Krankheit/Charakter/ Humbug

  • Hallo zusammen,

    nun wird ja gerne darüber diskutiert ob Alkoholismus eine Krankheit, Charakterschwäche,Willenschwäche oder sowas ist. Da gibt es vieles im Forum.

    Ist es im Endeffekt nicht egal was Alkoholismus für den Einzelnen ist? Außer das sie behandelt werden muss kann doch jeder darüber Denken was er will. Oder nicht?

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut,

    das einzige, was mir in Bezug auf Alkohol wichtig ist, ist dass ich seit einigen Jahren keinen mehr trinke.
    Warum ich früher einmal getrunken habe, ist mir heute ziemlich egal.
    Jeden Tag könnte ich wieder anfangen. Es gibt ja niemanden der mich davor abhalten würde.
    Ich bin recht glücklich darüber, dass ich heute "einfach nicht mehr trinken möchte".

    Viele Grüße
    Correns

  • Moin Hartmut

    Bin ich krank, schwach, willenlos oder denke ich nass oder trocken, das ist für mich unwichtige Wortklauberei. Ich kann mit dem Zeug nicht umgehen. Das habe ich erkannt, akzeptiert, gehandelt und lebe zufrieden ohne Alkohol.

    Gruß PB

    Es nützt nichts Jemandem eine Brücke zu bauen, der gar nicht auf die andere Seite will.

  • Guten Morgen,

    ich denke, dass es sich zunächst erst einmal um eine Willens- oder Charakterschwäche handeln könnte. Die sich dann aber später zur Krankheit entwickelt.

    Wobei.... wenn wir Alkoholiker denn tatsächlich so willensschwach sind, weshalb schaffen wir es denn -später sogar trotz dieser Krankheit, die sich entwickelt hat- trocken zu werden? Das hat ja wiederum auch extrem mit Willensstärke zu tun.

    Ihr seht.. ich bin unsicher.

    In der Therapie wird natürlich auch mal „nachgeforscht“, wie es dazu kommen konnte. Hauptsächlich beschäftige ich mich jedoch eher damit, wie ich zukünftig am besten trocken bleibe und nicht darauf, warum ich alkoholkrank wurde. Das Eine schließt das Andere allerdings nicht grundsätzlich aus. Ich finde es beispielsweise interessant und spannend zu wissen, was mich veranlasst hat, mich durch Alkohol „besser fühlen“ lassen zu wollen. Damit ich solche Situationen anders bewältige und mir Ausgleich verschaffe.

    Das Wichtigste ist aber, wie ich meine Zukunft gestalte.

  • Hallo

    Zitat

    ch denke, dass es sich zunächst erst einmal um eine Willens- oder Charakterschwäche handeln könnte. Die sich dann aber später zur Krankheit entwickelt. Wobei.... wenn wir Alkoholiker denn tatsächlich so willensschwach sind, weshalb schaffen wir es denn -später sogar trotz dieser Krankheit, die sich entwickelt hat- trocken zu werden? Das hat ja wiederum auch extrem mit Willensstärke zu tun. Ihr seht.. ich bin unsicher.

    Um das geht es mir hier in diesem Thread nicht. Kann es dir denn nicht egal sein was es ist? Bist doch daran erkrankt.

    Es geht ja meist vom Umfeld aus, etwas für sich zu erklären ,was eigentlich nie richtig zun erklären ist. Es werden Antworten gesucht um etwas zu verstehen warum oder wieseo der "Alkoholiker" so handelt oder handeln musste. Verstehen wollen ist meist mit Hoffnung verbunden eine Lösung zu finden, die nicht gefunden werden kann.

    Was kümmert es mich aber, wenn jemand mich Willensschwach, Krank oder eine Charakterschwäche bescheinigt. Es geht ja meist Menschen aus die aus Mutmaßungen heraus etwas kommentieren um selbst nicht als "unwissend" da zustehen.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Ah ok. Ich bin tatsächlich mehr auf Deine Einleitung eingegangen, als auf Deine Frage.

    Ich versuche nicht, zu verstehen, um eine Lösung zu finden. Die gibt es im Nachhinein ja eh nicht. Wie Du schon sagst, ich bin ja erkrankt und kann es nicht mehr ändern.

    Aber verstehen, WARUM es dazu kam, kann mir helfen, um einen Rückfall zu vermeiden.

    Wie mein Umfeld es nennt, ob Krankheit oder was auch immer. Das ist mir tatsächlich völlig Wurst. Das muss niemand verstehen- geschweigedenn akzeptieren. Das Einzige, was zählt ist, dass ich jetzt nicht mehr trinke. Fertig.

