Beiträge von Jada

    Vielen lieben Dank Linde,

    deine Worte empfinde ich jedes Mal als aufbauend und sehr hilfreich. Dass auch nach einem Kontaktabbruch nicht sofort alles gut wird, habe ich schon irgendwo im Hinterkopf. Ironischerweise ist das sogar genau der Grund, warum mir in meinem direkten Umfeld eher von einem Kontaktabbruch abgeraten wurde. Auch wenn mein Vater meint, dass ich mir das habe alles nur einreden lassen...

    Die letzten Monate habe ich mich hier im Forum aufs Lesen beschränkt, aber nun ist doch wieder viel passiert, das ich mir gerne von der Seele reden möchte.

    Mir ging es die letzte Zeit ganz okay, was ich nicht zuletzt euch hier im Forum und auch der Psychotherapie zu verdanken habe. Zu meinem Vater hatte ich sporadisch Kontakt, der hauptsächlich von ihm ausging. Sein Trinkverhalten war natürlich unverändert hoch, was ich aber eher am Rande mitbekommen habe. Besorgt war ich weiterhin, aber ich hatte zumindest keine schlaflosen Nächte mehr wegen ihm.

    In den letzten Wochen hat sich die Situation dann jedoch so sehr zugespitzt, dass er in der Psychiatrie gelandet ist. Ich erspare euch die Details, nur so viel: Er hatte ein Delirium und hat sich so auffällig verhalten, dass die Nachbarn die Polizei angerufen haben. Ein neuer Tiefpunkt. Aber für ihn scheinbar immer noch nicht tief genug.

    Vor der Entlassung aus der Klinik fand ein Angehörigengespräch statt. Dort erklärte man ihm ausführlich, dass er an einer Alkoholabhängigkeit leidet, er unbedingt auf Alkohol verzichten sollte und dass es viele Hilfen gibt, die er in Anspruch nehmen könnte. Ich habe diese Gelegenheit genutzt, um ihm zu sagen, dass ich den Kontakt zu ihm abbrechen werde, wenn er weiter trinkt. Er zeigte jedoch nach wie vor keine Einsicht, beharrte darauf kein Alkoholproblem zu haben und meinte, dass er sich von mir nichts verbieten lässt. Wenn das den Kontaktabbruch bedeutet, dann sei das halt so.

    Als er nach dem Gespräch unangemessen gut gelaunt war und mir noch eine Umarmung aufzwang, dachte ich erst, dass er wieder einmal nicht zugehört hat. Nachdem es dann aber wohl doch einige Zeit in seinem Kopf gearbeitet hat, kam später eine ellenlange Nachricht voller Vorwürfe und Selbstmitleid. Er wirft mir vor, dass ich respektlos bin, dass ich ihn nur schlecht mache, dass ich mir den Wunsch nach einem Kontaktabbruch von anderen Leuten habe einreden lassen. Und er schreibt, dass er sich von mir distanzieren will, weil ich ihm nicht gut tun würde. Das muss ich nun erst einmal verarbeiten...

    Ich kenne meinen Vater, aber es erstaunt mich immer wieder wie egozentrisch, unempathisch und starrsinnig ein Mensch sein. Aber ich versuche es gerade positiv zu sehen. Die letzten Monate habe ich noch Wege und Möglichkeiten gesucht, Abstand zu schaffen oder den Kontakt ganz einzustellen. Nun ist es ausgesprochen und der Anfang gemacht. Für mich kann es nur besser werden.

    Hallo Lea,

    lieben Dank für deine ausführliche Antwort. Wie Linde schon schrieb: Abstand zu schaffen ist die einzige Möglichkeit sich aus den kranken Familienstrukturen zu lösen.

    Deine Geschichte verdeutlicht aber sehr gut, dass das Thema Kontaktgestaltung bzw. Kontaktabbruch zu den alkoholkranken Eltern ein langwieriger und in vielen Fällen sicherlich auch schmerzvoller Prozess ist. Daher gefällt mir Lindes Ansatz so gut, mit dem Abstand zu spielen, rauszufinden, was einem gut tut und was nicht. Auch wenn dieser Weg vielleicht letztendlich in den völligen Kontaktabbruch führt, so wie bei dir. Ich selbst bin wohl grad in der Phase des "Rumeierns", aber deine Geschichte macht mir Mut, dass auch ich meinen Weg finden werde.

