst evtl. auch noch nicht ganz so tief drin?


    Ich weiß nicht, ich hab ja keinen direkten Vergleich, ich hab sowas ja noch nie zuvor erlebt. Irgendwie hänge ich sicher drin, vielleicht nur noch nicht so tief, dass es mein ganzes Leben bestimmt und ich darunter leide. Soweit soll es nicht kommen, deshalb bin ich hier. :wink:


    Zum Nochtieferschürfen bin ich noch nicht gekommen, die Woche ist gerade etwas stressig...

    LG Kalliopi

  • Hallo liebes Forum,

    Zeit für eine erste kleine Zusammenfassung. Ich hab aus den ganzen Beiträgen mal die Fragen herausgefiltert, mit denen ich mich noch genauer beschäftigen will.

    - Verbiege ich mich in meiner Partnerschaft?

    - Gibt es vertraute Menschen, denen ich eigentlich schon längst mal "reinen Wein" (haha, Wortspiel :lol: ) einschenken will? Was hindert mich denn daran, offen zu sprechen?

    - Wenn ich jetzt, nach zwei Jahren, doch noch nicht vollends verstrickt bin: Was habe ich in ganzen dieser Zeit schon gemacht dafür, dass es mir gut geht? Wo kann ich weiter anknüpfen?

    - Warum glaube ich trotzdem, dass ich vielleicht doch irgendwann lieber still leiden würde als zu gehen? Was steckt in mir, dass ich mir sowas zutraue?


    So, damit hab ich wohl erstmal zu tun. Weitere Fragen sind aber natürlich willkommen. :wink:

    LG Kalliopi

  • Hallo und guten Morgen!

    Ich bin in den letzten Tagen innerlich ziemlich aufgewühlt. Einerseits durchs Nachdenken über mich selbst, andererseits durchs Lesen der vielen anderen Co-Fäden, die mich schon sehr berühren.

    Bevor ich mich meinen Fragen widme, will ich noch eine Begebenheit der letzten Tage erzählen, die mir ein Stück die Augen geöffnet hat, wie unterschiedlich man ein und dieselbe Situation wahrnehmen kann. Mein Partner war zu einer Geburtstagsparty eingeladen, zu der er aber überhaupt keine Lust hatte. Klar, da wurde getrunken, und es waren auch Leute da, die er nicht wirklich hätte treffen wollen. Ich hab ihm vorgeschlagen, dass er anstandshalber nur mal kurz hingucken und dann wieder gehen könnte. Schon als ich das gesagt habe, hab ich mir gedacht, was das für ein bescheuerter Vorschlag ist. Wieso sollte er aus Gefälligkeit anderen gegenüber irgendwas tun, was ihm nicht gut tut? Zum Glück hat er nicht auf mich gehört: Er hat eine viel bessere Lösung gefunden: Er hat die Party abgesagt und trifft sich irgendwann mal so mit dem Geburtstagskind. Was mir das zeigt: Während er vielleicht einen klitzekleinen, aber entscheidenden Schritt in Richtung Risikovermeidung gemacht hat, hab ich versucht, ihm meine verquere "Du musst tun, was du denkst, was andere von dir erwarten könnten"-Denke überzustülpen. Ich muss mich wohl noch viel, viel mehr zurücknehmen und loslassen. Mein Partner kann seine eigenen Entscheidungen treffen. Es wird immer Entscheidungen geben, die ich gut finde, und welche, die mir gar nicht passen. Und wenn er zu viele Entscheidungen treffen sollte, die mir nicht passen, dann liegt es ja an mir, ob ich das mittrage oder nicht. So weit so gut – in der Theorie ist das bei mir durchaus angekommen.

    Das führt mich gleich zu meiner ersten Frage.

    Zitat

    - Warum glaube ich trotzdem, dass ich vielleicht doch irgendwann lieber still leiden würde als zu gehen? Was steckt in mir, dass ich mir sowas zutraue?


    Mit dieser Frage habe ich ganz schön zu kämpfen. Was da in mir steckt, ist vor allem die Angst, dass es so kommen könnte. Weil es so vielen anderen schon passiert ist, weil es genauso ist, wie Renate es aus ihren Erfahrungen beschreiben hat: Man kann in diesen Strudel einfach so hineinrutschen, ganz unmerklich. Nun kann aber ein gesunder Mensch ja einfach darauf vertrauen, dass er eine Beziehung, wenn sie ihm nicht mehr gut tut, beenden würde. Auch ich habe das mit früheren Beziehungen getan, als ich merkte, das war nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Was ich im Moment nicht aufdröseln kann: Kann ich darauf vertrauen, dass ich auch diesmal das für mich Richtige tue? Oder ist die Angst berechtigt? Versteht Ihr was ich meine?

