"Gier" bei alltäglichen Handlungen

  • Hallo,

    wenn ich zurückdenke, habe ich - wie wahrscheinlich alle Personen hier - niemals normal getrunken. Unabhängig von der Menge und der Häufigkeit, war es bei mir aber immer sehr auffällig, dass ich die ersten 2 - 3 Bierflaschen hinuterngekippt habe, als ginge es um Leben und Tod - natürlich ganz gleich, ob noch unzählige Kästen Bier vorhanden waren.

    Ähnliche Verhaltensweisen beobachte ich an mir aber auch immer wieder bei anderen Tätigkeiten, wie z. B. der Nahrungsaufnahme. Es ist mir nicht möglich, normal zu essen. Der erste Teller wird ebenso hineingeschaufelt, als gäbe es nie wieder etwas zu essen. Ähnlich verhält es sich im Sport und mit vielen anderen Beschäftigungen.

    Ich habe es als "Gier" betitelt, obgleich es nicht das wahre Wort für mich ist, es steckt schon noch mehr dahinter, vielleicht gibt es ein paar Anregungen oder Erlebnisse anderer Personen, die ich mir zunutze machen kann.

    Grüße

  • Was das Essen angeht, ist es bei mir auch so. Meine Therapeutin sprach ebenfalls von „Suchtverlagerung“. Wobei ich es bei mir eher so empfinde, als würde ich es benutzen, um mich auf etwas freuen zu können, die Gemütlichkeit zu haben. Früher hab ich mich auf den Wein gefreut. Jetzt fahre ich nach Hause und denke „geil, gleich aufs Sofa und was richtig leckeres essen“.
    Ich esse auch den Teller leer, weils ja gut schmeckt, obwohl ich satt bin. Echt bescheuert, weil ungesund!
    Zum Glück bin ich viel auf der Arbeit in Bewegung, sonst würde ich ganz schön auseinander gehen.

    Trotzdem hab ich dann mal eine Phase zu fassen, wo ich echt oft esse und dann habe ich null Bock auf Sport, also freiwillige Bewegung. Wenn ich dann doch mal was zugenommen habe, komme ich irgendwann an einen Punkt, wo es ins andere Extrem geht. Dann esse ich total gesund und mache dauernd Sport oder gehe spazieren.

    Egal, was ich mache. Ich kann es immer nur ganz oder gar nicht. Das war früher mit dem Alkohol so und jetzt ist es bei anderen Sachen auch so.


  • Hallo,

    für mich liest sich das wie Suchtverlagerung.
    Das kommt oft bei Betroffenen vor, die noch relativ am Anfang sind.

    Gruß
    Karsten

    Es war nie anders, auch vor Alkohol. Was genau kommt oft vor?

  • Hallo Hull,

    das Problem kennen wohl viele, die masslos gesoffen haben... Bei mir hat es sich
    verlagert, so dass ich eine Zeitlang Süßigkeiten in mich hineinstopfte.

    Als mir bewusst wurde, dass mir das eher schadet, konnte ich langsam runterschalten.

    Am Anfang meiner Trockenheit war mir bewusst, dass es eine Suchtverlagerung war
    und habe es toleriert. Alles, was es leichter machte trocken zu bleiben, war mir recht.

    Wenn man sich bewusst wird, dass man es selbst in der Hand hat und mit sich ein wenig
    "strenger" ist, dann pegelt es sich wieder ein. So war es bei mir auf jeden Fall...

    Wir trockenen Alkoholiker sind Suchtmenschen, aus welchen Gründen auch immer.

    Es ist wichtig, das uns das bewusst ist, und dass wir das Beste aus allem machen.

    Andere Blickwinkel und Denkrichtungen helfen dabei!

    Elly

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hi, Hull,
    ich kenne das sehr gut, Dinge extrem zu praktizieren.
    Auf Essen trifft es eher weniger da, da bin ich nur mal in ne Reiswaffelsucht (nicht lachen, war echt so :oops::lol: ) reingerutscht.
    Ansonsten bin ich unter anderem auch mal in eine Sportsucht reingerutscht.
    Und auch in anderen Bereichen gab es schon mal leicht suchthaftes Verhalten.

    Aus all diesen Dingen bin ich aber allein wieder raus gekommen.
    Auch aus meiner Nikotinsucht, ich habe auch mal geraucht, tue es aber seit fast 7 Jahren nicht mehr.
    Ich habe mir klar gemacht, das ich bei diesem oder jenem wieder in extremes oder gar süchtiges Verhalten gerutscht bin.
    Und ich möchte keine Abhängigkeiten mehr in meinem Leben haben, weil das so unheimlich unfrei macht.
    Ich habe dann ganz kritisch mein Verhalten unter die Lupe genommen und ich schone mich dabei dann auch nicht besonders.
    Und so konnte ich es dann auch wieder aus eigener Kraft stoppen.