    Wichtig für mich dabei ist nur: was tut mir gut und was eben nicht?

    Genau darum geht es und damit beschäftige ich mich auch gerade ganz intensiv. Und ich merke, dass ich momentan überhaupt keine Lust habe meinen Vater zu sehen oder auch nur mit ihm zu telefonieren. Allein der Gedanke ihn wieder im elendem Zustand zu erleben, macht mir unheimliche Angst. Ich weiß noch nicht, ob es nur heute so ist oder auch morgen oder für immer. Das ist auch in Ordnung, macht es mir gegenüber meinem Vater aber auch so schwierig für klare Verhältnisse zu sorgen.

    So hart es klingt, aber dann ist es vielleicht sogar ganz gut, wenn er dir die Entscheidung abgenommen hat? Zumindest interpretiere ich deine Aussagen jetzt mal so.

    Ich habe Mitleid mit meinem Vater, wenn ich daran denke wie schmerzvoll ein Kontaktabbruch für ihn sein muss. Aber dann denke ich an all das Leid, das ich durch seine Trinkerei erleiden musste. All die Momente in denen ich ihn gebraucht hätte und er nicht für mich da war. All seine Sorgen und Probleme, die er schon seit meiner Kindheit bei mir abgeladen hat. Das ist auch keine gesunde Vater-Tochter-Beziehung. Und dennoch fällt es so schwer, die eigenen Eltern loszulassen. Es ist schon verrückt.

    Juli Der Verlust deines Vaters tut mir sehr leid. Auch wenn mein Vater noch lebt, kann ich sehr gut mitfühlen, weil ich mich schon lange mit der Möglichkeit eines frühen Todes meines Vaters beschäftigen muss. So wie du es beschreibst, hast du ihn zweimal verloren. Das erste Mal durch den Alkohol, schon Jahre vor seinem Tod. So ist es zumindest, wie ich es bei mir empfinde. Die Beziehung zu meinem Vater war nie einfach, aber durch den Alkohol gibt es schon lange nur noch wenige schöne Erlebnisse.

    So wie ich es verstehe, ist der Kontakt zu deinem Vater also einfach eingeschlafen, weil er sich nicht um dich bemühte? Das Gefühl der Freiheit seitdem kann ich gut nachvollziehen. Das erlebe ich an den wenigen Tagen, an denen ich mal den Kopf frei bekomme und das Handy ausschalte. Mein Vater ruft mich jedoch regelmäßig an. Meistens weil er etwas von mir will oder weil er einfach jemanden zum Reden möchte. Immer öfter ist er aber auch alkoholisiert oder verwirrt oder beides, was mich dann unglaublich runter zieht oder mir vor Sorge schlaflose Nächte bereitet. Mir geht es besser, seit ich immer öfter nicht ans Telefon gehe. Aber gleichzeitig habe ich das Gefühl mich erklären zu müssen oder mit einem "offiziellen" Kontaktabbruch für klare Verhältnisse sorgen zu müssen, daher meine Eingangsfrage.

    Twizzler Von der Kontaktpause hattest du schon einmal berichtet. Wie kommt es nun, dass dein Vater von sich aus den Kontakt beendet hat? Du musst natürlich nicht antworten, wenn du nicht magst.

    Hallo zusammen,

    ich melde mich mal wieder, um einige Gedanken loszuwerden und möchte gerne eure Erfahrungen und Sichtweisen hören.

    Wieder und wieder lese ich Lindes großartigen Beitrag zum Thema Kontaktabbruch und denke darüber nach, wie mein Ausweg aus dieser Situation aussehen kann. Dass Abstand heilsam ist, konnte ich in den letzten Wochen immer öfter dann erleben, wenn ich mein Handy mal für einen Tag ausgestellt habe und ich für begrenzte Zeit mal keine Angst vor dem nächsten Anruf meines Vaters haben musste. Keine Sorge, ob und wie viel er trinkt, wie wohl sein Zustand ist. Einfach Ruhe und Frieden.

