• Ich hoffe, hier ist es jetzt richtig / ich hab 3 Fenster vom Forum offen, damit ich mich nicht verblätterte beim Lesen.

    Ich hab irgendwie den Eindruck, dass es bei mir gerade eher schlimmer, statt besser wird. Ich ziehe mich immer mehr von meinem Partner zurück, obwohl ich das eigentlich nicht will. Aber es gibt irgendwie keinen besseren Weg.

    Ich lebe in der Stadt; Er lebt in dem Dorf, aus dem auch meine Eltern sind, meinem ehem. Heimatdorf. In dem seine Kinder und die Ex leben, die uns bewusst auf der Nase rumtanzt, gerne zu Besuch bei den Nachbarn. Immer präsent, immer am provozieren. Wenn mein Auto vor der Tür steht, kommen sofort unangemeldet Bekannte zu Besuch oder quatschen mich vorm Haus fest. Oder, auch super: Mein Vater kommt nach dem Fußball hickehackebreit zu uns und meint, er muss bei uns jetzt weitersaufen. Mein Stiefvater und er leben auch in dem Kaff und bilden jetzt die Witwer-Trauersauf-WG. Lächerlich.

    Als Kirsche auf der Sahne: seine Kinder. Ich halte sie für opportunistisch, verzogen, chaotisch und überaus berechnend. Mit der Großen komm ich einigermaßen klar, auch wenn sie nur Chaos verbreitet und sowohl im Haushalt als auch schulisch stinkfaul ist, was immer zu Problemen und Stress für meinen Partner führt. Nicht nur finanziell, auch organisatorisch darf er irgendwie alles um diese Kinder herum ausbaden. Da geht permanent das Handy und irgendwas wird geklärt, organisiert, diskutiert. Wahnsinn.

    Aber vor allem die Jüngere… die macht mich gänzlich fertig. Wie sie sich bewusst zwischen uns gedrängt und was sie alles abgezogen hat - das würde jetzt den Rahmen hier sprengen. Absoluter Vaterkomplex. Es war jedenfalls soweit, dass ich in dem Jahr, in dem wir zusammengelebt haben (natürlich auch schön 2 Lockdowns erlebt, in denen Lieblingskind von morgens 7 bis nachts um 12 im Wohnzimmer rumhing - täglich!!) es nur noch ausgehalten hab, wenn ich mir abends einen leichten Level angetrunken habe. So dass ich wenigstens halbwegs freundlich und entspannt sein konnte. Zumindest immer, wenn die Kinder da waren, aber eigentlich täglich, glaube ich. Das hat mir alles so auf der Seele gelastet, dass ich da weg musste. Ich will da nicht mehr sein. Ich will diese Erinnerungen auch einfach wegstecken. Ich habe jetzt jedesmal einen Horror, wenn wir nicht bei mir in meiner sauberen, ordentlichen Wohnung sind, wenn ich in dieses Haus muss. Ich möchte nichts mehr mit dem Dorf zu tun haben. Es gibt dort nichts Gutes für mich. Außer IHM. Ich liebe ihn, aber in der Konstellation funktioniert das für mich glaube ich nicht. Jeder macht sein Ding und wir sehen uns nur an Kindfrei-Tagen. Dauernde Diskussionen und Streit um alles. Ich weiß, ich hab auf diese Situation hingearbeitet und er akzeptiert sie einigermaßen. Ich werde dafür aber auch zunehmend den ganzen Tag lang mit Missachtung gestraft - Höchststrafe für einen so unsicheren und von Selbstzweifeln zerfressenen Menschen wie mich. Ich weiß auch, dass der Auszug, die Reißleine, das absolut richtige war, da zweifle ich nicht dran. Ich handle sehr überlegt, auch wenn das anderen nicht so vorkommen mag. Ich hadere oft lang und zweifle und probiere und halte aus, aber wenn ich mich entschieden habe, ist das endgültig. Das ist aber auch mein Dilemma: Aus diesem Aspekt heraus wäre meine Konsequenz, auch die Beziehung zu beenden. Ich möchte nicht so an ihm hängen, ich möchte nicht eifersüchtig sein, wenn er nicht bei mir ist, ich will nicht mehr leiden. Mir Gedanken machen müssen.

    Ich benehme mich ja auch immer öfter echt wie die Axt im Walde, um da raus zu kommen, aber im Herzen will ich das eigentlich niht.

    Ich will die heile Beziehung, die vermeintlich alle anderen haben. Aber die Voraussetzungen stimmen hier ja schon nicht. Seine Kinder sind mein größter Dealbreaker (ausstehende Scheidung und Schulden mal gar nicht erwähnt). Ich habe es wirklich versucht, habe mich bemüht. Auch wenn er das anders sieht und mir vorwirft, ich hätte zu früh aufgegeben. Also bitte, das Theater mit seiner Tochter hätten andere keine 3 Monate mitgemacht! Es ist soweit, dass ich schon einen richtigen Hass auf Blondinen generiert habe, durch sie und die Sekretärin, mit der mich mein Exmann monatelang beschissen hat (sorry an alle Blondinen unter euch, das ist nichts Persönliches, das kriege ich iwann wieder neutralisiert). Blond bedeutet für mich irgendwie immer Ärger. Ist ja Quatsch, weiß ich selber…

    Wenn ich Väter mit ihren Töchtern irgendwo sehe, kommt es mir hoch. Weil ER ausgerechnet der einzige Übervater sein muss. Mit Getüddel und Gemache. Sicher nervt mich das auch, weil meiner sich nicht um mich geschert hat (ganz zu schweigen von meiner Mutter), aber vor allem, weil das unsere Paarbeziehung so negativ beeinflusst hat und ich dadurch so viel von ihm angeben muss. Evtl. auch eine Art Futterneid: Ich hab schon nur diese eine Person und die muss ich auch noch mit 2 Kindern und seiner krebskranken Mutter teilen.

