Alkohol - Gesellschaft - Wahnsinn

  • Hallo,

    ich habe das Gefühl, dass Ex-Trinker eine enorme Sensibilität für den Mechanismus des Alkohols in der Gesellschaft und für dessen Auswirkungen entwickelt haben.

    Vielleicht der einzige "Vorteil", jemals exzessiv getrunken zu haben.

    Ich finde es immer wieder erschreckend, wenn ich im Supermarkt in der Schlange stehe und die Einkaufswagen der Leute überfliege.
    2 Flaschen Korn, 7 Flaschen Bier, 2 Flaschen Rotwein, Blick in das Gesicht des Kunden und sofort wissen, was wirklich abgeht. Unsichere Blicke, Saufdruck, Zittern, Scham, Schwitzen, Sklave des Alkohols.

    Betrunkene, stark degenerierte, mit sich selbst redende Menschen in der Straßenbahn in Begleitung einer Kornfalsche, die zwischen den vollgepinkelten Hosenbeinen steht.

    Kleinste Alkoholgerüche, auch wenn sie durch Pfefferminzbonbons kompensiert werden sollen, wahrnehmen, wenn ein angetrunkener Mensch neben einem steht.

    Ich bin traurig und fassungslos, wie eine derartige harte Droge - und ich stelle Alkohol auf die Ebene von Kokain und Heroin - in unserer Gesellschaft akzeptiert, verbreitet, verharmlost und an die Menschen gebracht wird.

    Ich bin fassungslos, wie die großen Alkoholkonzerne darauf abzielen, Kinder und Jugendliche durch Biermixgetränke möglichst früh an die "Alkoholnadel" zu bringen und von der Politik unterstützt werden, die heuchelt, "Alkopops" extrem verteuert, aber derartige Verkaufstrategien verharmlost.

    Ich trinke jetzt seit 2 Monaten nicht mehr und mich widert der gesellschaftliche Umgang und die Perversion bezüglich des Alkohols an.
    Jugendliche, die sich abends eine Flasche Vodka mit Brausepulver einverleiben, dies in deren pubertären Prägungsphase ... Klar, das ist cool, wird ja auch in den Medien in dieser Form vorgelebt.

    In keinem anderen europäischen Land ist Alkohol so billig wie in Deutschland zu erstehen.

    Alkohol zerstört die Menschen physisch und psychisch. Die Konsequenzen sind jeden Tag auf der Straße, in der Stadt, an Supermärkten oder am Arbeitsplat zu erkennen, werden aber verdrängt und als "asoziale Alkoholiker" abgestempelt.

    Doch eines ist gewiss: Es kann jeden treffen.


    Besten Gruß, es musste einfach mal raus.

  • Du wirst auch noch ruhiger und es wird dich kaum noch interessieren, wer wieviel und was im Einkaufswagen hat. Die Erkenntnis, es doch nicht ändern zu können, die kommt noch, nur keine Angst. Ebenso wirst du auch die Biere und Schnäpse nicht mehr zählen, die in Gaststätten gesoffen werden, in die du ab und an mal gehst. Haben wir in unserer Jugen nicht auch ordentlich gesoffen? Dies ist keine Modeerscheinung der heutigen Jugend, früher wurde es nur heimlich gemacht, heute halt öffentlich. Und nicht jeder, der mit 14 stinkbesoffen ist, wird auch später Alkoholiker. Lass die Zeit mal für dich arbeiten und du wirst feststellen, dass es dich nicht mehr *schockiert, was die Leute so saufen. Abgesehen davon, nicht jeder der trinkt ist auch abhängig, jeder der raucht aber sehr wohl. Gruß Ronnie

  • Hallo kwiep,

    ich hatte extra gefragt weil ich mir nicht sicher war was dich stört.

    Für mich stimmt nämlich die Aussage von RonaldB dass

    Zitat

    Du wirst auch noch ruhiger und es wird dich kaum noch interessieren, wer wieviel und was im Einkaufswagen hat.

    Zitat

    Die Erkenntnis, es doch nicht ändern zu können, die kommt noch, nur keine Angst.

    Wenn ich nicht genau wahrnehme was andere im Einkaufswagen haben ändere ich nichts an ihrem Verhalten, das ist richtig.

    Warum soll ich mir aber dauernd den Alk ansehen den sie im Wagen haben, der stört mich doch nur in meiner Trockenheitsarbeit.

    Prävention ist die einzige Möglichkeit, aus meiner Sicht jedenfalls.