    Die Frage nach dem Vertrauen in mich selbst führt mich zum nächsten Punkt:

    Zitat

    - Wenn ich jetzt, nach zwei Jahren, doch noch nicht vollends verstrickt bin: Was habe ich in ganzen dieser Zeit schon gemacht dafür, dass es mir gut geht? Wo kann ich weiter anknüpfen?


    Als mir klar war, dass es um eine handfeste Suchterkrankung geht, hab ich alles zum Thema Alkoholismus und Co-Abhängigkeit verschlungen, was mir in die Hände gefallen ist. Ich habe Co-Verhaltensweisen, die sich in den ersten Monaten schon eingeschlichen hatten (Flaschen-Kontrolle, Vorwürfe, Schönreden) sofort sein gelassen. Immer wieder hinterfrage ich mich seitdem selbst und rufe ich mir immer wieder in Erinnerung, was ich mir von einer Partnerschaft erwarte und ob das noch alles so noch passt. Was auch sehr wichtig war: Ich habe im Grunde mein eigenes Leben fast 1:1 in die Partnerschaft integrieren können - es gibt nichts, was ich in meiner Partnerschaft hätte aufgeben müssen. Was für mich schon sehr wichtig ist: Eine Partnerschaft ist im Idealfall nicht die Basis für ein erfüllendes Leben, sondern das i-Tüpfelchen auf dem, was man sich selbst aufgebaut hat. Und wenn ich tief in meine Arbeit versunken bin, abends mit Freunden unterwegs bin oder mich gerade irgendein spannendes Buch fesselt, dann kann ich meinen Partner auch schon mal stundenlang vergessen... :D Aber auch mein Partner hat einen großen Anteil daran, dass ich mich mit ihm wohlfühle. Und ich nehme ihm immer noch ab, dass er trocken leben möchte.

    Weiter zur nächsten Frage:

    Zitat von Kalliopi


    - Verbiege ich mich in meiner Partnerschaft?


    Ich habe im Moment nicht den Eindruck, mich zu verbiegen. Aber, wie oben schon angesprochen, Angst davor, dass es so kommen könnte.

    Bleibt noch eine Frage:

    Zitat

    - Gibt es vertraute Menschen, denen ich eigentlich schon längst mal "reinen Wein" (haha, Wortspiel :lol: ) einschenken will? Was hindert mich denn daran, offen zu sprechen?


    Hm, dabei merke ich, wie sofort ein Gedanke in mir aufsteigt: Was sollen dann die Leute von mir denken? Völliger Quatschgedanke, weiß ich auch. Aber aus irgendeinem Grund ist es mir wichtig, was andere Menschen von mir halten. Weiter bin ich hier noch nicht gekommen, aber ich vermute, dass das auch ein wichtiger Knackpunkt sein könnte.


    Erstmal dankeschön fürs Lesen und fürs Durchkämpfen durch meine Gedanken. Und nun Feuer frei für Eure Anregungen. :wink: Könnt Ihr mein Geschreibsel irgendwie nachvollziehen?


    LG Kalliopi

  • Hallo Kalliopi,

    ich habe wegen Co2003s Faden hier bei dir reingelesen und mich sofort erinnert, warum ich beim ersten Mal dachte: Nix wie weg hier, lach.

    Deshalb:

    Zitat von Kalliopi

    Ich möchte mir gerne so eine innere, eine emotionale Grenze setzen, über die ich das Alkoholproblem meines Freundes nicht an mich heranlasse muss. Da bin ich aber etwas planlos, wie habt Ihr das denn gemacht? Wie sieht sowas konkret im Alltag aus?

    Hab ich zwölf Jahre gemacht, die letzten zwei Jahre bin ich dann nicht nur mental geflüchtet, sondern auch physisch, was ich für eine gerechtfertigte Maßnahme hielt.
    Es ist schizophren, denn das Leben findet plötzlich nicht mehr im Leben, sondern im Kopf statt. Der Raum um mich wurde im enger und so fiel ich in den grenzenlosen Raum im Inneren ... und bin verloren gegangen.

    Es ist Selbstbetrug, ein noch viel größerer, als den trinkenden Partner anzuzetern. Nicht nur, dass man sich ohnehin ständig in der Verantwortung sieht - nein - durchgepsychnudelt denkt man auch noch: Ich bin schuld (verantwortlich), dass das Leben mit einem daueralkoholisierten Menschen mich wahnsinnig unglücklich macht. Wäre ich nur in der Lage mich psychisch abzugrenzen, müsste ich ja gar nicht Leiden.

