als Alkoholiker geboren ...

  • Als Alkoholiker geboren …

    Ich habe hier im Forum schon viel über „Ursachen der Sucht“, „individueller Weg“, „Grundbausteine“, etc. gelesen.

    Hier meine Erfahrungen und Gedanken dazu:

    Vor über 21 Jahren habe ich nach einem schlimmen Entzugsdelir aufgehört Alkohol zu trinken. Alkohol getrunken habe ich von meinem 15. bis 31. Lebensjahr. Das etwas mit meinem Alkoholkonsum nicht stimmt, dass habe ich etwa seit meinem 21. Lebensjahr gespürt.

    Nachdem ich angefangen hatte über meinen Alkoholkonsum nachzudenken habe ich dann also noch 10 Jahre gebraucht um aufhören zu können.

    In diesen 10 Jahren war ich in Beratungsstellen und hin und wieder auch in Selbsthilfegruppen (besonders zum Ende hin). Außerdem habe ich vieles über Alkoholismus gelesen.

    Trotz allen Wissens und aller Hilfsangebote hat sich mein Alkoholkonsum stetig gesteigert. Bis zur völligen körperlichen und psychischen Abhängigkeit.

    Selbst wenn mir jemand drei Wochen vor meinem Tiefpunkt gesagt hätte, dass es so kommen wird, dann hätte ich es nicht geglaubt …

    Ich habe offensichtlich diese Erfahrungen des Entzugsdelirs gebraucht um meinen Hochmut wahrzunehmen.
    Während des Delirs hatte ich buchstäblich für einige Tage meinen Verstand verloren. Ich dachte ich wäre jetzt verrückt geworden und dass das jetzt so bleiben würde. Ich befand mich mitten in einem Horrorfilm (die Details lasse ich hier mal weg) ohne das ich den Aus-Knopf drücken konnte.

    Nach diesem Erlebnis habe ich mir gesagt: Jetzt ist Schluss. Ich weiß, dass ich Alkohol nicht kontrolliert trinken kann. Ich bin Alkoholiker.

    Ich stelle mich jetzt dem Leben und alles was damit zusammen hängt ohne Alkohol. Und zwar Tag für Tag. Ich habe noch nie gesagt, dass ich nie wieder Alkohol trinken werde (auch nicht nach schlimmsten Exzessen). Nach all meinen Erfahrungen und nach allem was ich über Alkoholismus weiß, wäre das aus meiner Sicht anmaßend und hochmütig. Ich kann mit meiner Krankheit nur Tag für Tag umgehen.

    Wie mache ich das? Woran orientiere ich mich?

    Zu Beginn meiner Trockenzeit habe ich eine LZT (1989, 6 Monate) gemacht (komme ich noch drauf zurück) und danach verschiedene Selbsthilfegruppen (AA, Guttempler) besucht. Am Besten gefallen haben mir dabei die AA´s. Ich finde das 12-Schritte Programm sehr schlüssig. Leider habe ich keine Gruppe gefunden, bei der ich mich wohl gefühlt habe. Das hatte aber mehr mit der Zusammensetzung der Gruppe als mit dem Programm zu tun. Ich habe nach 5 Jahren suchen nach der geeigneten Gruppe dann keine mehr besucht. Da mir aber der Austausch fehlt und diese ständige einsame Auseinandersetzung mit meiner Krankheit sehr viel Kraft kostet, werde ich mich jetzt auf den Weg machen und mir eine neue Gruppe suchen.
    Der Austausch hier im Forum ist also wieder ein Einstieg in das Gespräch mit anderen Betroffenen. Ich habe in den letzten Monaten meines Hierseins schon eine Menge von Anregungen und Erfahrungen zu lesen bekommen, die mir den Mut geben, wieder mehr in den Kontakt zu gehen.

    In den ersten Jahren meiner SHG-Zeit hat jemand mal in einem Meeting gesagt, dass er als Alkoholiker geboren wurde.

    Ich habe das am Anfang nicht ganz verstanden. Heute verstehe ich es so:

    Es geht nicht um eine irgendwie genetische Vererbung von Alkoholismus. Es geht um die Akzeptanz der Krankheit.

    Es gibt viele Menschen, die unter schlechteren und schlimmeren Bedingungen aufgewachsen sind als ich. Sie können Alkohol kontrolliert trinken.

    Möglicherweise haben sie andere Krankheiten entwickelt, aber Alkohol können sie kontrolliert trinken. Ich kann das nicht.

    Für mich gibt es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Lebensgeschichte und Alkoholismus.