    Ich bin die Böse in der Konstellation, das weiß ich ja. Die Schwierige, Unflexible. Die Anormale, weil sie nicht vor Freude ‚Jaaa‘ schreit, dass es plötzlich 3 Kinder statt einem Kind sind; die nicht total in der Happy Family-Patchwork-Nummer aufgeht. Mag sein, dass ich all das bin. Aber ich bin nicht das alleinige Problem.

    Ich war so weit, dass ich dachte, ich will am liebsten nie wieder einen Partner. Weil ich so viel in diese Beziehung investiert und so viel in meinen Augen verloren hab. Und mich so viel verbieten und verstellen muss. Aber ich bin kein Allein-Mensch…

    Ich will und brauche meine Zeit für mich, ja. Mehr als andere. Aber ich hab zunehmend panische Angst davor, dass ich komplett allein da stehe. Was habe ich dann? 2 Freunde, die ich alle naselang mal sehe/höre und ein ‚halbes Kind‘. Den Rest der Zeit bin ich allein, auch von der Arbeitssituation her. Das macht mich auch mehr und mehr zum Sozialphobiker, aber das mal außen vor.

    Ich hab Angst, dass ich das allein nicht schaffe. Ich gehe ein ohne körperliche Nähe. Und gleichzeitig ist das alles so… unerträglich.

    Ich bin noch nicht so weit, meine Therapeutin erneut einzuschalten. Das bedeutet wieder bewusste Arbeit mit mir selber und soziale Interaktionen. Ich glaube, da fehlt mir aktuell die Energie für.

    Zum Glück hab ich gelernt, dass meine Sorgen schwimmen können und es mir durch due Sauferei einfach nur schlechter geht. Sonst würde ich’s nicht anders aushalten. So muss ich halt nüchtern hier durch. Schöner wird’s dadurch aber auch nicht…

    Löwenzahnkinder kämpfen sich durch.
    Sie halten den gegebenen Umständen stand und überleben tapfer -

    ganz gleich ob zwischen Beton oder in der tiefsten Wildnis, ob bei Sturm, Regen oder Sonnenschein.

  • Lustig, dass du das ausgerechnet mit den Überraschungen so ausdrückst, Cadda.

    Das Thema hatte ich jetzt mit meinem Sohn. Er sagte, er liebe Überraschungen total und wollte wissen, wie ich das sehe. Da musste ich mich mal kurz damit auseinandersetzen, dass ich es hasse wie die Pest - nicht nur Überraschungen, auch so ‚lustige‘ Scherze wie erschreckt werden. Da werde ich zum Hulk, so sauer macht mich das.

    Aber deswegen heißt es wohl, wir lernen von unseren Kindern. Er öffnet mir in mancherlei Hinsicht die Augen. Schön, aber auch beängstigend. Ich weiß jedenfalls, dass er nicht unwesentlich zu meiner geistigen Reifung beiträgt. Und das als kleiner Wicht, schon verrückt!

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  • Seit ich häufig wiederkehrende Träume habe, habe ich mich mal mit Traumdeutung befasst und das Ein oder Andere scheint plötzlich glasklar. Natürlich ist auch viel wirres Zeug dabei und einiges, das der eigenen Interpretation überlassen ist.

    Beispielsweise träumte ich heute morgen von einer im Traum Bekannten, deren Hausflur und Zimmer immer mit schmutzigem Wasser überflutet wurde. Ich bat ihr an, mich darum zu kümmern, da jetzt der Winter käme und sie ja dann nicht ewig mit feuchten und nassen Füßen rumlaufen könne (ich gebranntes Kind bzgl. Blasenentzündung und kalten Füßen). :roll:

    Das eigentlich Interessante: Sie lehnte meine Hilfe ab und wollte wissen, wieso ich mich einmische. Ich nahm daraufhin ihr Gesicht und meine Hände und sagte ihr: „Weil du mir wichtig bist. Da macht man das so, da kümmert man sich umeinander.“

    Ich ging also auf die Suche nach jemanden, der bei der Ursachenforschung und Problembehebung helfen könne. Hab mich dann irgendwie mit mehreren Leuten auseinandergesetzt und auch in die Haare gekriegt, aber am Ende war alles trocken. :/

    Ein überragender Traum, komplett merkwürdig. Wieso er mir überhaupt so hängen geblieben ist, ist die Szene mit ‚ihr‘. Ich sehe dauernd vor mir, wie ich ihr Gesicht ganz vorsichtig in meine Hände nehme und diese Worte sage, vollkommen intensiv und eindringlich.

    Will ich’s mir mit der Interpretation einfach machen, gehts wahrscheinlich um mein eigenes Ich (sie hatte nämlich meine Kinnform und Haarfarbe, mehr konnte ich nicht sehen). Ich kümmere mich ja gerade um mich. Und da ich gerade dabei bin, an mir zu arbeiten, inneres Chaos zu beseitigen, löst sich innerlich Angestautes - und zwar ohne große Hilfe von Anderen (siehe Wasser). Was mich bloß irritiert, ist die liebevolle Hingabe, mit der ich ‚ihr‘ das gesagt habe. Ich kann mich doch so gar nicht selber leiden.

    Wovon ich auch in regelmäßiger Wiederkehr Träume, ist, dass ich einen Flug bekommen muss, schon quasi 5 nach 12, und überall verstreut liegen noch meine Habseligkeiten, die ich schnell packen muss und kaum in den Koffer kriege. Den Traum hatte ich extrem oft in der Patchwork-Wonsituation und seit ich wieder allein lebe erst einmal. Laut Traumdeutung steht er - passend zur damaligen Situation - für die Angst vor oder tatsächlichem Kontrollverlust.

