Wie ich mich kennen lernte...

  • Hallo Forumgemeinde


    Ich möchte meine Geschichte aufschreiben, in lockerer Folge. Um meine Anonymität zu wahren, muss ich manche Dinge weglassen oder verfremden, aber ich bemühe mich, alles so realitätsnah wie möglich wiederzugeben- Die Zeit bis zur Therapie werde ich aus der Erinnerung schreiben, die ist nämlich noch relativ frisch und erfreulicherweise vorhanden.

    Es geht los im Mai 2006:

    :arrow:

    Der Tag X war ein Donnerstag.

    Ich saß zuhause und trank Bier.

    Ich war krank geschrieben, weil mein Blutdruck in die Höhe geschnellt war.

    Ich bekam einen Brief von meinem Vorgesetzten, genauer gesagt war´s eine Einladung zu einem Gespräch beim Direktor. Zunächst wunderte mich der seltsame Stil des Schreibens, der so gar nicht zum sonstigen Verhalten des Schreibers passte. In geharnischter Form wurde ich angegriffen. Das gipfelte in der Vermutung, ob ich denn alkoholabhängig sei. Mein Schreck wich schnell einem lauten Lachen: Woher will der das wissen? Ich war doch immer da und habe meine Pflicht und meistens mehr getan!!!

    Ich tat, was ich zu diesem Zeitpunkt am Besten konnte: Saufen. Auch am nächsten Tag.

    Merkwürdigerweise ertappte ich mich dabei, dass ich immer wieder diesen Brief in den Händen hielt und las. Ich weiß nicht mehr wie oft, bestimmt fünfzig Mal. Es war weniger der Inhalt, der geäußerte Verdacht, sondern die völlig erschreckende Art und Weise, WIE er geschrieben war. Irgendwie brutal… Und irgendwann war mir auch klar: DEM kannst Du nix mehr vormachen!- Eine bittere Erkenntnis, die aber noch etwas sacken musste. Denn das hieß ja: MIR auch nicht.

    Am Samstagvormittag war ich dann wieder bei meinem Doc und hab ihm was über den “bösen Brief” vorgejammert. Der Blutdruck hatte sich noch nicht gebessert und wir überlegten, ob ich dieser Einladung überhaupt folgen sollte- war ich doch arbeitsunfähig geschrieben.

    Als ich gegen 10 Uhr wieder nach Hause kam fühlte ich mich schon etwas besser und hatte prompt wieder den Brief in der Hand-

    UND IN DER ANDEREN EINE FLASCHE BIER

    unterwegs...

  • Als ich gegen 10 Uhr wieder nach Hause kam fühlte ich mich schon etwas besser und hatte prompt wieder den Brief in der Hand-

    UND IN DER ANDEREN EINE FLASCHE BIER


    Langsam wurde mir bewusst, was ich da sah: Die letzten Jahre kamen mir ins Gedächtnis: Massenhaft Überstunden, Wochenenden voller Arbeit, immer da, wenn ich gebraucht wurde. Nie raus gegangen oder gefahren. Die Grenzen meines Lebensraumes waren eng gesteckt worden (natürlich von mir!), weil ich doch den Anforderungen gerecht werden musste. Kein Wunder, dass es soweit mit mir gekommen war- das Bier zur Entspannung und zum Einschlafen war doch das einzige, was ich noch hatte! Ich hab doch nie während der Arbeit getrunken. Und immer nur Bier.

    Ich fühlte plötzlich, was ich schon lange wusste: Ich war allein! Schlimmer noch, ich fühlte mich einsam! Aber ich fühlte es, das war mir zwar damals nicht so bewusst, ich musste jedenfalls weinen. Ich war unendlich traurig und zugleich froh, endlich das zu Ende zu denken, was ich jahrelang befürchtet hatte: Es geht nicht mehr ohne Alkohol.

    Es folgten Stunden, auch am nächsten Tag, in denen ich mich im Internet informierte (Unser Forum entdeckte ich erst Monate später ).

    Ein paar wichtige Dinge, die ich dort erfuhr waren z.B.: -Nicht unkontrolliert aufhören, -es kann jeden “erwischen”, egal welcher Herkunft, aus welchem Beruf usw., -es gibt Hilfe.

    Ich habe mich also zunächst auf eine sachliche Ebene begeben, unbewusst, aber wohl richtig. Für den Montag nahm ich mir vor, meinem Hausarzt alles zu erzählen.