    LG Martin

  • Schön Resonanzen, danke.


    Zitat von RonaldB

    Haben wir in unserer Jugen nicht auch ordentlich gesoffen? Dies ist keine Modeerscheinung der heutigen Jugend, früher wurde es nur heimlich gemacht, heute halt öffentlich.

    Klar haben wir das gemacht, und klar wird nicht jeder Jugendliche, der viel trinkt, zum Alkoholiker.

    Prozentual aber steigt die Gefahr und die Gefährdetenquote, da es soetwas wie Koma-Saufen/"Binge-Drinking" früher wirklich nicht in dieser krassen Form gab.

    Ich habe mich ein wenig zu drastisch ausgedrückt, aber wie gesagt, es musste raus. Und momentan bin ich wirklich sehr sensibilisiert.

    --------

    Heute war ich übrigens das erste Mal bei den AAs. 6 Leute, also eine überschaubare Gruppe.
    Ich hätte nicht gedacht, wie intensiv und gut so ein Treffen sein kann. Es kostete viel Überwindung, aber ich habe es nicht bereut.

    Werde dort jetzt öfter hingehen.

    Beste Grüße

  • Hallo, irgendwie stört mich, wenn Leute, so wie wir, vom Saulus zum Paulus werden.
    Jemand, der jahrelang excessiv gesoffen hat, hat in meinen Augen kein Recht, sich zum Moralapostel der Nation aufzuschwingen.
    Immer schön an die eigene Nase fassen und bitte nicht der Alkoholwerbung die Schuld für die eigene Sucht in die Schuhe schieben!
    Gruss Claro

  • Hallo Hoppegarten,

    Ich persönlich habe immer etwas Schwierigkeiten mit Kurzzeittrocknen, die dann so fanatisch gegen den Alkohol, den Konsumenten und so wettern. Habe aus meiner Erfahrung festgestellt, dass das nicht unbedingt die Stabilsten waren.
    In meiner Anfangszeit der Abstinenz hat mein damaliger Lebensgefährte auch die Angewohnheit in Restaurants die Nachbartische zu bewerten dieses - schau mal die trinken bereits ihr zweites Bier – hat mich immer ganz wuschig gemacht.

    Zweifelsohne ist die Entwicklung Alkohol und Jugendliche schlimm und ich finde auch, dass Alkoholwerbung abgeschafft werden sollte, obwohl bei Abschaffung der Tabakwerbung die Raucherzahl sich auch nicht so stark reduzierten wie erhofft, wäre aber schon mal ein Anfang.

    Schau erstmal auf dich, der Blick auf andere Betroffene oder Nichtbetroffene finde ich noch reichlich früh.

    Grüße

    Weißbär

    Liebe Grüße
    Weißbär

  • Hallo Hoppegarten,

    ich schließe mich Weißbär an.

    Du solltest auf dich schauen und auf den Inhalt deines Einkaufswagen konzentrieren und auch aufpassen, dass es bei dir da kein Alkohol drine ist.

    Was die anderen kaufen, wieviel die saufen ist doch nicht dein Problem.

    Kümmere dich erstmal nur um dich selbst!

    Nachdem du dich geretet hast, kannst du die Welt reten.
    Nich umgekehrt.

    LG
    live2008

  • In der Angfangsphase des Trockenwerdens ist eine solche Verhaltensweise typisch und auch verständlich. Das sollte sich mit den Monaten und Jahren aber ändern, ansonsten verzweifelt man und muss einfach scheitern, wenn man bei anderen Menschen auf *Unverständnis* trifft. Wieso sollte Herr Meier und Frau Schmitt denn auf ihr gewohntes und lieb gewonnenes Glas Irgendwas verzichten? Die haben kein Problem damit, also so what? Ich habe ein Problem, das gilt es zu lösen, und das löse ich nicht damit, andere Menschen zu *missionieren*.

    Und weiter @ kwiep
    Das mit dem Rauchen und Trinken hast du wohl nicht richtig verstanden. Kennst einen Raucher der tatsächlich *kontrolliert* Rauchen kann? Leute die kontrolliert trinken können, gibt es millionenfach. Ich will hier nicht sagen, dass Rauchen harmlos ist, Nikotin hat mit das höchste Suchtpotential aller Drogen. Deshalb sehe ich jeden Raucher als abhängig an, JEDEN!

