Dunkelbunt - Vorstellung

  • Hallo!

    ich wollte mich kurz vorstellen und vielleicht auch erklären, warum ich hier bin.

    Ich selbst bin weiblich und 42 Jahre alt. Seit fast 8 Jahren bin/ war ich mit meinem Lebensgefährten zusammen, der phasenweise massiv trinkt. Wir führen eine Wochenendbeziehung, da wir an unterschiedlichen Orten beruflich selbstständig sind.

    Es war nie eine einfache Beziehung. Zwischen "himmelhoch jauchzend" und "ganz am Boden" gab es immer wieder alles. Anfangs konnte ich weder seine Stimmungsschwankungen noch seine körperlichen Ausfälle richtig einordnen. Und als ich es konnte, hing ich emotional schon viel zu tief drin.

    Er hat quasi alles durch: Jobverluste, finanzielle Einbußen, Gesundheitliche Abstürze, den Verlust von Freunden.

    Ich habe geredet, gedroht, gebettelt. Manchmal kam er Freitags nach 230km Fahrtweg bei mir volltrunken an, fiel nur noch ins Bett. Unter der Woche scannte ich bei Telefonaten Abends, ob er nüchtern ist.

    Und dazwischen tolle Zeiten, Urlaube, stabile Phasen, Zeiten in denen er mir zur Seite stand als es nötig war. Zeiten, in denen er der Mann war, den ich wollte.

    Am letzten Wochenende waren wir am Freitag Abend eingeladen. Meine Familie war dort, Mitarbeiter, Freunde. Ich ging vor, mein Lebensgefährte hatte noch besagte 250km Fahrt vor sich und wollte nachkommen. Als er dann dort auftauchte, sah ich sofort was Sache war. Er stand mit seinem seltsamen Trunkenheits-Grinsen schwankend neben meinem Bruder, der völlig irritiert war und nicht verstand, was los ist. Um keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, blieben wir noch 30 Minuten, er klammerte sich an mir fest, dann gingen wir heim. Er brauchte die komplette Straßenbreite zum Laufen und fiel daheim ins Bett.
    Am nächsten Tag habe ich ihn nach Hause geschickt und ihm gesagt, dass ich das nicht mehr kann. Und jetzt schwanke ich zwischen dem Wissen, dass es sich nicht ändern wird, weil er nicht bereit ist Hilfe anzunehmen. Und gleichzeitig dem Vermissen und dem schlechten Gewissen und dem Gefühl, dass ich ihn im Stich lasse.

    Und damit lese ich mich mal durchs Forum, weil ich fürchte und hoffe, dass ich nicht die einzige bin der es so geht.

    Viele Grüße und Danke für die Aufnahme!

  • Hallo und willkommen dunkelbunt,

    ja, wenn du hier liest wirst du viele Parallelen finden. Leider läuft ganz vieles ähnlich ab.

    Auch dein Hin- und Hergerissensein, das schlechte Gewissen, das kennen fast alle. Ich auch.

    Hier ist mal der Link für die Freischaltung für den Austausch mit anderen Mitbetroffenen:

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Wenn du draufklickst und kurz nochmal was schreibst wirst du freigeschaltet und dein Fädchen wird von hier in den Bereich

    Erste Schritte für Angehörige und Co Abhängige

    verschoben. Da geht es dann richtig zur Sache.

    Liebe Grüße

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo dunkelbunt,

    eine Sache direkt mal vorneweg - du brauchst kein schlechtes gewissen zu haben und dich fragen, ob du ihn im Stich lässt.

    Ich kenne es, zu reden, drohen, betteln...das bringt alles nichts, wenn Du keine Taten folgen lässt. damit zeigst du ihm, so hat es sich anhört, dass Du es nicht ernst meinst und er ruhig so weitermachen kann, weil er sich auf Dich verlassen kann, denn du wirst da sein und ihn auffangen.

    ich mache das schon seit Jahren mit, immer wieder aufzufangen...weich fallen zu lassen.

    wenn ich fragen darf, du hast geschrieben, dass er Jobverluste, finanzielle einbüßen, gesundheitliche Einbußen, Freundesverluste schon alles durch. kam das einfach so oder wegen dem Alkohol?

    ich wünsche dir viel kraft und Durchhaltevermögen

    LG

    Liebe heilt keine Sucht

  • Hallo und vielen Dank für die liebe Begrüßung! Ich werde gleich mal dem Link folgen und mich vollständig anmelden. :)

    Im Grunde "weiß" man ja, dass man nicht helfen kann, solange der Betreffende sich nicht helfen lassen will. Oder gar nicht sieht, was er sich und seiner Umwelt damit antut.

