Neue Fragen auf meinem Weg.

  • Hallo, ich bin 40+ , weiblich, Alkoholikerin und seit 11 Jahren trocken.

    Meine Kindheit und Jugend war geprägt von der Sorge um meine Mutter, die, wie ich jetzt weiß, depressiv war und unter einer chronischen Erkrankung litt. Ich habe früh Verantwortung übernehmen müssen. Außerdem gab es zu Hause viele Ver- und Gebote, so dass ich mir Freiheiten heimlich oder sehr schwer erkämpfen musste. Schon mit 16 Jahren hatte ich meinen ersten Filmriß auf einer Klassenfahrt. Alkohol linderte meine Ängste vermeintlich. Im Studium besuchten wir Synanon, ich verstand damals gar nicht warum, heute bin ich froh darum. Die Kriterien, Alkoholikerin zu sein, trafen auf mich zu, was ich bemerkte aber verdrängte. Es folgte eine schwere Zeit mit Ausbildung und alleinerziehend, in der ich abends trank, versuchte zu kontrollieren und mich hinterher wegen Fahne, Ausfällen etc. schämte. Als ich einmal so viel abends trank, dass ich mich am nächsten Morgen krank melden musste, entschloss ich mich endlich, etwas zu unternehmen. Ich hatte vorher schon in diesem Forum gelesen und war nun an dem Punkt der Kapitulation: Arztbesuch, Suchtberatung, Freunde und Verwandte informieren, die Wohnung alkfrei machen, alle Alkoholgläser wegschmeißen, Gewohnheiten, in denen ich getrunken hatte mit anderen Dingen zu überschreiben und Orte, Freunde zu meiden, wo Alkohol getrunken wurde. So habe ich es auf Anhieb geschafft, trocken zu werden. Ohne Rückfälle. Danke dafür an dieses Forum! Ich würde gerne aufgenommen werden, um mich mit anderen trockenen AlkoholikerInnen auszutauschen, auch was den Umgang mit konsumierenden Verwandten, etc. betrifft. Meine Wohnung ist komplett alkfrei, mein Mann auch abstinent, er trinkt auch gar nicht, mein heranwachsenden Sohn hat jetzt zur Abschlussfeier in der Schule Alkohol getrunken. Ich merke, dass das für mich ein Problem ist, da Alkohol in meinem Umfeld nicht existieren soll.

    Wie geht es euch damit?

    Lg

  • Hallo hana,

    willkommen bei uns im Forum!

    Mittlerweile bin ich seit über 8 Jahren trocken. Unseren Kindern habe ich gesagt, dass ich

    trockene Alkoholikerin bin. Einiges haben sie erst durch mich erfahren.

    Ich habe ihnen gesagt, es ist ok, wenn sie mal Alkohol trinken. Aber bitte nicht bei uns

    zu Hause und vor allem nicht zu viel, wenn sie mal trinken!

    Man kann nicht immer dem Alkohol aus dem Weg gehen. Auf der Abiturfeier unseres "Kleinen"

    fand ich es persönlich nicht tragisch, dass Alkohol getrunken wurde. Denn nicht alle haben

    ein Problem mit dem Alkohol. Die meisten Menschen haben eher einen normalen Umgang mit Alkohol.

    Nur ich kann das halt nicht. Sollen deswegen alle auf mich Rücksicht nehmen?

    Vielleicht hilft Dir diese Überlegung etwas.

    Einen guten Austausch bei uns im Forum!

    LG Elly

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hartmut 24. Juni 2021 um 17:07