    Gruß Ronnie

  • Aus meiner Sicht ist die einzige Prävention die es für die eigenen Kinder gibt die mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn man selber säuft und raucht und die Kinder sehen, das die Eltern, oder ein Elternteil sich z.B. den Alkohol in Massen reinkippt wird man wohl schlechte Argumente finden den Kindern den Konsum zu verbieten, oder einen gesunden Umgang damit zu vermitteln. Der Papa, oder die Mama trinken ja auch, da kann ja nichts schlechtes daran sein. Nachahmungseffekte. Das gleiche gilt für das rauchen, die rauchen ja auch...
    Das kann man x-beliebig fortführen, die gehen ja auch bei Rot über die Strasse, die haben ja auch die Füße am Tisch, die halten ja auch älteren und gebrechlichen Personen nicht die Tür auf, die lassen ja auch nicht andere zuerst aussteigen etc.
    Am besten mit eigenem besten Beispiel vorangehen, leichter gesagt als getan, bei anderen regt mich das alles schon lange nicht mehr auf, bei den eigenen Kindern kann man aber was in die richtige Richtung bringen bzw. vorleben.
    Tabuisieren werde ich gegenüber meinen Kindern nichts , was den Umgang mit Alkohol und Zigaretten angeht , denn was Tabu ist wird richtig interessant, funktioniert aber nicht wenn man sich 10 – 20 Bier in den Kopf knallt und Zigaretten nur noch frisst, somit versuche ich zukünftig vernünftige Aufklärung zu betreiben. Meine Freundin z.B. trinkt im Monat, wenn es hoch kommt ein bis zwei Gläser Wein und raucht dazu mal eine Zigarette – ich kann das nicht, wie die das macht frage ich mich zwar manchmal, aber sie ist ja auch nicht ich.

    Liebe Grüße
    suburbia

    [i]Just embrace what you've known from the start (c) M.L.Gore[/url]

  • Hallo Hoppegarten,

    willkommen hier im Forum.

    als ich meinen Weg in die Trockenheit gestartet hatte fiel mir auch sehr viel auf was der Alkohol bewirkt und wie die Gesellschaftshaft damit umgeht. Welcher Einkaufswagen voll war und was Nachbars Vorrat machte. Welche Folge das hatte und wie es verharmlost wurde und nach meiner Meinung viel mehr gemacht werden müsste. Was früher gesoffen wurde usw....

    dazu benutzte ich immer gerne die Wörter "man hat" wir haben" uns hat". Das hat so schön von mir abgelenkt und ich brauchte nicht auf mich zu schauen.

    Durch Erfahrungen die mir hier mitgeteilt wurde hatte ich auch mein Denken dahingehend verändert. Ich ersetze erstmal jedes "man" Wir" "Uns"" einfach in ein ICH. Somit war ich bei mir bei meinem Problem und konnte nun genau auf mich schauen. Das war gerade am Anfang ganz wichtig um mich kennen zu lernen und sich auf mich zu konzentrieren.

    Wo meine Knackpunkte sind und wie ich diese angehen konnte. Da veränderte sich auch entscheidend der Blick gegenüber was andere machen. Nimm dir diesen notwendigen Egoismus für deine Trockenheit und baue nach,einer gewissen Stabilität, alles andere darauf auf und ein.

    Ist zwar etwas weg von deinem Thema aber wichtig die Welt mit meinen Augen zu sehen und nicht mit anderen.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Zitat von claro


    Jemand, der jahrelang excessiv gesoffen hat, hat in meinen Augen kein Recht, sich zum Moralapostel der Nation aufzuschwingen.
    Immer schön an die eigene Nase fassen und bitte nicht der Alkoholwerbung die Schuld für die eigene Sucht in die Schuhe schieben!

    und auch Weißbär

    Ich habe meine Aussagen bereits angemessen relativiert und wer vernünftig liest, dem sollte schnell klar werden, dass ich mich keineswegs als "Moralapostel der Nation" sehe beziehungsweise fanatisch gegen den Alkohol und dessen Konsumenten vorgehe.

    Das ist albern, tut mir leid.

    Ich denke, dass eine gewisse egoistische Aggressivität gegen eine Droge, die mich teilweise sehr umgehauen hat, in der Anfangszeit meiner Trockenheit sehr wichtig ist und mir hilft.

    Ich werde niemals andere Menschen schräg anschauen, geschweige denn ansprechen oder verurteilen, weil sie neben mir trinken, 3 Flaschen Korn in ihrem Einkaufswagen haben oder tagsüber nach Alkohol riechen.