    Den Sonntag verbrachte ich damit, viel nachzudenken und mir war schnell klar, dass ich meinem Arbeitgeben gegenüber offen sein wollte. Der Verdacht bestand ohnehin und ich sagte mir, wenn ich ehrlich bin wird´s schon nicht so schlimm.

    Dann meldete sich, auch bestärkt durch meinen fortgeschrittenen Konsum, mein Mitteilungsbedürfnis und ich rief alle meine Freunde und Bekannten an um sie über meine Sauferei zu informieren und dass ich etwas dagegen zu unternehmen gedenke.
    Vielfach schlug mir Verwunderung entgegen, die meisten Kontakte hatte ich ja nur noch übers Telefon gehabt und auf Grund der hohen Toleranz meines Körpers konnte ich mich immer (?) klar artikulieren. Sprüche wie “ach was, du redest Dir was ein”, “so schlimm wird´s wohl nicht sein” bestärkten mich aber mehr in meinem Tun, als das sie mich beruhigten. Ich WOLLTE so nicht mehr weitermachen. Ich wollte meine Umgebung nicht mehr belügen und ich wollte endlich ehrlich sein, MIR gegenüber. Das Verstecken hatte ein Ende!

    Mit dem üblichen Pensum im Körper begab ich mich recht früh zu Bett. Für Freitags bis Sonntags waren das 14 - 16 Flaschen Bier, an den Wochentagen (bzw Abenden) acht. Bei dem Gedanken daran wurde mir erst mal die Flüssigkeitsmenge bewusst, die ich in den letzten Jahren konsumiert hatte.

    MORGEN GEH ICH ZUM DOC

    unterwegs...

  • Mit dem üblichen Pensum im Körper begab ich mich recht früh zu Bett. Für Freitags bis Sonntags waren das 14 - 16 Flaschen Bier, an den Wochentagen (bzw Abenden) acht. Bei dem Gedanken daran wurde mir erst mal die Flüssigkeitsmenge bewusst, die ich in den letzten Jahren konsumiert hatte.

    MORGEN GEH ICH ZUM DOC


    So ging ich am Montagmorgen zu meinem Hausarzt. Die Tatsache, dass er mich schon als Kind behandelt hat und so meinen Lebenslauf und meine Familie gut kannte, beruhigte mich. Ich vertraue ihm.

    Er begann damit, meinen Blutdruck zu messen und die Situation am Arbeitsplatz und das vermeintliche Mobbing zu thematisieren. Ich unterbrach ihn und sagte sinngemäß, dass ich seit “einiger Zeit “ zuviel trinke, und damit Schluss sein müsse. Der ganze Ärger resultiere wohl aus meiner Sauferei und ich wolle nicht mehr.

    Da passierte etwas Unerwartetes: Er stand auf, gab mir die Hand und gratulierte mir zu meinem Entschluss- ich war ziemlich sprachlos, was selten passiert.

    Im Vorzimmer bekam ich eine Überweisung in´s Krankenhaus (zur Entgiftung) und die “Mädels”, die mich ja auch gut kannten machten betretene Miene zur Diagnose. Ich aber fühlte mich unheimlich erleichtert. Ich hatte “es” raus und merkte, es passiert etwas. Ich wusste ja noch nicht was, aber ich fühlte mich … befreit. Das Wort trifft´s am besten. Als ob ich jahrelang in einem Käfig gesessen hätte und endlich den Schlüssel gefunden habe.

    Einmal unterwegs fuhr ich in die Firma und erklärte dem Personalchef, dass der Verdacht des Saufens richtig sei, ich gerade vom Doc käme und in Kürze ins Krankenhaus ginge. Meine Kollegen informierte ich im Anschluss, worauf einer meinte: “Gut, dass Du endlich drüber sprichst”! “Oh”, dachte ich- “die haben wohl was gemerkt”.

    Dann rief ich bei der Suchtberatung an und wurde mit einer freundlichen Dame verbunden, die mir zuhörte. Ich kann mich an ein paar einer Sätze erinnern: “Bei mir ist es nicht so schlimm”, “ich hab nur Bier getrunken”, “nie bei der Arbeit” und die ganzen nassen Ausreden, die viele ja kennen.

