Jetzt trinkt sie auch - Abgrenzung

  • Hallo zusammen! (:

    Ich bin neu hier, habe mich vor einigen angemeldet und wurde auch ganz schnell freigeschaltet. Bevor ich selbst ein Thema eröffne, wollte ich aber erst ein bisschen mehr im Forum lesen. Mir sind auch ein paar Themen aufgefallen, die Gedanken und Probleme besprechen, die meinen recht ähnlich sind. Trotzdem glaube ich, dass es wohl ganz hilfreich sein kann, wenn ich ein eigenes Thema anfange, um meine Gedanken aufzuschreiben.

    Erstmal ist es wohl ganz gut sich nochmal vorzustellen, also, auf geht's.

    Zitat

    Ich bin auf dieses Forum bzw. das Unterforum für erwachsene Kinder von Alkoholikern gestoßen, als ich vor kurzem angefangen habe mich mehr mit dem Thema auseinander zu setzen.
    Letztes Jahr ging meine erste Beziehung nach 8 Jahren in die Brüche; eine Beziehung in der es mir sehr schlecht ging da mein Ex-Freund emotional manipulativ und missbräuchlich war. Was mich im Endeffekt über einen kleinen Umweg (narzisstische Persönlichkeitsstörung, dysfunktionale Familien etc.) dazu brachte, den Begriff der "erwachsenen Kinder" zu recherchieren und mich detailliert mit meiner Kindheit auseinander zu setzen.

    Ich bin jetzt 22 und ich bin 16 Jahre lang in einem Haushalt mit meinem alkoholkranken Vater, meiner Mutter und zwei jüngeren Geschwistern aufgewachsen. Bis er uns dann in einem Anfall von Eifersucht übernacht rausgeworfen hat.
    Für mindestens 8 Jahre habe ich ihn nicht einen Tag lang nüchtern erlebt und leider fing meine Mutter (bei der meine Geschwister und ich bis heute leben) nach einer Weile auch an zu trinken; laut ihr um ihn aushalten zu können.
    Der Umstand dass sie nun immernoch trinkt und das dadurch bedingte Verhalten verstärkt bei mir jetzt sehr die Probleme die ich habe; Angstzustände, Flashbacks, Unsicherheit darüber in welche Richtung mein Leben gehen soll usw.
    Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlecht, denn das hat mich irgendwo dazu gezwungen zu aktzeptieren dass sie ebenfalls ein Alkoholproblem hat, was ich jahrelang gar nicht sehen wollte.

    Hab ich mal aus meiner Vorstellung kopiert. (:
    Das sind so die Dinge um die es mir momentan hauptsächlich geht. Das Alkoholproblem meiner Mutter und wie es mich beeinflusst bzw. wie ich es schaffen kann diesen Einfluss los zu werden.

    Zu meinem Vater besteht kein Kontakt mehr, schon seit 6 Jahren nicht mehr. Am Anfang war das sehr furchtbar, da er den Kontaktabbruch nicht respektieren und aktzeptieren wollte, ständig wegen Belanglosigkeiten vorbei kam. Dazu hatte er erstmal unsere neue Adresse rausfinden müssen . . . zwei Mal sogar. Diese Besuche und Dinge wie ungewollte Geburtstagsgeschenke hörten aber auf, nachdem meine Mutter ihn an der Tür mehr oder minder angeschrien hatte dass wir mit ihm nichts zu tun haben wollten.

    Meine Mutter trinkt schon seit Jahren inzwischen, zunehmend mehr, besonders dann wenn sie viel Stress hat. Arbeiten geht sie, sie kümmert sich auch um Einkäufe und den Haushalt, wobei sie damit immer mehr Probleme hat.
    Meine Geschwister und ich haben lange einfach ignoriert dass sie auch angefangen hatte zu trinken. Es kam schleichend, sie hat anfangs nur dann zum Alkohol gegriffen wenn sie sich mit unserem Vater gestritten hat, dann wurde es langsam mehr. Wir haben darüber kaum gesprochen . . . nur ab und zu, wenn es mal deutlich mehr war als normaler Weise, wenn wir anfingen uns Sorgen zu machen, weil sie doch irgendwo hin fahren mussten usw. oder es ihr gesundheitlich nicht gut ging.
    Mit meiner Schwester habe ich sie dann vor ein paar Jahren mal darauf angesprochen, ihr gesagt dass wir uns Sorgen machen weil wir sehen wie viel sie trinkt und das gefährlich ist. Dass wir uns wünschen würden sie würde damit aufhören, dass wir Angst haben um sie und auch um uns. Wir sind alle sehr auf sie bezogen und geprägt dadurch, dass sie uns regelrecht vor unserem Vater beschützt hat teilweise. Verlustängste sind ja sowieso normal wenn man in so einer Situation aufwächst, aber umso stärker ist natürlich auch die Angst dass sie so wird wie er, uns vernachlässigt, weh tut, sich selbst zerstört usw.
    Mir ist aber in den letzten Wochen sehr bewusst geworden, dass sie schon an dem Punkt angekommen ist, an dem die Sucht deutliche Spuren hinterlässt. Wie gesagt, sie hat Probleme ihr Leben auf die Reihe zu bekommen, sitzt oft nur rum, kann sich nicht aufraffen, dazu kommen Gedächtnisprobleme und ganz typische Stimmungsschwankungen, Ausbrüche, Bemerkungen die keinen Sinn ergeben für jemanden der normal und logisch denkt.

