Sunshinelady - Erwachsenes Kind von alkoholkranken Eltern

  • Hallo an alle,

    ich bin 30 Jahre alt und meine Eltern waren beide alkoholkrank. Seit ca. zwei Jahren beschäftige ich mich mit den Traumata, die ich aus dieser Zeit mit in mein erwachsenes Leben genommen habe. Ich möchte mir mein Leben von den damals erlernten Denkmustern nicht mehr kaputt machen. Ich bin froh über meine Beziehung zu meinem Ehemann und Freunden, daher habe ich beschlossen, die Erinnerungen und Verletzungen von damals aufzuarbeiten, um sie hinter mir zu lassen. Mir ist bewusst, dass dies nur zu einem gewissen Maße möglich ist. Mein Vater ist vor 7 Jahren gestorben.

    Derzeit beschäftige ich mich viel mit Psychologie, Umgang mit Stress und Kindheitstrauma. Ab und zu gehe ich auch in eine Gruppe von Erwachsenen Kindern von Alkoholikern. Einmal im Monat spreche ich mit meiner Therapeutin. Ich bin stolz auf mich, wie ich immer mehr voran komme und merke, wie ich Denkstrukturen durchbreche.

    Mein nächstes Ziel ist es, mit meiner Mutter über die Thematik zu sprechen. Sie hat vor ca. 5 Jahren aufgehört zu trinken und wir haben eine gute Beziehung zueinander. Sie ist jedoch (schon immer) der Überzeugung gewesen, dass sie kein Problem hat. Ich vermute, dass sie mich anschreien wird, mich gaslighten wird, wenn ich versuche, mit ihr über meine Erfahrungen zu sprechen. Sie wird sehr schnell aggressiv und abwehrend bzw. wertend. Ich verarbeite die Thematik viel in Gedichten und überlege, ihr eines davon vorzulesen um etwas zu haben, woran ich mich "festhalten" kann. Ich habe große Angst vor dem Gespräch, merke aber, dass ich bereit bin ihr zu sagen, was ich erlebt habe. Ich will, dass diese Scham in unserer Familie, darüber zu sprechen, endlich aufhört. Mit meinem Bruder (er ist 2 Jahre jünger als ich) habe ich vor einiger Zeit das erste Mal über unsere Erlebnisse mit alkoholkranken Eltern gesprochen. Das haben wir vorher nie gemacht, es hieß immer nur, "Mama ist "so"".

    Als Jugendliche hatte ich immer das Gefühl, komplett alleine mit dem Problem zu sein. Erst in der Uni habe ich es geschafft, mich einer Freundin zu öffnen. Vor zwei Jahren habe ich gesehen, dass auch andere Menschen solche Erfahrungen wie ich gemacht haben und wie viele Probleme (Unsicherheit, Schuldgefühle, Selbstkritik, Alles immer richtig machen wollen) z.T. in dieser Zeit entstanden sind.

    Es würde mich sehr freuen, hier mit anderen Mitgliedern zu schreiben und sich auszutauschen.

    Liebe Grüße,

    Sunny

  • Hallo liebe Sunny,

    ganz herzlich willkommen in unserem Online-Forum. Es ist gut, dass Du das Forum gefunden ist. Der Austausch hier kann sehr hilfreich und bestärkend sein. Mir selbst hilft er sehr.

    Es ist schön zu lesen, wie umfassend Du Dich um Dich selbst kümmerst. Da darfst Du auch stolz auf Dich sein.

    Du wirst sicher bald von den Moderatoren offiziell begrüßt.

    Ich freue mich auf den Austausch mit Dir. Ich bin auch ein EKA, allerdings bin ich allein mit meiner Mutter aufgewachsen.

    Viele liebe Grüße

    Siri

  • Hallo Sunny,

    herzlich Willkommen hier.

    Du hast ja schon unseren Bewerbungslink angeklickt. Wenn ein Freischalter-Moderator online ist, wirst du freigeschaltet und dein Thema gleich in den EKA-Bereich des Forums verschoben. Ich wünsche dir einen hilfreichen Erfahrungsaustausch.

    Wenn du magst, kannst du bis dahin hier stöbern:

    Das Forenteam
    5. Januar 2022 um 17:09

    Darin findest du einen Link: "Merkmale für ein EKA". Etliche EKA aus dem Forum hier haben ihre Erfahrungen zusammengetragen.

    Viele Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo und willkommen sunshinelady,

    hier geht es nun weiter.

    Ich wünsche dir einen guten Austausch.

    Eine Bitte noch, schreibe die ersten 4 Wochen hier nicht im Vorstellungsbereich.