    Wir vereinbarten einen Termin und sie gab mir die Telefonnummer von der Entgiftungsstation. Das Wort “Entgiftung” war bis dahin glaube ich noch gar nicht gefallen…

    Ich rief mehrmals an und es war besetzt- ich war erleichtert.- Die Angst vor dem Unbekannten.


    Ich trank meine acht Flaschen Bier und überlegte, was ich noch tun konnte und dann wusste ich, was ich vor dem Krankenhaus machen wollte (ich schreib´s, wie es mir in den Sinn kam):


    ICH MUSS MEINE BUDE TROCKEN LEGEN!

    unterwegs...

  • Hallo Komal

    Da ich bekanntlich nie in der Entgiftung war habe ich an diesen Geschichten ein sehr großes Interesse. Das im Kopf abspeichern dieser Erlebnisse sind bei mir sehr konstanter Bestandteil der Rückfallvorsorge.

    Ich möchte mich also wie bereits Flummi Plejaden und Shadow bitten Deinen Bericht hier fortzusetzen.

    Gruss Vaan

  • Hallo und danke für euere Antworten, aaaber

    ich bitte um etwas Geduld, ich habe kein Manuskript erarbeitet sondern schreib´s vom Kopf in die Tasten.

    Zitat

    in lockerer Folge.

    Aber trotz der nötigen "Änderungen" wg. der Anonymität möchte ich so authentisch wie möglich bleiben.

    Ich bleib dran-

    LG kommal

    unterwegs...

  • Ich trank meine acht Flaschen Bier und überlegte, was ich noch tun konnte und wusste ich, was ich vor dem Krankenhaus machen wollte (ich schreib´s, wie es mir in den Sinn kam):


    ICH MUSS MEINE BUDE TROCKEN LEGEN!


    Dienstag

    Ich hatte gut geschlafen (war ja “im Tran“) und versuchte erneut, mit der Klinik zu telefonieren. Diesmal rief ich die Zentrale an und bekam eine andere Durchwahl- die dritte. Oh Gott, jemand nahm ab…. Aber ich war falsch gelandet und bekam- eine Durchwahl. Ich versuchte die, aber ohne Erfolg.

    Und langsam kam ein ungutes Gefühl auf. Heute Mittag war ja der Termin beim Direktor- die Einladung, die mein Umdenken bewirkt hatte. Nun, unser oberster Boss ist fachlich ein Genie, kann aber im zwischenmenschlichen Bereich recht schnell einen Stimmungswechsel vollziehen- ein Choleriker.

    Ich ging also zum vereinbarten Termin zu meinem Vorgesetzten (dem Briefschreiber) und traf dort auch auf den Abteilungsleiter. Beide begrüßte ich ausgesprochen fröhlich, was diese- wohl angesichts des Gesprächsgrundes- wohl etwas verwunderte. Mich ehrlich gesagt auch, aber ich war in einer dermaßen lockeren Stimmung wie lange nicht mehr. Eine Mischung aus Erleichterung, Freude über meinen “Mut” und sicherlich auch Angst. Weniger vor dem anstehenden Termin sondern mehr vor dem Unbekannten, ja, meiner Zukunft.

    Wir gingen in den Besprechungsraum, nicht ohne vorherigen Kontakt mit einigen Kollegen, die mich augenscheinlich nicht beneideten.

    “Er” kam und begann das Gespräch leise- ganz leise. Ich hatte mir vorgenommen, niemanden zu unterbrechen und hielt mich auch daran.

    Anschließend schilderte ich meine Sicht der Dinge, wie es (ich) zu meiner Sauferei gekommen war. Um´s abzukürzen: Die Anderen, die Arbeit, die ganzen besonderen Umstände (auf die ich hier nicht näher eingehen kann) bzgl. meines Arbeitsplatzes… Zu meiner Überraschung stellte ich während meines Monologes fest, dass es mir gelang, einige Vorwürfe als Argumente für mich zu nutzen. Wohl das Ergebnis der Tatsache, dass ich mal wirklich zugehört hatte.

    Der Boss verlangte anschließend von mir, umgehend Schritte einzuleiten bis… hier schlug mein Abteilungsleiterleiter bis Montag vor… nein, “bis Freitag!” wollte er wissen, was ich zu tun gedenke.

    Ich gab zu Protokoll, dass ich bereits mit einer Beratungsstelle Kontakt hätte, meine Versuche die entsprechende Station in der Klinik zu erreichen bisher aber gescheitert wären.