    Hat den Titel des Themas von „Vorstellung“ zu „Neue Fragen auf meinem Weg.“ geändert.
  • Danke Elly für deine Antwort. Ich habe folgendes Problem: Vor 11 Jahren bin ich auch Dank dieses Forums trocken geworden. Ich habe damals bis heute alles genauso umgesetzt, wie ich es hier gelesen habe. Also, alle Alkoholgläser weggeschmissen, alte Gewohnheiten, die ich mit Alkohol verband, verändert, trinkende Menschen und entsprechende Anlässe vermieden. In mein Haus kommt kein Alkohol, ich finde es auch nach wie vor unangenehm, wenn mir nahe stehende Menschen Alkohol trinken. Das Gefühl, jemand schleppt hier eine Flasche Wein rein, ist das einer Bedrohung. Als ich frisch trocken war, trank ein Freund ein Glas Wein in seinem Ferienhaus, in welches er mich eingeladen hatte, sein Glas stand plötzlich neben meinem Saftglas, es war ein Schreck, hätte ich unabsichtlich das falsche Glas gewählt. .... das fand ich damals richtig gemein von ihm, er wusste um meine Situation. Aber es wurde mir noch einmal mehr klar, dass nur ich die Verantwortung dafür trage, ob ich in solche Situationen komme oder nicht. Mein Mann wusste, als wir uns kennen lernten, dass ich trockene Alkoholikerin war und trank anfangs noch etwas außer Haus, wenn er mit Freunden ohne mich unterwegs war. Lebt jetzt aber seit vielen Jahren abstinent und findet das für sich gut. Und ich finde es super entspannend in meinem konkreten Umfeld nicht auf Alkohol zu stoßen. Ich hab einfach so viel Respekt, eigentlich Angst vor dem Zeug und möchte wirklich nie mehr trinken müssen.

    Da mein Sohn noch zu Hause lebt, ist es einfach Für MICH unangenehm, wenn er angetütert nach Hause kommt und ich eventuell den Alkoholgeruch rieche. Das war jetzt vorher noch nie der Fall, erst seit dem Zeugnisfest vor drei Tagen. Die Situation ist also neu für mich und meine Strategie, kein Alkohol(geruch) in meinem Haus, um mich vor Alkohol zu schützen, konnte ich nicht anwenden. Ich kann ja nicht sagen, du kommst nur nach Hause, wenn du nüchtern bist. Er wohnt hier und soll sich nicht Nachts rumtreiben. Er meinte auch, alle seine Freunde hätten Bier getrunken. Wenn ich es ihm verbiete, macht er es heimlich. Das kenne ich von mir Zuhause als ich Jugendliche war in x Situationen, das will ich nicht für ihn. Meine Frage ist jetzt, wie andere trockene AlkoholikerInnen damit umgehen, wie ich mich verhalten soll, wenn mein Sohn etwas trinkt und noch bei mir wohnt.

    Lg Hana

  • Vor 11 Jahren bin ich auch Dank dieses Forums trocken geworden

    Ein Frage, nur interessenhalber. Wie war dein damaliger Nick Name?

    Mein Mann wusste, als wir uns kennen lernten, dass ich trockene Alkoholikerin

    weiß dein Sohn das auch?

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut, ich habe damals nur gelesen und war sehr dankbar, dass das so möglich war auch ohne Anmeldung. Ich habe ganze Abende über Wochen am PC verbracht. Selbst zu schreiben, habe ich mich damals nicht getraut, hatte auch nicht so die Kraft mich noch auf xy einzustellen. Hatte mich nur auf das Trockenwerden fokussiert und die Bausteine hier gelesen und Geschichten verfolgt. Ich war einige Zeit in einer realen SHG, bin dann aber da nicht mehr hingegangen, da die dort geschilderten Rückfälle mich triggerten und belasteten. Kann also sagen, daß die hier formulierten Bausteine mir geholfen haben, alles so umzusetzen, dass ich trocken wurde und blieb.

    Mein Sohn weiß, dass ich trockene Alkoholikerin bin. Habe aber auch vor, demnächst noch einmal ein Gespräch mit ihm zu führen und ihm noch mehr von mir zu erzählen, damit er mich und meine Reaktionen auch besser verstehen kann.

    Lg Hana

  • Habe aber auch vor, demnächst noch einmal ein Gespräch mit ihm zu führen und ihm noch mehr von mir zu erzählen, damit er mich und meine Reaktionen auch besser verstehen kann.

    genau das wäre mein Weg.

    Ein offenes klärendes Gespräch aus der Ich Sicht und die Ängste dazu. Die Gefahr das er das nur halbherzig ernst nimmt ist gerade bei Kindern zu Eltern da.