    Du fragst, ob du dich in deiner Partnerschaft verbiegst. Wenn das kein Verbiegen des ganzen Lebens ist - was dann? Du gehst den schweren Weg, deine Psyche seinem Suff anzupassen. Das fühlst du nicht, weil du denkst, es sei ja deine selbstbestimmte gewählte, beschlossene Entscheidung! Weil ja sämtliche Ratgeberbücher dir mangelndes Abgrenzungsvermögen attestieren und die Coabhängigen Infoseiten im Internet sagen, dass du ja keine Vorwürfe machen darfst und nicht mehr beim Chef anrufen sollst, wenn der Mann mal wieder blau ist. Und wenn du dann noch ein bisschen Spiri-angehaucht bist, dann denkst du dir den Unsinn schön :D

    So, dieses Mal bin ich geblieben :)

    Liebe Grüße

    Ahoi

  • Hallo Ahoi!


    Zitat von Ahoi


    ich habe wegen Co2003s Faden hier bei dir reingelesen und mich sofort erinnert, warum ich beim ersten Mal dachte: Nix wie weg hier, lach.

    Oh weh, so schlimm? :o Schön, dass Du es Dir nochmal anders überlegt hast. Du triffst mit Deinen Worten tatsächlich genau meinen Nerv.

    Ich hole mal die Passagen aus Co2003s Faden, die mich förmlich angesprungen haben, hierher.

    Zitat von Ahoi


    Ich habe mal einen Vortrag über das Hirn angehört, da wurde die Bedürfnistheorie ganz eingängig dargestellt: Stell dir vor, du bist ein Urmensch und hast Durst. Leider hat sich ein Löwe es sich an deiner Wasserstelle gemütlich gemacht. Du wirst vermutlich so lange nicht zum Wasser gehen, bis die Angst vor dem Verdursten größer ist, als die vor dem Löwen.

    Find ich super, dass Du gern Vorträge über das Hirn anhörst! :wink: Hm, das, was den einen vom anderen (Ur-) Menschen unterscheidet, ist dann wohl die Angstschwelle bzw. die Bedürfnisstärke: Beim einen ist das eigene Bedürfnis sehr stark ausgeprägt und die Angst schneller überwunden und er marschiert los, der andere leidet vor lauter Angst länger, viel länger, mancher vielleicht so lange, bis er tatsächlich verdurstet.Wie ging's denn bei dem Vortrag weiter? Was hat der Referent für eine Quintessenz gezogen?

    Zitat von Ahoi


    Ich hab mich so durchanalysiert, dass ich dachte, jedes Problem irgendwie im Inneren lösen zu können. ER muss sich nicht ändern, aber ich kann einen Modus finden, mit ihm zusammen und dennoch autark zu sein.


    Ja, genau das ist es! Ich war bis jetzt felsenfest davon überzeugt, dass genau das der richtige Weg ist, nicht in eine Co-Abhängigkeit zu geraten. Das ist wahrscheinlich auch das, was Sunshine mir mit der Gefahr des Verbiegens sagen wollte, aber ich hab's nicht gleich gecheckt.

    Zitat von Ahoi


    Ich möchte dich nur darauf aufmerksam machen, dass man vor lauter Psychologisierung des eigenen Ichs und der Wendung nach Innen, den Absprung aus einer destruktiven Partnerschaft und Familienstruktur auch verpassen kann.


    Psychochologisierung des eigenen Ichs – das passt! Irgendwie bin ich beim „Bei mir bleiben“ wohl etwas arg weit übers Ziel hinausgeschossen. Und ich bin gerade dabei, das innere Abgrenzen, das – richtig umgesetzt – vielleicht ja auch nötig ist, so zwanghaft zu verinnerlichen, dass ich dadurch auch wieder meine eigentlichen Bedürfnisse in den Hintergrund dränge. Mensch, ich bin jetzt echt froh über diese Erkenntnis, auch wenn sie mich gerade (noch) nicht weiterbringt.

    Zitat von Ahoi


    Dein Bedürfnis zu gehen, bzw. das leid in der jetzigen Situation ist noch nicht größer als das Leid, zu gehen.


    Ha, hier ist er wieder, der Löwe an der Wasserstelle. Wo meine Grenze zwischen Leid und Bedürfnis verläuft, weiß ich nicht. Ich kann nicht sagen, dass ich in meiner Beziehung leide. Aber irgendwas macht es mit mir, sonst hätte ich mich nicht hier angemeldet, und sonst würde ich wohl auch nicht versuchen, mir so ein schizophrenes (auch dieses Wort hat mich angesprungen) Lebenskonstrukt aufbauen zu wollen.

