Mir ist ein Licht aufgegangen

  • Den Jahreswechsel verbringe ich an dem abseits gelegenen Ort, an dem ich letztes Jahr den letzten Schluck Alkohol getrunken habe. Das war am 31.12.2017 noch vor Mitternacht.

    Jetzt beim Packen freue ich mich über die nicht mehr erforderliche Vorratshaltung. Da es dort keinen Laden gibt, musste ich letztes Mal Weinflaschen mitschleppen. Ich habe mich damals mehrfach gefragt, ob sie wohl reichen werden. Da wir ohne Auto unterwegs waren, war es keine Option, einfach reichlich mitzunehmen. Was mir damals durch den Kopf ging war: Wieviel muss ich vom Vorrat an meinen Lieblingsmenschen abgeben? Wie viele Flaschen kann ich ohne Lostreten einer Diskussion mitnehmen? Wie viele Flaschen kann ich tragen?

    Lieben Gruß,
    MieLa


  • Was mir damals durch den Kopf ging war: Wieviel muss ich vom Vorrat an meinen Lieblingsmenschen abgeben? Wie viele Flaschen kann ich ohne Lostreten einer Diskussion mitnehmen? Wie viele Flaschen kann ich tragen?

    Hallo Miela!

    Diese abstrusen Gedankengänge kommen mir sehr bekannt vor. Das Leben wurde um das Trinken herum organisiert. Zum Glück sind diese Zeiten -hoffentlich auf Dauer- vorbei.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo MieLa,
    ganz schön beklemmend, diese Szenerie damals... :?
    Lieber Gruß und eine gute Zeit für dich dort.
    Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Zitat

    Das Leben wurde um das Trinken herum organisiert.

    Zitat

    ganz schön beklemmend, diese Szenerie damals...

    Zitat

    Die Panik nicht genug Alkohol im Haus zu haben.

    Genau!

    Die Erinnerung an das wirkliche :!: Ausmaß der Unfreiheit und Abhängigkeit an meinen letzten nassen Tagen ist hier mit Wucht präsent. Das ist hilfreich. Es gehört jetzt in meinen Notfallkoffer.

    Wie schnell verschwimmt die Erinnerung an das ganze Ausmaß des Leidens. Ob das der Grund dafür ist, dass viele nach einigen Wochen Abstinenz wieder zum Glas greifen? Oftmals scheint mir das kein richtiger Saufdruck zu sein, sondern eher das Gefühl von: war ja gar nicht so schwer. Jetzt weiß ich ja, wie es geht. Ach, nur ein Bier.

    Ich weiß auch nicht, ob das tatsächlich das Suchtgedächtnis ist, das da immer Regie führt. Es ist ja auch in anderen Bereichen so, daß Schlimmes schnell verdrängt wird, sobald es nicht mehr im Vordergrund steht.

    Lieben Gruß,
    MieLa


  • ...Wie schnell verschwimmt die Erinnerung an das ganze Ausmaß des Leidens...


    Hallo Miela,

    dies ist für mich der Hauptgrund, warum ich immer vorsichtig bleibe.
    Hinzu kommen noch Erinnerungen, wie toll doch der Alkohol sein konnte.
    Und wenn ich noch besonders blöd sein möchte, rede ich mir ein, dass alles gar nicht so schlimm war.
    Seit mein Notfallkoffer einen durchsichtigen Plexiglasdeckel hat, entlarve ich solche Dinge noch schneller.

    Viele Grüße
    Correns

  • Liebes Forum,

    Nun sind es bereits 1 Jahr 9 Monate der Nüchternheit. Es ist in diesem Jahr unspektakulär weitergegangen. Unspektakulär insofern, als das trockene Leben immer alltäglicher geworden ist. Es ist normal für mich, im Restaurant zuerst und ausschließlich an Wasser, Saft oder ähnliches zu denken. Ich meide Ansammlungen trinkender Menschen. Aber nicht, weil ich Angst habe, dass es mich triggert, sondern weil es mich abstößt.

    Druck oder Verlangen habe ich in diesem Jahr noch nicht gespürt. Einmal sind wir nach einem langen Arbeitstag mit der Bahn in eine andere Stadt gefahren und haben dort im Hotel eingecheckt. Von der Rezeption hatten wir einen ungehindert Blick auf die Bar und in das Restaurant. Da tauchte kurz der Gedanke auf: Jetzt dort hinsetzen, lecker essen und dabei leicht wegsäuseln. Dieser Gedanke wurde durch die Situation hervorgerufen. „Früher“ haben wir das so gemacht. Erstmal im Hotel ins Restaurant. Jetzt habe ich die „Idee“ sofort abgeschüttelt und wir sind aufs Zimmer gegangen.

    Es war nicht schlimm und ich würde es nicht als Suchtdruck bezeichnen. Ähnliches habe ich letztens erlebt, als ich in ein anderes Büro gegangen bin und dort eine Schale mit Lakritzschnecken stand. Ich habe schon Jahre keine mehr gegessen und lebe seit einem Jahr auch annähernd Zuckerfrei. Aber in dem Moment kam der Gedanke: Jetzt eine Lakritzschnecke. Idee abgeschüttelt und gut war es.