    Aber eine dauerhafte Lösung ist das nicht, irgendwann muss ich das Handy ja auch mal wieder einschalten. Und spätestens wenn dann die verpassten Anrufe meines Vaters angezeigt werden, bin ich wieder in der selben Zwickmühle wie zuvor. Ich hadere mit mir, ob ich zurückrufen oder den nächsten Anruf entgegen nehmen sollte. Dabei ist mir selbst nicht ganz klar, warum. Hoffnung auf plötzliche Einsicht oder Besserung ist es nicht. Vielleicht ist es das Bedürfnis mich zu erklären oder zu rechtfertigen. Ich komme mir gemein und feige vor, wenn ich von heute auf Morgen nicht mehr auf Anrufe reagiere. Dabei ist längst alles gesagt. Schon etliche Male habe ich ihm gesagt, dass die Situation für mich unerträglich ist und ich ihm nicht beim Sterben zusehen will.

    Vielleicht ist es auch das ewige Bedürfnis nach Liebe und Bestätigung, das auch bei erwachsenen Kindern noch besteht und sie immer wieder zu ihren Eltern hinzieht. Dabei sollte ich nach all den Manipulationen, Verletzungen und Enttäuschungen eigentlich klüger sein. An meinem Geburtstag habe ich wie eine Blöde jede halbe Stunde auf das Handy geschaut und auf einen Anruf meines Vaters gewartet. Was ich bekommen habe, war eine besoffene Mailboxnachricht abends um 23 Uhr. Ich weiß, dass mein Vater mich liebt, auf seine Art und Weise. Und doch bricht es mir das Herz.

    Dabei wollte ich jetzt gar nicht so emotional werden. Was ich eigentlich fragen möchte:

    Wie sah euer Weg aus? Wie kam es dazu, dass ihr den Kontakt zu euren Eltern oder anderen nahestehenden Menschen eingestellt habt? Habt ihr es angekündigt, ein klärendes Gespräch geführt, vielleicht einen Abschiedsbrief geschrieben? Ist der Kontakt einfach mit der Zeit eingeschlafen? Oder seid ihr vielleicht einen ganz anderen Weg gegangen?

    Hallo Waldhexe,

    Korsakow, Krampfanfälle, Intensivstation - das muss schlimm für dich sein, dass alles mitzuerleben. Und es klingt nach einer langen Suchtgeschichte deines Mannes. Ich denke mal, du bist schon länger mit seinem Alkolkonsum und dessen Folgen konfrontiert?

    Bei mir ist der Vater betroffen, wenn auch die Folgeerkrankungen noch nicht ganz so schlimm sind, wie bei deinem Mann. Du bist mit deinen Erfahrungen hier auf jeden Fall nicht alleine. Mir hilft der Austausch und das Lesen hier enorm.

    Ich wünsche dir viel Kraft und hoffe du kannst die Tage etwas Ruhe finden!

    Danke für eure Rückmeldungen, das hilft mir gerade sehr mich ein wenig zu sortieren. Meinen Vater in diesem Zustand zu sehen, hat mich direkt wieder in den Panik- und Helfermodus versetzt. Aber der Psychiater kennt meinen Vater schon jahrelang und er hat scheinbar keinen sofortigen Handlungsbedarf gesehen, sonst hätte er schon gestern auf eine Einweisung hingewirkt. So versuche ich mich zumindest gerade zu beruhigen.

    Willts du dir das antun? Willst du die Pflege deines Vaters übernehmen?

    Sicher nicht. Wenn er Hilfe annimmt, bin ich (noch) bereit mitzuwirken, aber ich möchte weder seine Pflegekraft, noch seine Sozialarbeiterin sein.

    Morgenrot

    Ich bin ebenfalls berufsbedingt ein bisschen mit dem Hilfesystem vertraut. Das macht es dem Arzt natürlich noch einfacher, mich einspannen zu wollen. Es fällt mir immer wieder auf, wie groß die Schnittmenge zwischen helfenden Berufsgruppen und EKAs/Co-Abhängigen ist...

    Ich stelle es mir auch sehr schwer vor, den Rahmen seiner eigenen Aktivität festzulegen, wenn man beim Betreffenden nie sicher sein kann, wie ernst man seine Äußerungen nehmen kann

    Genau das ist der Punkt! Er will seit einem Jahr eine Suchttherapie machen. Und dann wieder doch nicht. Und dann will er in die Psychiatrie. Und dann wieder doch nicht. In guten Phasen meint er, keine Hilfe zu brauchen. In schlechten Phasen ist er unfähig sich um irgendetwas zu kümmern. Ich habe Anfang des Jahres erst einen Hausbesuch durch den Sozialpsychiatrischen Dienst organisiert. Und er hat den Termin einfach wieder abgesagt. Warum sollte es dieses Mal anders laufen? Ich bin es leid.