    In vielen LZT´s wird dieser Behandlungsansatz trotzdem gewählt. Ich halte ihn für kontraproduktiv.

    Warum?

    Weil den Patienten/ Klienten suggeriert wird, dass wenn sie nicht alle ihre Gefühls-, Denk- und Verhaltensmuster „bearbeitet“ hätten, dann „müssten“ sie wieder trinken.

    Bei vielen Patienten/ Klienten verwandeln sich dann die Ursachen in Gründe …

    Ich habe das in meiner LZT so erlebt und auch in anderen Kliniken und Beratungsstellen in denen ich zu Beginn der 90er Jahre ca. 5 Jahre gearbeitet habe.

    Für mich ist es konstruktiver zu akzeptieren, dass ich Alkohol nicht kontrolliert trinken kann, unabhängig von meiner Lebensgeschichte oder meiner aktuellen Lebenssituation.

    Ich bin als Alkoholiker geboren.

    Dazu gehört auch, das ich Alkohol in jeder Form (Speisen, Getränke, sogenannte alkoholfreie Biere, etc., Deos, etc.) meide.

    Für mich ist die Einnahme von Alkohol lebensgefährlich!!

    Zufriedene Trockenheit
    Dieser Begriff wurde hier ja auch schon häufiger diskutiert.

    Hier finde ich eine lebensgeschichtliche Auseinandersetzung schon sinnvoll, aber ohne das zu sehr mit dem Begriff „Trockenheit“ in Verbindung zu bringen. Es geht für mich um zufriedenes Leben, unabhängig von meiner Unfähigkeit Alkohol kontrolliert trinken zu können.

    Wie ein zufriedenes Leben aussieht, wie es sich anfühlt, dass ist nun individuell wirklich sehr verschieden.

    Ich lese bei den Co´s häufig folgende Vorstellung heraus: Partnerschaft, Kinder, Job, Haus, Auto …

    Ich kann das gut nachvollziehen. Diese Werte wurden ja von Generation zu Generation weitergegeben und stehen heute gesamtgesellschaftlich immer noch für ein gelungenes Leben.

    Ich habe diese Dinge nie bewusst angestrebt, weil ich früh miterlebt habe, welcher Preis häufig dafür bezahlt wird: Unehrlichkeit, Angst, Kontrolle, Manipulation, etc. Also alles Dinge, die etwas mit Sucht zu tun haben. Man findet sie in allen Lebensbereichen, nicht nur bei Alkoholikern.

    Seit ich trocken bin bemühe ich mich jeden Tag darum „unsüchtig“ zu leben. Der Gegenbegriff lautet glaube ich „nüchtern“.

    Suchtgedächtnis
    Auch dieser Begriff wird immer wieder angesprochen.

    Ja, das habe ich auch. Ein Suchtgedächtnis.

    Jahrelanger exzessiver Alkoholmissbrauch (und wohl auch weniger) prägt sich offensichtlich tief ins Gedächtnis ein.

    Ich mache aber einen Unterschied zwischen lebensgeschichtlich bedingten Gefühlen und alkoholbedingten Bewältigungsversuchen.
    Meine Gefühle, die aus nicht erfüllten und erfüllten Bedürfnissen aus meiner Lebensgeschichte bzw. meiner aktuellen Lebenssituation herrühren, sind das Eine.

    Meine alkoholbedingten Bewältigungen und die daraus resultierenden Erinnerungen und Prägungen sind das Andere.

    Wenn ich akzeptiert und verinnerlicht habe, dass ich Alkohol nicht kontrolliert trinken kann, dann habe ich alle Möglichkeiten mit Gefühlen und Bedürfnissen anders umzugehen.

    Das fällt mir nicht immer leicht und ich habe da auch heute noch kein Patentrezept. Und schon gar keine „schnelle“ Lösung. Da darf jeder sein eigenes Bewältigungskonzept entwickeln …

    Eins scheidet von vornherein aus: Alkohol trinken.

    Ich habe das 15 Jahre lang als Bewältigungsmuster ausgetestet. Jeder weitere Versuch könnte tödlich sein ...


    Zu Beginn habe ich geschrieben: Ich stelle mich jetzt dem Leben.

    Mittlerweile habe ich erkannt, dass das nicht reicht. Mich „nur“ zu stellen. Wenn ich zufriedener werden möchte, dann muss ich mich auch bewegen. Martha würde sagen: Ich darf mich auch bewegen :wink:

    Und noch etwas:
    Nach allem, was ich in den letzten Jahren erlebt, gehört und gelesen habe, sind viele seelischen Erkrankungen darin begründet, dass wir uns selbst nicht ausreichend gern haben.

