Liebe Bella,
ich kann sehr gut nachvollziehen, wie du dich fühlst. Das ist wirklich eine schwere Situation. Du hast mein volles Mitgefühl. Ich glaube, hier bist du gut aufgehoben. Und es gibt auch reale Selbsthilfegruppen, die mir ebenfalls eine große Hilfe waren, als ich bereit war, zu gehen. Nimm jede Hilfe, die du bekommen kannst.
Deine Zweifel kenne ich nur zu gut. Ich habe auch ein Kind, hatte ein Haus, habe meinen uneinsichtigen Exmann geliebt und all das. Ich stand 13 Jahre lang immer wieder an dem Punkt, an dem du dich gerade befindest und habe mich viel zu oft für das Bleiben entschieden ... ich bin selbst also nicht das beste Beispiel für schnelles, zielsicheres Handeln
Erst am Ende meiner Beziehung wurde mir bewusst, dass der destruktive Sog einer Suchtfamilie alles mit sich reißt: das hübsche Haus, die seelische Unversehrt meines Kindes, meine eigene noch dazu und die ganze Liebe gleich mit.
Am Ende konnte mich kein einziger der Gründe retten, aus denen ich so lange geblieben bin. Keiner dieser Gründe hat aus meinem Exmann einen trockenen Alkoholiker gemacht. Ich habe mein Leben und das Leben meines Sohnes von seiner Entscheidung abhängig gemacht, wie er mit Alkohol umgeht. Jahrelang. Ich wurde belogen und manipuliert, von meinem Ex und auch mir selbst. Versprechungen, Hoffnungen, Lügen, Rückfälle, Wut und Verzweiflung.
Meine Geschichte ist nichts besonderes. Sie ähnelt den vielen Geschichten von Beziehungen, die an Sucht zerbrechen.
Ich schreibe dir das, um dir vielleicht einen kleinen Blick in eine mögliche Zukunft zu geben, wenn du dich für das Bleiben entscheidest und dein Mann nicht ernsthaft aufhört zu trinken.
Zu einer Beziehung gehören immer zwei. Die Verantwortung ist gleich aufgeteilt. Einer säuft - der andere bleibt. Beide tragen ihren Teil zur familiären Suchtstruktur bei.Der Alkoholiker ist nicht der schuldigere Teil, wenn die Beziehung zu einer Katastrophe wird, auch wenn es vordergründig so scheint. Am Ende bleibt nur, sich der Verantwortung für das eigene Handeln zu stellen. Das war mir damals gar nicht so klar. Ich habe immer wieder ihm die Verantwortung zugeschoben. Dabei ist es so einfach wie erschreckend: So lange ein Mensch trinkt, trinkt er und alles andere ist ihm nicht so wichtig. Er übernimmt keine Verantwortung für sich und andere. Nicht weil er böse ist, sondern weil er alkoholabhängig ist.
Und daran ändern alle Liebe, alle Häuschen mit Garten, alle Hoffnungen und Pläne nichts. Für mich war es unheimlich schwierig, das zu akzeptieren.
Ich weiß nicht, ob meine Antwort hilfreich für dich ist. Wahrscheinlich nicht so sehr. Aber zumindest findest du hier Menschen, die wissen, wovon du sprichst.
Ich wünsche dir viel Kraft - wenn du so klar schreiben kannst, wenn du neben dir stehst, hast du schon mal eine wichtige Ressource für alles weitere entdeckt Ich fand deinen Post nämlich sehr gut strukturiert und klar.
Viele liebe Grüße
Ahoi