    Vielleicht gibt es aber auch noch eine andere Person, die dich und dein Sohn kennt und sich bereit erklärt mit ihm zu sprechen. Am besten noch eine Person, wo dein Sohn heraufschaut.

    Ich weiß das meine Jungs auf „Fremde" anders reagieren als auf die eigenen Eltern.

    Gruß Hartmut

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  • Das werde ich machen, ich denke ich nehme meinen Mann dazu. Die beiden verstehen sich und er bringt den unaufgeregten Part mit. Leider haben wir niemanden von "außen". Mein Kind wird groß, das freut mich auch total. Ich bin auch stolz, dass er sich frei und hoffentlich gesund entwickeln kann bei uns und nicht so ein krankes Elternhaus hat, wie ich früher. Ich hatte bis jetzt noch keine großen Probleme mit der Entwicklung meines Sohnes, freue mich, wenn er selbstständiger wird. Genieße meine Freiheiten immer mehr, ist ja bald wieder alles so, wie vor dem Kind. Ich meine ausschlafen, verreisen, weggehen etc. Selbst der Gedanke, er zieht aus, ist jetzt nicht schrecklich für mich in dem Sinne, dass ich dann nichts mehr mit meiner freien Zeit und mit mir anzufangen wüsste. Es ist eben dieser Alkoholgeruch bei mir zu Haus von ihm, mit dem ich nicht klar komme. Naja, jetzt erst mal Ruhe bewahren, Gespräch führen. Und dann sind sowieso erstmal Ferien, die er zumeist mit uns "alten" verbringt und online mit seinen Freunden. Vielen Dank für die Antworten LG Hana

  • Guten Abend Hana,

    aus Deiner Schilderung entnehme ich, dass Du Panik davor hast rückfällig zu werden. Kann das stimmen?

    Alleine der Alkoholgeruch Deines Sohnes wird es nicht auslösen!

    Unsere Jungs haben auch außer Haus getrunken, als beide noch zu Hause wohnten. Der Große

    ist mittlerweile ausgezogen. Und er war im Grunde derjenige, der auch mal heftiger ins Glas schaute...

    Aber er ist immer sofort in sein Zimmer und hat nur kurz gegrüßt. Er wusste, dass ich es nicht mag,

    wenn er an- bzw. betrunken ist.

    Auf jeden Fall würde ich an Deiner Stelle das Gespräch mit Deinem Sohn suchen und Deine Gefühle

    schildern.

    Mittlerweile bist Du 11 Jahre trocken (super!!!) und Du kannst etwas gelassener werden! Und auch zu Dir selbst

    Zutrauen haben, dass Du nicht rückfällig wirst, nur ausgelöst dadurch, dass jemand in Deiner Gegenwart

    Alkohol trinkt oder danach riecht.

    Elly

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Ich hatte nun gestern das Gespräch mit meinem Sohn, mein Mann war dabei, das war gut. Mein Sohn hat nicht viel gesagt, irgendwie habe ich den Eindruck, dass er sich gleich rechtfertigen will und eher genervt ist. Ich denke, das mit dem Genervtsein ist normal. Ich werde weiter in Kontakt sein mit ihm, hab ihm jetzt von mir noch einmal erzählt und gesagt, wenn er was getrunken hat, geht er in sein Zimmer.

    Ich habe auch darüber nachgedacht, Elly, was du geschrieben hast. Dass es anmutet, als hätte ich panische Angst davor, nach 11 Jahren! rückfällig zu werden. Vielleicht sind das 2 Dinge, die diesen Eindruck erzeugen: Erstens bin ich sowieso etwas panisch oder ängstlich in dem Sinne, dass ich oft vorsichtig bin und eher um alle Ecken denke, auch das berühmte leere Glas erscheint oft auf meinem Tisch, während alle anderen an halb vollen sitzen oder ich fühle mich angegriffen, wenn einer eine andere Meinung hat. Das ist jetzt alles überspitzt dargestellt, geht aber in die Richtung.. zum Zweiten bin ich mit der Strategie des alkoholfreien Hauses bis jetzt gut gefahren, auch, Alkohol als Bedrohung zu sehen, hat eher dazu geführt, dass Alkohol in meinem Leben gar nicht mehr vorkommt, ich nicht an ihn denke, ich musste mich nie verhalten, weil zu Hause niemand alkoholisiert war. Und das ist einfach ein entspanntes sicheres Gefühl.