    Machen wir uns doch auf den Weg uns etwas mehr zu mögen. Mit all unseren Neurosen, Makeln und Defiziten. Und mit all unseren Schätzen, die darin verborgen sind …

    Ich will neurotisch, mit Makeln behaftet und defizitär sein dürfen, ohne das sofort jemand schreit: Vorsicht Rückfall!!

    Lasst mich doch so wie ich bin. Ich bin ein liebenswerter Mensch. Ich bin trockener Alkoholiker.


    Liebe Grüße
    Manfred

  • Hallo Manfred,

    es macht Spaß,bei dir zu lesen.Dein Stil gefällt mir,klare Struktur und eine angenehme Ausdrucksweise.

    Zitat von Manfred


    Und noch etwas:
    Nach allem, was ich in den letzten Jahren erlebt, gehört und gelesen habe, sind viele seelischen Erkrankungen darin begründet, dass wir uns selbst nicht ausreichend gern haben.

    Ich würde sagen,nicht ausreichend lieben.Narzissmus wird in der Psychotherapie oft thematisiert und von vielen Fachleuten als äußerst wichtig beschrieben.

    Ich fand es in meiner LZT schon hilfreich,mal die Dinge aufzubohren,die eventuell ursächlich sein könnten.Letztendlich muss jeder selbst entscheiden,wie er das Wissen
    für sich nutzt.

    Freue mich schon,weiter bei dir zu lesen und hoffe auf einen regen Austausch.

    Gruß von Michael

    Meine Worte klingen hart? Ich darf das.

  • glück auf manfred

    ich bin dir dankbar weil du alles so klar aufgeschrieben hast - ich stimm dir zu - in allen einzelheiten

    Zitat von Manfred

    Ich will neurotisch, mit Makeln behaftet und defizitär sein dürfen
    Ich bin ein liebenswerter Mensch. Ich bin trockener Alkoholiker.

    bleib so und änder dich

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Lieber Karsten, Michael und Matthias,

    vielen Dank für Eure Antworten. :D

    Es ist ja häufig so:

    Erst wenn man eine Antwort bekommt, weiß man was man gesagt/geschrieben hat. :wink:

    Liebe Grüße
    Manfred

  • Hallo Manfred!
    Ich danke Dir sehr für Deine Zeilen!
    Du weißt wirklich, wovon Du redest, Du bist schon so lange trocken. Und ich lese bei Dir nicht den Über-/Hochmut heraus, wie ich ihn häufiger lese.
    Du bist klasse!
    Danke Dir!
    Michi

    never give up

  • Lieber Manfred,

    ich lese natürlich immer was Du schreibst. Ich möchte dann gerne was dazu schreiben, aber oft gibt es dem einfach nichts mehr hinzu zu setzten, was Du schreibst, da ist alles drin :)

    Ich habe mich gefreut über das "ich darf", Karsten wird jetzt wahrscheinlich wieder die Augen verdrehen über unsere Wortspiele ;-). Mal ganz ehrlich , für mich hört es sich wirklich anderes an, wenn ich sage, ich darf jetzt einen neuen Weg gehen oder mich bewegen statt ich muss...... ich erteile mir die Erlaubnis und dann kann das mitunter auch Spass machen, auch wenns manchmal etwas steinig ist, ist ja freiwillig.

    Dir eine gute Nacht, liebe Grüsse Martha

    Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten ...

  • Liebe Martha,

    vielen Dank für Deine freundlichen Worte. :D

    Schön, dass wir wieder mal direkt miteinander "sprechen".

    Zitat

    ich lese natürlich immer was Du schreibst. Ich möchte dann gerne was dazu schreiben, aber oft gibt es dem einfach nichts mehr hinzu zu setzten, was Du schreibst, da ist alles drin

    Das geht mir umgekehrt oft genauso :wink:

    Auch Dir eine gute Nacht und liebe Grüße
    Manfred

  • Hallo Manfred,

    in Deinem Beitrag steckt so viel Wertvolles für mich drin. Danke für Deine Gedanken. Den Text werde ich mir noch öfter durchlesen und mich mit seinem Inhalt und seiner Bedeutung befassen.

    Liebe Grüße, zerfreila

  • Hallo Manfred,

    eine interessante Betrachtungsweise und sehr gute Darstellung. Danke für deinen Beitrag, der mich zum Nachdenken anregt.