    Nachdem jetzt so oft die Bedürfnisse angsprochen wurden, mache ich mir darüber mal Gedanken. Welche Bedürfnisse habe ich, die im Moment eben nicht erfüllt werden?

    Vielen, vielen Dank an alle hier für jeden noch so kleinen Schubs! :wink:

    LG Kalliopi

  • Hallo Kalliopi!

    Es war ein Vortrag über die verschiedenen Hirnbereiche, ältere und neuere und wie sie beispielweise auf Angriff und Gefahr reagieren. Welche Botenstoffe wie ausgeschüttet werden und warum das Blut aus den Extremitäten fließt und so was. Es gab da kein erkenntnispsychologisches Fazit :) Nur, dass man merkt, dass das Hirn sehr ursprünglich auch auf abstrakte Gefahren reagiert, weil es nicht unterscheiden kann zwischen Löwenangriff und gedachter Gefahr.

    Ich habe den Strang jetzt noch einmal studiert. Du hast dich also für Variante 3 entschieden: Deinen Freund auf dem Weg zum Trockenwerden begleiten, solange es dir dabei gut geht.

    Okay. Was tut er, um trocken zu werden konkret?

    Falle: Bekommst du wirklich mit, wenn es aufhört dir gutzugehen? Meiner Erfahrung nach ist das nämlich sehr schleichend und theoretisch leichter gedacht als praktisch tatsächlich durchschaut.

    Das miese Gefühl kommt nicht wie ein Donnerschlag der Götter und weckt dich mit einem Schlag auf.

    Zwischenzeitlich hoffst du, freust dich, es werden ein paar gute, nüchterne Wochen kommen. Und dann gibts vielleicht wieder einen Rückfall. Aber den meistert ihr doch - oder? Mit all eurer Liebe und überhaupt, die letzten zwei Monate liefen doch BOMBIG!
    Und dann fangt ihr euch. Neue Therapie. neue Gruppe, neues Hobby. Bissi Sport vielleicht ... du kümmerst dich wieder verstärkt um deine Interessen, ein Zweifel bleibt, aber hey - ihr seid ein Paar! Ihr könnte Krisen gemeinsam überstehen. Gerade dadurch ist die Nähe doch gewachsen. Oder nicht? Und mit diesem Wissen begegnest du dem nächsten Gelage. Dem kontrollierten Trinken. Dem heimlichen, dem aggressiv offenen und den Trinkpausen. Letztlich steht und fällt Alles mit seinem Konsum, ohne dass man es überhaupt merkt, dass gleich zwei Menschen Sklaven des Sprits geworden sind.

    Natürlich ist das nur ein Modell - es kann bei dir ganz anders laufen. Ich wollte nur verdeutlichen, dass es gar nicht so leicht ist, zu merken, was einem nicht guttut, weil man sehr langsam und mit den besten Absichten in diese Muster wächst. Es geht nicht so wirklich ums temporäre Wohlbefinden - das ist ja leicht zu bestimmen, es ist die Paardynamik von Alkoholiker und Co, die man nicht mehr mit Abstand als Ganzes betrachten kann und die einen langsam auffrißt. Oder vielleicht auflutscht? Fressen tut zu weh, das bekommt man schnell mit, wenn sich Zähne irgendwo reinbohren. Ist wie mit dem berühmten Frosch im anfangs kalten Wasser, der nicht merkt, dass die Temperatur langsam steigt.

    Dein letzter Absatz ist interessant: Was genau bereitet dir dein leises Unbehagen? An welchen Stellen spürst du es? Wann keimt es auf? Was tust du bereits, was dir nicht wirklich behagt?

    Nun muss ich wieder arbeiten und wünsche dir einen erkenntnisreichen Tag!

    Ahoi

  • Applaus, Applaus für deine Worte, Ahoi!

    Deine Beiträge flashen mich richtig, was du schreibst ist so treffend, ist rund und hat Hand und Fuß, Wahnsinn.

    Was du beschrieben hast, wie das eigene Wohlbefinden sich ganz allmählich und schleichend auflöst trifft es auf den Punkt. Genauso verliert man Jahre, Lebenszeit.
    Ich bin fast froh, dass es bei mir "nur" 6 waren, wenn ich hier so viele Geschichten lese mit 15, 20 oder mehr :oops:

    und wieviele Fäden hier enden abrupt, wo dann wahrscheinlich das ganze Leben draufging...

    LG girasole

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