Wie ich im Moment mit der Abhängigkeit umgehe

  • Hallo, wie schon in der Vorstellung geschrieben, ist mein Mann seit mehreren Jahren Alkoholiker. Wir sind schon seit 20 Jahren zusammen, beide Ende 30, und haben eine gemeinsame Tochter im Alter von 17 Jahren.

    Er betrinkt sich mehrmals in der Woche, trinkt auch nach dem Erbrechen weiter, erinnert sich an nichts mehr... Das Übliche.
    Er ist noch nie uns gegenüber gewalttätig geworden. Nur mit den Nachbarn hat er sich ab und zu mal angelegt, weil sie zu laut waren.
    Nach zig Versprechungen, habe ich eingesehen, dass nur er sich helfen kann. Beim Hausarzt war er schon, hat aber nichts gebracht.

    Ich werde wahrscheinlich für immer bei ihm bleiben, führe aber mein Leben in für mich lebenswerter Weise weiter.
    Ich bin vor Corona fast jeden Samstag ausgegangen und habe versucht, immer bei einer Freundin zu übernachten. Am Anfang war er sehr eifersüchtig. Mittlerweile merkt er, dass mir das gut tut und hat nichts dagegen. Dass ich ihn Sonntag betrunken antreffe, war schon längst Gewohnheit.

    Einmal im Jahr machen mein Mann und ich gemeinsam Urlaub.
    Mit meiner Tochter verreise ich seit 2 Jahren auch einmal im Jahr. Ohne ihn, da sie sich nicht gut verstehen. Aber das war schon immer so. Der Urlaub mit ihm allein oder mit meiner Tochter verläuft dadurch viel harmonischer.
    Ich verreise auch zwei- dreimal im Jahr für ein Wochenende mit Freundinnen. Wahrscheinlich trinkt er dann jeden Tag, aber bisher ist es gut gelaufen. Jedenfalls hat er uns nüchtern abgeholt.
    Unsere Tochter ist dann entweder bei einer Freundin oder sie ist in ihrem Zimmer. Ist es in Ordnung die beiden alleine zu lassen? Ab und zu schreibe ich Nachrichten, ob alles gut ist. Und es klappt auch, da er schon um 20 Uhr Samstags betrunken einschläft.
    Morgen ist es wieder so weit: ich gehe wieder schick essen und kann Energie für Zuhause tanken. Ich freue mich. Irgendwie habe ich auch Angst. Wieso? Weil ich ihn seit März nicht mehr allein gelassen habe?

    Ist mein Verhalten richtig? Bin ich in großem Maße Co-abhängig? Momentan ist es bei uns so, dass ich nicht mehr nach Alkoholflaschen suche oder sie verstecke. Ich schicke ihn oder gehe selbst ins andere Zimmer, wenn er nicht mehr gescheit sprechen kann. ,,Ich will nicht mit dir zusammen sein, wenn du getrunken hast." Er lässt mich jedoch nicht in Ruhe. Er kommt andauernd in mein Zimmer und bettelt bei mir bleiben zu dürfen. Soll ich die Türe abschließen?

    Ich trinke nur am Wochenende höchstens zwei Gläser Wein. Wenn ich mal ein Glas Wein trinke, trinke ich meist in seiner Anwesenheit. Ich verstecke es nicht vor ihm. Ist das in Ordnung?
    Wie gesagt, versuche ich mein Leben so weit wie möglich normal zu führen.


    Liebe Grüße, Lori

  • Hallo Lori,
    das hört sich doch alles supi an, wie Dein/Euer Leben läuft.
    Ihr habt Euch bestens mit Euren Abhängigkeiten miteinander arrangiert, klasse.
    So muss niemand leiden und allen geht es gut.

    Ob Dein Verhalten richtig ist?
    Wer will sowas schon beurteilen, ist doch Euer Leben und darin könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt.
    Ihr seid beides erwachsene Menschen und könnt selbst entscheiden, wie ihr leben wollt.

    Meine Frage ist, was führt Dich denn in dieses Forum, wenn doch alles so supi bei Euch läuft?
    Oder ist es doch nicht ganz so?
    Wir sind nicht dafür da, um Urteile zu fällen, was richtig und was falsch ist oder in Ordnung oder nicht in Ordnung.