    So habe ich das noch nie gesehen, da mag aber durchaus was dran sein.

    Ich konnte noch nie kontrolliert mit Alk umgehen. Ich glaubte das zwar lange Zeit, aber es war nicht so.

    Für mich war es immer Rauschmittel und ich habe getrunken, um mich besser zu fühlen und habe auf diesem Weg versucht mein Grundbedürfnis nach Anerkennung zu befriedigen. Trinken konnte ich eben gut und fand dadurch "Freunde". Ich erinnere mich an unsere Feiern während meiner Schulzeit, da war das schon so. Ich bin schon lange Jahre süchtig, dass weiss ich heute.

    »Entscheide Dich, ob Du leben oder sterben willst ... nur darum geht es« (aus "Die Verurteilten")

  • Hallo zusammen,

    in meinem ersten Beitrag in diesem thread habe ich ja etwas über meine Gedanken und den Umgang mit meinem Suchtgedächtnis geschrieben.

    Jetzt gibt es einen weiteren Begriff, der auch immer wieder auftaucht: Suchtdruck.

    Was ist das eigentlich? Wo kommt er her? Wie wird er ausgelöst? Wie kann ich ihn verhindern/vermeiden?
    Bin ich dem hilflos ausgeliefert?

    Meine Antwort: Es gibt keinen Suchtdruck!

    Suchtdruck ist – nach meiner Erfahrung - der Oberbegriff für: Irgendetwas in mir ist aus der Balance.

    In der Regel ist es ein aufkommendes Gefühl, für das ich (aus welchen Gründen auch immer) noch keine Bewältigungsstrategie gefunden habe. Das gilt für sogenannte negative wie positive Gefühle gleichermaßen.

    Was kann ich also tun?

    1. Ich spüre dem Gefühl nach, welches mir da gerade so zu schaffen macht. Ist es z.B. Wut, Trauer, Einsamkeit oder aber auch Freude oder Glück, die ich nicht annehmen kann.

    2. Ich kann mich auf die Suche machen, was mir bei der Bewältigung helfen könnte: Reden, Schreien, Weinen, Laufen, Entspannungsübungen, Putzen, Basteln ...

    3. Ich kann mich therapeutisch begleiten lassen und herausfinden woher bestimmte Gefühle kommen und wie ich lerne damit besser zurecht zu zu kommen.

    Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Begründung für einen Rückfall sehr schnell und leichtfertig mit „Suchtdruck“ beschrieben wird. Als wenn es einen nicht zu stoppenden Automatismus geben würde, etwa nach folgendem Muster:

    „Mein Gehirn hat sich komplett ausgeschaltet und ich wollte nur noch trinken“

    Also ich glaube nicht, dass sich das Gehirn so komplett ausschaltet, dass da nicht noch Bereiche aktiv wären, die Alternativen aufzeigen könnten …

    Meine Anregung für Alle, die an diese „Komplettausschaltung“ bzw. „Suchtdruck“ glauben:

    Schreibt doch mal auf einen Zettel (den Ihr in Eurer Wohnung aufhängt und/oder bei Euch tragt) folgende Sätze:

    Ich bin trockener Alkoholiker und kann Alkohol nicht kontrolliert trinken.
    Es gibt keinen Suchtdruck. Es gibt Alternativen.
    Diese Sätze sind jeden aktuellen Tag für 24 Stunden gültig.

    Ach ja, wenn ich hier so „schlaue“ Sachen schreibe, dann sind sie in erster Linie an mich selbst gerichtet :wink:

    Ich wünsche Euch allen einen trockenen und möglichst entspannten Tag.

    Liebe Grüße
    Manfred

  • Das gefällt mir sehr, sehr gut Manfred.

    Es gibt immer wieder mal Situationen und Begebenheiten, die unser süchtiges Gehirn direkt mit Trinken assoziiert. War bei mir das Alleinesein in meiner Wohnung und Orte, an denen die Erinnerung an Trinkereignisse wieder wachgerüttelt wurde.
    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass durch Wiederholung der Begebenheiten sich der Suchtdruck mindert. Habe nach 9 trockenen Monaten keine Probleme mehr in der Wohnung. Ich denke zwar schon noch an Alk, schlage dann aber eine Brücke und esse ein Eis, o.ä.
    Ich wende also Alternativen an, auch wenn sie noch so banal sind. Aber es hilft. Danke für deinen Beitrag. :D

    »Entscheide Dich, ob Du leben oder sterben willst ... nur darum geht es« (aus "Die Verurteilten")

  • Hallo Manfred,

    Zitat

    Es gibt keinen Suchtdruck!

