Liebe Mili,
oh je, soooo viel Scham...
Das, was ich dir geschrieben habe, war jetzt nicht dazu da, dich zusätzlich zu beschämen. Es sind ja erst mal nur Fakten, was da aber an Emotionen auch bei mir hinter standen, welche Ängste, Scham und Schuld und was weiß ich noch alles ich da hatte, das steht da auf einem anderen Blatt. Und das ist bei allen Cos so. Ich kenne keinen Coabhängigen, der aus lauter Lust und Freude aushält. Das hat immer andere Gründe. Die tief in der Persönlichkeit liegen.
Darum brauchst du dich hier überhaupt nicht zu schämen! Hau alles raus, was dich belastet, das tut gut und hilft beim Sortieren.
Scham und Schuld sind zwei der Hauptpunkte in der Coabhängigkeit. Glaube ich. Ich habe mich tausende Male fremdgeschämt. für meinen Mann. Und ich habe mich geschämt weil ich in solcher Beziehung festhing, weil ich auf "so einen" reingefallen war, weil ich wohl nichts besseres verdient hatte. Als ich das erste Mal vor einem Fremden, meinem damaligen Chef, zugegeben hatte, dass mein Mann die ganze Woche durchgehend gesoffen hatte, war ich fast ohnmächtig, so peinlich war mir das. Wenn mein Exmann auf Familienfeiern vollgesoffen zur Musik wie ein Bekloppter rumtanzte und sich andere über ihn lustig machten, das war mir sowas von peinlich, oh man...
Ich hatte damals mit meinem ersten Mann eine Eigentumswohnung gekauft. Diese Wohnung liegt eine Etage unter der meiner Eltern bzw lebt inzwischen ja nur meine alte, demenzkranke Mama noch dort. Ich habe diese Wohnung damals besorgt, ich habe sie mit so viel Liebe eingerichtet, mein Ex hatte für sowas kein Händchen. Hat aber immer groß angegeben, wenn Leute meinte, wie schön wir es hätten, was ER da alles gemacht hätte. Ich habe meine beiden Kinder dort großgezogen, es war mal mein Rückzugsort und ich dachte, mit meinem Ex dort alt zu werden.
Außerdem hat mein Exmann immer sehr gut verdient und es ging uns finanziell sehr gut. Ich hatte alles, was ich wollte. Außer Liebe, Anerkennung, Unterstützung, Zufriedenheit, Sicherheit emotionaler Art...
Ich wollte das alles niemals aufgeben. Mein Herz hing daran, alles an mir hing daran. Irgendwann war die Situation mit meinem ersten Mann aber so schlimm, dass ich einfach nicht mehr konnte. Er war nicht bereit zu gehen also bin ich gegangen. Um zu überleben.
Es gibt viele Facetten, weshalb Coabhängige alles in Kauf nehmen, was mit ihnen geschieht. Das kann man garnicht in wenigen Worten beschreiben, was da alles mitspielt. Ich verstehe deine Beweggründe zu bleiben mehr als gut! Aber du merkst ja selbst, in welchen Gedanken-, Scham- und Schuldstrudeln du hängst. Wie hilflos du dich vielleicht fühlst. Wie sehr du dir wünschst, er würde endlich "zur Vernunft" kommen.
Es ist gut, dass du hier bist! Und wie schon geschrieben, deine Gefühle sind alle völlig normal. Sie entstehen aus der gesamten Situation. Hier hast du die Gelegenheit, ganz in Ruhe zu sortieren und Klarheit zu bekommen. Denkanstöße. Erkenntnisse. Lese mal in den vielen Threads hier die Geschichten und du wirst staunen wie oft du denken wirst, "das könnte ja ich sein" oder "ja, genau so ist das auch bei mir"!
Puh, jetzt habe ich ja was hiergelassen. Ich hoffe, es ist dir nicht zu viel. 🙈
Liebe Grüße
Aurora