    Ich werde nun erst einmal eine Nacht über alles schlafen. Aber ich tendiere gerade doch sehr dazu, dem Arzt zurück zu melden, dass ich mich nicht kümmern werde. Ich sehe den Arzt in der Pflicht, eine Entgiftung zu ermöglichen. Und von dort könnte, wie Morgenrot sagt, alles weitere der Sozialdienst organisieren.

    Hallo zusammen, ich danke euch alle für eure Antworten. Auch wenn ich nicht auf alles geantwortet habe, lese ich alle Beiträge und kann viel Hilfreiches für mich rausziehen. An manchen Tagen bin ich aber auch einfach froh, wenn ich mich mal mit anderen Dingen beschäftigen kann und keine Gedanken an das Thema verwenden muss.

    Jetzt holt mich das ganze aber wieder ein. Ich hatte gestern ein Gespräch zusammen mit meinem Vater und seinem Psychiater. Der Arzt hatte um den Termin gebeten. Nachdem ich meinen Vater fast 2 Monate nicht gesehen habe, hat er gestern ein erschreckendes Bild abgegeben. Völlig ungepflegt, Schrammen im Gesicht von den letzten Stürzen, er hatte Mühe überhaupt zu laufen. Der Arzt hat Ambulant Betreutes Wohnen und eine Entgiftung vorgeschlagen. Nachdem ich mir mindestens ein Jahr lang mit den selben Vorschlägen den Mund fusselig geredet habe, hat mein Vater gestern sofort zugestimmt. Es bleibt abzuwarten, ob er dabei bleibt.

    Der Arzt hat vorgeschlagen zuerst das Betreute Wohnen einzurichten, damit mein Vater Unterstützung bekommt, sich um die Entgiftung zu kümmern. Ein Vorgespräch sollte möglichst kurzfristig in der Arztpraxis zusammen mit mir und dem Arzt stattfinden. So weit, so gut. Ich habe ein wenig Hoffnung geschöpft, dass mein Vater endlich professionelle Hilfe erhält und ich mich mit gutem Gewissen etwas rausziehen kann.

    Aber heute dann die Rückmeldung aus der Arztpraxis, dass ein kurzfristiges Vorgespräch mit dem Betreuten Wohnen nicht möglich ist. Ich soll selbst nächste Woche dort Kontakt aufnehmen und einen Termin vereinbaren. Das Gespräch soll dann nicht beim Arzt, sondern am anderen Ende der Stadt im Büro des Betreuten Wohnens stattfinden.

    Ich bin so enttäuscht und stehe damit gefühlt wieder am Anfang. Falls mein Vater wirklich Hilfe annimmt, kann es Wochen dauern bis das Betreute Wohnen anläuft. Beim überfälligen Sozialhilfeantrag soll ich auch am besten auch gleich noch helfen.

    Noch gestern hat der Arzt mir versichert, dass professionelle Hilfe notwendig ist und ich Tochter statt Helferin sein soll. Und heute wird mir doch wieder die Rolle der Helferin aufgedrückt.

    Ich bin mal wieder ratlos. Enttäuscht, wütend und ratlos.

    ... er hatte sich bei voller Zurechnungsfähigkeit selbst in diese Situation gebracht. Ich hatte ihm weder die Flasche in die Hand gedrückt, noch irgendwie Einfluss auf seinen Weg nehmen können.

    Danke Lea, ich denke das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den ich Ich selbst noch verinnerlichen muss. Er hat sich seine Lebenssituation nicht ausgesucht, aber er hat sich immer und immer wieder entschieden nichts daran zu ändern und alle verfügbaren Hilfen auszuschlagen.

    Danke auch achelias für deine Sicht. Auch wenn jetzt für den Moment wieder alles gut scheint, ist es nur eine Frage der Zeit, bis er wieder trinkt und die Sorgen und die Verzweiflung wieder kommen. Es ist wie ein Karussell, das sich immer weiter dreht, solange ich nicht aussteige.

