Hallo an euch alle, die ihr, wie ich Mit-Betroffene seid. Es ist schon interessant, nur das Wort alleine einmal zu betrachten. Da steckt das Wort Betroffen drin. Übersetzt, der Alkohol hat auch uns getroffen. Und es hilft nix, da müssen wir raus!!! Auch, wenn das für viele von uns nicht so einfach ist.
Für mich als betroffene Mutter, deren Sohn ohnehin schon seit ganz vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu mir hält, ist es zwar kein Spaziergang, doch ganz sicher viel einfacher, als für jemanden, der finanziell abhängig ist, kleine Kinder hat, aus der geliebten Umgebung gehen muss und so vieles mehr.
Doch auch da sprech ich aus eigener Erfahrung. Ich habe vor vielen Jahren meinen ersten Mann verlassen, der Spiegeltrinker war und ist. Und ich war finanziell völlig abhängig, ich habe Haus und Kinder ( erwachsen) verlassen, die sich total mit dem Vater solidarisiert haben, bin ins Ungewisse geköpfelt. Und was soll ich euch sagen, es war gut so.
Es hat mir die Zukunft, die ja nun schon Vergangenheit ist, recht gegeben. Ich konnte mich selbstverwirklichen, bin wieder verheiratet, habe mit meiner Tochter und den Enkelkindern guten Kontakt. Die weniger schönen Tatsachen sind, mein erster Mann macht weiter wie immer (ist als Spiegeltrinker ein wenig leichter als bei anderen Alkoholiker Formen, doch halt auch schon wiederholte Führerscheinverluste u.s.w.) und mein Sohn ist schwerster Alkoholiker. Im Nachhinein betrachtet schon ganz viele Jahre.
Auch ohne direkten Kontakt zu ihm, reichen die sorgenvollen Berichte meiner Tochter, dass das Kopfkino für eine Co-Abhängigkeit vollkommen ausreicht.
Dieses Forum und die Beschäftigung mit den einzelnen Schicksalen hat mir die Tatsache einer Co-Abhängigkeit vor Augen geführt, das war bei meiner "Karriere" nicht so viel Neues, doch die Tatsache, dass mein Sohn mit seinen trinkfreien Tagen, Versprechungen, Pseudo-Entzugsmaßnahmen in einer ganz normal verlaufenden Trinkerkarriere ist, wo er, zumindest momentan mehr Gewinn drin sieht, als wenn er auf den Alkohol, ganz und für immer verzichtet, das habe ich erst durch euch verstanden.
Nun weiß ich aus eigener Erfahrung, wenn man so tief mit drin ist, kann man durch das Leid oft nichts Schönes, Positives, Lichtvolles ... mehr sehen. Jetzt kostet das Wissen, um ein Loslösen aus der Situation schon immense Kraft. Wenn dann das Leben noch dazu so dunkel erscheint, woher sollen die Kraftmomente entstehen. Ich gebe zu, auch Wut kann ein guter Treiber sein, und den unbedingt nutzen!!!! Nutzt alles, was euch frei macht und nicht illegal ist!
Doch die Seele braucht Schönes!!!! Drum sucht eure Perlen, die auch der dunkelste Tag versteckt hat!!! Ein Lächeln auf der Straße, ein Anruf, wo jemand sich für dich interessiert, eine Tasse guten Tee, ein gutes Essen, eine Packung Erdnuss-Flips , dass ihr gut geschlafen habt, dass ihr schon Schritte gesetzt habt, dass ihr nicht alleine seid, dass ihr arbeiten gehen könnt, dass das Telefon, Internet schon erfunden ist, dass es eine Versicherung gibt, dass wir das Wahlrecht haben und und und...
Pflegt eure Seele. Es kann gar nie zu viel sein!!! Eine gut gepflegte Seele hilft auch den Körper gesund zu erhalten. Ich schreibe aus Erfahrung. Ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass mein Körper immer anfälliger geworden ist. Interessanterweise erst, nachdem ich mich schon getrennt gehabt hatte. Von daher, habt es vielleicht im Hinterkopf, die Seele und der Körper sind ganz fest verbandelt. Und je nach Grundkonstitution lässt sich unser Körper auf Dauer nicht nur ausbeuten.
Vielleicht hilft das einigen von euch, die sich noch immer sagen, darf ich denn auf mich achten?
Da dann, darf, muss ich euch sagen, ermutigen: IHR HABT IN ALLERERSTER INSTANZ DIE PFLICHT AUF EUCH GUT AUFZUPASSEN. UND AUF EURE MINDERJÄHRIGEN KINDER. (Das wäre schlecht, wenn wir vor lauter Selbstfürsorge auf sie vergessen würden). Die erwachsenen haben die Pflicht, für sich selbst zu sorgen, doch sie auch immer wieder ermutigen, gut für sich selbst zu sorgen!!!
Nun zum Schluss noch ein kleines Update in eigener Sache: Corona hat mich immer noch ein wenig im Griff. Insofern, dass noch wenig Kräfte da sind. Und was meinen Sohn betrifft, habe ich den Gedanken, dass er wahrscheinlich noch nicht am persönlichen Tiefpunkt angelangt ist, akzeptiert. Da ich nicht täglich mit neuen Schreckensnachrichten konfrontiert werde, ist mein Umgang damit leichter. Zukünftige Meldungen werden ja aller Wahrscheinlichkeit leider kommen, die werden mich, aller Wahrscheinlichkeit auch kurz oder länger aus der Bahn werfen. Doch ich werde zurück in meine Mitte rudern und links und rechts die kleineren und größeren Perlen sammeln.