    Auch wiederkehrend: Ich muss ganz dringend aufs Klo und finde keins. Laut Traumdeutung geht es um Problembewältigung, darum, etwas loslassen zu müssen (naheliegend bzw. nachvollziehbar), während man sich mit Konfliktlösung beschäftigt.

    Ebenfalls ein Klassiker: Selbstbefriedigung im Traum. Ich bin ein sehr körperlicher Mensch, der viel Wert auf die sexuelle Beziehung in einer Partnerschaft legt. Diese Nähe und Hingabe zueinander macht für mich die spezielle Intimität aus, die nach meiner Auffassung zu einer Beziehung gehört. Also nix mit One Night Stands, ich brauche die Beziehung zu einem Menschen. Umso interessanter ist, dass Träume mit sexuellem Bezug fast ausschließlich ohne einen Partner stattfinden. Laut Traumdeutung besagt das, dass man in der Lage ist, sich um sich selbst zu kümmern, sich das zu geben, was andere nicht können; bei sich ist.

    Würde ja wieder zu dem Traum ganz oben passen, wenn auch gar nicht zu meiner Auffassung von mir selber. Selbst-Liebe oder nur Selbst-Annahme sind gar nicht meins, da bin ich keinen Schritt weiter. Dennoch kehrt das immer wieder.

    Seit dem Tod meiner Mutter träume ich logischer Weise auch oft von ihr bzw. beiden Elternteilen. Sie sind dabei noch jung, etwa in meinem Alter, doch ich bin so alt, wie ich heute bin. Sie sind dann noch nicht geschieden und alles ist (vom Konstrukt her) heile Welt. Aber ich lasse meine Wut auf sie beiden raus und schreie sie an. Sie sagen meist nichts und ich verausgabe mich mit meiner Schreierei im Traum so, dass ich beim Aufwachen völlig fertig bin. Da ich das eh meistens bin, fällt das nicht Groß ins Gewicht, aber den Traum hatte ich jetzt bestimmt 3x im letzten halben Jahr.

    Ich habe auch unter den Merkmalen der EKAs von Kindheitsträumen gelesen, ‚damals‘, als wir noch drin steckten.

    Als ich erkannt habe, dass meine Eltern Alkohol trinken und dann komisch sind, war ich 7. Da gab es ein einschneidendes Erlebnis im Urlaub, in dem mich beide im Stich gelassen haben, was ab da einfach häufiger vorkam, da sie zu sehr um sich kreisten. Jedenfalls, in dieser Zeit entwickelte sich ein Traum, den ich regelmäßig hatte und ein Alptraum, der vorm Konstrukt her total albern ist, aber mir derartige Angst eingeflößt hab, dass ich mich 30 Jahre später noch intensiv dran erinnere.

    Der wiederkehrende lief immer komplett gleich ab: ich musste eine Straße entlang gehen, in der dicht an dicht Gullydeckel waren. Wie beim Plätzchenausstechen, wo nur noch der dünne Rand stehen bleibt. Die Deckel waren offen und ich musste auf den schmalen Streifen balancieren . Ich bin immer in den gleichen Gulli gefallen und mit einem Ruck aufgewacht.

    Der Alptraum war eigentlich simpel: In meinem Zimmer stand ein Riesen-Monster, das durch die Decke ging. Es war nur bis zur Hüfte zu sehen. Ich wusste, wenn ich mich bewege, tötet es mich und ich habe stocksteif und schweißüberströmt da gelegen. Obwohl ich damals schon wusste, dass das Quatsch und nur ein Traum ist (ich hatte nie Angst vor Monstern, nur vor Geistern oder Pennywise - heute noch!). Ich war trotzdem Wie paralysiert. Deswegen Vergesse ich den nie.

    Aus Erwachsenensicht in Bezug auf die Entwicklung im Elternhaus sich recht simpel zu erklären, beide Träume.

    Es ist faszinierend, was der Kopf mit sich selber ausmacht. Was im Schlaf verarbeitet wird. Und vor allem, dass so viele sich nicht erinnern können und ich mich selbst nach Jahren oft noch an einen bestimmten Traum erinnern kann, obwohl ich jede Nacht so viel Träume, auch bewusst.

    Naja. Ganz gut, den heutigen Traum für mich eingeordnet zu haben. Die Bilder sind noch da, aber die Intensität der Gefühle dazu verblasst langsam. :|

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  • Hallo Löwenzahnkind,

    beim Lesen fiel mir auf, daß ich früher mich viel mehr an Träume erinnern konnte als heute. Neulich hatte ich einen Traum, aber das war glaube ich der erste seit Monaten.

    Ich deute meine Träume so, daß ich nicht nur alle Personenen im Traum bin, sondern auch alle Gegenstände, Tätigkeiten, einfach alle Aspekte. In deinem Fall der Flur, das dreckige Wasser, der Boden, das Versorgen, das Kümmern, das Haus, die Zimmer, die Berührung...

    Mir hilft dieser Ansatz, um noch mehr Aspekte zu entschlüsseln als die offensichtlichen. Ich habe mir vor vieeelen Jahren ein Traumdeutungsbuch gekauft, daß genau damit arbeitet. Also was habe ich für Assoziationen, wenn ich z. B. an Papageien, Bahnschienen usw. usw. denke.

    Viele liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Danke, liebe Linde, das ist ein interessanter Ansatz. Dem werde ich mich mal widmen :S

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  • Liebes Löwenzahnkind,


    Ich finde mich in vielen bei dir wieder. Derzeit verkrieche ich mich auch funktioniere weitesgehend, bin aber nicht wirklich da. Ich fühle mich kraftlos, sehne mich nach Ruhe aber auch in Auszeiten kann ich nicht abschalten. Mir fehlt jede Menge Schlaf und kann doch nicht einschlafen. Meine Eltern trinken beide vielleicht schon immer, als Kind ist mir das nicht aufgefallen als Jugendliche habe ich es wahrgenommen, aber erst als Erwachsene hab ich es realisiert. Meine Mutter hat mich immer mit Nichtachtung bestraft und ich bin auch ein Mensch der sich mehr über die Meinung der anderen definiert und sich selbst am wenigsten wertschätzt. Ich arbeite daran. Ich glaube das alles ein immerwährende Prozess ist. Du hast schon so viel geschafft mach dir das erreichte Bewusst und schöpfe daraus die Kraft weiter zu machen.