    Und dann arbeiten bei mir natürlich genau diese Verlustängste. Ich habe glaube ich angefangen um meine Mutter zu trauern, weil ich auf einmal gemerkt habe, sie ist nicht mehr der Mensch der sie war. Aus diesem Gespräch das wir mit ihr geführt hatten ging auch deutlich hervor, dass sie nicht aufhören will oder kann. Alles was sie uns an Antworten gegeben hat war "das ist nicht so einfach", "es ist eine Sucht", "ihr wollt gar nicht dass ich einfach aufhöre, ich weiß wie ich dann bin". Auch andere Gespräche die ich mit ihr alleine geführt habe, in denen ich vorsichtig das Thema anschnitt haben so geendet. Es lief immer darauf hinaus dass sie meinte das wäre (zu?) schwer und wir würden sie sowieso nicht auf Entzug erleben wollen. Manchmal versuchte sie gegenüber mir auch die Sucht zu "begründen"; so nach dem Motto "ich musste ja trinken, anders war euer Vater nicht zu ertragen" oder "ich brauche das um schlafen zu können, anders werde ich meiner Gedanken nicht Herr". Solche Dinge.

    Ich weiß dass ich ihr nicht helfen kann, das muss sie selbst tun. Deshalb gab es auch nie viele dieser Gespräche, nur ab und zu mal wieder. Sozusagen um nachzuforschen ob sie immer noch keine Hilfe will. Der Leidensdruck auf meiner Seite ist ja doch recht groß . . . und ich war schon immer diejenige mit der sie am meisten über Dinge, auch Probleme, gesprochen hat.
    Da liegt aber ein anderes Problem. Ich fühle mich dadurch in eine Übernahme von Verantwortung gedrängt, die nicht gut für mich ist und die ich auch entschieden gar nicht (mehr) will. Das sind ihre Probleme und ich bin als ihr Kind für viele Dinge der falsche Ansprechpartner. Aber Kontakt zu Freunden hat sie keinen.

    Bevor das hier zu sehr ausufert, weil ich grade in einem recht langen Gedankenstrang bin: generell weiß ich dass ich mit meinen Problemen erst richtig umgehen lernen kann, wenn ich Abstand nehme. Vor allem emotional. Aber das ist leider leichter gesagt als getan . . . und alles was ich momentan will ist von zuhause ausziehen. Einfach weil ich gemerkt hab mir tut es gut wenn ich sie nicht jeden Tag um mich haben muss (ich bin momentan für einige Wochen bei meinem Freund, der gute 1.000km entfernt wohnt). Denn so kann ich mich stückweise mit den Problemen konfrontieren und in einem Tempo, das sich komplett nach mir richtet.
    Das ist jedenfalls jetzt gerade einfacher und für mein Gefühl besser, als in einer Situation zu sein in der ich keine Ahnung hab was als nächstes passiert. Das verursacht bei mir momentan leider extreme Angstzustände, die es mir fast unmöglich machen mein eigenes Leben irgendwie auf die Reihe zu bekommen. :/

    Was dringend nötig ist, nach einem versauten und einem abgebrochenen Studium (aus finanziellen Gründen). Ich sollte und will mir auch im Moment eine Ausbildung suchen, evtl. einen Nebenjob bis zum Start, aber das ständige hin und her, die Zusammenbrüche usw. machen mir das ziemlich unmöglich. Ich bin durch die Dinge die meine Mutter sagt und tut, wie sie in mein Leben eingreift verunsichert was ich eigentlich will und was sie will das ich tue. Weil sie mir permanent sagt dies und jenes wäre schlecht für mich oder keine gute Idee und eigentlich wollte ich doch immer das und das. Bisher war ich aber auch unfähig ihr zu sagen dass sie sich da raushalten soll.

    Alles in mir sträubt sich gegen den Gedanken weiter dort wohnen zu bleiben. Aber ab und an kommen dann doch wieder Schuldgefühle hoch, Gedanken daran dass ich sie und / oder meine Geschwister im Stich lasse, dass es nicht fair von mir ist den Kontakt zumindest bis zu einem gewissen Grad abbrechen zu wollen usw.

    Wie man sieht, bin ich sehr hin und her gerissen. Eigentlich weiß ich was gut für mich wäre, hab aber gleichzeitig Angst davor es durchzuziehen. Ach mensch.
    Ich belasse es für jetzt mal dabei.

    LG,
    Cookie

  • Und da überkam mich das Gefühl noch mal kurz was schreiben zu wollen. Denn ich weiß nicht genau wie ich ihr mitteilen soll dass ich ausziehen will und ich mache mir Sorgen darum dass sie versuchen wird mir das auszureden und ich nachgebe.

    Bei mir spielen sich im Kopf sofort Szenarien ab, in denen sie mir sagt das wird eh nicht funktionieren dass ich weg ziehe, hauptsächlich aus finanziellen Gründen.
    Denn ich werde sehr wahrscheinlich in recht kurzer Zeit einen Teil meines BAföG zurück zahlen müssen und habe ja momentan überhaupt keine Einkünfte.
    Ich selber denke aber dass es bestimmt einen Weg gibt trotzdem eine Wohnung irgendwo zu nehmen. Bestimmt keinen einfachen, aber gehen muss es doch irgendwie?
    Vielleicht ist es aber für den Anfang auch in Ordnung noch zuhause wohnen zu bleiben . . . Für mindestens 3 Monate muss ich das wohl sowieso, bis sie eben auch ausziehen könnte (Kündigungsfrist). Denn das Haus in dem wir derzeit wohnen wäre zu groß und auch zu teuer wenn ich ausziehen würde.

    Hmm. Ich denke wahrscheinlich versuche ich mal wieder zu viele Probleme auf einmal zu lösen und denke im Moment auch gerade zu sehr für alle anderen mit.

  • Für heute hatte ich mir vorgenommen eine Liste zu schreiben mit Dingen, die ich ändern bzw. erreichen möchte. Denn ich habe zum ersten Mal seit wahrscheinlich 3 Monaten das Gefühl, bei mir zu sein, mich zu spüren und zu hören.

    Also habe ich das eben gemacht.

    Was mir aufgefallen ist, ich möchte vor allem Unabhängigkeit erreichen. In der Art und Weise, dass ich möchte, dass meine Grenzen und Regeln im Umgang mit mir als Person und meinen Sachen respektiert und geachtet werden; dass ich von diesen ganzen Schuld- und Pflichtgefühlen los kommen kann; dass ich es schaffe finanziell Stabilität und Unabhängigkeit für mich selbst aufzubauen; dass ich es "nachhole" Dinge zu lernen, die mir bisher Schwierigkeiten machen oder die ich einfach nicht gelernt habe zu tun bisher (grundsätzlich vieles das mit der Führung eines Haushalts zu tun hat wie Wäsche waschen usw.)