    “Und sie machen eine Therapie” - Wie ein Peitschenhieb kam dieser Satz, den ich natürlich bejahte (was macht “man” da fragte ich mich innerlich). “Und dann reden sie mal mit Herrn X, bei dem war´s früher ganz schlimm und heute ist er ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft!”

    “Sie haben einen Marathonlauf vor sich” - der nächste Knaller. Ich sagte lapidar. “Ich weiß” und weiß heute, dass ich damals NICHTS wusste.

    Zum Schluss bat ich die Anwesenden um Entschuldigung für die Unruhe, die durch meinen Ausfall entstanden wäre, was gnädig zur Kenntnis genommen wurde.

    Mir war klar, dass der Boss mich auf meinem Arbeitsplatz nicht mehr haben wollte, aber zunächst hatte ich ja andere Sorgen: “Bis Freitag!”

    Dieser Termin machte mir weniger Sorgen, weil ich ja nur noch zwei Tage Zeit hatte, sondern deshalb, weil freitags um 14 Uhr mein Wochenendbesäufnis begann. - Was würde passieren, wenn ich da nichts trinke? Die Frage tauchte übrigens mehrfach in meinem Denken auf: Wie wird das - “ohne”?

    Das Gespräch war beendet und ich sagte den beiden Vorgesetzten zu, sie über alle meine Schritte zu informieren. Anschließend ergaben sich noch einige Gespräche mit Kollegen, die entsprechend neugierig waren, wie´s gelaufen ist. Ich hatte nämlich niemandem verheimlicht, worum es ging.

    Mir war natürlich mulmig zu Mute. Entlassen werden konnte ich nicht, da hatte ich mich erkundigt. Aber was sollte werden?

    Ich versuchte noch mal, jemanden in der Klinik zu erreichen - vergeblich.

    Abends zog ich Bilanz: Noch drei Abende bis Freitag…


    UND ICH HATTE NOCH DREIUNDZWANZIG FLASCHEN BIER!

    unterwegs...

  • Hallo Kommal,

    da haben sie Dich aber ganz mächtig an die Wand gedrängt.
    Muß schon ein unangenehmes Gefühl
    sein so plötzlich als Säufer am Pranger zu stehen.

    Gut finde ich wie ruhig und professionell
    Deine Vorgesetzten gehandelt haben und das Du
    Deinen Kollegen nichts verheimlicht hast. Hut ab!

    Bin auch gespannt wie
    es weiter geht. :wink:

    LG
    Paolo

    Als ich auf einer Kaufhaus-Kundentoilette in meiner eigenen Kotze aufwachte, hätte ich aufhören müssen zu saufen.
    Da war ich gerade mal 20 Jahre alt.
    Es sollten aber noch 30 Jahre vergehen!

  • Abends zog ich Bilanz: Noch drei Abende bis Freitag…


    UND ICH HATTE NOCH DREIUNDZWANZIG FLASCHEN BIER!


    Welche Gedanken hatte ich damals? Naja, mir war klar, das ich nicht einfach aufhören KONNTE. Das hatte ich ja oft genug versucht. Zuletzt immer wieder über eine Reduzierung meiner täglichen Menge von acht Flaschen Bier nach Feierabend. Aber selbst, wenn mir aus bestimmten Gründen nur ein drittel der abendlichen Saufzeit blieb, schaffte ich immer noch sieben.

    Wie würde das sein, da zu sitzen und kein Bier zu saufen? Die Idee, die Zeit mit sinnvollen Tätigkeiten auszufüllen und Grundlegendes in und an meinem Leben zu verändern, ja- wieder zu leben- kam mir da noch nicht.