    Da ich diese Situation kenne, registriere ich es allerdings momentan sensibler als Menschen, die niemals stark getrunke haben.

    Mehr nicht, und weniger auch nicht.

    Sich Gedanken machen über die Mechanismen der Alkohol-Lobby, der Marketing-Strategien der Alkohol-Konzerne und der Heranführung der Jugend an den Alkohol hat für mich etwas mit einem Entwicklungsprozess zu tun, mit einem Sehen hinter die Fassade und mit Verantwortung.

    Dies, Claro, lasse ich mir durch deine ignorante Argumentation nicht nehmen.

    Und mein Anliegen versteht, wie gesagt jeder, der die Beiträge vernünftig liest.

    Danke kwiep und Hartmut.

    Beste Grüße

  • Hallo Hoppengarten,

    ich selbst bin auch jemand, der sich für die von Dir angesprochenen Themen sehr interessiert und sie gehören für mich auch als Teilbereich zu meinem Gedankengut in Sachen Trockenheit, auch eigener Trockenheit.

    Und dieses Beschäftigen mit den Themen wie Gesellschaft und Alkohol, Jugend/Jugendschutz und Alkohol, Alkoholindustrie, Alkoholwerbung, Lobbyismus, Komasaufen, der Berliner Prozess gegen den Wirt z.B., uvm bedeutet ja überhaupt nicht, dass die eigene Trockenheit dadurch nicht ausreichend berücksichtigt wird.

    Und so lese ich auch Deine Beiträge auch nicht. Dass Du diese in meinen Augen sehr wichtigen Themen anschprichst und Dir Gedanken darüber machst, finde ich gut. Diese Themen werden Teil Deiner Betrachtungen sein. So lese ich Dich.

    Wenn ich mich zum Beispiel mit der Wirkung der Alkoholwerbung auseinandersetze, dann beinhaltet dies nämlich eben auch die Wirkung der Alkoholwerbung auf mich.

    Ich finde die Themen rund um die Rahmenbedingungen, die die Alkoholindustrie hat bzw. die ihr eingeräumt werden, äußerst wichtig und notwendig. Und auch bei den Schäden betrachte ich nicht nur meine eigenen, sondern auch den gesellschaftlichen Schaden durch Alkohol, beispielsweise den der Kinder und Jugendlichen!

    Dass ich mir durch Alkohol letztlich selbst Schaden zugefügt hatte, steht außer Frage. Ich selbst war Hauptbeteiligter.

    Aber das Drumherum ist mir wichtig und betrachtens- und diskussionswürdig. Es sollte kein Tabu sein.

    Liebe Grüße

    zerfreila

  • Hallo zerfeila,

    es ist ja eben die Tatsache, dass man das "System Alkohol" erst beginnt zu erfassen und wahrzunehmen, wenn man selbst nicht mehr in diesem System verankert ist.

    Erst jetzt beginne ich zu verstehen, wie der Alkohol mein Leben gesteuert hat und natürlich stelle ich mir die grundlegenden Fragen, wie es dazu kommen konnte.

    Natürlich bin ich dafür selbst verantwortlich, keine Frage. Zudem schiebe ich die "Schuld" auf Niemanden.

    Wer aber im Rahmen seiner Aufarbeitung nicht einmal darüber nachdenkt, wie der Alkohol in unserer Gesellschaft positioniert ist, wie der Alkohol an die Menschen gebracht wird und wie das Alkohol-Marketing vorgeht, der hat meiner Meinung nach keinen hohen Ansprüche oder denkt einfach nicht sehr weit.

    Nicht ohne Grund sprechen sich Fachleute für eine "Alkoholaufklärung"in Schulen aus.

    Der immer wieder angeführte Verweis auf den Vergleich von Alkohol und Zigaretten ist falsch.

    Zigaretten/Nikotin zerstören die Lunge und kosten Geld, wahrscheinlich auch ein kürzeres Leben. Dennoch funktionieren die Menschen, sie leben.

    Alkohol zerstört den Körper, den Geist, Familien, Existenzen und den Selbstwert. Süchtige Menschen können nicht mehr entsprechend funktionieren. Und das Leben ist kein Leben mehr.

    Dies sind die großen Unterschiede zwischen der mittlerweile verteufelten Droge "Nikotin" und der absolut gesellschaftsfähigen Droge "Alkohol".

    Man sehe sich nur die Bierwerbung bei Fußballspielen an.