    Liebe Grüße Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Guten Morgen Sunny,

    was mir an Deinem Post aufgefallen ist, sind folgende Sätze, zu denen ich Dir etwas aus meiner eigenen Erfahrung schreiben möchte, auch wenn meine Situation natürlich eine andere ist (u.a. ist meine Mutter weiterhin alkoholkrank und ich schreibe leider keine Gedichte :)). Ich kürze das Zitat ab:

    «Mein nächstes Ziel ist es, mit meiner Mutter über die Thematik zu sprechen. ....Ich vermute, dass sie mich anschreien wird, mich gaslighten wird, wenn ich versuche, mit ihr über meine Erfahrungen zu sprechen. Sie wird sehr schnell aggressiv und abwehrend bzw. wertend.....Ich habe große Angst vor dem Gespräch, merke aber, dass ich bereit bin ihr zu sagen, was ich erlebt habe.»

    Ich kann dieses Ziel sehr gut nachvollziehen, diesen tiefen Wunsch hatte ich auch immer.

    Mir ist es nie gelungen. Ich habe daraufhin den Kontakt zu meiner Mutter über mehr als ein Jahrzehnt ganz abgebrochen, weil ich das gaslighting und die Abwehr, ihre penetrante und infame Infragestellung meiner Wahrnehmung/meines Erlebens nicht weiter ertragen habe. Jetzt habe ich den Kontakt wieder aufgenommen, weil meine Mutter mich um Hilfe gebeten hat. Und auch ohne Konfrontation mit der Alkoholproblematik hat meine Mutter mich zunächst wieder so "behandelt" wie damals als Kind: abgewertet, niedergeschrien, extrem aggressiv. Es gab keine Begegnung.

    Ich kann mir vorstellen, dass es trotz der Abstinenz Deiner Mutter möglich ist, dass eintritt, wovor Du Dich fürchtest. Dass also Deine Mutter sich dem nicht stellen kann, aus welchen Gründen auch immer.

    Eventuell läuft es anders und die Mitteilung als Gedicht (wie wunderbar, dass Du das machst!), hilft Deiner Mutter Deine Botschaft nicht abzuwehren. Eventuell wechselt sie aber auch einfach im Gespräch die Ebene und wertet Dein Gedicht ab (z.B. die Form, die Qualität, überhaupt die Idee, das alles in Gedichtform zu verarbeiten...oder oder oder).

    Was ich damit sagen will: Du kannst es weder voraussehen, noch beeinflussen, wie sie reagiert. Ich würde deshalb alles daransetzen, mich von ihrer Reaktion unabhängig zu machen und so bestmöglich zu schützen.

    Sind die Reaktionen, die Du befürchtest, die alten typischen Verhaltensweisen Deiner Mutter?

    Gerade wenn das der Fall ist, würde ich mich vor Re-traumatisierung schützen und dort vielleicht nicht alleine hingehen. Mir hat es sehr geholfen, dass jetzt beim Wiedersehen mein Mann und einmal sogar jemand vom Amt solche Ausbrüche mitbekommen haben, als ich den Kontakt auf Bitten meiner Mutter wieder aufgenommen habe. Diese Ausbrüche waren keine Reaktion auf einen Versuch meinerseits, etwas zwischen mir und meiner Mutter zu klären. Diese Hoffnung habe ich nicht mehr und versuche das gar nicht. Sie hat mit ihrer Aggression meine Hilfsangebote abgewehrt. Aber für mich war damit erstmals klar und unabweisbar, dass ich bezüglich der massiven psychischen und physischen Gewalt, die ich als Kind erfahren habe, nie dramatisiert habe, wie meine Mutter immer behauptet hat. Es stand nun fest, dass meine eigene Wahrnehmung mich nicht getäuscht hat. Ausserdem wurde mir danach zunehmend klar, dass meine Mutter nicht anders reagieren kann, es nicht in ihrer Macht steht, es anders zu machen. Das half und hilft mir bei der Akzeptanz: so war es, so ist es, aber ich kann dafür nichts. Die Reaktionen/Ausbrüche meiner Mutter, das liegt und lag nie an mir!

    Hierfür einmal Zeugen gehabt zu haben, hat mir sehr geholfen. Dennoch ist das Trauma wieder aufgebrochen und ich musste mir Hilfe für mich suchen, um mich wieder zu stabilisieren.

    Das wollte ich Dir nur zu bedenken geben. Nicht um Dich abzuhalten, sondern nur, damit Du Dich innerlich vorbereitest und schützt. Damit Du Dein Leben nicht von der Reaktion Deiner Mutter abhängig machst. Ich selbst bedauere nicht, dass ich auf die Bitte meiner Mutter um Hilfe eingegangen bin, auch wenn ich jetzt krankgeschrieben bin und alles schwer ist.

    Liebe Grüße Siri

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