Ich "darf" saufen!

  • Hallo zusammen,

    gestern, während der Gruppentherapie ist mir eines klar geworden:

    Ich darf saufen!

    Ich will mal versuchen zu erklären, wie es dazu kam:

    Ich befinde mich zur Zeit an einem Punkt, wo ich wirklich mein ganzes Leben überdenke.
    Mir wird dabei immer deutlicher, wie wenig ich dabei an mich gedacht habe. Ständig wurde mir ein schlechtes Gewissen eingeredet, weil ich nicht so handelte, wie man es von mir erwartete.
    Dadurch habe ich mein Umfeld (angeblich) traurig gemacht, was mir auch immer deutlichst gezeigt wurde!
    Meine Mutter beispielsweise schloss sich für Tage in ihrem Zimmer ein und trank eine Flasche Wein, nach der anderen. Meine Oma rief weinend an und beschwerte sich über Herzschmerzen, für die ich ja verantwortlich war.
    Irgendwann habe ich das alles geglaubt und konnte mich selbst nicht mehr ertragen. Ich war so schlecht, dass es eine Qual ist mich zu kennen! Ich fügte den Menschen, die ich am meisten liebe, solche Schmerzen zu, dass sie Beruhigungsmittel nahmen, nur um ertragen zu können, mit mir verwandt zusein.

    Ich fahre demnächst für einige Wochen in den Urlaub und erzählte meine Großmutter davon. Sie sagte daraufhin:" Wenn du wiederkommst, bin ich vielleicht schon tot!"

    Da war es wiedermal! Wenn ich wegfahre, stirbt meine Oma und ich bin schuld!
    Natürlich kann es sein, dass sie stirbt ( obwohl sie sich bester Gedundheit erfreut). Aber wenn es so sein sollte, dann würde sie das auch, wenn ich nicht verreisen würde.
    Niemand kann mir vorschreiben, was ich zu tun, oder zu lassen habe. Niemand muss wegen mir traurig sein! Ich habe nie darum gebeten!
    Ich kann machen was ich will, es liegt alles in meiner Verantwortung und ich muss mich bei niemandem rechtfertigen. Wenn ich mit einer Entscheidung gut leben kann, ist sie richtig!
    Vielleicht klingt das alles ein wenig rücksichtslos, aber genau das ist gut für mich!

    So, oder so ähnlich, habe ich auch gestern in der Gruppe geredet. Und als letzter Satz platzte, " Ich darf auch saufen wenn ich will" heraus.

    Das ich nicht will, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.(':wink:')

    Ich weiß jetzt nicht genau warum ich das alles hier aufgeschrieben habe, aber vielleicht kann ja der ein oder andere atwas damit anfangen.(':roll:')

    VG
    Oliver

  • Darüber haben wir uns auch schonmal in der Gruppe unterhalten.

    Wenn ich sage, "ich darf keinen Alkohol trinken" dann impliziert das Fremdbestimmung. Dahinter steckt ja immer "ich darf keinen Alkohol trinken, weil..."

    ... mein Arzt es mir verbietet.
    ... mich mein Mann sonst verlässt.
    ... ich sonst meinen Arbeitsplatz verliere.

    Ich tue es also nicht für mich, sondern für andere. Ich bin das Opfer fieser Umstände, die mich davon abhalten wollen etwas zu trinken. Und irgendwann zeige ich's diesen fiesen Umständen und trinke mir mal so richtig einen über den Durst, dann können die mal sehen, was sie davon haben.

    Die Wahrheit ist aber nunmal: Ich darf saufen. Niemand kann es mir verbieten. Wenn ich es tue, liegt das in meiner Verantwortung. Aber es liegt genauso in meiner Verantwortung, es nicht zu tun. Ich gebe mir also selbst die Verantwortung für mein Leben (zurück), mit allen Konsequenzen.

    Mh, ich wollte solche Theoretisierungen doch lassen.

    LG
    Plejaden

  • genau plej.

    das ist wie wenn ich saufdruck bekomme und sage:

    hilf mir ich will/darf nicht trinken.

    dann sollte man eher sagen:

    hilf mir ich will saufen.

    Kompromisse bedeuten ein Rückfall riskieren
    (vor dem trink - Rückfall geht ein Verhaltensrückfall vorraus)
    nicht Trinkende seid 04.03.07

  • Hallo Vaan,

    die anderen Teilnehmer der Gruppe sind leider sehr zurückhaltend. Es kam keine Reaktion, was ich sehr schade finde.
    Aber die Therapeutin - die ich auch ansah, während ich sprach- stimmte mir zu und sagte:" Natürlich dürfen sie saufen!" und anschließend das, was Plejaden oben schon schrieb.

    Es macht mich unsicher meine gegenwärtigen Gedanken in der Gruppe zu erzählen, wenn keine Rückmeldungen kommen. Deswegen habe ich es wohl hier auch nochmal aufgeschrieben.

    Ich bin sehr froh das dazu Antworten kommen. Danke

    Viele Grüße
    Oliver

  • Hallo Oliver.