    Man sehe sich nur die jungen und schönen Gesichter Bier trinkender Menschen auf Werbebannern an in der Stadt an.

    psychologische Botschaften:

    1. Jungs und Mädels, trinkt, denn nur so könnt ihr Spass und Erfolg haben.

    2. Männer und Frauen, trinkt, denn nur so könnt ihr euch wieder jung fühlen und eure Sorgen vergessen.

    3. Trinkt!, eure Idole machen es soch auch alle.

    Lohnt es sich nicht, einmal über dieses System nachzudenken?

    Auf jeden Fall.

    Dies gehört meiner Meinung nach auch zu einer produktiven Trockenheitsarbeit und hat nichts mit Schuldzuweisungen zu tun.

    Beste Grüße

  • Tja, Hoppegarten, du siehst, du musst deinen Weg weiter gehen, wie dieser aussieht, bestimmst alleine du. Diskutiere, reflektiere, nimm an, lehne ab. Je länger du trocken bist und dich mit deinem Leben beschäftigst, um so mehr Abstand gewinnst du von all dem, was dich fast in den Ruin geführt hätte. Es wird nie enden, wie so treffend hier geschrieben wurde. Wir hatten letztens in meiner SHG das Thema, was eine erfolgreiche Therapie ist, wie sie sein sollte, was ich aus ihr mitnehme usw. usf. Vor langer Zeit hatte ich eine Langzeittherapie von 6 Monaten gemacht, das ist jetzt 28!!!! Jahre her. Aus meiner Sicht war diese Therapie erfolgreich, OBWOHL ich einen Rückfall hatte. Dieser kam nach runden 18 Jahren. Man könnte auch sagen, die Therapie war NICHT erfolgreich, ich HATTE ja einen Rückfall. Was ist nun zutreffender? Erfolg oder Misserfolg? Alleine aus dem Zeitpunkt meiner LZT ist heraus zu lesen, dass ich schon als sehr junger Mensch fürchterlich abhängig war und drauf und darn war meinen 29. Geburtstag nicht mehr zu erleben. Hätte ich keine Therapie gemacht, so wäre ich heute nicht mehr am Leben. Mein letzter Entzug war ein kalter, so etwas möchte ich nie mehr erleben müssen. Warum nach runden 18 Jahren dann ein Rückfall? Die genaue Antwort darauf kann ich dir nicht geben, aber eines steht definitv fest, ich hatte die langen Jahre der Trockenheit kein Stück an mir gearbeitet und schlichtweg vergessen (nimm das Wort Vergessen nicht zu wörtlich), dass ich ein Alkoholiker bin. Vergessen in sofern, dass ich keine SHG oder Ähnliches besuchte, nichts tat, was mir vergegenwärtigte, wie ich mal drauf war. Der Rückfall war so etwas wie *notwendig* geworden, da mein Leben irgendwie in die falsche Richtung lief. Hier kommt dann wieder die in meinen Augen erfolgreiche Therapie ins Spiel, die mir plötzlich wieder gegenwärtig wurde und die Erinnerung daran mir half, wieder einen neuen, trockenen, Anfang zu machen. Nur die tägliche Arbeit an mir selbst hilft mir heute, hoffentlich bis zu meinem natürlichen Tode trocken zu bleiben. Natürlich geht mir vieles gegen den Strich was in Punkto Inganoranz der Öffentlichkeit gegenüber der Volksdroge Alkohol an den Tag gelegt wird, ICH werde es aber nicht ändern können, ICH ändere die Gesellschaft nicht. Das können wir nur gemeinsam indem wir uns öffentlich machen, uns in der Gesellschaft zeigen und denen Mut machen, die es noch nicht heschafft haben, es auch zu versuchen. Wir, meine SHG, gehen nach außen und zeigen uns, besuchen Kliniken und Therapieeinrichtungen. Wir diskutieren auch über die Wirkung der Präsenz des Alkohols in der Öffentlichkeit, kommt man doch kaum an einer Ecke vorbei, an der man nicht mit der Nase darauf gestoßen wird. Nur, ICH entscheide darüber, wie es mich anspricht, oder eben nicht anspricht. Ich lebe auf diesem Erdball und muss ihn so nehmen, wie er ist, auch alls das, was mir nicht passt.
    Und noch eines möchte ich dir sagen, nimm nicht alles persönlich. Es gibt immer Diskrepanzen zwischen Sender und Empfänger. Was ich sage und meine, muss ein anderer noch lange nicht so verstanden haben. Dazu gibt es dann diese Plattform hier, um eben diese *Empfangsstörungen* zu diskurieren.
    Gruß Ronnie