    Ich fühlte mich andererseits aber zufrieden (heute weiß ich, dass ich “nur” erleichtert war), weil sich ja “etwas” bewegte. Dass ICH das war, merkte ich noch nicht. Aber ich fühlte dieses Alleinsein, das ich immer verdrängt hatte.
    .
    Mein Lügengebäude bröckelte. Ich hatte stets meine Unabhängigkeit, meine Freiheit propagiert. Im Familien- und Bekanntenkreis die Beziehungen gesehen, die gescheitert waren. Das passiert mir nicht; hatte ich mir vorgenommen. Dabei hatte ich nur Angst! Ich war einsam, obwohl ich täglich mit vielen Menschen zu tun hatte. Ich hatte zig Einladungen in den letzten Jahren abgelehnt- “die Arbeit, ich kann nicht, muss noch… (Ausreden hatte ich immer); aus dem Vereinsmenschen und Sportler war ein “einsamer Wolf” geworden. Aber ich hab´s zugelassen. Meine privaten Kontakte “pflegte” ich nur noch übers Telefon. Meistens am Wochenende, wenn ich die ersten Flaschen getrunken hatte. Die Toleranz war so hoch, dass ich nicht lallte oder andere Auffälligkeiten zeigte. (bis auf die Fahne, die ich morgens wohl oft vor mir her trug). Tatsächlich bin ich froh, dass nie “etwas” passiert ist. Ich hätte tot sein können, mein Beruf birgt gewisse Risiken und fordert einen wachen Verstand.

    Aber die ganze Zeit spürte ich auch diese ungewohmte Freude, dass ich jetzt endlich Klarheit hatte- für mich. Und eine gewisse Kontrolle hatte ich mir ja auch auferlegt: Dadurch, dass ich meine Nachbarn, Kollegen und Bekannten informiert hatte, wähnte ich mich ja unter Beobachtung. Diese Informationspolitik war zum einen sicher ein Ausdruck, dass ich mir selbst nicht traute. Andererseits zeigte sie aber eine durchaus positive Wirkung: ICH REDETE. Und ich glaube, ich war einfach nur froh, mich nicht mehr verstecken zu müssen. Es tat mit gut, mir “alles” von der Seele zu reden. Ich hatte viele Gespräche, bekam Zuspruch und winkte ab, wenn gut gemeinte Verharmlosungen formuliert wurden, “sooo schlimm ist es ja nicht”. Interessanterweise erfuhr ich von guten Freunden meiner Eltern, dass mein Vater kurz vor seinem plötzlichen Tod die Befürchtung geäußert hatte, ich könnte nicht mehr “ohne”.

    Mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf, aber ich konnte nachts gut schlafen. Meinen Schlaf hatte ich von jeher schon als Gradmesser für mein Befinden genommen: Hatte ich von der Arbeit geträumt und wurde klatschnass geschwitzt wach, versuchte ich, Urlaub zu bekommen.

    Mittwochmorgen durchforstete ich meine Wohnung nach Alkoholvorräten. Ich wusste, dass ich noch einen kleinen Bestand an Wein und Sekt hatte- Weihnachtsgeschenke der vergangenen Jahre, die ich nie angerührt hatte- ich trank ja “nur Bier”. (In Wahrheit waren es Nothelfer, die dann zum Zug kamen, wenn es mir nach einer tagelangen Sauferei im Urlaub zu schlecht ging, um ein paar Kisten Bier zu kaufen. Das Kofferraumvolumen meiner verschiedenen Autos bezifferte ich übrigens von zwei bis fünf- Bierkastengrößen).

    Ich hatte also noch (geschätzt) sieben Flaschen Wein und drei Flaschen Sekt.

    Und noch fünfzehn Flaschen Bier.

    Ich griff nochmal zum Telefon...


    UND IN DER KLINIK NAHM JEMAND DEN HÖRER AB

    unterwegs...

  • Hallo Kommal,
    ich noch mal.

    8 Flaschen Bier gehörten auch zu meinem
    täglichen Ritual. In der Tat grenzt es an ein
    Wunder das man morgends heile und unbehelligt
    zum Arbeitsplatz kam.

    Ich habe immer darauf geachtet das meine Autos
    tadellos waren, aus Angst mal angehalten zu werden.

    Daran sieht man doch wie das komplette Leben
    auf die Sucht ausgerichtet war...
    innerlich wußte ich das immer,
    habe es aber nach Kräften verdrängt.

    So, jetzt will ich Deinen Thread auch
    nicht weiter "verunstalten"

    Schönes WE
    Paolo

    Als ich auf einer Kaufhaus-Kundentoilette in meiner eigenen Kotze aufwachte, hätte ich aufhören müssen zu saufen.
    Da war ich gerade mal 20 Jahre alt.
    Es sollten aber noch 30 Jahre vergehen!

  • Ich hatte also noch (geschätzt) sieben Flaschen Wein und drei Flaschen Sekt. Und noch fünfzehn Flaschen Bier.