    Alles Gute

    Sporty

  • Vorgestern war ihr erster Todestag, es ist also wohl mal wieder Zeit für einen Eintrag.

    Ich komme aktuell wenig zum Schreiben, auch wenn ich die letzten Wochen bis Monate oft daran gedacht habe. Es hilft mir. Stephen King hat irgendwo geschrieben (ich glaube, auch er hat es nur zitiert), dass Worte, die man niederschreibt, wie ein Polaroid sind, das man in der Sonne liegen lässt. Es verblasst langsam. So ist es mit Worten, die aus dem Kopf sind. MIR geht es so. King auch. Was der Grund ist, warum er schreibt. Ich fragte mich früher, was für ein krankes Hirn sich solche Dinge wie er ausdenken könne und habe mir im Teenageralter schon oft gewünscht, ihn das einmal persönlich fragen zu können. Das ist gar nicht nötig, denn wie sich herausstellte, gab er die Antwort in irgendeinem Vorwort (diese, ebenso wie seine Widmungen, lese ich immer sehr gerne...): Er bestehe nur aus Ängsten und Albträumen und indem er diese niederschreibt, wird er sie los. Genial eigentlich. Ich hatte früher immer Angst, dass Dinge erst lebendig werden, wenn man sie aufschreibt oder laut ausspricht, aber wie ich gerade in den letzten Jahren gelernt habe, ist das Gegenteil der Fall. Mein Freund drängt mich seit Jahren dazu, ich solle schreiben. Worte sind meins und mein Kopf ist verdreht genug dafür (King und Co sei Dank ;) ), aber ich finde irgendwie keinen Ansatz. Und vor allem: Ich nehme mich nicht wichtig genug dafür. Denn wer sollte lesen, was ausgerechnet ICH geschrieben habe? Da war es wieder, das klassische EKA...

    Jedenfalls... Trotz zeitweiligen mal-wieder-Stillstandes durch gefühlte 300 Lockdowns und Quarantäne rast die Zeit irgendwie dahin und es ereignet sich immer noch mehr als genug. Man schaue bloß mal in die Nachrichten. Heute habe ich noch nicht reingeguckt. Jeden Tag sage ich mir "heute nicht, heute brauchst du keine zusäzlichen schlechten Nachrichten" und trotzdem halte ich das dann irgendwann nicht aus und muss doch gucken.

    Mich belastet sehr, was aktuell passiert und ich musste mich in letzter Zeit stark hinterfragen, warum mir das alles so nahegeht und mir so große Angst bereitet. Warum mein Wunsch nach Sicherheit und Stabilität so krass ausgeprägt ist. Warum ich bei Bildern von Bomben, flüchtenden Menschen und Luftalarm, der Bundeskanzlerrede (die meinem Empfinden nach einer Kriegserklärung glich) heulen muss. Naja, es ist nicht der mittlere Osten oder sonstwo auf der Welt. Als empathischer Mensch erschüttert mich das zwar im Grunde ebenso, aber es geht mir nicht so nahe. Das hier ist allerdings UNSER Kulturkreis. Es sind unsere Nachbarn. Die Wohnungen sehen aus wie unsere, SIE sehen aus wie wir, viele sprechen unsere Sprache. Es ist ein Katzensprung. Und für Moskaus Raketen sind es zwei Flugstunden bis zu uns. Der Typ ist in meinen Augen ein Irrer, ein notorischer Lügner, realitätsfern, hinterlistig und zu allem fähig – diesen Typ Mann kennen wir geschichtlich nur zu gut. Größe passt ja auch; Trump ausgenommen machen irgendwie immer die kleinen Männer den größten Ärger. Geschichtlich gesehen jetzt. Heißt ja nicht umsonst Napoleonkomplex... Und mit dem Schlimmsten zu rechnen ist in so einem Fall sicher das Klügste. Angst hält hellwach.

    Ich hätte wirklich niemals gedacht, dass wir so Zeiten erleben müssen. Und wir wissen ja noch nicht mal, was alles kommt. Wie viele Bücher habe ich seit meiner Jugend verschlungen über Freundschaften und Liebesgeschichten, Einzelschicksale in den Zeiten der Kriegswirren. Immer wissend, was die Menschen damals noch vor sich hatten, deren Mut, den Lebenswillen oder das Durchhaltenvermögen bewundernd. Das Talent, mit schrecklichen Situationen umgehen zu können, die immer noch schrecklicher werden. Eventuell ist es ein bisschen davon: Zu wissen, was alles passieren kann, alles schon gelesen oder gesehen zu haben. Gelernt zu haben, was es an Grausamkeiten auf der Welt gibt. Also, das möchte ich nicht unbedingt er- und überleben müssen. Zumal... Ein ausgewachsener Krieg würde heutzutage etwas anderes bedeuten.