    Ich weiß noch nicht, ob es ausreicht mehr Grenzen zu setzen und Distanz aufzubauen, damit mich die Situation weniger belastet, oder ob es wirklich auf den harten Schnitt hinausläuft, vor dem ich aktuell noch zurückschrecke. Ich werde mir dazu noch Gedanken machen müssen.

    Hallo Luna18 ,

    danke für deine Nachricht. Mein Vater lebt alleine und hat außer mir keine nennenswerten Kontakte mehr, was die Situation für mich schwieriger macht.

    Ich kontrolliere nicht mehr aktiv ob er getrunken hat, werde aber zwangsläufig immer wieder damit konfrontiert, wenn er am Telefon alkoholisiert ist oder wenn ich zu Besuch bin und die Alkoholvorräte und leeren Flaschen sehe. Mein Vater war noch nie trocken und verheimlicht seinen Konsum auch nicht, aber er bagatellisiert die Häufigkeit und die Mengen in denen er trinkt.

    Gestern Abend hat er mich noch angerufen und war plötzlich wieder ganz der alte. Klar, orientiert, keine Sprachstörung mehr oder andere Ausfallerscheinungen. Einerseits bin ich erleichtert, andererseits macht es mich wahnsinnig und ich zweifle an meinem eigenen Verstand. Gerade noch habe ich überlegt, ob er an Demenz oder einem Schlaganfall leidet und jetzt ist er schon wieder oben auf und sagt mir ich soll mich nicht so anstellen und übertreiben....

    Ich melde mich noch mal, da ich aktuell wieder nicht recht weiß, wohin mit meinen Gedanken und ich mich gefühlt nur im Kreis drehe. Es gibt gute Tage, an denen ich mein Leben lebe und die Thematik mit meinem Vater mehr oder weniger beiseite schiebe. Und dann gibt es Tage, an denen sich alles wie ein nicht enden wollender Albtraum anfühlt. Highway to hell und ich hab die Abfahrt verpasst.

    Ich hatte schon so viele gute Gründe und Gelegenheiten mit meinem Vater zu brechen. Ich wünsche mir einfach nur Ruhe und Frieden, doch eine Stimme in mir sagt, dass ich für einen Kontaktabbruch den richtigen Zeitpunkt verpasst habe. Sein körperlicher und geistiger Abbau in der letzten Zeit ist so deutlich und immer wieder drängt sich mir der Gedanke auf, dass er dieses Jahr nicht überleben wird.

    Ich vermute, dass mein Vater bleibende kognitive Schäden durch den Alkoholmissbrauch erlitten hat. Verdachtsdiagnose beim letzten Krankenhausaufenthalt war Wernicke-Enzephalopathie. Es wurde ein Aufenthalt in der Psychiatrie empfohlen, aber mein Vater weigert sich mit Händen und Füßen. Sein Psychiater scheint mehr oder weniger über die Situation informiert zu sein und hat um einen gemeinsamen Termin mit mir gebeten. Die Terminvereinbarung schiebt mein Vater natürlich auf. Eine Kontaktaufnahme durch mich an seinen Psychiater hat mein Vater mir aber ausdrücklich verboten. Ich habe darüber nachgedacht ihn trotzdem zu kontaktieren und meine Eindrücke zu schildern, habe aber dann doch gezweifelt. Ist das nicht wieder Co-Abhängigkeit, wenn ich die Sache in meine Hand nehme? Zumal nicht viel dabei rumkommen dürfte, einen Klinik-Aufenthalt wird auch der Psychiater ohne akute Selbstgefährdung nicht ohne Einwilligung erzwingen können.

    Der Zustand von meinem Vater wechselt zur Zeit sehr stark. Während ich zeitweise das Gefühl hatte, dass er klar und gut sortiert ist, war er letzte Woche völlig verwirrt. Obwohl er nüchtern wirkte, hatte er Sprachstörungen und konnte sich an die letzten Tage nicht mehr erinnern und wusste selbst nicht ob er in diesem Zeitraum getrunken hat oder nicht. Absolut gruselig. Einen Grund zum Arzt zu gehen, sah er darin nicht. Er wollte sich erstmal "sortieren" und die Sache "beobachten". Er ist absolut beratungsresistent.