    Dann versuchte ich noch Mal mein Glück…


    UND IN DER KLINIK NAHM JEMAND DEN HÖRER AB

    Herzklopfen. Ich stellte mich vor und erzählte, ich hätte eine Überweisung von meinem Hausarzt und hätte gerne einen Aufnahmetermin. Die freundliche Dame am anderen Ende sagte: “Moment, da kommt gerade eine Schwester” - Ich hatte mit einer Patientin gesprochen!?!?!? Die Schwester gab mir dann die Durchwahl vom Schwesternzimmer und hier kam ich dann weiter: “Sie können gleich morgen kommen.” Herz klopft bis zum Hals… “Da kann ich nicht….” Ich rang in zehntel Sekunden um eine Ausrede… “…ich muss zuerst meine Wohnung trockenlegen”. Das Argument zog natürlich (heute weiß ich wie richtig es war) und sie sagte: “Dann Freitag um 9 Uhr”. Ich sagte zu und die Panik die ich innerlich verspürte (ausgerechnet Freitag, wollte doch noch mal…das Wochenende “genießen“…wie soll das gehen?… ANGST!… und dann nächste Woche in Ruhe…) die Panik wich nach und nach meiner Neugier, was wohl Freitag werden würde, so um 14 Uhr, wenn normalerweise 1/45 geöffnet würde. Das ich das “da” ganz schnell sagen müsste, war mir klar. Denn Angst hatte ich. Ich klärte noch, was ich außer den Papieren mitbringen sollte (“Sportsachen, Turnschuhe reichen notfalls, das Übliche halt. Sie laufen hier nicht im Schlafanzug rum.) und wie ich die Station auf dem Gelände finde. Weiter wurde ich aufgeklärt: Kein Alk und alkhaltige Sachen (Rasierwasser und so…) und in den ersten beiden Tagen die Station nicht verlassen. Erst nach o.k. vom Arzt- aus Sicherheitsgründen. Dauer: Beim ersten Mal (“???“): 10 Tage.

    Auf dem Weg zum Personalbüro traf ich meinen Abteilungsleiter, den ich über den Termin informierte. Er war erfreut über mein schnelles Handeln, wohl auch, weil er die Botschaft ja weitergeben musste.

    Weiter informierte ich die nette Dame von der Beratungsstelle und meinen Wohnungsaufpasser, den ich schon akquiriert hatte. Dort “entsorgte” ich auch meine Wein- und Sektbestände. Das war geschafft.

    Was hatte ich also?
    -Den Aufnahmetermin,
    -den Kontakt zur Beratungsstelle,
    -eine gehörige Portion Angst gepaart mit einer ebenso großen Portion Neugier und…

    -…die Gewissheit, dass mir anschließend (wie bis zu diesem Zeitpunkt auch) dumme Fragen erspart blieben, weil ja ALLE Bescheid wussten wo ich war und warum.

    -Ein geographisches Ziel- die Klinik-, das ich mir auf der Karte nochmals ansah. Das erscheint mir heute lächerlich, weil´s halt nicht weit weg (ca 15 km) liegt und mir die Gegend ja nicht unbekannt war. Also warum sollte ich mein Auto da nicht hinlenken können (dass ich mit dem Wagen kommen durfte hatte ich geklärt). Nur hatte ich ja in den letzten Jahren meine Wirkungsstätte kaum noch verlassen. Und das war ein großes Problem, denn öffentliche Verkehrsmittel konnte ich nicht benutzen, da war ich “blockiert”. Ich wollte also zeitig genug losfahren um Umwege einzukalkulieren.

    Ich erinnere mich, das ich zu diesem Zeitpunkt bereits mehr unterwegs war, als in den letzten Jahren zusammen. Ich fuhr mit dem Fahrrad umher, besucht Bekannte und erzählte, was ich vorhatte, ich war auf dem Weg in die Freiheit, war dabei, selbst errichtete Mauern einzureißen (das war mir alles nicht so bewusst, aber ich fühlte mich ungemein erleichtert- ich FÜHLTE!) Ich hatte meine ganze Garderobe und andere Sachen jahrelang über den Versandhandel gekauft und plötzlich ging ich in richtige Geschäfte. Bei einer Anprobe sagte eine Verkäuferin zu mir: “SIE brauchen doch keine Größe 54, IHNEN passt doch locker eine 52.” Das tat echt gut.