    Das beschäftigt mich jetzt aber, auch wenn du den Beitrag an dich gerichtet hast.

    Ich verstehe unter Suchtdruck, Verlangen nach Alkohol das ich am Anfang meiner Trockenheit oft hatte und auch nach Monaten.
    Manche wie ich gelesen habe, haben kein verlangen, manche einwenig und manche starkes Verlangen.
    Ich habe Jahre Lang Alkohol benutzt um meine Probleme zu ertränken und weil ich trinken wollte, als ich süchtig wurde brauchte ich ja keine Gründe, keine Probleme oder sonst was ich habe getrunken weil mein Körper und meine Seele nach Alkohol verlangte da war egal ob ich traurig war oder lustig ob ich alleine war oder auch nicht.
    Gerade am Anfang der Trockenheit wusste ich nicht was bei mir Suchtdruck oder eben Verlangen auslösen kann ob das jetzt der Geruch ist, oder ein Glas der auf dem Tisch steht, ein Ex der betrunken kommt und wann wusste ich auch nicht, da spielt ja denke ich Suchtgedächtnis eine Rolle oder gibt es das auch nicht?

    Ich betreibe deshalb ja auch Risikominimierung wo es nur geht weil ich eben nicht weiß wann sich bei mir Suchtgedächtnis melden kann und der aufkommende Verlangen(für mich dann Suchtdruck) vielleicht so stark wird das ich nicht gegen steuern kann oder die Kraft nicht dazu habe, also beuge ich vor und das musste ich aber erstmal lernen hab ich auch, hier im Forum.
    Ich könnte Sport treiben oder Blumen pflücken, daran glaube ich persönlich aber nicht weil das ist etwas was vergeht aus Gesundheitlichen Gründen kann ich irgendwann vielleicht kein Sport treiben und im Winter keine Blumen pflücken oder ich hab soviel geputzt das ich keine Kraft mehr dazu habe, es gibt einfach zu viele Rückfälle auch nach langen Jahren und auch nach Therapien weil eine Therapie ist ja auch keine Garantie.

    Zitat

    Meine Anregung für Alle, die an diese „Komplettausschaltung“ bzw. „Suchtdruck“ glauben:

    Ich persönlich glaube nicht daran, ich weiß das es Suchtdruck gibt, ich hatte Kraft genug dagegen zu steuern.
    Ob sich bei jemandem Gehirn so abschaltet das er/sie nicht mehr gegen steuern kann mag ich nicht beurteilen weil ich es eben nicht weiß ich sitze ja bei dem jenigem im Gehirn ja nicht drin.
    Meine Gedanken immer, wenn die Sucht so einfach wäre, ich mit Sport oder Putzen oder eben Blumen pflücken sie so zusagen besiegen könnte dann gebe es keine Rückfälle und ich wäre heute eine Sportlerin, Putzfee oder sonnst wer aber das bin ich nicht, ich bin ja Alkoholikerin und das bleib ja auch und das heiß für mich Risikominimierung, Dankbarkeit und Demut.

    Na ja ich weiß jetzt nicht warum ich es geschrieben habe es hat mich halt beschäftigt und es sind ja nur meiner Gedanken.

    LG
    maria

  • Zitat von maria44

    Ich verstehe unter Suchtdruck, Verlangen nach Alkohol das ich am Anfang meiner Trockenheit oft hatte und auch nach Monaten.


    Hallo,

    das ist für mich kein Suchtdruck. Das kenne ich und kann beherrschen, wenn sich mein Suchtgedächtnis meldet und "mal wieder nachfragt" wie es denn so ist - jetzt.
    Suchtdruck wird es für mich erst, wenn es zum fixen Gedanken wird und ich keinen Einfluss mehr darauf habe, praktisch ferngesteuert werde.
    Um dies zu verhindern gibt es die verschiedensten Strategien. Ich habe mich "mit meinem Suchtgedächtnis geeinigt", dass ich es freundlich begrüße, wenn es sich meldet. Dann wende ich mich anderen Dingen zu und komme dadurch gar nicht in ein höheres Stadium. Das verstehe ich unter "mich ergeben".

    Schönen Tag noch

    H.

    Ich bin jetzt erwachsen - Trocken seit 18 Jahren (Mai 2005).

  • Hallo Maria, pfundi und Hans,

    vielen Dank für Eure Antworten.

