Der "Drei-Jahres-Faden"

  • Hallo zusammen,
    lieber Matthias - sehr aufmerksam von dir *grins* - vielen Dank :)

    Heute beginnt die Kur. Ich habe sowas noch nie gemacht. Nun soll ich fünf Wochen mein Häuschen verlassen und in eine Klinik gehen? Das ist ein ganz merkwürdiges Gefühl. Gestern hab ich zwei große Taschen vollgestopft mit dem, was ich vermeintliche brauche und was nicht. Wahrscheinlich habe ich unnützes Zeug eingepackt und anderes fehlt dann ;)

    Ich habe mir ganz fest vorgenommen, unvoreingenommen in die Kur zu gehen und mitzunehmen, was mir gut tut. Ich weiss auch, daß es den meisten Menschen viel schlechter geht als mir und ich weiss noch mehr, wie dankbar ich eigentlich für die Gelegenheit bin, mal fünf Wochen rauszukommen aus Trott und Gedankenkarussell.

    Also dann los... in einer Stunde fährt der Zug. Ich lasse mich mal überraschen und werde berichten :)

    Danke fürs Lesen.

    Peter

  • Hallo Peter,

    ich wünsch dir alles Gute für deine Kur. Mir fällt es auch schwer, nicht immer zu vergleichen - und zu rechtfertigen, warum ich es nun "verdient" habe, etwas für mich zu tun. Und es mir einfach nur zu gestatten.

    Ich habe deinen drei-Jahres-Faden ganz zu Anfang meiner Forumszeit gelesen und danke dir dafür.

    Viele Grüße
    Thalia

  • Liebe Freunde!

    Vielen Dank Thalia - ich freu mich sehr über deine Worte! Du hast ja auch schon eine Menge geschrieben, an dem ich auch teilhaben darf!

    Meine fünfwöchige Kur ist bereits vorüber, ich habe sie gleich am ersten Tag abgebrochen. Ich musste erstmal verdauen, was ich da am Montag erlebt habe. Auch heute noch hängt es mir nach.

    Diese Kur-Einrichtung verdient den Namen nicht. Hätte ich nur vorher mal in die Bewertungen geschaut! Aber hätte das etwas genützt? Schließlich hat mir die Rentenversicherung diese Klinik zugewiesen und meinen Wunsch nach einer anderen Klinik im Vornherein abgelehnt. Und das habe ich am Montag erlebt:

    Am Empfang keine richtige bzw. freundliche Begrüßung, eher ein Abarbeiten von Gästen.
    Anschließend durfte ich mich zu "den Schwestern" begeben, Olga, Valentina und noch irgendwas, die im dritten Stock eine Art Apotheke verwalteten. "Hallooooo" Was brauchen Sie Medikamente? - Waaaas? Keine Medikamente? Warrrum nieeeecht?" ... Zweimal musste das wiederholt werden, dann hatten sie es kopfschüttelnd begriffen. Dafür wurde ich x-mal darauf hingewiesen, daß der Computer nun heruntergefahren würde, was mir eigentlich ziemlich egal war. "Kapuuuut!".

    Das Zimmer aber war das Schlimmste: am Ende eines Gangs, vor der Tür abgestellte Rollstühle, grau in grau mit schönem Linoleumfussboden, ein Krankenhausbett, kein Bild an der Wand. Wie eine ehemalige Abstellkammer mit Bett und Telefon. "Färrrrnsääähn ies umsooooonst!" krähte mich die blöde Schwester an - als Antwort auf meinen Hinweis, daß ich in diesem Zimmer nicht bleiben werde. Sie rappelte meinen Plan herunter, den ich abzuarbeiten hätte. Dreimal habe ich dieses Spiel mitgemacht und auf meinen wiederholten Satz "In diesem Zimmer bleibe ich nicht." bekam ich ein "jaja" zur Antwort und eine Wiederholung meines Anwendungsplans.

    Mir wurde klar: fünf Wochen in diesem Zimmer und diesem Haus mit diesem Personal, und ich bin reif für eine ganz andere Klinik.
    Leider habe ich mein eigenes Gesicht nicht sehen können, das hätte ich gern erlebt. Gerade die kurzen Augenblicke, in denen man entscheidet, was man nun tut. Es waren nur Sekunden, aber dann war ich soweit, daß ich meine Jacke wieder anzog und mich mit dem Gepäck hinunter zum Empfang machte. Ganz wie im Hotel legte ich dem Schnösel am Tresen den Schlüssel auf selbigen und sagte nur "Zimmer 261 reist ab.".