    Aber ich frage mich, darf ich jemanden sich selbst überlassen, wenn der die Folgen seines Handelns womöglich gar nicht mehr richtig einschätzen kann? Ich erwarte von euch natürlich keine Absolution, aber vielleicht hat jemand Gedanken dazu oder eigene Erfahrungen.

    Hallo Twizzler, vielen lieben Dank für deinen Beitrag.

    Mein Vater ist da leider ganz anders. Ich habe einmal nach einem Streit (der nichts mit dem Alkohol zu tun hatte) um Abstand und einige Tage Funkstille gebeten. Er hat zutiefst gekränkt reagiert, mich zur Rede gestellt und mir Vorwürfe gemacht.

    Wir sehen uns alle 6 - 8 Wochen und haben in der Zwischenzeit mal mehr und mal weniger regelmäßigen Telefonkontakt, der aber meistens von ihm ausgeht. Wenn ich im Urlaub bin, bei der Arbeit oder andere Pläne habe von denen er weiß, lässt er mich in Ruhe. Ansonsten ruft er aber auch phasenweise manchmal mehrmals täglich an und beschwert sich, wenn ich nicht erreichbar bin oder innerhalb kurzer Zeit zurückrufe.

    Da läuft so einiges falsch, wenn ich darüber nachdenke. Vermutlich wäre das auch ein Punkt, an dem ich ansetzen sollte. Öfter mal nicht erreichbar sein, Handy stummschalten oder auf Flugmodus. Für meinen Seelenfrieden wäre das sicherlich hilfreich.

    Ich lass einfach noch mal ein paar Gedanken hier.

    Die letzten Tage habe ich wieder fleißig im Forum gelesen und mich vor allem mit den vielen Geschichten der EKA und Angehörigen beschäftigt. Ich hatte gehofft hier Wege zu finden, wie man eine Beziehung zu einem alkoholkranken Menschen gestalten kann, ohne selbst dabei kaputt zu gehen. Aber offensichtlich läuft es in den meisten Fällen auf Kontaktabbruch oder Sterbebegleitung hinaus.

    Die Hoffnung, dass mein Vater Einsicht zeigt und abstinent wird, muss ich aufgeben. Keine ganz neue Einsicht, aber doch schwer zu akzeptieren. Nach seinem letzten Krankenhausaufenthalt, zu dem er im erbärmlichen Zustand und per Rettungswagen einfuhr, hatte ich wieder die Hoffnung, dass er endlich wach wird. Dass die Ärzte ihm den Ernst der Lage verdeutlichen und vielleicht sogar notwendige Hilfen wie einen Aufenthalt in der Psychiatrie anleiern. Leider wurde er bereits nach zwei Tagen wieder vor die Tür gesetzt. Und erst einmal zu Hause angekommen, geht es natürlich so weiter wie zuvor.

    Meine größte Sorge ist, dass er alleine und unbemerkt in seiner Wohnung stirbt. Aber ich möchte ihn nicht auf diesem selbstzerstörerischem Weg begleiten und ich möchte auch nicht diejenige sein, die ihn tot in seiner Wohnung auffindet.

    Mein Vater zieht sich in den letzten Wochen eher zurück, sodass es mir gerade nicht so schwer fällt den Kontakt zurückzufahren. Wir haben zuletzt vor mehr als einer Woche telefoniert, was mich vor einiger Zeit vielleicht schon veranlasst hätte, aus Sorge einen "Kontrollanruf" vorzunehmen, um zu schauen wie die Lage ist. Ich kann mich bislang gut zurückhalten. Aber ich habe Angst vor dem nächsten "Notruf", den er bei mir absetzt. Den Hinweis, dass er sich bei medizinischen Notfällen doch bitte direkt an den Rettungsdienst wenden soll, hat er bislang ignoriert. Aber nachdem ich mich beim letzten Mal geweigert habe zu ihm zu fahren, hat er nach nur zwei Stunden Diskussion selbst den Notruf kontaktiert.

    Es sind nur kleine Schritte, aber immerhin.

    Uff, ja das kenne ich nur zu gut. Ich bin schon angespannt und peinlich berührt, wenn in einer Runde irgendwelche lustigen, unbeschwerten Geschichten aus der Kindheit geteilt werden. Weil meine eigenen Erfahrungen einfach so anders und "unnormal" sind.