    @ Maria

    Zitat

    Das beschäftigt mich jetzt aber, auch wenn du den Beitrag an dich gerichtet hast.

    Der Beitrag war schon auch an mich gerichtet, aber ich freue mich immer über Rückmeldungen (hätte ich auch dazu schreiben können :wink:

    Zitat

    Meine Gedanken immer, wenn die Sucht so einfach wäre, ich mit Sport oder Putzen oder eben Blumen pflücken sie so zusagen besiegen könnte dann gebe es keine Rückfälle und ich wäre heute eine Sportlerin, Putzfee oder sonnst wer aber das bin ich nicht, ich bin ja Alkoholikerin und das bleib ja auch und das heiß für mich Risikominimierung, Dankbarkeit und Demut.

    Ich empfinde den Umgang mit mir und meiner Sucht auch nicht immer einfach. Und ich danke Dir, dass Du mich wieder auf die Begriffe „Demut“ und „Dankbarkeit“ hingewiesen hast. Zusammen mit der „Risikominimierung“ sind sie auch für mich von zentraler Bedeutung.

    Mit meinem Beitrag wollte ich vor allem etwas gegen den „Automatismus“ schreiben, der vom Suchtdruck quasi direkt zum Trinken führt.

    Hans hat das in einem anderen Thread m.E. sehr schön beschrieben. In meine Worte übersetzt ungefähr so: Es geht darum, dass ich einen Weg finde mit meiner Sucht zu leben.

    Mir gefällt auch folgender Satz von Hans sehr gut:

    Zitat

    Ich habe mich "mit meinem Suchtgedächtnis geeinigt", dass ich es freundlich begrüße, wenn es sich meldet. Dann wende ich mich anderen Dingen zu und komme dadurch gar nicht in ein höheres Stadium. Das verstehe ich unter "mich ergeben".

    Liebe Grüße und für Hans noch: Schönen Abend noch :wink:
    Manfred

  • Hallo Manfred, HansHa,

    danke, ich verstehe das so, Suchtdruck hatte ich als ich getrunken habe keine Kontrolle mehr hatte, sinkte der Alkoholspiel kamen die Entzugssymptome die ich dann widerrum mit Alkohol linderte.

    Suchtgedächtnis sind Erinnerungen, Gedanken an Alkohol da kann ich wenn ich trocken bin gegensteuern außer das ich trinken will also Willenssache?

    Kann sich überhaupt bei jemandem der trocken ist vielleicht ja auch Jahre Suchtdruck aufbauen so dass der jenige nicht dagegen steuern kann oder ist das ehe nicht möglich?
    Wenn ich vom Alkohol kapituliert habe das Suchtgedächtnis sich doch irgendwann meldet kann ich ja sagen Adieu liebes Suchtgedächtnis ich bin beschäftigt, bräuchte ich theoretisch ja auch kein Risikominimierung weil ich mich ja ergeben habe?
    Rückfälle die ja auch nach Jahren passieren einfach nur Willensschwäche?

    Paar Fragen und meine Gedanken

    LG
    maria

  • Hallo Maria,

    Deine Gedanken und Fragen bringen mich sehr zum Nachdenken. Danke. :D

    Nachdem ich mehr oder weniger vehement gegen den Suchtdruck geschrieben habe, frage ich mich jetzt: Warum?

    Warum beschäftigt mich das im Moment so stark?

    Brauen sich da irgendwo in mir „Trinkgedanken“ zusammen?

    In den ersten Jahren meiner Trockenheit hatte ich ein starkes Abgrenzungsgefühl gegenüber dem Alkohol. Das hatte sicher wesentlich mit meinem horrorhaften Tiefpunkt zu tun. Alkohol trinken war für mich verbunden mit Verelendung und Verrücktwerden. Nach diesem Erlebnis fiel mir die Kapitulation leicht. In schwierigen Zeiten rufe ich mir dieses Erlebnis auch immer wieder vor Augen.

    Aber: Im Laufe der letzten 20 Jahre verblassen die Erinnerungen daran nach und nach. Nicht das sie vollkommen weg sind, aber sie sind nicht mehr so präsent.

    In schwierigen Situationen kapituliere ich daher jedes mal aufs Neue vor dem Alkohol. Insbesondere in Situationen, in denen sich das Suchtgedächtnis meldet.

    Da ich in den letzten 15 Jahren in keiner SHG war, war das also immer ein ziemlich einsamer Kapitulations- und Demutsprozess. Diese eher einsame und kraftraubende Auseinandersetzung mit meiner Alkoholkrankheit hat mich letztlich ja auch dazu veranlasst hier im Forum zu schreiben.