    Ab dem Punkt war dann Theatervorstellung :) Er wurde furchtbar nervös und bekam keinen Kollegen oder Arzt an sein Telefon ("Kaputt!"), mit dem er meine Abreise absprechen konnte: "Mir ist das vollkommen egal, ob Sie bleiben oder gehen. Aber das muss ein Arzt genehmigen." Am Ende hat es dann die Psychologin genehmigt, die was davon faselte, daß ich ja ein freier Mann sein und tun und lassen könne, was ich wolle. Mein Einwand, daß es für eine psychosomatische Klinik ein ziemlich trostloses Haus sei, hat sie schulterzuckend und mit den Worten begleitet, das sei so in Krankenhäusern.
    Mit dem Taxi bin ich dann zum Bahnhof zurück und wieder nach Hause gefahren. Im Zug hatte ich geradezu ein Gefühl der Befreiung - und nach Bad Homburg fahre ich in diesem Leben sicher nicht mehr :D

    Meine Nachricht an den Versicherungsträger über die nicht angetretene Kur blieb unbeantwortet, ebenso wie eine Beschwerde an die Verwaltung des Hauses. Keine Reaktionen, nichts. Vermutlich hängt es damit zusammen, daß meine Knappschaft dieses Haus selber verwaltet. Keine Ahnung.
    Meine Abreise tut mir bis heute gut. Mir tut diejenigen leid, die dort auf irgendwelchen Zimmern liegen und nicht selbständig abreisen können.

    Während der Rückreise habe ich im Zug nachgedacht, was ich mir selber Gutes tun kann, wie ich meine Gedanken positiv beeinflussen kann - kurz, was ich an mir selber ändern könnte, damit es mir gut geht. Daran arbeite ich immer noch, und wahrscheinlich auch noch länger. Ich denke, daß ist fast genauso gut oder besser, als einen Tag zuviel in einer Klinik, die einen krank machen würde!

    Danke fürs Lesen!!

    Peter

  • glück auf peter

    scheint so, als sei die gleichzeitige an- und abreise zu und von dieser "einrichtung" das beste, was du in diesem jahr für dich gemacht hast :wink:

    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Hallo zusammen,
    hallo Matthias!

    Also wenn das schon das Beste für dieses Jahr war, dann bleibt ja nicht mehr so viel :)
    Ich will mal hoffen, daß mir so eine Erfahrung zukünftig erspart bleibt.

    Was mich mehr beschäftigt ist der Gedanke, daß jemand in so eine "Einrichtung" kommt, der sich nicht wehren kann und der die Verhältnisse hinnehmen muss. Das wäre für mich eine furchtbare Vorstellung.

    Ein Kollege meinte zu meiner Erfahrung von letzter Woche: "Du wärst nicht der Erste, der aus eine schlechten Klinik kränker entlassen wird, als er dort angekommen ist." Das hat mir zu denken gegeben.

    "Da hab´ich ja noch mal Glück gehabt." puh...

    LG Peter

  • Liebe Freunde,

    das muss ich doch noch schnell zum Kapitel "Falsche Kurklinik" loswerden. "Beschweren lohnt sich doch." dachte ich vorhin.

    Heute hatte ich ein ganz gutes Gespräch mit einer Sachbearbeiterin der Rentenversicherung. Meine (zugegeben von Wut geprägte) Beschwerde ist offenbar angekommen. Nun wird dem nachgegangen, und eventuell gibt es dann einen neuen Termin für eine andere Klinik.

    Bis heute früh vor dem Anruf dort hatte ich Angst, daß man mir unter Umständen die Kosten für die nicht angetretene Reha zumindest teilweise in Rechnung stellen könnte. Ich habe ja keine Ahnung von der Materie; etwas mulmig war mir schon.
    Nun aber bin ich ganz zufrieden, daß man mein Anliegen ernst nimmt. Mal sehen, was dabei herauskommt.

