Hallo liebe Menschen,
Meine Mutter ist Alkoholikerin. Das schreiben zu können ist ein Meilenstein. Es löst in mir einen Knoten und es platzen allerhand Gefühle heraus: Stolz und Angst, Schuld und Scham, Entschlossenheit.
Um dieses Thema tanze ich seit Jahrzehnten einen Eiertanz. wurde ich als Kind noch bestraft, sobald ich ihr Trinkverhalten erwähnte, wurde ich als Teenager Co-abhängig und war selbst auf dem weg in den Alkoholismus. Sie wurde böse und nahm es persönlich, wenn ich es ablehnte mit ihr zu trinken. Manchmal trank ich mit, damit ich nicht so viel angst spüren musste. Wenn sie trank, kannte Sie kein Limit. Sie wurde betrunken oft zu einer unberechenbaren, gefährlichen person. Ich wusste nie, wann die bombe hochgeht. Nüchtern ist sie liebenswürdig, ein anderer Mensch.
Ich wurde irgendwie die Mutter meiner Mutter. Und sah mich für sie und ihre probleme verantwortlich. "Du kämpfst für mich wie eine Löwin." Sagte sie mal zu mir, nachdem ich mich mit einem ihrer gewalttätigen Partner angelegt hatte.
Meine Mutter ist nicht nur Alkoholikerin. Sie ist auch ein traumatisierter Mensch mit psychischen Problemen, das verstehe ich heute.
Seit über 10 Jahren löse ich mich aus dieser Beziehung und versuche Ihr sporadisch zu begegnen ohne teil ihres Wahns zu werden. Das ist anstrengend, da in mir immer ambivalente Gefühle konkurrieren. Es ist wie ein kampf zwischen verschiedenen Realitäten, ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll.
Ich bin jetzt 33 und befinde mich seit diesem Jahr in Therapie. Ich leide an depressionen. Ich habe zwei kinder und bin entschlossen mein "psychisches Erbe" aufzuarbeiten, damit meiner familie ein gesundes, glückliches leben möglich ist. Mit mir soll "es" enden.
Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt meinen Groll auf meine Mutter überwunden und sehe sie als einen kranken menschen. Ich bin dankbar, dass ich mein eigener mensch bin und nicht ihren weg gegangen bin.
Was nun aber das Gefühl von hilflosigkeit in mir erzeugt, ist der umgang mit dem verfall meiner Mutter.
Sie ist innerhalb kürzester zeit zweimal gestürzt und die knochen brechen inzwischen viel schneller. Sie wird irgendwann hilfe brauchen. Ich kann das nicht leisten, auch wenn ich das gern würde.
Sie sieht nicht, dass der Alkohol teil ihres Gesundheitszustands ist. Sie leugnet, wie immer. Heute habe ich ein letztes mal mein schweigen zum thema alkohol gebrochen. Es kostet mich immer unglaubliche überwindung, da ich früher attackiert wurde, wenn ich unbequeme wahrheiten aussprach. Ich spreche sie noch immer aus, weil ich nicht mit der schuld leben möchte, es nicht wenigstens versucht zu haben.
Ich erhoffe mir in diesem forum Austausch und Unterstützung. Gerade in bezug auf diese ewigen ambivalenzen, die ich als kind einer alkoholikerin in mir trage. Ich hoffe auf bestärkende kontakte.
Ich freu mich und sende meinen tiefen respekt an jeden hier, der seinen Dämonen ins auge schaut!
Liebe Grüße, Marie