    Vielleicht muss ich wirklich lernen, ich bin abgegrenzt und sicher, auch wenn in meiner direkten Umgebung etwas ist, dass ich nicht mag, gut finde etc.

    Allerdings bin ich auch stolz auf mich , sicher Trocken zu sein und mein Leben ohne diesen Suff zu leben, mein Leben von früh bis spät selbst zu gestalten und in der Hand zu haben. Bin froh, nicht mehr trinken zu müssen, bin froh, nicht mehr die Kontrolle zu verlieren.

    Ich finde es trotzdem schrecklich, dass Alkohol für Jugendliche und Heranwachsende so präsent ist, war er ja auch für mich ( siehe Filmriß mit 16 und weitere, viele gefährliche Aktionen unter viel Alkohol). Ich möchte einfach nicht, dass mein Sohn auch süchtig wird. Er muss den Umgang mit Alkohol lernen, sagen viele, ich habe ihn leider nicht gelernt. Ich würde ja auch niemandem raten, den Umgang mit anderen Drogen zu lernen.

    Ich weiß, mein Sohn ist nicht ich. Und ich werde ihm vertrauen und ihm zutrauen, den Umgang zu lernen. Naja, irgendwie fühlt sich das komisch an.

    Lg Hana

  • Hallo Hana

    Ich hatte nun gestern das Gespräch mit meinem Sohn, mein Mann war dabei, das war gut.

    Finde ich gut. Ich denke bei dem einen oder anderen gehört da auch ein gehöriger Mumm dazu, Sachen anzusprechen die einem selbst wieder den Spiegel der Vergangenheit vorhalten

    Mein Sohn hat nicht viel gesagt, irgendwie habe ich den Eindruck, dass er sich gleich rechtfertigen will und eher genervt ist.

    Ich finde es eine normale Reaktion. Zudem noch als Jugendlicher. Wenn ich etwas an den Kopf geschmissen bekomme, was aus meiner Sicht in Ordnung ist, wäre ich nicht nur genervt.

    Das muss doch erstmal sacken.

    oder ich fühle mich angegriffen, wenn einer eine andere Meinung hat.

    Vielleicht hat dein Sohn das von dir geerbt ;)  Nun, die Angst ein Kind an die Sucht zu verlieren ist das eine. Das eigene Wissen das man da sehr wenig Handlung Spielraum hat das andere. Mal sehen wie es weiter geht.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Man kann nicht immer dem Alkohol aus dem Weg gehen. Auf der Abiturfeier unseres "Kleinen"

    fand ich es persönlich nicht tragisch, dass Alkohol getrunken wurde. Denn nicht alle haben

    ein Problem mit dem Alkohol. Die meisten Menschen haben eher einen normalen Umgang mit Alkohol.

    Nur ich kann das halt nicht. Sollen deswegen alle auf mich Rücksicht nehmen?

    Hallo!

    Genau so handhabe und sehe ich es auch. Allerdings halte ich mir immer eine Fluchtmöglichkeit offen. Falls mich der Konsum anderer zu stören beginnt, dann bin ich weg. Allerdings gehe ich nicht zu Ereignissen, bei denen in Wirklichkeit der Suff im Vordergrund steht und das wahre Bindeglied der Veranstaltung ist. Der Sektumtrunk bei einer Feier lässt mich kalt. Ich nehme ein Glas Wasser und das war es dann auch schon.

    Gruß

    Carl F.

  • Vielen Dank, Hartmut, Carl F. und Elly für eure Antworten. Ich bin auch gespannt, wie es mit meinem Sohn und mir ;) weitergeht. Jetzt sind wir erstmal an der See und genießen die Sommertage. Sohnemann zockt offline, da es hier kein WLAN gibt. Ich habe genug Bücher mit. Den Begrüßungswein hat mein Mann sofort an die Nachbarn verschenkt, die sich glaub ich sehr gefreut haben.

    Lg Hana

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