    Nicht bei allem habe ich einen Plan wie ich es schaffen kann. Aber ich hab ein gutes Gefühl, dass ich einen Weg finde. Mein Leben ist mein Leben und wenn ich unzufrieden bin, kann ich etwas ändern. An jedem Punkt. Dieser Gedanke ist mir gerade am hilfreichsten.

  • hallo Cookie,

    herzlich willkommen bei uns im Forum.

    Du hast keine Schuld, das deine Mutter trinkt, und du kannst ihr auch nicht helfen.

    Zitat

    dass meine Grenzen und Regeln im Umgang mit mir als Person und meinen Sachen respektiert und geachtet werden;


    Ein nasser Alkoholiker kennt in den seltensten Fällen solche Grenzen, denn er kennt nur ein Ziel. Wo kommt der nächste Alk her und hoffentlich nervt nicht mal wieder einer aus der Familie.
    So habe ich es erlebt, was mit mir und den Kindern geschah, schien meinem XY egal.
    Diese Pflicht- und Schuldgefühle kommen ja irgendwo her, wenn ich bei dir so lese, denke ich mal, das gerade diese Pflichtgefühle dir geholfen haben, in einem Alkoholikerhaushalt zu überleben.
    Du hast aber keine Verantwortung, gib deiner Mutter ihre Verantwortung für ihr Leben zurück.
    Du brauchst sie nicht im Entzug zu sehen, der kann auch stationär gemacht werden und sollte sowieso immer unter ärztlicher Kontrolle stattfinden. In meinen Augen wieder nur ein Appell an dich, und an ein mögliches schlechtes Gewissen von dir. Nasse Alkoholiker sind Meister im täuschen, tricksen, lügen uns schauspielern und sie wissen vor allem, wo sie ansetzen müssen, damit es den Angehörigen schwer fällt sich zu lösen.
    Nochmal, du hast keine Verantwortung für ihr Leben, kümmer dich um dich, rede mit dem Bafögamt, und such dir eine Ausbildung.
    Du kannst auf eigenen Beinen stehen, auch wenn du es jetzt noch nicht glauben kannst.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Morgenrot!

    Dankeschön für deine Antwort. (:
    Genau das hab ich auch vor, mir eine Ausbildung suchen und mein eigenes Leben gut auf die Reihe bekommen. Im Moment bin ich auch sehr zuversichtlich dass das klappen wird, bin aber auch momentan nicht zuhause. Habe meine Mutter seit guten 2 Wochen nicht einmal gesprochen. Dementsprechend besorgt aber auch (positiv) gespannt bin ich darauf, wie meine Gefühlswelt dann aussieht wenn ich wieder täglich Umgang mit ihr habe.

    Bei den Grenzen geht es mir eigentlich in erster Linie darum dass ich selber lerne sie mehr durchzusetzen. Denn selbst wenn meine Mutter sie nicht respektieren will, ich weiß ich habe ein Problem damit überhaupt erst diese Grenzen zu ziehen und "nein" zu sagen. Was ich ändern sollte und will.
    Und wenn es eben gar nicht anders geht, dann muss ich eben früher oder später den Kontakt komplett abbrechen. Momentan geht mein Gedankengang sowieso da hin.

    LG,
    Cookie

  • Heute werde ich wieder zurück fliegen. Ich will meine Mutter wirklich ungerne sehen wenn ich ehrlich bin. Aber es führt erstmal kein Weg daran vorbei.

    Mir geht es deutlich besser als noch vor einem Monat, als ich hier her kam um meinen Freund zu besuchen. Ich bin ruhiger, auch wenn ich immer noch schlecht schlafe und ab und zu einfach von den einfachsten sozialen Dingen unglaublich gestresst bin. Aber immerhin verursacht nicht alles gleich eine Panikattacke und meine Gedanken kreisen auch nicht 24/7 um meine Mutter und/oder meine Kindheit.

    Ich hoffe dass ich Wege finde dieses Gefühl beizubehalten bzw. zu verbessern, auch wenn ich wieder in ihrem Haushalt bin.

  • Hallo FallenChocoCookie,

    Habe mir deine Geschichte mehrmals durchgelesen, und ich kann dazu gar nicht viel sagen, außer: Respekt! Den Kontakt zu deinem Vater abzubrechen war sicher nicht leicht. Für mich liest sich das so, als hättest du damals schon erkannt, was gut für dich und deine Mutter bzw Geschwister ist, und du weißt es jetzt immer noch. Du trägst so viel Verantwortung... Trotz allem klingst du so voller Optimismus!

    Wenn ich deine Zeilen lese, fühle ich direkt diese innere Zerrissenheit zwischen deinem Wissen, was gut für dich ist, und den Sorgen und Verlustängsten, die du deiner Mutter gegenüber hast. Und natürlich Schuldgefühle, die kann ich ganz gut nachempfinden. Die habe ich auch immer, egal was ich tue.


    Zitat von FallenChocoCookie


    Und wenn es eben gar nicht anders geht, dann muss ich eben früher oder später den Kontakt komplett abbrechen. Momentan geht mein Gedankengang sowieso da hin.

    Und ich denke, deine Mutter weiß sehr genau, dass sie dich früher oder später verlieren wird, wenn sie nichts ändert. Das hat sie ja selbst bei deinem Vater erlebt.

    Ich hoffe, das Wiedersehen mit deiner Mutter verläuft gut. Ich kenne das - ich "flüchte" auch mal gerne ein paar hundert Kilometer weg, aber ich habe jedes Mal Angst vor dem Wiedersehen. Und vor dem, was passiert, während ich weg bin. Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass die Erholung, die du bei deinem Freund gewonnen hast, noch lange anhält!

    liebe Grüße
    gedankenblatt

  • Hallo Gedankenblatt!