    Abends fasste ich einen Entschluss: Ich hatte noch 15 Flaschen Bier für die verbleibenden zwei Abende. Acht waren die übliche Dosis pro Abend. Ich wollte heute und morgen nur sieben trinken und dann die letzte wegkippen.

    Ich öffnete an diesem Abend also bewusst zu einem späten Zeitpunkt die erste Flasche, um meine geringere Dosis über die Zeit zu bringen bzw. bis zur Schlafenszeit. Ich wollte mit beweisen, dass ich zumindest das kann. Ich hatte auch nur sieben Flaschen kühl gestellt, warm “schmeckte” es ja nicht. Sieben Flaschen für den vorletzten Abend… das war mein Plan.

    Und doch …

    DIE LETZTE FLASCHE DIE ICH TRANK WAR WARM

    unterwegs...

  • He Leute,psst....
    Kommal iss schon inne Nähe,der schreibt bestimmt heut weiter....iss ja auch schon drei Tage her...also Ruhe jetzt,sonst kann er sich nich konzentrieren....

    Think positiv!!!

  • Ich hatte auch nur sieben Flaschen kühl gestellt, warm “schmeckte” es ja nicht. Sieben Flaschen für den vorletzten Abend… das war mein Plan.

    Und doch …

    DIE LETZTE FLASCHE DIE ICH TRANK WAR WARM


    Ich kann mich noch recht gut erinnern, wie ich mich in diesen Tagen fühlte.

    Nein, das stimmt nicht ganz. Tagsüber beschäftigte ich mich. Wie schon erwähnt mit den notwendigen Einkäufen und Vorbereitungen für das Krankenhaus- der Ausdruck “Entgiftung” war bis dahin nicht gefallen. Und ich sprach nach wie vor mit vielen Leuten. Wer mich fragte “wie geht´s?” der bekam “es” zu hören und wer nicht fragte meistens auch. Es tat mir einfach gut, darüber zu reden und ein bisschen stolz war ich auch. Meine Offenheit bewirkte (provozierte?) Zuspruch und Schulterklopfen, hin und wieder auch beschwichtigende Worte die ich nicht gelten ließ.

    Abends aber, zu meiner Saufzeit, die ja noch anhielt, machte ich mir Gedanken. Nasse Gedanken. Was trinke ich, wenn ich nicht mehr trinke???

    Kein Gedanke, wie ich die Zeit danach besser, ja FÜR mich nutzen kann. Das kam später. So schnell wie meine Einsicht an diesem “Briefwochenende” gekommen war, sie war doch noch ein zartes Pflänzchen, das gepflegt werden musste. Zu lang war die Zeit gewesen, in der der Alkohol meinen Tagesablauf, mein Leben bestimmte, ich das zugelassen hatte.

    Ich fühlte eine gewisse Neugier auf das, was da auf mich zukam, einhergehend mit einer Portion Unruhe und Ungewissheit.

    Ich war gespannt…

    ANGESPANNT

    unterwegs...

  • Hallo Kommal,

    auch ich verfolge Deine Geschichte mit Spannung, ich würde so gern verstehen was in so einem Kopf vorgeht..... Net falsch verstehen bitte ich bewundere jeden der sich bemüht da raus zu kommen. Der wichtigste Part, die Akzeptanz ein Problem zu haben ist nämlich da bereits passiert.
    leider ist mein Freund net so weit, wer weiß ob er da jemals hin kommt. Ich hätte es mir gewünscht, aber sieht immer noch mich als sein Problem... weil ich mecker nämlich wenn er so viel trinkt.Er hat bereits seit 13 Jahren keinen Führerschein, mehrere MPU Prüfungen :( aber er hat ganz sicher KEIN PROBLEM sagt er!
    Du hast mir damals bei meinem ersten Versuch im Vorstellungsbereich als erster geantwortet, danke dafür :) Ich steh heut total traurig da, er will ausziehen.... weil da muss er mich net mehr haben.... und meckern wird da sicher keiner mehr. Ich häng immer noch den Gedanken nach, es könnte doch so schön sein, wenn......... BIn Traurig und meine Kids auch, obwohl die beiden sagen mir, Mami dann gibts wenigstens keinen Streit mehr :) Die sind schlauer wahrscheinlich.... IIch kann net loslassen, mein großes Problem!!!!

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