    Unabhängig von meiner Alkoholkrankheit gibt es dann auch noch ein frühkindliches Trauma, das ich jetzt versuche mit einer Therapeutin aufzuarbeiten. Ich möchte einfach mit mir in der Summe nicht mehr so destruktiv umgehen. Dieser destruktive Umgang mit mir, der hat sich auch in meiner Trockenzeit bisher nie ganz gelegt. Ich möchte mich einfach in Zukunft mehr mögen als jetzt.
    Das tückische am Alkohol trinken war für mich, dass es zu Beginn eine entlastende Wirkung hatte und sich dann aber sehr schnell in das Gegenteil verkehrt. Also zerstörerisch wirkte. Für mich ist es Selbstmord auf Raten.

    Wenn ich jetzt also so stark gegen den Suchtdruck argumentiere, dann sage ich in erster Linie mir selbst:
    Bleibe weiterhin wachsam und demütig und suche Dir Unterstützung bei der Bewältigung Deiner destruktiven Gefühle und Gedanken.

    Liebe Grüße
    Manfred

  • Hallo Manfred,

    20 Jahre ist sehr lange Zeit, mich interessieren die tiefen Gedanken die mit Alkohol verbunden sind vor allem nach so vielen Jahren, das heißt am Anfang der Trockenheit (ich bin erst 4 Jahre trocken) hab ich die Motivation, Ziele.
    Die Erlebnisse mit Alkohol die sind noch bei mir präsent zwar auch nicht mehr so stark, wie die erste Zeit aber die sind ja noch da, mein Leben hat sich ja verändert in den Jahren, ich habe alkoholfreies Zu Hause und eigentlich ja auch kein Kontakt zu trinkenden Menschen außer wenn ich jemanden betrunkenen am Kiosk sehe oder irgendwo unterwegs mit den habe ich aber auch keinen direkten Kontakt ich sehe diese Menschen nur. Mein Sohn trinkt kein Alkohol und sonstige Familie ist ja weit weg.
    Ich habe eine Arbeit, ein neues zu Hause, die Ruhe die ich brauche, gesundheitlich geht es mir nicht immer gut aber das sind die Folgen meines vorherigen Lebens und damit lebe ich jetzt.
    Jetzt kommt’s aber, ich habe das Gefühl ich bin stehen geblieben ich weiß ich bin Alkoholkrank und durch unterschiedliche Maßnahmen kann ich vielleicht das Suchtgedächtnis steuern, ich komme mir aber manchmal vor wie ein Roboter, ich gebe hier vielleicht ein Beispiel in einer für mich extremen Situation in der ich keinen Ausweg wusste (in dem Moment) und eigentlich auch keine Kraft mehr hatte einen zu suchen, kamen die Gedanken an Alkohol jetzt trinken und das ganze Elend beenden, das baute sich zu einem inneren Druck auf der immer stärker wurde hätte ich Alkohol zu hause weiß ich nicht ob ich noch heute trocken wäre und das alles nach 4 Jahren, ich konnte noch stand halten aber es hat mir Angst gemacht.
    Es wird so viel vom Kapitulation, vom ergeben, vom Tiefpunkt geschrieben, ich habe eigentlich einen schlimmen Weg hinter mir, will ich nicht noch mal erleben mit den Gesundheitlichen Folgen muss ich heute leben und doch stimmt für mich etwas nicht warum kommen diese Gedanken bei mir?
    Kapitulation, sich ergeben, bedeutet für mich das mein Gehirn mir sagt ich brauche keinen Alkohol mehr und ich brauche ja auch keine Angst zu haben wenn zu Beispiel Alkohol auf dem Tisch steht, oder ich auf eine Partie gehe wo getrunken wird ich gehe ja zum Tanzen(würde ich ehe nicht machen ist ein Beispiel), für mich bedeutet Kapitulation das ich Alkoholikerin bin, ich habe akzeptiert dass ich Alkohol nicht kontrollieren kann und das ist Tatsache dann für mich, und das bleibt für immer so, weil ich ja immer Alkoholikerin bleibe, und doch lese ich zum Beispiel bei dir Manfred das

    Zitat

    In schwierigen Situationen kapituliere ich daher jedes mal aufs Neue vor dem Alkohol. Insbesondere in Situationen, in denen sich das Suchtgedächtnis meldet.

    Ich möchte das verstehen, mich besser verstehen noch etwas lernen mir reichen die 4 Jahre ohne Alkohol nicht.
    Gibt es denn so was wie Kapitulation oder ergeben oder sind das nur leere Worte?