    Dankeschön, dass du auch hier in meinem Thema geantwortet hast. (:
    Was du geschrieben hast bringt mich ziemlich zum Nachdenken wenn ich ehrlich bin. Aus verschiedenen Gründen.

    Zitat

    Den Kontakt zu deinem Vater abzubrechen war sicher nicht leicht. Für mich liest sich das so, als hättest du damals schon erkannt, was gut für dich und deine Mutter bzw Geschwister ist, und du weißt es jetzt immer noch.


    Erst wollte ich schreiben, dass das nicht ganz richtig ist, denn er hat uns ja vor die Tür gesetzt. Aber eigentlich habe ich doch trotzdem für mich auch den Kontakt abgebrochen. Freundschaftsanfragen auf FB abgelehnt, Gespräche abgeblockt wenn ich ihm mal begegnet bin. Schlimm war vor allem dass er regelrecht versucht hat meine Geschwister und mich zu kaufen eine Weile lang. Als würde das irgendwas wieder gut machen oder uns vergessen lassen was passiert war. So nach dem Motto, spielen wir weiter (mehr oder weniger) heile Welt. Heute kann ich sagen er tut mir irgendwo leid, als Mensch. Er hat sich selbst alles mögliche kaputt gemacht, vieles auch verloren, ist alleine. Und ich glaube Mitleid damit zu haben ist okay, aber zurück gehen würde ich nicht.
    Was gut für uns war/ist wusste ich auf eine gewisse Art und Weise denke ich schon, aber so ganz verstanden was da alles mit dran hängt habe ich glaube ich nicht. Mir fällt es auch immer noch schwer auf mein Gefühl, meinen Instinkt zu vertrauen in sozialen Situationen und ich lasse mir oft vieles gefallen was eigentlich nicht okay ist; nicht nur von meiner Mutter momentan*, sondern auch von anderen Menschen.

    * Bei ihr fällt es mir besonders schwer Grenzen zu ziehen, zu bestimmen was sie als Mutter eigentlich darf und was nicht. Weil unsere Beziehung zueinander noch nie eine normale war aufgrund der Umstände unter denen ich eben aufgewachsen bin.

    Zitat

    Du trägst so viel Verantwortung... Trotz allem klingst du so voller Optimismus!


    Ich bin recht stur. :D
    Wahrscheinlich ein positiver Nebeneffekt von der ganzen Misere. Ich habe gelernt dass Dinge funktionieren können, selbst unter schwierigen Umständen. Und naja, ich will eben auch einfach dass es mir besser geht. Ich weiß dass es geht, es gibt ja Menschen die mit den selben oder sehr ähnlichen Problemen umzugehen gelernt haben, es geschafft haben Lösungen zu finden und an sich zu arbeiten. Mir ist bewusst dass ich die Entscheidung treffen kann entweder zu kapitulieren, so weiter zu machen wie ich es kenne und mich schlecht zu fühlen, oder was zu ändern.
    Mir geht's oft schlecht, ich habe depressive Episoden und Ängste, manchmal schwingt das im Stundentakt hin und her und das ist furchtbar anstrengend. Aber ich hab auch gemerkt dass es mir grundsätzlich schrittweise besser geht und es weniger wird bzw. ich besser damit umgehen kann, wenn ich mich damit beschäftige und so gut ich eben kann versuche was zum Positiven zu ändern. Zum Beispiel indem ich darüber schreibe.
    Wobei ich aber auch sagen muss dass ich einen ganz wunderbaren Freund habe, der sehr verständnisvoll und liebevoll mit mir umgeht und mich unterstützt bei all diesen Problemen, selbst wenn (oder gerade weil?) er nicht alles davon selbst kennt. Er hilft mir mit seiner Art sehr dabei meinen eigenen Optimismus immer wieder zu finden. Auch wenn's mir mal ein paar Wochen nicht gut geht.

    Zitat

    Ich hoffe, das Wiedersehen mit deiner Mutter verläuft gut. Ich kenne das - ich "flüchte" auch mal gerne ein paar hundert Kilometer weg, aber ich habe jedes Mal Angst vor dem Wiedersehen. Und vor dem, was passiert, während ich weg bin.


    Bisher geht es mir relativ gut, das Wiedersehen war ein bisschen eigenartig um ehrlich zu sein. Versteift irgendwie. Ich habe seitdem ich angekommen bin auch noch nicht viel mit ihr gesprochen; eigentlich nur wenn sie mich irgendetwas gefragt hat. Womit ich mich auch bisher recht wohl fühle, denn ich möchte mich grade nicht ausführlich mit ihr über irgendetwas unterhalten.
    Allerdings werde ich mit ihr wohl ein Gespräch führen müssen, denn sie mischt sich etwas zu stark in meine Angelegenheiten, bes. das mit dem BAföG, ein. Ich möchte hier nicht detailliert darauf eingehen, sind ja private Angelegenheiten, aber ich habe gesehen während ich weg war hat sie Post von mir geöffnet. Ohne mir bescheid zu sagen oder zu fragen ob das okay ist.
    Ich verstehe dass sie sich Sorgen darum macht es könnte irgendetwas wichtiges sein um das sich schnell gekümmert werden muss o.ä. aber das ist ja keine Entschuldigung. Nicht dass ich generell etwas dagegen hätte dass sie über die Dinge die da vorgehen bescheid weiß, aber sie hätte wenigstens anrufen und nachfragen können und sollen, ob ich damit einverstanden bin dass sie diese augenscheinlich wichtige Post an mich öffnet!?
    Aber sie hat kein Wort darüber verloren, nicht mal als ich wieder hier war. Der Brief lag nur geöffnet auf meinem Schreibtisch.

    Und ich konnte mich nicht davon abhalten in den Kühlschrank zu sehen - Weinbrand, natürlich. Ihr Freund ist auch momentan da, der ebenfalls ein Alkoholproblem hat. Das macht mich etwas betrübt. Ich gehe ihr v.a. abends komplett aus dem Weg.