    Letzte Woche hatte ich meinen ersten Alkoholtraum. Ich saß an einem Tisch mit einer Person mir gegenüber. Wir hatten winzige Gläser mit einer winzigen Menge einer roten Flüssigkeit vor uns stehen. Ich habe das Glas angesehen und gemerkt: Achtung, Rotwein! Ich habe sofort der Person gesagt, dass ich keinen Alkohol trinke. Dabei habe ich überlegt, ob ich der Person sage, dass ich Alkoholikerin bin oder ob ich es dabei belasse. Ich glaube, diese Überlegung war der eigentliche Kern des Traumes. Erst im Laufe des Tages habe ich mich an den Traum erinnert. Getriggert hat mich das nicht.

    Trotz dieser guten Entwicklung bin ich ununterbrochen wachsam.

    Lieben Gruß,
    MieLa

  • Wäre ich nicht seit dem 01.01.2018 abstinent, hätte ich seither 381 Liter Rotwein getrunken. Dabei habe ich vorsichtig gerechnet mit meinem Minimum-Tageskonsum. Vermutlich wären es deutlich über 400 Liter gewesen. Rechne ich dann noch den langsam, aber stetig steigenden höheren Bedarf hinzu...

  • Hallo MieLa,

    Dein Vergleich mit dreimal baden ist super! Bei mir wären mittlerweile drei bis fünf Kubikmeter zusammengekommen. Der Entschluss mit dem Saufen aufzuhören gehört zu den besten 10 Entschlüssen meines Lebens. Ich freue mich schon auf Neujahr, wenn wir hier von Deinem 2-Jahres-Fazit lesen werden.

    Viele Grüße
    Correns

  • Das sind großartige Rechnungen. Sehr abschreckend die Vorstellung an diese Mengen Alkohol.

    Ich freue mich, dass es Dir gut geht. Deinen Traum hast Du sicherlich richtig gedeutet.

    Ich hab in den letzten zwei Jahren oft Alkoholträume gehabt, allerdings am Anfang viel mehr und inzwischen nur noch sehr selten.

    Correns, darüber hab ich gerade neulich nachgedacht. Das meine Abstinenz neben meinen Kindern der beste Entschluss war. Ich freue mich immer noch ganz oft und ganz bewusst darüber.

  • Liebe Cadda,
    danke für deine Nachfrage. Neujahr hatte ich meinen zweiten Trockengeburtstag :D Das fand ich großartig und mir ist noch einmal bewusst geworden, wie selbstverständlich ich abends beim Essen im Restaurant ein alkoholfreies Getränk bestelle. Früher habe ich mir Menschen angeguckt, die mit mir zusammen im Restaurant saßen und eine Saftschorle oder Spezi getrunken haben. Mir war klar, dass ich das früher, also vor meiner nassen Phase genauso auch gemacht habe. Aber es war zwischenzeitlich einfach unmöglich geworden. Und ich habe diese Menschen beneidet. Diesmal war ich beim Silvesteressen mit meiner Saftschorle ganz entspannt und glücklich.

    Leider ist das neue Jahr dann nicht gut weiter gegangen. Meine Mutter ist sehr krank geworden und ich habe mir zwischendurch sehr große Sorgen um sie gemacht. Jetzt hat sie sich wieder einigermaßen stabilisiert und ist aus dem Gröbsten raus, aber wir müssen sehen, wie es weitergeht. Sie ist schon 86 und ich weiß nicht, ob sie weiter alleine leben kann. Jetzt steht also vermutlich der Umzug in ein Pflegeheim an. Vorher aber müssen Gespräche mit ihr geführt werden. Und das ist, glaube ich, das Schwierigste.
    Lieben Gruß
    MieLa

  • Hallo MieLa!

    Glückwunsch zu 2 Jahren Abstinenz.

    Das Problem mit der Mutter lässt sich nüchtern viel besser ertragen und lösen, als zu früheren versoffenen Zeiten, in denen man jetzt einen prima Vorwand gehabt hätte, sich vollaufen zu lassen.

    Gruß
    Carl Friedrich

  • Hallo Carl Friedrich,
    du hast völlig Recht. Alkohol ist mir in diesen sehr aufregenden Tagen nicht einmal in den Sinn gekommen. Darüber bin ich froh. Denn dann hätte ich mich zwar betäuben, mich aber nicht ausreichend um meine Mutter kümmern können.
    Lieben Gruß
    MieLa

  • Hallo MieLa,

    ich denke auch so, wie Carl-Friedrich. Nüchtern kann man sich deutlich besser um so etwas kümmern. Tut mir leid mit Deiner Mutter und ich drücke die Daumen, dass Du die Gespräche gut mit ihr führen kannst.

    2 Jahre sind super. Mir geht es auch so. Es wird immer normaler, einfach keinen Alkohol zu trinken. Man achtet weniger darauf und es geht so in einen über und es fühlt sich irgendwie normal an. Ein schönes Gefühl :)

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