  • Hallo Cadda,

    Zitat

    Aber verstehen, WARUM es dazu kam, kann mir helfen, um einen Rückfall zu vermeiden.

    Nun da sind wir beide unterschiedlich. Ich muss es nicht mal verstehen warum es passiert ist. Ich hatte zuviel gesoffen. Wenn ich lese das ein Umfeld prägt, mag das mit eine Begleiterscheinung sein. Jedoch gab es ja eine lange Spanne bei dem ich mir das Umfeld ausgesucht hatte um zu Saufen. Ich bin da sehr pragmatisch. Risikominimierung reicht heute aus. Das Wühlen in der Vergangehit warum und wieso bringt mir eventuell eine Erkenntinis ist jedoch nicht mehr wichtig.


    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Hallo Hartmut,

    dass ich mir über einige Dinge Gedanken mache, geht von mir aus, nicht von meinem Umfeld. Aber mein Umfeld tickt ähnlich wie ich.
    Ich habe verschiedene Themen. Darunter sind viele, die anderen auf den Keks gehen, sie nicht interessieren oder eben doch. Mit denen, die ähnliche Themen interessieren, wie mich, tausche ich mich darüber aus. Mit den Anderen nicht.
    Ich bewerte das nicht.
    Ich finde nicht besser, sich mit "Wortklaubereien" aufzuhalten oder schlechter, es eben nicht zu tun.
    Trocken bin ich. Ich weiß heute, dass ich es u. a. deshalb bin, weil ich mich hier in meiner Anfangszeit sehr intensiv mit "Wortklaubereien" und anderem theoretischen Kram auseinandergesetzt habe. Für mich begann meine Trockenheit in meinem Kopf.
    Das ist sehr sicher Geschmackssache. Niemand muss es mir nachmachen oder gar mitmachen.
    Gruß, Penta

  • Hartmut, vielleicht denken wir da unterschiedlich, weil Du viel länger trocken bist, als ich. Ich habe nächste Woche mein erstes Jahr geschafft. Darauf bin ich zwar stolz und es ist auch schon eine ganze Weile, aber gerade am Anfang haben Einige vielleicht öfter mal diesen Suchtdruck. Bei mir ist es dann so, dass ich mich beobachte, in welchen Situationen das vorkommt und dann setzte ich mich automatisch mit mit dem Thema auseinander, was mich zum Trinken gebracht hat.

    Allerdings ist das jetzt, nach einem Jahr bereits weniger, als ganz zum Anfang. Wenn ich erst einmal so lange trocken bin wir einige von Euch, denke ich vermutlich auch nicht mehr darüber nach.

    Ich habe in der Suchtberatung/Therapie auch mehr das Bedürfnis meine Zukunft ohne Alkohol zu stabilisieren, als in der Vergangenheit zu kramen. Manchmal schließt das Eine das Andere allerdings nicht aus.

    Wie gesagt denke ich aber, dass das in ein paar Jahren anders aussehen könnte.

  • Hallo Karsten,

    als ich angefangen hatte trocken zu werden hatte ich mich pragmatisch zwecks der Risikominimierung an die Grundbausteine gehalten, die fast alles beinhalten was erstmal ausreicht stabiler trocken zu werden. Wenn ich in gewissen oder gar allen Situationen damals zur Flasche gegriffen hatte war ich ja schon süchtig und die Lösung "Saufen" war ja suchtgesteuert. Ist jedoch ein anderes Thema.

    Penta , ich war ja am Anfang auch an allen interessiert ob nun Wortklauberei oder nicht und hatte irrsinnige viel Threads eröffnet. Da sind wir ähnlich.


    @ Cadda,
    so ist es , ich spreche aus heutiger Sicht und du bist auf den Weg dahin. Alles was mir helfen konnte nahm ich mit auch wenn es aus heutiger Sicht eventuell gar nicht gebraucht hätte.


    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Hallo Hartmut,

    ich kann ja jetzt nur als Außenstehende mitreden. Ich persönlich finde es aber einfacher damit umzugehen, wenn ich es als Krankheit betrachte. Dann kann ich eher den Bezug dazu finden. Denn wenn ich davon ausgehen müsste, dass es Charakter- oder Willensschwäche ist, hätte ich keine Achtung vor dem gesamten Menschen mehr.
    Ich hoffe du verstehst, was ich damit sagen will. Mir fällt es grade ein wenig schwer die richtigen Worte dazu zu finden.
    LG Eule89

  • Alles auf den Punkt gebracht. Habe ganz kurz überlegt, hier etwas auszuführen, aber aus dem fett markierten Absatz lässt sich im Prinzip alles Notwendige auf die gestellten Fragen ableiten.