    Von vielen Freunden habe ich viele positive Erfahrungen von ihren Aufenthalten in psycho-somatischen Kliniken gehört. Und bei mir geht das so in die Hose? Am letzten Montag, als ich in dem grauenhaften Zimmer stand, in dem ich fünf Wochen leben sollte, habe ich kurz gedacht, ich bin in einer Sendung der Versteckten Kamera. Vielleicht denken einige nun, daß sind alles Luxus-Probleme - aber das ist nicht so. Wenn man sich in so einer Einrichtung schon am ersten Tag schlecht fühlt, dann ist man da falsch. Und der Seele täte das nun gar nicht gut.

    Danke fürs Lesen
    Peter

  • Liebe Freunde!

    Gerade höre ich eine Sendung im Radio. Es geht um Sucht, insbesondere um Alkohol.

    Da berichtet eine ältere Dame von den Erfolgen einer "Therapie", die alkoholkranken Menschen das Kontrollierte Trinken empfiehlt. Sie ist ganz begeistert, weil sich so viel positiv geändert hätte und sie nun mit ca. 200 ml aus dem Flachmann zurechtkomme.

    Ich dachte, ich höre nicht richtig. 200 ml Schnaps, angeboten als Therapie? Das Thema Kontrolliertes Trinken kommt ja immer wieder hoch. Immer wieder von neuen Ergebnissen der Forschung berichtet - ich glaube das nicht. Selbst der Arzt gerade im Radio war skeptisch, sage aber etwas von "unter bestimmten Bedingungen könnte man ...".

    Es hat mich ein wenig aufgeregt. So, das musste ich mal loswerden :)

    Danke füs Lesen!

    Peter

  • Hallo Peter,

    täglich 200ml Schnaps ausm Flachmann...kein Wunder dass die Werte Dame begeistert (und vermutlich ordentlich angeschickert) ist. Dann kommt ja noch der verdauungsfördernde Kräuterschnaps nach dem Essen dazu und das medizinische Nonnenschnäpsken aus der Apotheke,... :D

    Im Ernst, wäre es nicht so traurig könnte man sehr drüber lachen aber gerade für frisch Trockene sind solche Aussagen fatal und öffnen riesige Hintertürchen, vor allem wenn sie auch noch vom “Fachmann“ bestätigt werden.

    Ich könnte mich da auch wahnsinnig drüber aufregen, nach wie vor wird Alkoholismus beschönigt, verharmlost und an den Rand der Gesellschaft angesiedelt, wirkliche Aufklärung ist selten.

    Jetzt aber schnell wieder zurück zur Gelassenheit, das Wichtigste ist, dass wir unseren Weg in die Trockenheit gefunden haben - auch ohne Flachmann Therapie *kopfschüttel*

    LG
    Stine

    Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist dann ist es auch nicht das Ende.

  • Liebe Freunde,

    gerade sehe ich auf den Kalender und denke "Hm.. der 23. Juni.. da war doch was!" und dann fiel mir ein: diese Woche bin ich an irgendeinem dieser Tage 12 Jahre trocken. Juhu! Kann sogar sein, daß es genau der 23. war, ich weiss das nicht mehr genau. Aber es war 2006, das weiss ich genau. Und dann habe ich die Anfänge meines "Drei-Jahres-Fadens" begonnen und Gänsehaut bekommen - wie lange ist das her und wie nah ist es doch. Kaum zu glauben. Na, wie auch immer: es ist ein guter und schöner Grund, mir auf die Schultern zu klopfen, was ich hiermit mache :D

    Es gab in meinem nassen Leben viele Ereignisse, die mich zum Alkohol greifen liessen. Es gab in meinem trockenen Leben aber auch viele Ereignisse, in denen ich Gelegenheit genug hatte - aber ich hatte "vorgebaut". Ich hatte die Tipps der Freunde hier angenommen. Ich habe mir immer vorgestellt: "Wenn mal das und das geschieht - trinken werde ich deshalb nicht!" und so bin ich von Glück zu Unglück und wieder zu Glück gestolpert, wie das eben so geht im Leben. Aber ich habe zu keinem Zeitpunkt wieder trinken wollen und erstrecht habe ich mich zu keinem Zeitpunkt wieder wegmachen wollen. Dazu war das nasse Leben zu schlimm in meiner Erinnerung und in meiner Seele.
    Auch vor einigen Monaten hatte ich ein prägendes Erlebnis, daß mich früher zu einem wochenlangen Absturz geführt hätte.

    Nein, ich will das nicht mehr. Ich will mich weiter meinem Leben stellen, egal, was es bereit hält.
    Schön, daß es Euch gibt, dieses Forum und all seine wertvollen Menschen, die darin mitwirken. Vielen, vielen Dank dafür!