    Das sind erstmal alle Gedanken die ich dazu hatte. Vielleicht fällt mir später aber noch was ein, mal schauen. :D

    LG und danke auch für die lieben Wünsche!
    Cookie

  • Sieht für mich heute nach einer schlaflosen Nacht aus. Mir geht viel durch den Kopf.
    An sich geht es mir nach wie vor besser; ich habe auch nicht das Gefühl dass bald wieder ein Tief kommt. Trotzdem bin ich fast die ganze Zeit am Grübeln, versuche Lösungen zu finden für alles Mögliche. Und vor allem auch Dinge umzusetzen. Was mir eigentlich die meisten Probleme macht.

    Aber ich habe die letzten Tage angefangen z.B. mehr sauber zu machen - nicht nur mein eigenes Zimmer. Wie schon einmal erwähnt hat meine Mutter langsam immer mehr Probleme sich um den Haushalt zu kümmern. Teilweise ist es hier wirklich ziemlich dreckig . . . jetzt mache ich aber nicht sauber um ihr was abzunehmen, ich mache es weil ich mich nicht wohl fühle und es sauber haben will. Das war eines der Dinge die auf meiner Liste standen - ich will ein sauberes Zuhause in dem ich mich wohl fühle(n kann).
    Natürlich schwingt noch irgendwo der Gedanke mit, dass sie so viel zu tun hat mit Job und 5-Personen-Haushalt und ihr niemand hilft usw. und ja, ich kann auch nicht hundertprozentig den Wunsch ablegen ihr zu helfen. Noch nicht. Aber es ist definitiv nicht meine erste Motivation. Sie hat auch bemerkt dass ich was mache und ich glaube sie denkt ich mache es ihr zuliebe.

    Reden tue ich mit ihr immer noch nicht viel seitdem ich wieder hier bin. Ich möchte immer noch nicht. Denn das was ich ansprechen wollen würde - die Alkoholkrankheit - würde in Streit enden und das ist etwas, was ich schlicht und ergreifend nicht haben will. Alles was das bringen würde wäre, dass es mir wieder schlechter ginge weil mich Streit mit ihr immer unheimlich runter zieht.
    Aber sonst gibt es meiner Meinung nach nichts zu besprechen. So zu tun als wäre alles gut, da habe ich auch keine Lust drauf. Also sage ich eben nichts. Und sie scheint darüber sauer zu sein.
    Das stört mich. Ich weiß nicht warum, aber es stört mich.
    Fühlt sich so an wie ein stiller Vorwurf - "du warst 4 Wochen weg, jetzt redest du nicht einmal mehr mit mir und ich verstehe nicht warum". Fragen tut sie aber auch nicht. Alles was ich mir anhören durfte war "ich durfte mich ja nicht mal freuen als du wieder gekommen bist", als sie darauf bestanden hat mir etwas Süßes zu kaufen vor ein paar Tagen.

    Um ehrlich zu sein, eigentlich weiß ich gar nicht ob sie es wirklich nicht versteht, oder ob sie vielleicht angesäuert reagiert weil sie ahnt oder genau weiß was der Grund ist dass ich nicht mit ihr sprechen will.

  • Zitat

    Und ich denke, deine Mutter weiß sehr genau, dass sie dich früher oder später verlieren wird, wenn sie nichts ändert. Das hat sie ja selbst bei deinem Vater erlebt.


    Mein Freund hat etwas sehr ähnliches gesagt. Er meinte sie hat wahrscheinlich Angst mich zu verlieren, deshalb ist sie auch gereizt weil ich nicht mit ihr spreche. Das ist gut möglich, denke ich.

    Gestern kam sie mir mitten in der Nacht auf dem Flur wankend entgegen. Sowas passiert natürlich gar nicht so selten, aber es ist trotzdem jedes Mal wieder schlimm. Am meisten Angst habe ich aber mich mit ihr unterhalten zu müssen - also evtl. was zu brauchen oder in Gespräche verwickelt zu werden und nicht mehr hinaus zu kommen - wenn sie in diesem Zustand ist. Das ist zum Glück aber nicht passiert.
    Sie ist gerade wieder mal krank geschrieben und deshalb zuhause . . . ich weiß nicht für wie lange.

  • Hallo Cookie,

    ich selbst bin eine Tochter von trockenen, bzw. im Alter den Konsum von Alkohol sehr zurück reduzierten, Eltern und selbst seit bald 5 Jahren trockene Alkoholikerin und auch von der Coabhängigkeit habe ich mich weitgehend befreien können.

    Ich kann deinen Zwiespalt gut verstehen und ich würde dir darum raten dir einen Ausbildungsplatz und eigene Wohnung/WG zu suchen und zwar so weit weg wie möglich von deiner Mutter.

    Du machst einen reflektierten Eindruck, hast schon viel von den Mechanismen erkannt, die die Beziehung zwischen Alkoholiker/in und Angehörigen meist so destruktiv machen.

    Trotzdem denke ich ist eine große räumliche Distanz, zumindest für die Anfangszeit, fast genau so wichtig wie die seelische Distanz.

    Wenn du eben nicht mal in´s Auto oder die Bahn steigen kannst, um zu deiner Mutter zu fahren, dann tust du es auch nicht und das kann dich, wie einen Alkoholiker das trockene Zuhause, vor einem Rückfall bewahren.

    Bei mir selbst war es so, dass meine erste coabhängige Beziehung jahrelang dauerte und großen Schaden bei mir verursachte.

    Sie dauerte und dauerte, bis.........der Mensch dann plötzlich nicht mehr da war, Aufgrund meiner Entscheidung ( die mir sehr schwer fiel, ) die ich bis heute aber als einen der wichtigsten Wendepunkte in meinem Leben ansehe.

    Sicherlich ist die familiäre noch eine andere Gefühlsebene als die in einer Beziehung, trotzdem würde ich mir an deiner Stelle überlegen, ob das nicht der richtige Schritt wäre.

    Und ich würde das meiner Mutter auch nicht mitteilen, erst, wenn alles in trockenen Tüchern ist.