    Es gäbe ja auch für Dich ein anderes Leben, aber wie ich das lese, möchtest Du das gar nicht.
    Tja...da kann man dann nix machen.
    Ich wünsche Dir alles gute auf Euren weiteren gemeinsamen Lebensweg.

    LG Sunshine

  • Hallo Lori,

    ich kann Dir dazu nur sagen, dass meine Tochter sich auch nichts hat anmerken lassen, aber tierisch gelitten hat. Das kam in einem sehr intensiven Gespräch raus, dass wir im Februar geführt haben. Sie wollen auch nur, dass es uns Müttern gut geht und uns nicht zusätzlichen Kummer bereiten. So war es jedenfalls bei mir. Ich konnte nicht mehr mit dem Konsum meines Mannes leben und bin gegangen. Kein leichter Schritt, aber ich bin heute enorm dankbar, den Mut der Verzweiflung aufgebracht zu haben und diesen Schritt gegangen zu sein. Es war eine katastrophale Zeit für mich, aber sie hat sich gelohnt. Ich führe ein zufriedenes Leben und brauche mir keine Sorgen zu machen, was zu Hause abgeht. Das einzige, was ich mir vorwerfe ist, diesen Schritt nicht schon früher getan zu haben.

    sonnige Grüße
    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • P.S. Meine Tochter war 2012, als ich gegangen bin schon in der Ausbildung, also nicht mehr zu Hause, aber ihre Teenagerzeit hat sie mit einem alkoholisierten Vater verbracht :cry:

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Hallo Sunshine, danke für deine Antwort. Hmm, warum ich hier bin? Ich informier mich schon länger über diese Sucht und meine, dass ich schon einiges an Ratschlägen umgesetzt habe.
    *Ich trage keine Schuld
    *Ich kann ihm nicht helfen, wenn er sich nicht selbst helfen will.
    *Ich kontrolliere ihn nicht mehr.
    *Ich nehme an Aktivitäten außerhalb des Hauses und des Jobs teil.

    Aber sicher bin ich mir nicht. Dies ist ja auch ein Forum für Abhängige, deren Sicht ich verstehen möchte. Wahrscheinlich mache ich auch so einiges falsch.
    Natürlich ist unsere Situation *nicht* super. Um Gottes Willen! Kommt das so rüber? Ich habe Zukunftsängste und sehe mich schon in Zukunft als seine Pflegerin.

    Ich gehöre zu den Menschen, die sich entschieden haben, trotzdem bei dem Partner zu bleiben aus einem Gemisch aus Zuneigung, Mitleid, Gewohnheit, Angst vor den Konsequenzen (dass er sich tot trinkt, seine Arbeit verliert, sich mit den Nachbarn prügelt) Feigheit.

    Na ja, ich werde mich dann in den nächsten Tagen erst mal einlesen. Vielleicht wird mir dann noch klarer, was ich hier will :).

    Liebe Grüße, Lori

  • Hallo Lütte,
    mit meiner Tochter habe ich auch schon darüber gesprochen. Sie hat Angst vor der Veränderung und möchte, dass wir eine Familie bleiben. Außerdem denkt sie, dass er sich dann vollends gehen lässt und schlimmer wird mit ihm.
    Sie ist ein Mama-Kind und man kann sagen, dass ich schon immer die alleinige Erziehung übernommen habe. Sie meint, dass der Papa eher wie ein älterer Bruder für sie ist. Wie viel ich an der ganzen Situation mit den beiden beigetragen habe, vermag ich nicht zu sagen. Sie sieht ihren Papa vielleicht 15 Minuten am Tag. Bevor er von der Arbeit nach Hause kommt, kochen wir zusammen oder sie erzählt mir von ihren Freundinnen und Jungs. Ansonsten ist sie im Fitnessstudio oder mit Freunden unterwegs. Lange Rede, kurzer Sinn: eigentlich laufen sie sich kaum über den Weg. Und wenn, dann reagiert sie genervt, da er Unsinn redet, sich oft wiederholt und vergesslich ist, sobald er trinkt. Dass sie leidet, habe ich nicht mitbekommen.
    Ich werde noch mal das Gespräch mit ihr suchen.