    Ich bin ja Generation Atomunfall. Ich habe deutliche Erinnerungen: Ich durfte früher plötzlich nicht mehr auf meine Lieblingsspielplätze, da die zumeist mit Rotsand bestreut waren. Nicht in den Regen, keine Pilze essen – nach Tschernobyl. Bei uns werden heute noch Wildschweine als nicht genießbar eingestuft, weil sie zu viele verstrahlte Pilze gefressen haben – nach 36 Jahren! Hier! Über 1.600km von Prypjat entfernt!! Ich habe also eine relativ gute Vorstellung davon, was ein atomarer Krieg heutzutage bedeuten würde. Auch dazu hatte ich übrigens interessanter Weise einen Traum vor wenigen Monaten: Ich beobachtete von einer höher gelegenen Straße aus die Explosion einer Atombombe. Obwohl wir uns hinter eine Mauer warfen – welch sinnloses Manöver bei atomarer Strahlung – folgte die Druckwelle kurz darauf. Ich bin in Hitze verglüht, davon bin ich dann mit Herzrasen aufgewacht. Ich überlege gerade, ob das kurz vor oder nach dem Tod meiner Mutter war? Ich kanns nicht genau sagen. Jedenfalls denke ich mal, drückt der Blödmann tatsächlich auf die Knöpfchen seiner beiden Atomköfferchen, wache ich danach bestimmt nicht mehr auf. Und nachdem ich "Dark" gesehen habe, will ich das auch gar nicht. Ich sage nur "Wildschweine"; was für eine Welt sollte da wohl zurückbleiben? Nein, Danke.

    So ganz bin ich noch nicht dahinter gekommen, warum mir das alles viel ausmacht. Eines habe ich in einem AHA-Moment die Tage allerdings schon erfahren: Ich hänge sehr an meinen persönlichen Dingen, muss sie immer sicher und um mich wissen. Die Vorstellung, alles zurücklassen zu müssen und mit ziemlicher Gewissheit – wenn überhaupt je – zu einer kaputtgebombten Wohnung zurückzukommen, aus der nichts geblieben ist, erschüttert mich anscheinend so stark, weil mir meine persönlichen Dinge Sicherheit geben. Alles, was ich mir aufgebaut habe, ist meine eigene Sicherheit und Geborgenheit – Familie habe ich ja nicht mehr, die mir das geben könnte bzw. selbst als ich sie noch hatte, haben sie sich mehr um sich als um mich gekümmert. Das ist so. Also baut man sich selber etwas auf und umso mehr hängt man dann wahrscheinlich daran, an Erinnerungen und "Sachen".

    Einige Einträge zuvor sprachen wir ja über meine intensivem Träume (siehe Atombombe), die sind aktuell auch wieder sehr heftig. Es gibt keine Nacht, aus der ich erholt aufwache, ich verarbeite zu viele Dinge im Schlaf, statt tagsüber.

    Letzte Nacht träumte ich von meinem Opa; der ist seit 21 Jahren tot und ich weiß gar nicht genau, wann ich mal von ihm geträumt hätte. Ausgerechnet von ihm. Er war immer total vernarrt in mich, genauso wie in meine Mutter als Kind, und diese war immer stinkeifersüchtig auf dieses Verhältnis – wie krank, oder??? Ich missgönne meinem Kind nie gute Dinge, niemals. Ich bin doch froh, wenn er wenigstens väterlicherseits ein gutes Verhältnis zu seinen Großeltern hat, das ist so wichtig! Mein Opa fehlt mir sehr. Aber er ist eben nun auch schon lange tot. :cry:

    Mit meinem Opa hetzte ich im Traum durch eine leere Altbauvilla, dann kam der Fliegeralarm. Wir nahmen uns an der Hand und rannten in den Keller. Gerade unten angekommen, fielen die ersten Bomben. Das war so unglaublich laut, alles hat gewackelt und der Staub kam eimerweise runter. Wir sind von einer Ecke in die andere gehetzt und kamen nirgendwo zur Ruhe, weil es nicht sicher war und ständig unmittelbar Bomben einschlugen. Ich habe ihm oder mir die Frage gestellt, wie die Leute das aushalten, sich die ganze Nacht nicht setzen oder irgendwo zusammenkauern zu können und ich wunderte mich darüber, dass das Fernsehen wie immer eine verzerrte Realität darstellte. Und immer ganz fest an meiner Hand: Mein Opa. Aber er hat kein Wort gesagt, im ganzen Traum nicht. Wir haben uns dann unter einem Fenster durchrobben müssen, damit der Feind uns nicht sieht und plötzlich, als hätte einer ein Licht angeknipst, war es hell, die Welt war heil und ein Kind schaute mich durch das staubverschmierte Kellerfenster an. Es war eine Schulklasse, die sich Kriegsschauplätze ansahen, um zu sehen, was ihre Eltern erlebt hätten.

    Bescheuert. Einfach nur bescheuert, von vorne bis hinten. Ich frage mich außerdem, wie man nicht nur abstrakt, sondern auch oftmals so klar träumen kann. Mit Gerüchen, Geräuschen, Gefühlen. Ich habe oftmals auch Geschmacksträume, in den ich etwas esse oder neulich eine Durstnacht, in der ich dann im Traum ein Glas Wasser nach dem anderen getrunken habe. Oder nehme man nur mal den Atombomben-Traum. Die Hitze, das Verglühen. Widerwärtig war das! Das hatte ich einige Nächte später noch einmal mit einem missglückten Raketenstart, genauso bescheuert und genauso heiß. Ich hatte ja in einem früheren Post schon geschrieben, dass ich mittlerweile anhand von Traumdeutung versuche aufzudröseln, was mein verdrehtes Hirn mir sagen will. Sags mir doch bitte einfach: Im Wachzustand. Ich möchte schlafen. Danke!

    Von den verpassten Flügen und Sachen-ganz-schnell-packen-Müssen träume ich nach wie vor; eventuell geht es da einmal um Kontrollverlust und auch einmal um besagte Wichtigkeit, meine persönlichen Dinge (meine Sicherheit/Geborgenheit) in Form von Gegenständen bei mir zu haben und nicht zurückzulassen. Also Verlustängste im weitesten Sinne, oder so...