    Ansonsten ist die Gefahr viel zu hoch, dass sie versuchen wird dich davon abzuhalten, mit Manipulation und der Einimpfung von schlechtem Gewissen etc.........denn darin sind Abhängige leider Experten und sie schrecken auch nicht davor zurück, ihre Nächsten mit in den Abwärtsstrudel zu reißen.

    Ob sie es wollen oder auch nicht ( das lässt sich meiner Meinung nach bei einer Suchterkrankung nicht genau sagen ), es geschieht aber und es geschieht mit höchstwahrscheinlich schlimmen Folgen.

    Überlege es dir gut, ich war genau so alt wie du, als ich den Absprung schaffte !

    Von meinen Eltern musste ich mich auch jahrelang distanzieren ( 800 km und auch innerlich ), bis dann eine gute Annäherung wieder möglich war.

    Das ging aber auch nur, weil meine Eltern sich veränderten und an sich arbeiteten.

    Du kannst deiner Mutter nicht helfen, es gibt nur einen kleinen Hoffnunschimmer, dass du es vielleicht doch kannst und der wäre weg zu gehen. Denn nur dann wird auch sie aus ihrem Schema geworfen und kann vielleicht noch einmal ihr Leben in die Hand nehmen.

    Ich wünsche es euch !

    Ganz liebe Grüße

    Slowly

  • Hi Slowly,

    vielen Dank für deine Antwort hier. Was du geschrieben hast hat mir viel Mut gemacht und mich bestärkt in den Gedanken die ich schon hatte.

    Zitat

    Und ich würde das meiner Mutter auch nicht mitteilen, erst, wenn alles in trockenen Tüchern ist.

    Ansonsten ist die Gefahr viel zu hoch, dass sie versuchen wird dich davon abzuhalten, mit Manipulation und der Einimpfung von schlechtem Gewissen etc.........denn darin sind Abhängige leider Experten und sie schrecken auch nicht davor zurück, ihre Nächsten mit in den Abwärtsstrudel zu reißen.


    Danke besonders auch, dass du das nochmal erwähnt hast. Ich möchte so gerne sagen nein, so ist sie nicht, sie würde nicht mit Absicht versuchen mich davon abzuhalten. Aber die Sache ist, ich habe schon bei anderen Dingen mitbekommen wie sie versucht mich in bestimmte Richtungen zu lenken. Sie muss es auch nicht absichtlich tun. Das ändert ja nicht, dass sie es tut.

    In den letzen Tagen habe ich wieder öfter mit ihr gesprochen, aber ich merke auch es tut mir meistens nicht so gut.
    In einem Gespräch beim Essen hatte ich allerdings die Möglichkeit ihr bewusst zu machen, dass es mich nervt wenn sie sich ständig einzumischen versucht in die Ausbildungssuche. Auch den Termin beim Arbeitsamt habe ich alleine wahrgenommen, obwohl sie mir angeboten hatte mich zumindest zum Bahnhof zu fahren.
    Ich habe ganz bestimmt abgelehnt und bin sowohl froh darum als auch stolz darauf. Denn einfach gefallen ist es mir nicht.

    LG,
    Cookie

  • Hallo Cookie,

    Zitat

    Ich habe ganz bestimmt abgelehnt und bin sowohl froh darum als auch stolz darauf. Denn einfach gefallen ist es mir nicht.

    Super gemacht! Solche Dinge fallen einem gar nicht leicht. Aber du hast es geschafft und kannst zu Recht stolz auf dich sein. Das sind genau die Schritte zum Loslassen.

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Auch heute ist für mich eine schlaflose Nacht. Ich bin irgendwie so rastlos, meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um alles Mögliche.
    Ankommen tue ich immer wieder beim gleichen Punkt - ich will was Neues, was Eigenes, ich will weg von hier.

    Meine Mutter ist nach wie vor merklich unglücklich darüber dass ich mich zurück ziehe und diese Spannung die dadurch entsteht tut mir überhaupt nicht gut.

    Am naheliegendsten für mich wäre eigentlich zu meinem Freund zu gehen, bei dem ich mich wohl und gut aufgehoben fühle, der mich unterstützt und bei dem ich zur Ruhe kommen kann.
    Nur würde das auch bedeuten in ein anderes Land gehen und in meiner Situation, wie sie jetzt ist, eben ohne Ausbildung, ohne Job, ohne groß Joberfahrung. Und sofort schaltet sich die Stimme in meinem Kopf ein "das kannst du nicht machen, das darfst du nicht machen, das ist dumm". Ich frage mich, ist es optimal? Nein. Aber warum darf ich denn nicht? Wer verbietet mir das? Wer sagt mir denn was ich muss? Und warum kann ich nicht?
    In mir herrscht ein permanentes hin- und her. Ich versuche mein Bestes mich aufzuraffen auch etwas zu tun, aber jeder Schritt in irgendeine Richtung fällt mir so unheimlich schwer. In der Situation jetzt bleiben will ich definitiv nicht, ich habe genug davon. Aber alles Neue, Ungewohnte macht mir auch Angst. Der Gedanke das irgendwann alles "gut" ist, ist so befremdlich. Und ich merke auch immer wieder im Moment dass es mir so schwer fällt Entscheidungen für mich selbst zu treffen.
    Immer wieder frage ich mich, tue ich damit jemand anderem weh? Was wird denn mit XYZ wenn ich dies und jenes tue?
    Man merkt es ja auch an dieser inneren kritischen Stimme, die sich immer wieder einschaltet wenn ich in eine, hm, freiere Richtung denke. Ich glaube das ist dieses antrainierte "egal was du tust, es muss 'allen' gut gehen". Allen. Als wäre das ein definiertes Wesen, irgendwas handfestes. Die Familie funktioniert nur als Einheit, ein Ganzes, nicht als Gruppe von Individuen. Aber das ist so abstrakt und... falsch? Natürlich liebe ich meine Geschwister, meine Mutter, eben alle, die ich als Familie sehe und natürlich will ich dass es ihnen gut geht. Aber das liegt doch zu allererst in ihrer eigenen Verantwortung? Alle diese Menschen sind erwachsen. Wenn sie Hilfe brauchen und ich kann helfen, will ich gerne da sein. Wenn sie fragen. Ansonsten sind sie doch aber für sich selbst verantwortlich?