    Ich komme mit so was wie (nicht böse gemeint) mein liebes Suchtgedächtnis begrüßen und ihn dann wegschicken irgendwie nicht klar, los rennen und Sport treiben oder sonnst was dass sind ja nur Momente für mich, das ist für mich so was wie sich über Wasser halten mehr nicht, es macht mich sogar auch irgendwie sauer und gleichzeitig traurig.
    Ich muss in gewissen Situation immer wieder aufs neue Kämpfen auch nach Jahren stimmt das so?

    Tut mir leit wenn ich etwas durcheinander geschrieben habe und nicht grammatisch ich kann leider nicht besser.

    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag
    Lg
    Maria

  • Zitat von maria44

    Suchtgedächtnis sind Erinnerungen, Gedanken an Alkohol da kann ich wenn ich trocken bin gegensteuern außer das ich trinken will also Willenssache?


    Hallo maria44,

    das ist für mich nicht Willenssache (na ja vielleicht ein wenig auch), sondern Teil des Lernprozesses, nachdem ich mein Leben ändere. Genau so wie ich auf ein Fahrrad steige und losfahre, verselbstständigen sich auch die Denkmodelle, wie schon beschrieben. Natürlich sollte man darauf achten, sich nicht zu stark auf diese Abläufe zu verlassen, sondern immer wieder versuchen, auch bewusst damit umzugehen. Die richtige Mischung macht dann das entspannte und zufriedene Leben aus.

    Schönen Tag noch

    H.

    Ich bin jetzt erwachsen - Trocken seit 18 Jahren (Mai 2005).

  • Zitat

    Zitat:
    In schwierigen Situationen kapituliere ich daher jedes mal aufs Neue vor dem Alkohol. Insbesondere in Situationen, in denen sich das Suchtgedächtnis meldet.


    Ich möchte das verstehen, mich besser verstehen noch etwas lernen mir reichen die 4 Jahre ohne Alkohol nicht.
    Gibt es denn so was wie Kapitulation oder ergeben oder sind das nur leere Worte?

    Liebe Maria,

    das mit der Kapitulation kann ich nur für mich beschreiben, wie auch alles Andere, wie ich mit meiner Alkoholkrankheit umgehe.

    Für mich ist das ein sich wiederholender Vorgang, eine Art inneres Ritual. Es hat etwas damit zu tun, dass ich annehme/ akzeptiere, dass es eine höhere Macht gibt als mich selbst.

    Ich bin kein religiöser Mensch und ich weiß auch nicht, ob es Gott oder etwas ähnliches gibt, aber irgendeine größere Macht als ich selbst hat entschieden: In diesem Leben bin ich Alkoholiker.

    Und in der Summe meiner bisher gemachten Lebenserfahrungen bin ich froh, dass ich das erkennen durfte. Es hat für mich auch etwas mit Freiheit zu tun. Ich bin befreit von dem Zwang Alkohol trinken zu müssen. Aber ich habe auch gleichzeitig die Freiheit bekommen, über mich und mein Leben komplett neu nachdenken und nachfühlen zu können.

    Dieses Neudenken, Neufühlen und auch Neuhandeln ist für mich ein fortlaufender Prozess, der mich auch immer wieder in Konfliktsituationen bringt. Mit mir und mit anderen Menschen.

    Aber ich habe jeden Tag die Chance etwas neu zu denken, zu fühlen, zu handeln. Wenn ich Alkohol trinken würde, dann läuft Alles wieder auf den Zwang hinaus, Alkohol trinken zu müssen.

    Vor langer Zeit hörte ich in einer SHG jemand sagen, dass es wohl Menschen gebe, die einmal vor dem Alkohol kapitulieren und dann zufrieden trocken leben könnten. Und das es Menschen geben würde, die immer wieder neu vor dem Alkohol kapitulieren.

    Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Ich jedenfalls zähle mich zu den „Mehrfachkapitulierern“.

    Kann sein, dass es anders wäre, wenn ich in den letzten 15 Jahren eine SHG besucht hätte, aber ich kann nur über das schreiben, wie ich es erlebt habe.

    Das regelmäßige Besuchen einer SHG ist ja auch eine Art Ritual, wobei es da ja sehr unterschiedliche SHG-Ansätze gibt.

    In welche SHG gehst Du denn und gibt es da auch einen „spirituellen Ansatz“ (höhere Macht) ?


    Liebe Grüße
    Manfred

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