    Hmm also an das mit den Antworten gehe ich relativ streßfrei dran. Solange es keine ´Denkanstöße´ gibt wird im Großen und Ganzen alles in Ordnung sein. So sehe ich das :wink:


    So einige Fehler, die ich im Rahmen alkfreies Umfeld noch mache sind mir sehr wohl bewusst :oops::oops:

    Es wird ja immer gepredigt man solle sich mitteilen innerhalb der Gruppe. Ich denke mal das hast du mit dem Satz gemacht. Wenn dann die anderen nichts sagen teilen die sich halt nicht mit.

  • hallo oliver

    genau das ging mir durch den kopf als bei mir wärend meiner therapie der knoten geplatzt ist. ich darf genau das tun was ich will. ich muß nicht irgend etwas tun um anderen zu gefallen ( was bei ewigen nörglern eh niiiiie gelingt). ich bin ich und ich mache das was ich will. ich muß meinem rasen keinen rechtsscheitel verpassen nur weil alle anderen das tun, ich mache nur dann das was "man" macht wenn es mir in den kram passt. ich bin doch nicht dazu auf der welt um nach anderer leute pfeife zu tanzen.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo Oliver,

    bevor ich trocken wurde, gab es in meinem Leben immer wieder Zeiten, in den ich nicht trank. (Heute weiß ich, dass dies "Trinkpausen" waren)
    In diesen Phasen beherrschte mich immer der Gedanke:
    Ich darf nicht trinken! Im Hinterkopf war dann immer der Nachsatz: ich möchte aber eigentlich!

    Heute ist das anders: auch ich sage mir: ich darf trinken, wenn ich will!
    Ich will aber nicht, und was mir jetzt viel wichtiger ist:
    Ich muss nicht mehr trinken!!! Ich fühle mich jetzt frei. Diese Gefühl genieße ich jeden Tag aufs Neue.

    Ich habe gelernt, mit Situationen klar zu kommen, in denen ich früher getrunken hätte.
    Und: ICH BIN NICHT AUF DER WELT, UM ANDEREN ZU GEFALLEN!

    Ich wünsche dir ein besinnliches Osterfest.
    Sweety

    Es ist keine Schande krank zu sein.
    Es ist aber eine Schande, nichts dagegen zu tun!

  • Hallo Olli,

    ich hab den Thread erst jetzt entdeckt, aber er passt für meine heutige Situation wie der A.... auf den Eimer.
    Ich war heute kurz zum Abendessen bei meinen Eltern, auch mein Bruder mit Frau, Tochter und Schwiegersohn waren da. Das Gespräch kam, durch meinen Bericht über den Alkoholwerbungs-Chat im Forum auf das Thema Alkohol und mein Vater, der vollstes Verständnis für meine Krankheit hat, seit ich alle aufgeklärt habe, sagt doch tatsächlich: "Andy darf aber nie wieder etwas trinken"!
    Ich hab sofort und ein klein wenig beleidigt geantwortet: "NEIN, Andy will nicht"! Da hab ich aber einem verblüfften Vater in die Augen geschaut. Na ja, wir haben das dann ausdiskutiert, den Unterschied zwischen darf und will, und mein Vater meinte zum Schluß: "Man lernt doch nie aus".

    LG, Andy

  • Hi Ottonov,

    ich kann ganz gut nachvollziehen, dass du ein bisschen beleidigt warst. Ich mag es auch nicht wenn jemand für mich antwortet. Gerade, oder ganz besonders, wenn es um unsere Krankheit geht.
    Aber dein Schwiegervater scheint ja einsichtig zu sein, was ihm wiederum hoch anzurechnen ist.

    In meiner Familie, wird über dieses Thema nicht so offen geredet. Höchstens mal unter vier Augen.
    Da muss ich immer aufpassen, dass ich mich nicht wie ein Verbrecher fühle. Dabei saufen die lieben Verwandten auch alle mehr als genug.

    Gruß
    Oliver

  • Servus Sweety 15 !

    Möchte deinen Schlußsatz noch ergänzen:

    ICH BIN NICHT AUF DER WELT, UM ANDEREN ZU GEFALLEN, SONDERN UM MEINEN EIGENEN WEG ZU GEHEN !


    Und meine eigener WEg ist der, dass ich nicht mehr trinken
    will auch wenn ich " saufen dürfte".

    Und keine Situation kein Problem kann nüchtern betrachtet so
    aussichtlos sein als es in [/b]betrunkenem Zustand vernebelt erscheint.

    Lg
    Andreas

    carpe diem

  • Hi Oliver,

    Zitat

    Ich "darf" saufen!

    Ja klar, wer will es mir verbieten ???????

    Für mich ist mein größtes Glück,.........Ich brauche nicht mehr zu saufen !

    Liebe Grüße, Rose

  • Hi Oliver,

    als ich das erste mal in einer realen SHG meine Abstinez mit den Worten '...mir ist schon klar, dass ich nicht mehr trinken darf ...' zu erklären versuchte, sind einige Teilnehmer doch recht deutlich auf mich eingegangen und haben mir erklärt, dass ich selbstverständlich alles darf. Nur mit den Konsequenzen, mit denen muss ich dann halt leben!

    So bin ich ganz schnell von 'ich darf nicht' zu 'ich will nicht' gekommen.

    Liebe Grüße

    J.

    Was ist, ist - was nicht ist, ist möglich! ///// 17.07.07

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