    Die Träume von meinen Eltern habe ich auch noch oft. Zuletzt habe ich wieder mal von meiner Mutter geträumt, aber anstatt sie anzuschreien, habe ich sie wegen etwas um Hilfe gefragt. Es wird also ruhiger... Meinen Stiefvater hab ich vor Wochen ein einziges mal im Traum angeschrien, damit verarbeite ich wohl die Tatsache, dass er mein Elternhaus übernommen hat (was aus mehreren Gründen fragwürdig ist, aber lassen wir das), aber ansonsten ist die gesamte Wut allmählich verblasst. Die Trauer kommt auch nur noch mal in kleinen Wellen, ihr Todestag war echt doof. Aber ansonsten bin ich die meiste Zeit eher neutral. Ich will nicht sagen "gleichgültig", dass trifft es nicht, es ist mehr ...undefiniert, neutral eben. Kein großes Auf, kein großes Ab. Aber stetig, wie so eine innere Schwingung, eben die subtile Angst. Vielleicht warte ich darauf, dass was passiert. Wären wir in einem meiner Bücher oder Filme, wäre ich wahrscheinlich eine Zeitreisende oder Geistwandelnde und könnte durch Persönlichkeiten sämtlicher Zeiten springen und wüsste daher aufgrund des Erlebten, was uns noch Schönes bevorsteht. H.P. Lovecrafts "Schatten aus der Zeit" lässt grüßen. Also, solche Vorgänge fände ich jedenfalls nachvollziehbarer, als diese unterschwellige irrationale Angst im Zusammenhang mit meiner seltsamen Träumerei. Es ist doch auch irgendwie so: "Herzlichen Glückwunsch, Sie haben die Pandemie überlebt. Ihre Belohnung ist der 3. Weltkrieg." Was soll denn das alles eigentlich? Wann wird das hier mal wieder alles halbwegs normal?

    Ich hoffe echt, dass ich nicht doch irgendwann an den Punkt komme, dass ich meine Mutter verstehe, dass sie allem gegenüber nur noch gleichgültig gegenüberstand und sich alles schön gesoffen hat. Aber manchmal fehlt mir schon so ein bisschen die Sinnhaftigkeit in allem... Sich durch den ganzen Mist zu kämpfen – wofür? :-| Möge es jetzt bitte mal mit allem bergauf gehen. :oops:

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  • Wie immer: Keine Zeit, keine Zeit, aber das muss dann doch schnell rüberkopiert/niedergeschrieben werden, wenigstens für mich, wenn ich wieder mal den Bedarf habe, mir Geschehenes vor Augen zu führen. Durch Caddas Reaktion auf mein in einem anderen Thread Geschriebenes ging mir auf, dass ich das tatsächlich mal hier her verschieben muss, da es eine gar nicht mal so unscheinbare Begebenheit war und die Zusammenhänge für mein eigenes Konsumverhalten recht wichtig sind.

    "Zum Trigger kann ich Folgendes sagen: Ich bin glücklich über den Umstand, dass ich den Rausch hasse. Das hängt mit diesem Kontrollzwang als Alkoholikerkind zusammen. Klar gibt es Situationen, dass ist so ein Angedüdeltsein ganz putzig, aber das kippt oft und schnell. Meiner Erfahrung nach - und meiner Erfahrung nach können Suchtkranke und -Gefährdete niemals den Absprung kontrollieren. Da nehme ich mich ein, ‚ein bisschen‘ geht einfach nicht.

    Jetzt kommt das große ABER: Es ist der Trigger auf Geschmack und Situation. Der optische vor allem - das ist ja auch davon abhängig, welche Sorte Mensch man ist; ob er visuell geprägt oder über Gerüche, Gefühle (VAKOG-Modell). Aber oft summiert sich das im Unbewussten.

    Beispiel: Mein Alkoholiker-Vater hat meinen kleinen Sohn und mich anlässlich des Todestags meiner Mutter (Leberkoma) zum Essen eingeladen. Bzw. Wörtlich: „Wir können ja einen Sambuca auf sie trinken.“ Ich habe das Ganze so arrangiert, dass das in einem Laden stattfindet, der um 17 Uhr schließt, um 16 Uhr haben wir uns getroffen. Und, wichtig: Mein Sohn und ich waren zu Fuß da und mein Partner als Backup auf Spazierrunde, um uns abzuholen. Also keine Möglichkeit, alkoholisch und emotional abzustürzen. War auch alles gut so! Jetzt das, worauf ich eigentlich raus wollte: Mein kleiner Sohn bekam eine Limo in so einer SanP Mini-Flasche und ein total cooles Kristallglas dazu, Eis bis oben hin. Mein Instant Trigger: Gin Tonic!! Ich hab sofort Lust darauf bekommen. Habe ich mich sofort mit meinem Vater drüber unterhalten, auch über meinen Austausch hier im Forum. War er erst mal entsetzt vonwegen „Aber du brauchst den Alkohol dich gar nicht“, bis ich ihm das mit dem Trigger und der nicht erlernten Grenzkenntnis erklärt habe. Und sowas geht extrem schnell bei mir, bei dem, was ich im Fernsehen oder bei anderen sehe (an Getränken). Sobald es nett arrangierte Gläser sehe, klickt was in meinem Kopf und ich krieg da Bock drauf. Nicht den Rausch, aber die Situation: Das Gesellige, leckerer Drink. Was ja gerne kippt dann."

    So, und das ist der Knackpunkt. Aktuell ist ja wieder die Zeit, da wird es schön draußen. Länger hell, wärmer, alles streckt sich innerlich und äußerlich. Bei uns ist es dann so, dass direkt Biergartenlaune aufkommt. Klassiker, das sich-irgendwo-Hinsetzen-und-was-Trinken. Das fängt mich jetzt direkt schon wieder an zu nerven! Ich tappe immer wieder in diese Falle...

    Ich muss ein bisschen ausholen.