    Ich glaube, am meisten schmerzt gar nicht die Sucht an sich. Ich hatte lange Zeit eine Eßstörung und weiß, wie schwer es ist, eine Sucht zu bekämpfen. Wie fies einem der Kopf oft mitspielt, ohne dass man sich gefühlt dagegen wehren kann. Und auch wenn Alkohol viel massivere Aufwirkungen auf das gesamte Umfeld hat, kann ich verstehen wie schwer es ist, da rauszukommen.

    Was mich fast mehr trifft, ist die mangelnde Einsicht. Das Abstreiten, das Abwiegeln, das Verkehren von Dingen ins Gegenteil. Die fehlende Möglichkeit, darüber mir ihm zu reden. Irgendwann weiß man selbst gar nicht mehr, wo man übertreibt, wo einen das eigene Gefühl trügt oder wo man sich Dinge schön redet. Und irgendwann ist bei jeder "guten Phase" der Gedanke im Hinterkopf: Das wird nicht so bleiben.


    wenn ich fragen darf, du hast geschrieben, dass er Jobverluste, finanzielle einbüßen, gesundheitliche Einbußen, Freundesverluste schon alles durch. kam das einfach so oder wegen dem Alkohol?

    ich wünsche dir viel kraft und Durchhaltevermögen

    LG

    Natürlich darfst Du das fragen, ich kann es aber nicht eindeutig beantworten. Vieles scheint wie ein Kreislauf, der sich gegenseitig immer mehr verstärkt hat. Für die finanziellen Probleme liegt der Auslöser vor meiner Zeit, falls es einen gab. Als ich ihn kennenlernte, hat er zwar sehr viel gearbeitet (tut er immer noch), aber seine private Situation war völlig kaputt. Seltsame finanzielle Konstruktue mit seiner Ex, er selbst hatte nicht mal ein Konto und massive Schulden. Und das Alkoholproblem gab es da auch schon.

    Wir haben das dann sortiert, er hat Privatinsolvenz beantragt und ich dachte, er bräuchte nur den "Schubs", um irgendwie Ordnung in seine Dinge zu bringen. Tough erschien er mir eigentlich...

    Und jetzt sind 8 Jahre rum, seine Privatinsolvenz läuft immernoch weil er es nicht geschafft hat die Formalien zu erfüllen und an den Konstrukten mit seiner Ex hat sich nichts geändert.

    Mich betrifft das relativ wenig, weil ich selbst gut verdiene und wir kein gemeinsames Eigentum haben. Aber ihn frustriert es massiv und der Frust führt zu noch mehr Alkohol. Und noch mehr Frust.

    Gesundheitlich ist es ähnlich. Er ist Diabetiker, hat mittlerweile eine Polyneurapthie in den Füßen und fühlt sie nicht mehr. Sex ist ein Problem. Er hat massiv zitternde Hände, schlechte Leberwerte und quasi alles, was so klassisch ist. Was da wovon kommt- keine Ahnung. Zumal Ärzte natürlich nicht sein Ding sind.


    Und während ich das hier schreibe, sehe ich eben auch den Menschen, der unglaublich liebevoll ist. Wirklich viel für mich getan hat. Der mir das Gefühl gibt, das wundervollste Wesen der Welt zu sein. Und der ganz sicher Depressionen hat und dringend Hilfe bräuchte in so vielen Bereichen.

    Ich finde es schwer, diese Beziehung zu beenden. Und gleichzeitig ist mir so klar, dass es eigentlich keine Alternative gibt...

    LG, Dunkelbunt

  • Cadda 5. April 2022 um 18:56

    Hat den Titel des Themas von „Vorstellung“ zu „Dunkelbunt - Vorstellung“ geändert.
  • Hallo Dunkelbunt :)

    Ich habe Dich für den offenen Bereich freigeschaltet und Dich direkt dort hin verschoben.

    Ich habe in den Betreff mal Deinen Usernamen vorangestellt, damit Du besser zu finden bist.

    Wenn das nicht ok sein sollte, sag Bescheid.

    Einen guten Austausch wünsch ich Dir. Gut, dass Du hergefunden hast :)

    LG Cadda

  • Vielen lieben Dank für die Freischaltung.

    Obwohl mir bewusst ist, dass Alkohol ein ganz weit verbreitetes Problem ist und obwohl ich auch wusste, dass es einfach viel zu oft totgeschwiegen wird- im moment bin ich beim Lesen wirklich bestürzt, wie sehr sich viele Erzählungen und Fälle ähneln... Und irgendwie ist es gleichzeitig erleichternd und erschreckend, in wie vielen Verhaltensweisen ich mich und meinen Lebensgefährten wiedererkenne *seufz*

    Wir haben gestern das erste mal nach 2 Wochen wieder telefoniert. Zum Glück war es durch die vorhandene zweite Wohnung für mich recht leicht, erstmal einen klaren Strich zu ziehen...