    Und ich bin für mich verantwortlich. Und die einzige Person vor der ich Entscheidungen rechtfertigen muss, bin ich. Aber so ganz ist das glaube ich noch nicht angekommen. :D

    Hm.

  • Hallo Cookie,

    Zitat

    Und sofort schaltet sich die Stimme in meinem Kopf ein "das kannst du nicht machen, das darfst du nicht machen, das ist dumm". Ich frage mich, ist es optimal? Nein. Aber warum darf ich denn nicht? Wer verbietet mir das? Wer sagt mir denn was ich muss? Und warum kann ich nicht?

    Das ist ein sehr interessanter und wichtiger Ansatzpunkt! Wer ist diese Stimme? Vielleicht kannst du da mal genau hinhören und das raus finden. Ich habe auch so innere Zensoren. Und habe heraus gefunden, dass es oft die Stimme meiner Mutter ist, die das sagt.

    Zitat

    Natürlich liebe ich meine Geschwister, meine Mutter, eben alle, die ich als Familie sehe und natürlich will ich dass es ihnen gut geht. Aber das liegt doch zu allererst in ihrer eigenen Verantwortung? Alle diese Menschen sind erwachsen. Wenn sie Hilfe brauchen und ich kann helfen, will ich gerne da sein. Wenn sie fragen. Ansonsten sind sie doch aber für sich selbst verantwortlich?

    Ja! Natürlich sind sie alle für sich selbst verantwortlich. Ganz klar. Und auch du bist für dich verantwortlich. Nicht für alle anderen... Ist das die selbe Stimme, die dir das sagt? Dass du verantwortlich bist?

    Du sorgst für das Wohlbefinden deines Umfeldes. Und bleibst selbst auf der Strecke dabei, stellst dich selbst hinten an. Aber das ist verkehrt rum. Du solltest zuerst in deiner Prioritätenliste kommen. Du magst Veränderungen nicht? Ganz klar, wer mag das schon, das ist zuerst mal ein ganz normales menschliches Bedürfnis, nichts ändern zu müssen. Angst zu haben davor. Du solltest dich davon nur nicht lähmen lassen. Diese Angst ist auch zu überwinden. Das geht!

    Und vor allem, ganz wichtig, du darfst das...

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • So schnell kann's gehen... danke erstmal Aurora für deine Antwort!
    Tut mir leid, wenn ich jetzt nicht darauf eingehe, meine Prioritäten haben sich dank der letzten beiden Tage etwas verschoben.

    Vorgestern beim Essen hatte ich mich mit meiner Mutter gestritten. Es ging um politische Themen... ich bin nicht sehr politisch interessiert und sie weiß das auch. Essentiell ging es darum wie unfassbar dumm sich der derzeitige US Präsident und div. andere US Politiker verhalten würden, wie unhöflich, etc. Wozu ich zunächst nicht viel zu sagen hatte, ebenso die anderen die mit am Tisch saßen (die aber von ihr sowieso ignoriert wurden). Da meine Mutter aber das Thema nicht fallen ließ, fragte ich sie irgendwann was sie denn wollte dass ich sagte. Sie wisse genau ich interessiere mich nicht besonders dafür und hatte die entsprechenden Szenarien nicht verfolgt, nicht gesehen, könne deshalb auch nichts dazu sagen. Daraufhin wurde ich dermaßen angegangen. Ob ich jetzt nur noch etwas zu Dingen sagen könnte, die ich mit eigenen Augen gesehen hätte (da schwang definitiv der Unmut mit darüber, dass ich in den letzten Wochen kaum mit ihr gesprochen habe), sie würde nur Fakten berichten usw. usf.
    Bis es mir irgendwann reichte und ich fragte, ob sie wolle dass ich ihr einfach zustimme, ihr sage dass sie Recht hat und sowieso alles besser weiß. Mir ist nach Wochen der Stichelei und Anspannung einfach der Faden gerissen.

    Daraufhin durfte ich mir gestern anhören ich sei eine "arrogante Schmarotzer Tussi", von der sie sich nicht mehr beleidigen und verarschen lässt und ich kann ihr ab Mai 600€ Miete zahlen, würde ich das nicht tun, schmeiße sie mich raus. Und da ich ja kein Teil dieser Familie mehr sein wolle, wolle mich auch beim Essen niemand mehr sehen.

    Interessant fand ich, dass meine Schwester meinte sie hätte zu ihr gesagt ich würde ja kaum noch mit jemandem reden und sie will mich nicht mehr beim Essen haben wenn ich ihr solche Antworten gebe. Und ich könnte ja auch ausziehen wenn es mir nicht passt (was überhaupt?). Außerdem, dass mein Freund nicht mehr zu uns kommen braucht.
    Die Wortwahl macht das ganze so interessant. Da war es noch von ihrer Perspektive aus, mir gegenüber war es auf einmal die ganze Familie. Alle.

    Mit Freunden habe ich schon gesprochen, es wird versucht was zu organisieren, dass ich erstmal bei jemandem unterkommen kann und dann von dort aus Unterstützung finde.

    Auf dieses Tam Tam habe ich keine Lust. Ich muss mich nicht so behandeln lassen, nur weil ich für sie nicht mehr als emotionaler Abfalleimer fungiere - mir wurde ja immer erzählt wie schlimm alle sind und wie schwer alles ist, anstatt sich mit den entsprechenden Leuten auseinander zu setzen. Schon als Kind. Von meinem alkoholkranken Vater damals genauso übrigens... der hatte nur seltener die Chance als sie jetzt in den Jahren.
    Mal ganz zu schweigen davon, dass ich auch einfach kein emotionaler Abfalleimer bin.