  • Mir gefällt Dein Text auch sehr gut, Karsten. Du beschreibst sehr gut das Thema mit dem Rückfallrisiko und das man halt Lösungen finden muss, mit bestimmten Situationen anders umzugehen.

    Im Grunde genommen geht es hierbei tatsächlich um die Anfänge, weshalb man zu Alkohol gegriffen hat und in welchen Situationen. Später war’s egal, da hat man immer Grund zum Saufen gehabt. DAS ist dann die Krankheit, die sich entwickelt- und einen Saufen lassen hat.

  • Hallo Eule,

    Zitat

    ich kann ja jetzt nur als Außenstehende mitreden. Ich persönlich finde es aber einfacher damit umzugehen, wenn ich es als Krankheit betrachte. Dann kann ich eher den Bezug dazu finden. Denn wenn ich davon ausgehen müsste, dass es Charakter- oder Willensschwäche ist, hätte ich keine Achtung vor dem gesamten Menschen mehr.

    Genau auf das wollte ich in diesem Thread heraus. Mich als Betroffener kann es aber doch egal sein was du oder andere davon halten. Wie du oder andere es einordnen hat ja keine Auswirkung auf meinen "Zustand".

    Nun Karsten hatte ich auch sehr früh damit angefangen zu Saufen und hielt es 30 Jahre durch. Für mich waren unangenehme Situationen die ich mit 13 oder 14 hatte, andere als mit 45 Jahren. Mir war es nicht möglich rückwirkend alles bis zur Sucht detailliert zu beleuchten. Möglich jedoch war mir die Risikominimierung. Erst mit den Jahren schaute ich mal mehr oder weniger oberflächlich zurück. Dazu brauchte ich jedoch eine gewisse Stabilität.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Das ist interessant, Hartmut. Dass Du erst eine Stabilität brauchtest, um zurückzublicken. Ich empfinde es momentan anders herum. Ich bekomme Stabilität, indem ich zurückblicke und etwas von meinem früheren Verhaltensweisen „lernen“ kann. Ich habe vor 26 Jahren meine ersten Besäufnisse als angenehm empfunden, weil mich der Alkohol sicherer und lockerer machte. So war es im Grunde genommen auch noch vor etwas über einem Jahr. Nur, dass ich am Ende ständig das Bedürfnis hatte, da es dann mein Missbrauch mehr war, sondern sich die Krankheit entwickelt hatte.

    Ja, für mich ist es sehr schnell eine Krankheit gewesen. Denn psychisch abhängig ist man schnell und bereits DAS empfinde ICH als krank. Alkoholkrank bin ich nicht erst, wenn ich körperlich abhängig bin. Wenn ich mich hier angemeldet habe, bin ich bereits krank. Das ist meine Meinung.

    Ob das aber Andere auch meinen oder ob sie mich einfach nur als „Alki“ sehen, die selbst Schuld hat, das ist mir egal. Vielleicht deshalb, weil ich weiß, dass alle mir wichtigen Menschen es auch als Krankheit empfinden.

  • Hallo Hartmut,

    Zitat

    Mir war es nicht möglich rückwirkend alles bis zur Sucht detailliert zu beleuchten. Möglich jedoch war mir die Risikominimierung. Erst mit den Jahren schaute ich mal mehr oder weniger oberflächlich zurück. Dazu brauchte ich jedoch eine gewisse Stabilität.


    da bin ich voll und ganz bei dir.
    Irgendwelche theoretischen Analysen sind sicher sinnvoll, vielleicht auch nicht. Sie ersetzen aber keinesfalls die Risikominimierung.
    Erst mit der Zeit wurden sie bei mir Bestandteil meiner Risikominierung. Vorraussetzung ist jedoch die Abstinenz!
    Nicht wenige meiner anfänglichen "Theorien" erwiesen sich mit der Zeit als fehlerhaft, allein deshalb weil ich gedanklich noch ziemlich nah am Alkohol und an meinen alten Verhaltensweisen war.
    Als nasse Alkoholikerin empfand ich mich als unfehlbar. Ich musste erst (manchmal schmerzhaft) lernen, mich selbst mit meinem Denken kritisch zu hinterfragen.
    Mir ist heute wichtig, was der Unterschied zwischen Willensschwäche und Krankheit ist. Die Auseinandersetzung mit Themen wie diesen war es, die bei mir Veränderungen bewirkten.
    Ich kann Gelassenheit nicht trainieren wie Gewichtheben. Ich kann Glücklichsein nicht lernen wie Lesen. Ich kann mir aber über so "unwichtige" Sachen wie meine Eitelkeit Gedanken machen oder über die Demut, die ich früher albern fand.
    Und ich stellte für mich fest, womit ich mir schon sehr lange selbst im Wege stand.
    Hier gibt es die Formulierung der "nassen Gedanken". Ich finde das passt sehr gut, denn sie hörten nicht damit auf, dass ich mein letztes Glas wegstellte. Und selbst diese Feststellung hätte mich einige Monate nach meinem Trinkstopp ziemlich aus der Fassung gebracht, schlichtweg, weil mir das nicht bewusst war und ich es deshalb weit von mir wies.
    Viele Grüße, Penta