  • Hallo Hoppegarten,


    Zitat

    Wer aber im Rahmen seiner Aufarbeitung nicht einmal darüber nachdenkt, wie der Alkohol in unserer Gesellschaft positioniert ist, wie der Alkohol an die Menschen gebracht wird und wie das Alkohol-Marketing vorgeht, der hat meiner Meinung nach keinen hohen Ansprüche oder denkt einfach nicht sehr weit.

    das ist alles richtig was du sagst ,nur kannst du nicht die Welt retten oder trocken legen. Aber du kannst bei dir anfangen um ein Beispiel zu geben das es nicht notwendig ist den Illusionen nach zu rennen ,welch ein Wundermittel der Alkohol angeblich sei.

    Dieses Thema beschäftigt mich auch noch nach wie vor. Mein Augenmerk war am Anfang jedoch , auf mich zu besinnen und meine Energie in meine Trockenheit zu legen. Somit blieb ich erstmal bei mir.Wenn du mit der Zeit stabiler trockener wirst umso klarer kannst du dich den anderen Dingen intensiver widmen.

    Zitat

    Lohnt es sich nicht, einmal über dieses System nachzudenken?

    Alles zu seiner Zeit. :wink:

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Zitat von RonaldB


    Und noch eines möchte ich dir sagen, nimm nicht alles persönlich. Es gibt immer Diskrepanzen zwischen Sender und Empfänger. Was ich sage und meine, muss ein anderer noch lange nicht so verstanden haben. Dazu gibt es dann diese Plattform hier, um eben diese *Empfangsstörungen* zu diskurieren.
    Gruß Ronnie

    Danke für die Ausführungen. Es wird so sein, dass die gesellschaftliche Situation sich nicht ändern wird.

    Und es ist richtig, dass meine persönliche Entwicklung für mich im Zentrum stehen muss.

    Dennoch finde ich es nicht gut, dass mir ein "Missionieren der Gesellschaft" und "Fanatismus" vorgeworfen wurde, ohne nachzufragen, wie ich es eigentlich meinte.

    Dies persönlich zu nehmen ist aber wirklich falsch.

    Grüße

  • hallo hoppegarten, woher stammt eigentlich dein nickname?
    es klinkt einfach ein wenig naseweis, wenn man nach ein paar wochen nüchternheit die welt retten will. dir fehlt beim anblick anderer einkaufswagen noch ein wichtiges gefühl. der neid. der neid auf normale leute, die sonntags zum guten essen den guten wein schlürfen 8und ihn vorher mit bedacht einkaufen. die ohne schlechtes gewissen ein kühles bier schlürfen. situationen in denen man aufsteht und was anderes macht, weil man sich ablenken muss.
    auf jeden fall hast du eine schöne diskussion ausgelöst, das gefällt mir.
    nichts für ungut, gruss claro

  • Hallo Hoppegarten,

    bin ich dir auf die Füße getreten. Sorry. :D

    War so gemeint wie ich es geschrieben habe. Wenn du es nicht so gemeint hast wie du es geschrieben hast, warum schreibst du es dann?


    Grüße

    Weißbär

    Liebe Grüße
    Weißbär

  • Geben wir dem Hoppegarten einfach die Zeit, die er auf seinem langen Weg noch brauchen wird. Es ist noch kein Trockener vom Himmel gefallen, wissen wir doch, wie lange es dauert, bis man halbwegs seine Gedanken und Gefühle auf der Reihe hat. Anfangs die Euphorie, man hat *es geschafft*, nun nehmen wir uns mal die anderen vor, das kennen wir doch noch von uns selbst.

    Wie Claro es so schön geschieben hat, der Neid, das muss sich entwickeln. Anfangs ist es einfach Missgunst (das ist für mich etwas anderes, als Neid), man gönnt dem anderen einfach nicht sein Glas. Ich kann nicht, dann darf der das auch nicht, so ein Säufer aber auch tztztz...
    Mit der Zeit wird aus dem ich-kann-nicht ein ich-wiil-nicht, bis es ein ich-brauche es-nicht wird, aber das dauert eben. Und bis dahin tritt man eben in einige Fettnäpfchen und lässt mal einen Spruch los, der eben Anfänger ist. Ich erinnere mich auch noch an so einige *Vorträge* die ich gehalten habe, da muss ich nur noch schmunzeln.
    Gruß Ronnie

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!