    Bei der Alkoholsucht ist mir das aber nicht gelungen. Ich war körperlich schon viel zu abhängig.
    Da brauchte ich Hife von Außen.
    Ansonsten bin ich eher ein sehr autarker Mensch, der auch über ziemlich viel Willenskraft verfügt.
    Ebenso über Geduld und wenn ich was unbedingt will (oder eben auch nicht mehr will) kann ich recht ziemlich zielstrebig
    und konsequent sein.

    LG Sunshine

  • Die "Gier bei alltäglichen Handlungen" ist etwas, was mich immer ausgemacht hat - schon vor dem Trinken, als Kind, während der Saufzeit und da nicht nur aufs Trinken beschränkt, auch heute.

    Andre Leute lesen auch gern. Ich lese selten unter 150 Seiten am Tag. André Leute gucken auch gern Filme. Ich vier am Stück. André Leute sind im Beruf auch engagiert. Ich muß sehr aufpassen da nicht mehr zu tun als mir auf Dauer guttut (in sozialen Jobs eine besondere Gefahr). Jeder verliebt sich mal. Bei mir würde das aber immer zu einer Besessenheit - das hab ich aber heute im Griff, sonst würde ich noch trinken.

    Maß und Mitte. Schöne Sache, aber mir nicht eingeboren. Und das habe ich von sehr vielen Menschen die tranken gehört, in den beiden Entgiftungen, in SHG, in der LZT damals. Es scheint zur Suchtpersönlichkeit dazugehören.

    Die Frage, ob dieser Gang zum Extremen nur schlecht und schädlich ist oder ob das auch fruchtbar gemacht werden kann (im Sinne von: wir sind alle nur einmal und kurz da, und solange es sich nicht gegen uns selbst richtet sondern die Welt bunter macht isses auch OK), diese Frage beschäftigt mich nach wie vor.

    LG :)

  • Hallo Garcia,

    Ich denke, da kommt es tatsächlich auf die Sache an Dich an. Wenn ich beim Essen gierig bin, macht es meine Welt nicht bunter, sondern mich dicker :mrgreen:
    Und wenn ich gierig getrunken habe, hat es zwar die Welt kurzzeitig bunter- aber mich auch umso besoffener gemacht.

    Wenn ich aber ganz viel lese, spazieren gehe oder liebe, dann kann es die Welt tatsächlich besser oder bunter machen :)


  • Die "Gier bei alltäglichen Handlungen" ist etwas, was mich immer ausgemacht hat - schon vor dem Trinken, als Kind, während der Saufzeit und da nicht nur aufs Trinken beschränkt, auch heute.

    Andre Leute lesen auch gern. Ich lese selten unter 150 Seiten am Tag. André Leute gucken auch gern Filme. Ich vier am Stück. André Leute sind im Beruf auch engagiert. Ich muß sehr aufpassen da nicht mehr zu tun als mir auf Dauer guttut (in sozialen Jobs eine besondere Gefahr). Jeder verliebt sich mal. Bei mir würde das aber immer zu einer Besessenheit - das hab ich aber heute im Griff, sonst würde ich noch trinken.

    Maß und Mitte. Schöne Sache, aber mir nicht eingeboren. Und das habe ich von sehr vielen Menschen die tranken gehört, in den beiden Entgiftungen, in SHG, in der LZT damals. Es scheint zur Suchtpersönlichkeit dazugehören.

    Die Frage, ob dieser Gang zum Extremen nur schlecht und schädlich ist oder ob das auch fruchtbar gemacht werden kann (im Sinne von: wir sind alle nur einmal und kurz da, und solange es sich nicht gegen uns selbst richtet sondern die Welt bunter macht isses auch OK), diese Frage beschäftigt mich nach wie vor.

    LG :)

    Hallo Garcia,

    a) Welche Bücher bzw. Themenfelder sind es bei dir?
    b) Wie lange hältst du die 150 Seiten pro Tag bereits bei?
    c) Ist es zwanghaft?

    Ich hatte mit den Büchern Phasen, in denen ich ein Buch unter 1.000 Seiten gar nicht erst begann, da es die Sache sonst nicht ausführlich beleuchten konnte (was gewissermaßen auch der Fall ist). In den Hochphasen gab es Wochen, in denen ich über 600 Seiten, also 10 - 16 Stunden gelesen habe; dann gab es Wochen, in denen ich keine einzige Seite lesen konnte, selbst wenn man mich gezwungen hätte.

    Zurzeit lese ich vielleicht 10 - 50 Seiten pro Tag, da mich kein Thema wirklich einnimmt. Fast wie ein Tier, das durch die Wüste streift und dann nach Wochen die herbeigewünschte Oase an einem Tag leersäuft.