    Ihre Probleme sind nicht meine Probleme und ich hab auch keine Lust mein Leben von ihr und ihren Schwierigkeiten bestimmen zu lassen.

    Mir gehen noch ganz viel mehr Sachen durch den Kopf... mit meinem Freund rede ich schon seit Stunden, heute Abend wird mit einer Freundin telefoniert die mir angeboten hat ich kann erst mal zu ihr kommen usw.
    Ich hab's versucht alles irgendwie kurz zusammen zu fassen und nicht zu sehr ins Detail zu gehen, aber ich weiß nicht genau, wie gut mir das gelungen ist.

  • Hey Cookie,

    wow, was für eine Power :D , super!

    Zitat

    Auf dieses Tam Tam habe ich keine Lust. Ich muss mich nicht so behandeln lassen,

    Zitat

    dass ich auch einfach kein emotionaler Abfalleimer bin.

    Zitat

    Ihre Probleme sind nicht meine Probleme und ich hab auch keine Lust mein Leben von ihr und ihren Schwierigkeiten bestimmen zu lassen.

    Ja, genau das ist es ! Druck dir das groß aus und hänge es da an, wo du es immer wieder sehen kannst. Falls du ein schlechtes Gewissen kriegst.

    Viele Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Zitat

    wow, was für eine Power :D , super!


    Die kam aber mit vielen Emotionen und Überforderung. Ich hab gestern erst mal mehrere Stunden geweint. Immerhin war es ja auch immer noch meine Mutter, die mich da so behandelt hat. ^^
    Lustiger Weise aber erst nachdem ich trocken allen erzählt hatte was vor ging und geguckt hab was ich alles machen muss wenn ich ausziehe und wo ich evtl. hin könnte.

    Zitat

    Ja, genau das ist es ! Druck dir das groß aus und hänge es da an, wo du es immer wieder sehen kannst. Falls du ein schlechtes Gewissen kriegst.


    Im Moment wiederhole ich das ganze immer wieder im Kopf und das klappt gut. Auch wenn ich die Situation noch mal durchdenke usw. überlege, was sie gesagt hat und wie und was das mit mir macht, was es bedeutet etc.
    Kann sein dass ein schlechtes Gewissen kommt, wenn alles sich beruhigt hat, wenn ich weg bin und Zeit hab mir Gedanken zu machen wie das jetzt wohl für sie ist. Aber im Moment hab ich keins.

  • Später geht es zu meiner Freundin und ihrem Freund, gute 300km weit weg von hier. Für eine Woche hat sie gesagt. In dieser Woche darf ich entscheiden ob ich bleiben möchte, oder nicht. Wir werden zu verschiedenen Stellen gehen damit ich mich beraten lassen kann wie es weiter geht, finanziell aber auch psychologisch. Ich glaube ich habe mich schon entschieden. Denn ich fühle mich als ob ich packe um zu gehen, endgültig.

    Mir geht es in dieser Nacht sehr eigenartig. Die ganzen letzten Tage ging mir sehr viel durch den Kopf. Viele Erinnerungen kamen hoch, an Dinge die meine Mutter gesagt hat, and Dinge die mein Vater gesagt hat. An Streitereien die die beiden hatten, daran dass meine Mutter nicht gegangen ist obwohl sie augenscheinlich wusste dass es besser gewesen wäre. Daran, wie ich diverse Male gefragt wurde was sie denn machen solle, auch später als mein Bruder anfing sich zurück zu ziehen. Daran wie ich gefragt wurde ob man denn wirklich so ein schlimmer, furchtbarer Mensch sei.
    Beide waren, sind krank. Jeder auf eine etwas andere Art und Weise. Ich merke, wie wichtig diese Nacht und diese Gedanken für mich sind und ich vermisse gerade meine Mutter sehr, die mir doch eigentlich die Angst nehmen müsste und die stolz auf mich sein müsste. Es macht mich traurig, dass sie mir die Schuld geben wird, dass sie noch böser auf mich sein wird und dass ich nicht weiß ob sie jemals meine Perspektive wird verstehen können.
    Gleichzeitig bin ich aber stolz auf mich. Ganz ohne sie. Vor allem bin ich aber unbeschreiblich froh, dass ich nicht alleine sein muss. Mein Freund ist immer erreichbar, hat unglaublich viel Verständnis dafür, dass ich viele Dinge wiederhole, mich kaum auf irgendwas anderes konzentrieren kann, macht mir Mut. Und Meine Freundin und ihr Freund sind da, zu denen ich jetzt kann und die mir helfen werden diverse Behördengänge zu machen und nichts wichtiges zu vergessen. Andere Freunde fragen immer wieder nach wie es mir geht. Alle sagen mir, es ist gut dass ich gehe und ich soll mir die Zeit lassen die ich brauche um alles zu verarbeiten. Und auch die Antworten hier im Forum helfen sehr.
    Ich merke, ich bin nicht alleine, ich bin nicht darauf angewiesen hier zu bleiben. Meine Mama ist zwar meine Mama aber ich bin nicht mehr wirklich an sie gebunden, wenn ich das nicht möchte. Ich merke auch, dass ich diejenige bin, die alles in der Hand hat. Ich bin verantwortlich dafür, dass ich Hilfe bekomme. Ich habe meine Freunde angesprochen, ich habe erzählt was los ist, ich habe nach einem Platz gesucht/gefragt wo ich hin kann.
    Mir fällt es immer noch sehr schwer aktiv etwas zu tun, an die nächsten Tage zu denken verursacht ein mulmiges Gefühl, aber ich sitze ja doch nicht nur rum.

    Ich bin sehr dankbar im Moment für die Menschen die ich um mich habe. Genauso bin ich aber stolz darauf wie ich mit der Situation umgehe, obwohl es mir so schwer fällt, ich müde, ausgelaugt und ziemlich emotional bin, ich mich kaum darauf konzentrieren kann was wichtig ist und wie man am Besten alles in Schritten regelt. Aber irgendwie komme ich doch immer wieder auf die wesentlichen Punkte zurück, egal wie weit ich abdrifte.

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