  • Hallo Hartmut,

    Zitat

    Ist es im Endeffekt nicht egal was Alkoholismus für den Einzelnen ist? Außer das sie behandelt werden muss kann doch jeder darüber Denken was er will. Oder nicht?

    damals habe ich erkannt, dass es mir egal sein muss, wie mein Umfeld es einordnet. Denn auf mein Outing (nach außen hin funktionierte ich ja wunderbar) erntete ich eher Unverständnis als Unterstützung. Meine Erkenntnis süchtig zu trinken, wurde von außen eher als übertrieben eingeordnet und wenn überhaupt als willensschwach bezeichnet.

    Daher habe ich zunächst Energie darauf verwendet, mich von den Meinungen und Einschätzung anderer frei zu machen. Nach und nach war es mir egal, wie andere mich einordnen. Das ist auch so geblieben, weil das Unverständnis heute ebenso groß ist, wenn ich erzähle. Alkohol hat in unserer Gesellschaft eben den Stellenwert, den er hat. Ich sehe mich oft als Spiegel, aber wer von außen nimmt das für sich an? Da kann ich doch besser als willensschwach und übertrieben eingeordnet werden, als mein Gegenüber als abhängig trinkend ;-).

    Für mich selbst war es am Anfang wichtig anzuerkennen, dass ich abhängig trinke, ich die Kontrolle verloren habe und mein Umgang mit Alkohol eben keine Willensschwäche ist, schon gar nicht Humbug (=Einbildung), sondern eine Krankheit. So konnte ich erst kapitulieren. Ich hielt mich ja jahrelang für stärker und überlegender und mein Umgang mit Alkohol als nicht so schlimm. Als ich mir eingestehen konnte, dass es eben nicht so ist und ich am Ende doch immer nur verlieren werde, fühlte ich mich befreit. Denn nun konnte ich den Kampf mit dem Alkohol einstellen und anfangen lösungsorientiert mein Leben anzugehen.

    LG Maria

  • Ein sehr guter Beitrag, Maria.

    Ich habe vor ein paar Jahren übrigens auch noch erlebt, wie einige aus meinem Umfeld meine Sorge um meinen eigenen Alkoholkonsum als übertrieben- und mein Verhalten als „normal“ abgetan haben. Meist waren das die Menschen, die selbst zu viel trinken.

    Später, also in der letzten Zeit, wo ich noch getrunken habe, hat mein Umfeld auch gemerkt, dass ich es nicht mehr im Griff habe. Die mir wichtigen Menschen, also mein ganz nahes Umfeld, hat es allerdings schon früh erkannt.

    Mir ist es auch egal, wer was von mir denkt. Das Wichtigste ist letztendlich, dass ich selbst weiß, dass ich alkoholkrank bin und nicht Andere.

  • Es ist eine Krankheit, aber man kann sie stoppen, wenn man es will. Mit Charakter hat das nach meiner Meinung nichts zu tun.
    Ich mag das Wort Willensschwäche nicht, es ist abwertend. Aber es geht ums Wollen, will ich trocken werden, mit all seinen Konsequenzen?
    Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, wie schwer der Weg zur Abstinenz ist, mir hat es sehr viel Angst gemacht.
    Zum Glück stand meine Familie hinter mir, mein Arbeitgeber hat mich auch unterstützt.
    Nicht jeder Süchtige hat das Glück so wie ich, im einen guten sozialen Umfeld zu Leben und auch Finanziell keine Probleme zu haben.
    Darum kann man Niemand abstempeln, der immer wieder Rückfälle hat, man muss erst die Lebensumstände kennen,
    bevor man urteilt.

    Grüße
    kossi

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