    Dass das Unsinn ist, merke ich immer dann, wenn andere von ihren Familienproblemen erzählen. Da gibt es dann psychisch erkrankte Väter oder Geschwister, früh verstorbene Mütter, Missbrauchserfahrungen in der Kindheit... Es hat wohl jeder sein eigenes Päckchen zu tragen.

    Aus einem zaghaften „der Kontakt mit meinem Vater ist leider sehr selten“ oder „unser Verhältnis ist schwierg“ ist auch gerne mal ein „mein Vater ist Alkoholiker und wir haben seit Jahren keinen Kontakt mehr“ geworden.

    Mit erschrockenen Blicken oder fassungslosen Nachfragen komme ich heute ganz gut zurecht, aber das war ein langer Weg.

    Ich finde es toll, dass du damit mittlerweile so offen umgehen kannst! Davon bin ich noch meilenweit entfernt, aber es ist ein großer Fortschritt, dass ich mich inzwischen überhaupt mitteile und nicht mehr alles mit mir alleine ausmache.

    Hallo Lara,

    ich erkenne mich sehr in deiner Geschichte wieder... Der Psychoterror hat bei mir zum Glück nie solche Ausmaße angenommen wie bei dir, aber auch nur weil mein Vater gemerkt hat, dass er mich auf andere Art besser manipulieren kann.

    Bei mir sind es aktuell auch die Anrufe, dass er ins Krankenhaus muss. Anfangs bin ich noch hingefahren, nur damit er dann nach zwei Stunden Diskussion festgestellt hat, dass er doch nicht ins Krankenhaus möchte. Es ist zum verrückt werden. Inzwischen verweise ich auch auf den Notruf. Den hat er beim letzten Mal dann auch tatsächlich angerufen. Aber das schlechte Gewissen bleibt.

    Wie geht es dir denn aktuell? Hast du zur Zeit Kontakt zu deinem Vater? Und was ist aus der beantragten Betreuung geworden? Ich spiele auch schon mit diesem Gedanken, aber rechne mir da ebenfalls keine hohen Chancen aus, dass das durchgehen würde...

    Vielen lieben Dank euch!

    Es tut gerade einfach gut die Geschichten von anderen Menschen mit ähnlichen Erfahrungen zu lesen. In meinem Umfeld fällt es mir sehr schwer offen über dieses Thema zu sprechen. Ich schätze die Scham ist einfach zu groß. Zu meiner Mutter (ebenfalls Alkoholproblematik) habe ich schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Mein Partner ist der einzige der Bescheid weiß und auch das volle Ausmaß der Problematik kennt.

    Hallo zusammen,

    nach einiger Zeit stillem Mitlesen, habe ich nun entschlossen mich anzumelden.

    Ich bin 30 Jahre alt und Tochter eines Alkoholikers. Mein Vater ist seit meiner Kindheit Quartalstrinker, wobei die abstinenten Phasen in den letzten Jahren immer kürzer geworden sind. Obwohl zunehmend körperliche und kognitive Schäden auftreten, zeigt er wenig Einsicht etwas zu verändern. Seine Wohnung ist verwahrlost, er stürzt immer öfter, war mehrfach im Krankenhaus wegen Magenblutungen und kürzlich wegen einer Polyneuropathie und dennoch ist er der festen Überzeugung, all das habe nichts mit seinem Alkoholkonsum zu tun.

    Mich belastet dieser ewige Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung. Die ständige Angst, dass ihm etwas zustößt. Ich weiß nicht, wie ich mit dieser (selbst verantworteten?) Hilflosigkeit meines Vaters umgehen kann. Schon länger denke ich über einen Kontaktabbruch nach, hadere aber mit meinen Verantwortungs- und Schuldgefühlen. Ich bin die einzige, die noch Kontakt hält und sich ein bisschen kümmert. Er wird zunehmend verwirrter und vergesslicher und ich habe Sorge, dass er alleine nicht zurecht kommt.

    Mein Leben kreist nur noch um meinen alkoholkranken Vater, ich habe jetzt erst erkannt das ich längst in meiner Co-Abhängigkeit verstrickt bin. Ich weiß, dass ich Abstand gewinnen muss und erhoffe mir hier hilfreichen Austausch, um mit der Situation besser zurecht zu kommen.