    Seit dem "Tod" meiner Mutter (ich weigere mich immer noch, es als einfachen Tod anzuerkennen, für mich war das Selbstmord unter Assistenz meiner Väter, Krankheit hin oder her) hab ich mein eigenes Trinkverhalten (und das meines Partners) stark beobachtet, hinterfragt und auch verändert. Das Ärgerliche an sich ist ja schon, dass mein Freund bis zum "Eintritt "in meine so genannte Familie nie etwas getrunken hat. Das hat sich seitdem stark verändert. Hat alles in allem auch nur negative Folgen, vor allem körperlich (Gewichtszunahme), auch wenn das immer nur Phasen sind. Keiner von uns BRAUCHT den Stoff, Gott sei Dank!!!!! Ich erwähne das für mich immer wieder, damit ich mir klar mache, dass keine körperliche Abhängigkeit besteht und ich nichts überdramatisieren muss. Ich bin eher übervorsichtig oder daueralarmiert. Will sagen: Bei jedem Glas krieg ich innerlich die Krise und denke "Toll, schon wieder Alkohol". Zumal es ja nicht mal um die lustige Laune geht, sondern einfach nur um den Geschmack. Also wie beim Heißhunger auf Schokolade, einfach das Schmecken.

    Das nervt mich ohne Ende. Es gibt auch Tage, Wochen, da komme ich überhaupt gar nicht ran und es schmeckt auch gar nicht. Da denke ich dann insgeheim, wenn das Thema mal wieder hochkommt, "Na, na, na, nicht, dass das mal Quartalstrinkertum wird", aber es geht ja nie ums Besaufen oder den Rausch. Der Rausch ist unerwünscht. Zuletzt war hier tatsächlich wochenlang nix, war auch ok. Gab es weder Anlass noch Laune zu. Da hab ich nicht mal sagen können, wann ich zuletzt was getrunken hatte, weil es keine Rolle gespielt hat. Konnte bzw. kann mich auch gänzlich mühelos davon abkapseln, wenn mein Freund Lust hat, ein Glas Whiskey o.ä. zu trinken. Also stattdessen nix trinken oder nur ein Glas von was anderem und dann nix mehr oder wie auch immer. Aber seit den zwei Wochen Quarantäne im Februar sind wir wieder voll drin: Wein zum Essen, ab und an mal ein Schnaps danach, nach dem Spazierengehen einen Spritz/Alster, sowas. Und das Essen selber... Mann, oh Mann!

    Nicht falsch verstehen: Hier geht es nicht um Sucht oder Zwang. Es ist an sich alles kontrollierbar. Aber es NERVT, weil es tatsächlich genau wie mit Schokolade und Süßigkeiten ist: Es ist so schwer, sich das Süßigkeitengefresse abzugewöhnen und hast dann erst mal Phasen (JETZT!!), da ziehst du dir den Schrott haufenweise rein. Nicht "man", ICH – meine Mutter hat es gehasst, wenn jemand von MAN gesprochen hat. Also, bei MIR ist es so, dass ich phasenweise vor Süßigkeitenheißhunger wahnsinnig werde und mir echt viel reinziehe. Mit dem normalen Essen ist es dann auch so: Ich habe Phasen, da kann ich mich halbwegs gesund ernähren und auch insgesamt weniger essen. Und dann wieder nur Schrott, wie aktuell. Oder überwiegend – Pizza und Burger lassen grüßen.

    Ich hab ja gar nicht vor, mich rund um die Uhr zu knechten und zu regulieren, ABER ich will mal wieder aus der Spule raus, dass aktuell ALLES nur noch ungesund sein muss! Ich fresse schon den ganzen Vormittag Kaugummis vorm Rechner, damit ich wenigstens irgendwas aktiv kaue, was kein Essen ist. Homeoffice ist halt auch eh schwierig. Impulskontrolle ist das Wort, ich weiß es. Ich weiß auch, dass ich grundsätzlich in der Lage bin, das anders zu handhaben. Ich war schon immer der Stressfresser, wenns an der Arbeit rundging, und bei uns gehts eigentlich nur noch rund. Ich musste selbst während der Quarantäne durcharbeiten (daheim), obwohls mir echt kacke ging. Ich fühl mich andauernd müde und unwohl. Gucke ich in meinen Zykluskalender, gibts eigentlich genau 3 Tage der letzten 5 Monate, an denen ich mal nicht "Müdigkeit" oder "Akku schwach" eingetragen hab. So fehlt mir halt auch die Energie, gesünder zu leben – so blöde sich das anhört. Dass sich das bedingt, weiß ich sehr wohl. Dass das besser wird, wenn man den Hintern hoch bekommt, auch. Ich habe ein Drittel meines Lebens Leistungssport gemacht und das zweite Drittel durchgehend getanzt. Ich weiß, dass ich mich mit Bewegung sehr viel wohler fühle und dann auch gar nicht in die Spule komme, Schrott zu Essen oder Alkohol zu trinken. Ich weiß auf der anderen Seite, dass ich durchaus "ok" bin und mir das ganze letzte Jahr – oder besser auch noch das davor – einfach mal vergeben muss. Familiär und beziehungstechnisch war zu viel los bei mir, dazu das Grundrauschen der überstressigen Arbeit (schon während ich hier schriebe, was ich mir zeitlich null leisten kann, kommen parallel wieder 800 Mails rein). Ich weiß, es ist mein Mindset, das ich ändern muss, der Rest folgt von alleine. Ich weiß (eigentlich), dass ich gar nicht so stark suchtgefährdet bin, wie ich mir immer angstvoll an die Wand male. Weil ich anders bin als meine Eltern. Klar kann es mir trotzdem passieren, reinzurutschen, aber durch meine aktive Arbeit an und mit mir selber sinkt die Wahrscheinlichkeit deutlich.