    Danke fürs Lesen!
    Peter

  • hallo Peter,

    herzlichen Glückwunsch zu 12 Jahren Trockenheit. Es ist schön, das du schon einen solch langen trockenen Weg gegangen bist. Davon wünsche ich dir noch viele solcher Jahre.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Liebe Freunde,

    vielen Dank für eure Glückwünsche! Es tut gut, hier sein zu können.

    Für mich war es kein langer Weg, seit ich trocken wurde. Der Weg zur Trockenheit hin war viel länger und schwieriger.
    Manchmal denke ich daran zurück, wie verschämt ich um mich schaute, als ich das erste Mal eine Selbsthilfegruppe besuchte.
    Ich dachte "Nachher erkennt mich jemand!" oder schlimmer gar: "Nachher erkennt jemand, daß ich Alkoholiker bin!" :D
    Solche Gedanken waren kurze Zeit später verschwunden: ich fand Menschen, denen es ähnlich wie mir erging. Viele Geschichten dieser Menschen habe ich aufgesogen; ich fühlte mich unter Menschen, die mich verstanden und die ich verstehen konnte. Das war eine wunderbare Erfahrung. Diese vielen Erfahrungen halfen in ein freies und suchtfreies Leben. Das werde ich nicht vergessen.

    Peter

  • Lieber Petter,

    Du und Deine Geschichte sind der Grund, dass ich mich hier angemeldet habe! Vorher war ich 2 Jahre immer Mal wieder, nasser stiller Mitleser!
    Deine Geschichte hat mich extrem berührt und ich erkannte mich psychisch selbst wieder. Es regte mich an endlich mal in den "Spiegel" zu schauen und zu fragen, wer bin ich, wohin will ich?

    Deine Geschichte hast du mit soviel Ehrlichkeit geschrieben. Ich erkenne da soviel positive Sensibilität, dass mich sehr zum Nachdenken animiert hat und mir bestätigt, ich bin mit meinem Entschluss nie mehr Alkohol trinken zu wollen, auf dem richtigen Weg!

    Danke, dass du das im öffentlichen Bereich geschrieben hast! Ich glaube, damit erreichst Du ganz viele noch nasse Mitleser!

    Ich bin erst 17 Tage abstinent, stecke noch in den Babyschuhen. Und gerade die Geschichten der "alten" Hasen hier, helfen mir unglaublich viel! Die Perspektive auf ein trockenes und somit schönes Leben, aber auch die Hinweise auf die Gefahren die zu einem Rückfall führen können, sind für mich derzeit Gold wert!

    Petter und viele andere hier die schon Jahre hier schreiben, Hut ab! Ihr leistet unglaubliche Arbeit und erreicht wahrscheinlich mehr Menschen als Ihr ahnt!

    Herzlich Kolibri

  • Guten Tag liebe Freunde,

    nun ist schon wieder über ein Jahr vergangen und als mich neulich jemand fragte "Wie lange trinkst du nicht mehr?" musste ich kurz nachdenken, bis ich "Dreizehn Jahre." sagen konnte. Das ist dann immer der Moment des Jahres für mich, in dem mich ein Gefühl von Glück überkommt, ein wunderbares und schönes Gefühl, daß mir Tränen in die Augen treibt und das mir jahrelang, nämlich bis zum letzten Tropfen meines nassen Lebens fast schon unbekannt geworden war.

    Nie habe ich das Gefühl von Freiheit je wieder so stark empfunden, wie unmittelbar nach meinem Einstieg in ein nikotin- und dann alkoholfreies Leben. Dieses Gefühl gab mir diesen unglaublichen Schub und die Kraft, Neues anzugehen, die "Welt" für mich neu zu entdecken.
    Heute bin ich älter und ruhiger, aber die Begeisterung darüber habe ich immer noch. Es war und ist großartig, ich kann es überhaupt nicht hoch genug bewerten.

    Heute möchte ich wieder allen danken, die an meinem Weg aus der Dunkelheit Teil genommen haben; die mich unterstützt haben, die mich ermuntert haben zu schreiben, die mich kritisiert und den Kopf zurechtgerückt haben. Ihr alle habt mir sehr gut getan auf meinem Weg, bis heute.