    Grüße

  • Hallo Hull,

    zu a) : es handelt sich zu über 90% um Literatur, also wenig Sachbücher. Dabei geht die Spanne von Klassikern ( dieses Jahr viel Balzac) über klassische Moderne (Themen Mann, Kafka, Hesse) zu modernen Sachen. Ich lese aber auch sog. " Unterhaltungsliteratur", dies mit Schwerpunkt SF und Horror :) In diesem Jahr war auch Lyrik dabei, nachdem ich Marion Poschmanns "Kieferninseln" entdeckte (weil sie auf der Buchpreis shortlist auftauchte und ich wegen des Japanbezugs zugriff hab ich auch ihre Gedichte entdeckt), sehr prägend ist seit letztem Jahr David Foster Wallace (ich kenne nichts Eindrücklicheres über Sucht im Allgemeinen und die Aa im Besonderen als die entsprechenden Passagen aus dem "Unendlichen Spaß).

    b) das mit den 150 Seiten ist eher ein Schnitt. Wenn ich Komplexes lese (DFW, Mann) sind es zumindest an Arbeitstagen weniger. Wenn ein neuer 800 Seiten Stephen King erscheint brauch ich 2 Tage. Ich lese so drei, vier Stunden am Tag. Es ist die Art wie ich meine Abende gestalte.

    c) zwanghaft... Es ist ein tiefes Bedürfnis seit ich klein bin dem ich mit Unterbrechungen immer treu geblieben bin, im Alter jetzt wieder mehr. Meine drei, vier Stunden sind die Zeit, die deutsche Erwachsene im Schnitt vor dem Fernseher verbringen. Wenn es zwanghaft ist mag es zwanghaft sein. Stört mich nicht... Und es bereichert sehr.


    LG Frank

  • Hallo,

    ich denke Gier oder Maßlosigkeit ist sehr häufig in der heutigen Zeit vorhanden, nicht nur bei Suchtkranken. Es wird nur nicht immer als etwas Schlechtes angesehen ( es wird dann gern positiv Leidenschaft genannt, was witzig ist, da das Wort selbst nicht auf einen positiven Ursprung vermuten lässt).

    Ich habe das bei vielen Dingen, oft aber nur über eine kurze Zeitspanne. Wie ein Buch, dass ich in den nächsten Stunden durchlesen muss, oder ein Thema, das mich für mehrere Tage intensiv beschäftigt (und wenn ich voll bin, mich nicht mehr damit befasse). Es sind kleine Obssessionen.
    Der Mensch will an sich immer mehr. Er hat nie genug und stets einen Zwang zur Wiederholung und Routine. Ich denke, dass ist in seinem Wesen inne.

    Ich denke viel davon ist Eskapismus. Man will flüchten, verdrängen, sich verlieren. Die Zeit vergessen.
    Man will das Loch/die Langeweile/Leere in sich stopfen mit Drogen, S e x oder Essen.
    Sport, Essen, S e x, und Drogen geben dir schnelle Glückseligkeit, einen Dopamin-Shot quasi, man will wieder die gleiche Reaktion, man wiederholt es, es wird zum Zwang.

    Des weiteren muss man auch gelernt haben, maßvoll zu sein, damit wird man nicht geboren. Es ist umso notwendiger in der heutigen Zeit und der westlichen Welt, wo ständige Verfügbarkeit von fast allem herrscht.
    Viele Leute haben einen maßvollen Umgang schlichtweg nie gelernt und möchten alles verschlingen.
    Das sieht man gut am Beispiel des Internets, den sozialen Medien und vorallem den Smartphones. Viele Menschen sind süchtig und verschwinden regelrecht darin, weil sie einen regulierten Umgang nicht gelernt haben. Das Medium ist zu neu, die Menschheit kommt mit der neuartigen Entwicklung der Technik nicht mehr mit und konnte sich noch nicht einen adequaten Umgang aneignen.

    Ich denke zum Beispiel auch internetsüchtig zu sein oder auf dem Weg dorthin zu sein. Mit der ständigen Verfügbarkeit an Informationen komme ich kaum klar. Deshalb verfalle ich dann auch in tagelangem Recherchieren über eigentlich nichtige Informationen beliebiger Themen. Ich will wie ein Schwamm alles in mich aufnehmen und verschlingen und es ist nie genug. Die pure Gier.

    Meine Mutter hat zum Beispiel auch diese Art, Essen runter zu schlingen. ZB trinkt sie ein Glas Wasser nicht wie ein normaler Mensch, sie trinkt das ganze Glas in einem Zug aus, atmet tief aus und knallt das Glas auf den Tisch. Als wäre sie vor dem Verdursten. Ich muss sagen, das mich dieses Verhalten immer etwas angewidert hat, weil ich es als gierig und maßlos und auch unkultiviert empfunden habe.
    Mein Partner hingegen, meint ich schlinge mein Essen auch hinunter. Er isst sehr gemächlich und bedacht. Aber bei mir liegt es daran, dass ich nicht genießen kann und ungeduldig bin. Essen hat für mich auch meistens keine große Priorität, ich möchte einfach nicht mehr hungrig sein und das ganze so schnell es geht beenden, damit ich mich wichtigeren Dingen widmen kann (wie zB meine Internetrecherche über triviale Themen).

    Alles Liebe,
    sorra

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