    Seit dem Telefonat bin ich fast noch ratloser. Momentan ist er trocken bzw. macht er auf eigene Faust einen Entzug seit dem Tag, als ich ihn rausgeschmissen habe. Das hat er schon einmal gemacht und offenbar hält er das zumindest körperlich auch durch. Schlafstörungen, Zittern, Schmerzen hat er natürlich, geht aber trotzdem weiter arbeiten. Und einen Arzt braucht er natürlich nicht :? Er wirkt insgesamt ziemlich aufgeräumt und klar.

    Er sagt auch, dass nicht das jetzige Aufhören das Problem ist, sondern das trocken bleiben. Er hat wohl bei der Suchtberatung und bei einem Psychologen angerufen und wartet auf Termine. Und er sagte auch, zu allererst würde er für sich und seine Gesundheit mit dem Trinken aufhören. Und an zweiter Stelle hätte er noch ein Fünkchen Hoffnung, dass unsere Beziehung zu retten sei...

    Gleichzeitig merke ich natürlich auch die gleichen alten Muster bei ihm. Das Abwiegeln in manchen Bereichen. Die Tendenz, die Schuld bei anderen zu suchen und grundsätzlich schon irgendwie "arm dran zu sein". Die Probleme klein zu reden.

    Ich kann diese Beziehung nicht einfach neu beleben auf Basis der wagen Hoffnung, dass alles besser wird. Und ich frage mich, inwieweit man als Partner in eine Therapie involviert sein kann und darf. Mir würde es helfen ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie ehrlich er zu sich selbst ist. Ehrlich gesagt würde ich mir wirklich sehr wünschen, dass er eine stationäre Therapie macht, weil ich einfach denke, dass er so dringen Abstand bräuchte... Bisher klingt es aber so, als wäre das für ihn keine Option.

    Sorry für das viele Geschreibsel. Es hilft mir glaube ich beim Gedanken sortieren.

  • Zitat

    Es hilft mir glaube ich beim Gedanken sortieren.

    Genau dafür ist unser Forum doch da.

    Gedanken sortieren und überlegen, was man dann für sich selber anpacken will - und wie man das dann auch tatsächlich anpackt.

    Dir darf es gut gehen. Und dein Wohl und Wehe sollte nicht von einem bestimmten Menschen abhängig sein.

    Viele liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • mir hatte das Angehörigenseminar bei der ersten Langzeit meiner Frau sehr die Augen geöffnet. bis dahin hatte ich so ziemlich alles durch, was ein Co so mitmacht...

    Entschuldigungen suchen weshalb Treffen mit Freunden nicht hinhauen, ihre Termine erledigen bzw mich darum kümmern, Flaschen suchen, Flaschen leeren, ihr die Flaschen vorhalten, Diskutieren wenn sie nüchtern, halb betrunken, total voll war, Streit, aufregen, niedergeschlagen sein, sie nach vier stunden nachdem sie nochmal ein eis holen wollte in der ganzen Ortschaft suchen und nach einem Anruf im Krankenhaus Gewissheit haben, wo sie ist....ich glaube ich könnte einen ewig langen post darüber schreiben. nach dem Angehörigenseminar hatte ich erkannt, dass es vielen anderen ähnlich wie mir geht. ich hatte bis dahin auch nie einen Gedanken darüber verloren, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen - das brauche ich ja nicht :) weit gefehlt.

    mittlerweile habe ich bemerkt, dass es mir hilft meinen Frust über die Abhängigkeit los zu werden im Kreis von Menschen, die aus eigener Erfahrung wissen, wie es mir dabei geht. das mache ich jetzt seit knapp vier Jahren und das regelmäßig 1x pro Woche

    das bittere ist, wenn du an ihm und eurer Beziehung festhalten magst musst (so sehr ich dieses Wort hasse) du dein vertrauen zu ihm und der Abstinenz als Vorschuss geben auf die Gefahr hin, dass es nicht von Dauer ist.

    wenn er eine Langzeittherapie machen will und es eine gute Klinik ist, in die er kommt, werden die angehörigen in die Therapie eingebunden. nicht nur in einem Seminar über das Entstehen von Abhängigkeit und Sucht und was dabei im Gehirn passiert, sondern auch in Gespräch mit dem Therapeuten.

    Liebe heilt keine Sucht

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!