  • Hallo Lori,

    Zitat

    Dies ist ja auch ein Forum für Abhängige, deren Sicht ich verstehen möchte.

    Was ändert es, wenn Du verstehst, warum er säuft? Kaufst Du ihm dann den Alk? Ich wollte ihn auch verstehen, aber ist mir nicht gelungen. Heute weiß ich, dass es auch nicht wichtig ist.

    Zitat

    Wahrscheinlich mache ich auch so einiges falsch

    Genau und das ist der Grund, warum er säuft (Ironie aus) Wir sind alle nur Menschen und machen Fehler, deswegen wird niemand gezwungen zu saufen.

    Wie schon geschrieben, hat meine Tochter ihre Pubertät auch mit ihrem trinkenden Vater verbracht. Sie war 20, als ich ausgezogen bin und wir haben dieses sehr emotionale Gespräch darüber nach 8 Jahren dieses Jahr im Februar gehabt. Auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen, macht diese Umgebung doch was mit ihnen.

    Zitat

    ass er sich dann vollends gehen lässt und schlimmer wird mit ihm.

    Da stellen sich mir doch die Nackenhaare auf. Die Tochter nimmt Rücksicht und übernimmt Verantwortung für ihren Vater und er säuft. Das ist doch total verkehrte Welt. Wie gesagt, ich kenne das aus eigenem Erleben, es war bei uns nicht viel anders. Was ist das für ein Familienleben? Soll eine Familie nicht was sein wohin man gern geht? Wie geht es dir/ihr bei dem Gedanken nach Hause zu müssen? Ich hatte immer einen Knoten im Bauch, ich wollte nicht nach Hause.

    Wir sind die Mütter und tragen/trugen die Verantwortung für unsere Kinder mehr oder weniger allein, weil unsere Männer durch den Alkohol dazu nicht in der Lage sind/waren. Unsere Aufgabe ist es, unsere Kinder zu schützen.

    sonnige Grüße
    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Hallo Lori,

    wie ein Bruder... genau. Deswegen traut sie ihm auch nicht zu, sein Leben alleine hinzukriegen. Geschweige denn einen Entzug.
    Aber er ist nicht dein Sohn! Und er ist erwachsen!
    Von deiner Tochter ein "ok" für eine Veränderung zu erwarten, ist zuviel Verantwortung für sie, sie schützt sich auch selbst indem sie sagt, sie will keine Veränderung. Sie kennt es ja auch nicht anders. Und einschneidende Veränderungen machen jedem von uns immer erstmal Angst. In jedem Alter.

    Du bist Ende 30..... und das.... willst Du jetzt so noch 50 Jahre mitmachen? Pass bitte auf dich auf.... der Weg zu Depressionen als Coabhängiger ist machmal kürzer als man denkt.....

    Schöne Wochenendgrüsse von

    Tuula

  • Hallo Lori,
    habt euch scheinbar gut arrangiert.Der Alkohol scheint akzeptiert bei allen. Warum ist er wie ein Bruder? Vermisst deine Tochter ihren Vater als Vater? Vermisst er seine Tochter? Frage nur so, weil ich diese Art der "Vaterrolle" nicht kenne.
    Einen lieben Gruß, la vie

  • Hallo Lori,

    Irgendwie kann ich deine Gefühle in Bezug auf die Verantwortung für deinen Mann ja verstehen. Aber für dich ist es bestimmt nicht sehr erfüllend, oder?
    Ich habe eher das Gefühl das du so gar nicht zufrieden und glücklich mit der ganzen Situation bist.
    Du flüchtest von zu Hause! Aber wenn du weg bist wird dein Kopf sicher immer irgendwie dort sein. Kannst du dann voll und ganz abschalten?
    Als mein Freund die extreme Phase hatte, konnte ich es nicht. Irgendwie war ich immer in Gedanken dort. Was macht er, geht es ihm gut, wieviel hat er getrunken, gibt es wieder Streit, sind die Kinder "sicher"....

    Ich habe auch noch nicht den Schritt des Auszugs getan. Aber so wie du dein Leben momentan führst (was bei fast jedem Co ja theoretisch möglich wäre) könnte ich nicht glücklich werden.

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