    Das Jahr 2019 lief bisher nicht so schön. Es sind Freunde und Verwandte gestorben. Mir nahe Menschen haben plötzlich mit schweren Krankheiten zu kämpfen. Ich merke, daß mich Arbeit mehr belastet, als noch vor einem Jahr und weiss nicht, woran das liegt. Aber es gibt auch positives: nach einigem Hin- und Her habe ich von der Berufsgenossenschaft eine Reha genehmigt bekommen. Im letzten Jahr habe ich einen Mann mit meiner Lok überfahren, der sich das Leben nehmen wollte. Dieser Suizid hat mehr Spuren hinterlassen, als ich dachte. Nun gehe ich in eine psychosomatische Klinik und weil ich ja manchmal das eine mit dem anderen verbinden kann, habe ich mir eine Klinik ausgesucht, die sowohl Sucht-Sachen macht, als auch PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung). Mitte Juli geht es in die Alpen. Ich werde viel Zeit haben und natürlich auch schreiben, wie es mir dort ergeht.

    kolibri : Ich entschuldige mich erstmal, daß ich deine Nachricht so lange unbeantwortet ließ! Sie hat mich sehr berührt und ich möchte heute mal nachfragen, wie es dir geht. Bist du über die ersten 17 Tage gut hinaus gekommen? Das würde mich sehr freuen und ich schau mal, wo ich deine Geschichte hier lesen kann :)

    Herzlichst und vielen Dank fürs Lesen!

    Peter

  • hallo Peter,

    ich wünsche dir eine erfolgreiche Reha und hoffe sehr, das dein Trauma dort gut bearbeitet werden kann.
    Das du in deiner Arbeit belastet bist, ist in meinen Augen normal.
    meinem Vater ist ähnliches passiert.


    lg morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Peter,
    es tut mir unendlich leid, daß du wie so viele deiner Kollegen für sowas mißbraucht worden bist. Es macht mich traurig und wütend, daß die Leute so rücksichtslos euch gegenüber sind! Klar sind sie in einer Ausnahmesituation, wenn sie sich dafür entscheiden, aber trotz allem... :evil: :cry:
    Ich wünsche dir einen guten Aufenthalt in der Reha,
    lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo liebe Freunde,

    danke für die netten Worte und Gedanken. Sowas tut einfach gut :)

    Vier Wochen lang war ich wegen meiner PTBS in der Reha in den Alpen. Einer Klinik für Berufskrankheiten mit einer Abteilung für Psychotraumatologie.

    Manchmal, bevor ich dorthin fuhr, dachte ich: "Ach, brauchst das wirklich?".. "Übertreibst du nicht?", gleichzeitig aber hatte ich diese üblen Gedankenkarusselle, wie ich schon weiter oben beschrieben habe. Wie auch immer.. ich fuhr also nach Bayern.

    Überrascht war ich vor allem, wie vielen Menschen es den Symptomen nach ganz ähnlich geht wie mir, auch wenn die meisten ein anderes Ereignis hinter sich haben. Fast allen ging es ähnlich: dünnhäutig, Konzentrationsstörungen, Erschöpfung, Vergesslichkeit. Jemand sagte: "Wenn ich telefoniere und es klingelt an der Tür, bin ich überfordert." ... "Bingo"", dachte ich. Kenn ich doch.. Nur das ich mich nie getraut hätte, so etwas anderen zu sagen, weil mir das doch recht verschroben vorgekommen wäre. Als ich jeden Tag mehr merkte, daß alle Symptome auch auf mich zutrafen wusste ich, daß ich dort richtig bin.

    Es wurden Einzel- und Gruppensitzungen angeboten. Natürlich war und ist es alles andere als einfach, wenn ich wieder und wieder das Erlebte durchkaue. Ob es damit "milder" wird und irgendwann einfach nur ein Teil meines Lebens, über das ich dann souverän seufzen kann "Ach ja, das war auch mal...", weiss ich noch nicht. Das ist aber das Ziel. Ich hoffe, ich komme da hin.

    Die Gruppensitzungen haben mich von Anfang an am meisten interessiert, boten sie doch einen direkten Vergleich zu meinen Selbsthilfe-Gruppen. Aber ach - wie anders doch alles war :) Vor allem, wie viel anstrengender und härter mir die meisten anderen Schicksale erschienen. So haben mir diese Gruppensitzungen deutlich gemacht: 1. es gibt viele verschiedene Arten, Therapien in Gruppen zu gestalten - und 2. es ist die wirkungsvollste Methode, um sich selber einschätzen zu können: "Wo stehe ich?" - "Wie möchte ich, daß es mir geht?".. Es ist so ganz anders, als eine SHG, aber die Möglichkeit der Selbsteinschätzung gilt wohl für alle Gruppentherapien, vermute ich.