    Aber ich würde gerne auf den Prozess verzichten und mit den Fingern schnippen und alles ist besser – wer nicht, klar. Ich erwarte ja gar nicht, morgen aufzuwachen und 10 KG weniger zu wiegen (wärs so: schön! Wenn nicht: auch ok), aber diese dauernde Müdigkeit und Schlappheit und das Gestresstsein, die mir im Wege stehen, anzugehen, wie ich mich insgesamt wieder wohler fühlen kann. Klar ist es einfacher, sich dann auf dem Sofa mit nem Glas Spritz oder ner Packung Balisto zu "belohnen" – für die FAULHEIT. Ersatzserotonin fürs WiedernichthochgekommenSein. Schön dumm isses auch, gerade, wenn man das nicht mal genießen kann, weil man sich parallel dazu so richtig hasst.

    Psychologisch gesehen ist alles soooo einfach und von allen Seiten von mir beleuchtet. Und, ja, ich muss auch Gnade walten lassen. Ich brauche Zeit.

    Aber das Physische... Mann, da ist gerade echt der Knick drin. Ich hoffe, auf die widerlichen dunklen, endlosen Winterwochen ist das aktuell nur der Frühjahrsmüdigkeit und den täglichen 20 Grad Temperaturunterschied geschuldet. Ich will mcih echt endlcih mal besser fühlen, dann spielt auch mein Geist besser mit.

    So, jetzt hab ich den status quo für mich auch mal festgehalten. Auf an die 800 Emails......... ;(

    Löwenzahnkinder kämpfen sich durch.
    Sie halten den gegebenen Umständen stand und überleben tapfer -

    ganz gleich ob zwischen Beton oder in der tiefsten Wildnis, ob bei Sturm, Regen oder Sonnenschein.

  • Was mir noch einfällt:

    Da Cadda ansprach, dass das Thema Offenheit immer wichtig sei (sehe ich auch so):

    Mein Vater und ich reden mittlerweile ganz offen über seinen Alkoholismus und seinen und den Weg meiner Mutter. Es hat lange gedauert, bis ich meine Mutter überhaupt verstehen konnte, ihren Absturz, aber ich hab da vieles aufarbeiten können, das ich jetzt mit ihm teile. Auch, was meine Kindheit und Jugend betrifft. Meine Beziehungen, den Verlauf meines Lebens bis hier und die Rolle meiner Mutter darin. Er kam mittlerweile damit raus, dass er es damals durchaus gesehen hat, dass meine Mutter mir nicht immer fair gegenüber war und ich es mit ihr zu schwer hatte, dass unsere Beziehung auch zu verfahren und schwierig war. (Was alle, die meine Mutter und mich kannten, sagen: Dass sie mich einfach zu sehr runtergeputzt und kleingehalten hat). Er gibt zu, dass er sich mehr bzw. überhaupt für mich hätte einsetzen müssen und er ihr einfach zu sehr freie Hand in meiner "Erziehung" gelassen hat; dass er sich zu sehr rausgenommen hat. Das wird nun nichts mehr ändern, aber es ist ein "reiner-Tisch-Machen" auf den letzten Metern. Es hilft aber, besser einzuschätzen, dass ich schon alles ganz richtig gesehen und gefühlt habe und nicht ich der Fehler in der Matrix war oder bin, (wie ich mich ja nach wie vor immer empfinde); und es hilft verzeihen. Loslassen. Daran wachsen.

    Gleichzeitig ist das auch wieder ein Wagnis, mich meinem Vater anzunähern, weil er einfach nicht zuverlässig ist und ja auch nicht langfristig greifbar. Er wird nicht trocken werden und früher oder später, eher früher, wird ihn auch der Schlag treffen. Er hat so oft Saufunfälle bei seinen Abstürzen... das lässt viel Raum für Überlegungen, wie es dann wohl passieren wird. Das wird dann ein umso schmerzvollerer Abschied, als wenn es mir jetzt schon gelingt, mich zu distanzieren. Meine Eltern haben mich halt beide betrogen, um meine Kindheit und Jugend und vor allem auch um ein Familienleben mit Rückhalt als Erwachsene. Das tut jeden Tag aufs Neue weh, gerade, weil ich mit Kind, Exmann, Arbeit, Alleinleben (Beziehung, ja, aber dennoch getrennt lebend) so viel zu stemmen habe. Mir fehlt eine Familie, die Unterstützung meiner Eltern. Mir fehlen Großeltern für meinen Sohn und es bricht mir das Herz, wenn er mit seinen zarten 7 Jahren sagt: "Mama, ich bin traurig für dich, dass du traurig bist, aber ein bisschen bin ich auch froh, dass Oma weg ist. Sie war immer so böse zu uns." Ich hätte das so gerne: Eltern, an die man sich auch als Erwachsene anlehnen kann. Die man um Rat fragen kann. Die einen mal im Alltag unterstützen. Die sich dafür interessieren, wie sich der Enkel entwickelt. Stattdessen gibts nen Vater, der einfach nur seinen Stiefel durchzieht und einen Stiefvater, der dafür gesorgt hat, dass meine Mutter ihr Testament um- und mein Elternhaus auf ihn überschreibt. Seit er das Haus für sich hat, herrscht auch Funkstille. Schade.

    Nun, es ist, wie es ist. Darüber nachzudenken macht mich gerade schon wieder viel zu traurig. Eigentlich ist es kein Wunder, dass ich aktuell täglich 3 Tafeln Schokolade fressen könnte und den ganzen Tag nur über den nächsten Serotoninkick nachdenke. Wie ichs immer wieder extra betone: Solange es nur sowas ist... Aber dennoch, als Suchtgefährdete gibt es immer die Gefahr, dass sowas kippen kann, wenn der Druck zu groß wird.

    Ach Mann. Ich muss einfach mal wieder ein bisschen was Positives erleben dürfen.

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