    Ein paar Teilnehmer habe ich mehr beobachtet, als andere. Das waren diejenigen, bei denen ich neben dem Trauma noch ein Suchtproblem vermutete. Nach vielen Jahren nüchtern Leben kann man das ja einigermaßen einschätzen und ich lag tatsächlich richtig. Abends habe ich den einen oder anderen Teilnehmer mit flaschenklappernden Tüten getroffen. Anderen sah ich sofort an, was los war und wieder andere suchten nach Geselligkeit in Biergärten. Ich bin aber nicht der Fachmann, der zu beurteilen befugt ist zu sagen: das ist richtig und das ist falsch. Vielleicht kam die Sucht durch das Trauma, vielleicht auch umgekehrt. Und wie und wo setzt man dann an? Alles Fragen, die eher was für Therapeuten sind.

    Als ich vorgestern Abend wieder in meiner Waldhütte in der Eifel war, fiel erstmal nichts an Anspannung ab. Das kam erst am nächsten Tag. Anstrengend war dieser Aufenthalt in der Klinik, anstrengend und richtig. Gleich am nächsten Tag hatte ich ein Gespräch mit einer Psychologin, bei der ich noch sechs Monate lang eine ambulante Traumatherapie mache und hoffe, daß ich dann in einen Zustand von Gelassenheit und "Das-war-einmal" komme.

    Das wichtigste Fazit für mich ist aber: ohne die intensive Arbeit an meinem nüchternen Leben könnte ich das oben Geschriebene alles vergessen - es wäre schlicht nicht existent, denn ich hätte den Vorfall des Suizids als Grund genommen, so viel Alkohol wie möglich in mich zu schütten.
    Das ist gottseidank Geschichte :)

    Danke fürs Lesen!
    Peter

  • Guten Morgen Peter,
    deine Erfahrungen aus der Reha sind sehr berührend. Du hast dich darauf eingelassen, das kann nicht jeder. Hilfe annehmen und darauf vertrauen, daß etwas in einem richtig ist und den Weg kennt, das kann auch nicht jeder zulassen.
    Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß in einem drin alles ständig am Umbauen ist, hin in Richtung Gesundheit - trotz allem. Nur muß man sich darauf einlassen. Eine Art innerer Heilungsweg, sodaß man im beständigen inneren Abgleich ist, wie man vorm Trauma war und wie man danach werden möchte. Ich kann es gerade nicht besser formulieren. Ich habe selber PTBS und bin auf dem Weg.
    Die Traumatherapie kann das Erlebte und Erlittene nicht ungeschehen machen. Aber Trauma kann sich verwandeln. Anfangs ist man in der Opferrolle, jeder Trigger ruft den Film auf. Es heißt ja "Trauma ist, wie wenn es JETZT ist". Aber durch die Arbeit an sich selber kann man nach dem Trauma wieder handlungsfähig werden und die Ereignisse werden zu einem Teil der eigenen Lebensgeschichte.
    Viele Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Guten Morgen Freunde,

    hallo Linde! Danke für deine Antwort auf meinen "PTBS-Bericht" ;) die sich für mich las wie ein schöner, großer Topf Kuchenteig zum ausschlecken, so gut tat mir deine Antwort. Komischer Vergleich, aber das kam gerade so über mich.

    Wo ich schon beim vergleichen bin: mein Wunsch, das Erlebte milder zu empfinden, das hat Ähnlichkeit zu meiner Alkoholsucht.
    Zu Beginn der Trockenheit war ich voll Tatendrang und Aufbruch - das kann man in meinem Thread nachlesen. An das Zurückliegende habe ich damals noch nicht so intensiv gedacht, weil ich das nicht konnte und wollte, denn es hätte mich zu sehr eingenommen.

    Heute schaue ich mit einer gehörigen Portion Lässigkeit auf meinen stolprigen Lebensweg und meine alkoholische Karriere.
    Das es mir irgendwann auch mit der PTBS so geht, daran arbeite ich.

    Danke fürs Lesen!
    Peter

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!